Ueber die Hochebene von Bogota. Von Alexander v. Humboldt. Die Andeskette, wie alle großen Gebirgsketten der alten Welt, bietet mehr oder minder ausgedehnte Hochebenen dar. Sie liegen ſtufenweiſe über einander und ſind meiſt durch enge Schluchten (Thäler, welche ſenkrecht die Axe der Gebirge durchſchneiden) verbunden. Dieſe ſehr bekannte Erſcheinung wiederholt ſich im Kleinen ſelbſt am Abhange iſolirt ſtehender Berge. Was aber der Andeskette eigenthümlicher iſt, und ſich in gleichem Maaße nirgends in dem Alten Continent wiederholt, iſt der Umſtand, daß dort große, reiche und wohlbevölkerte Städte in den Hochebenen ſelbſt gegründet ſind, faſt reihenweiſe geordnet, in gleichen Abſtänden vom Aequator, zwiſchen 36° ſüdlicher und eben ſo viel nördlicher Breite, von Chili bis Neu-Mexiko hin. Die Urſache dieſer ſonderbaren Städtegründung muß man ſuchen in der Richtung der früheſten Völkerwanderungen, in der Furcht aller Bergvölker, in die heißen, nahe gelegenen Ebenen hinabzuſteigen, in der Wahl der nährenden Pflanzen, welche ein Gegenſtand des Ackerbaues geworden ſind. Die europäiſchen Anſiedler folgten überall der alten Cultur, ſie haben die eroberten Städte erweitert, doch ſelten ihnen neue Namen gegeben. Wenn man Caracas, Popayan, Mexico, Bogota, Quito, La Paz und Potoſi nennt, ſo reihet man in dieſer Folge Stationen an einander, die ſich ſenkrecht zu Luftſchichten von 2800 bis faſt 13,000 Fuß Höhe über der Meeresfläche erheben, meteorologiſche Warten, gewiß einſt Sitze wiſſenſchaftlicher Cultur, in welchen durch permanente Bewohnung die wichtigſten Aufſchlüſſe über den mittleren Zuſtand der Atmoſphäre, nach Verſchiedenheit der Höhe und geographiſchen Breite, erlangt werden können. Die aſiatiſchen Bergländer zeigen uns höher bewohnte Dorfſchaften und Meierhöfe am nördlichen Abhange des Himalaya, wie in Weſt-Tübet am Küenlun und in dem Plateau von Pamer gegen den Bolor hin, aber keinesweges die Reihe großer Städte, denen ähnlich an Wichtigkeit und Größe, deren wir eben erwähnten. Kaſchmir liegt nach Victor Jacquemont 5000, nach Baron v. Hügel 5400 Fuß hoch; es erreicht alſo noch nicht die unbedeutende Höhe der Stadt Popayan. Der Paß, auf dem der talentvolle Burnes zwiſchen Kabul und Balkh den Hindu-Kho (a stupendous chain of mountains, ſagt er) bei dem alten Bamyan überſchritt, iſt auf dem höchſten Punkte faſt tauſend Fuß niedriger, als das Straßenpflaſter der oberen Stadt Potoſi. Ob Hlaſſa die Höhe von La Paz erreicht, ſcheint mir, nach Temperaturverhältniſſen, überaus zweifelhaft. Die Erkenntniß der wunderbaren Geſtaltung des Neuen Continents hat, ſeit der zweiten Hälfte des ſechzehnten Jahrhunderts, zuerſt alle großen Probleme der phyſiſchen Erdbeſchreibung angeregt; ſie hat auf das unwiderſprechlichſte dieſe Wiſſenſchaft gegründet. Scharfſinnigen Beobachtern, wie dem Geographen von Amaſia, war es freilich nicht entgangen, daß die Abnahme der Temperatur eben ſo ſehr von der Erhebung über der Meeresfläche, als von der geographiſchen Breite eines Ortes abhängt. Er allein im Alterthume ſpricht ſich im Allgemeinen darüber aus. „Gibt es (ſagt Strabo, indem er von den Producten von Aria und Baktriana handelt) dort auch kalte Erdſtriche, ſo darf uns das nicht Wunder nehmen; denn auch in ſüdlicheren Gegenden ſind die Berge kalt, und überhaupt iſt es jeder hohe Boden, wenn er auch eine Ebene iſt.“ An einem anderen Orte fügt derſelbe Geograph hinzu: „Cappadocien, wenn gleich ſüdlicher als Pontos, iſt doch kälter, ja Bagadiana, der allerſüdlichſte Theil und dazu eine völlige Ebene, bringt kaum noch Fruchtbäume hervor.“ Nicht nach Beobachtungen, ſondern aus theoretiſchen Gründen ſchreibt Strabo (und dieſe Stelle iſt ſehr merkwürdig), wie Polybius, die gemäßigte Wärme der unter dem Aequator ſelbſt liegenden Länder ihrer Höhe zu. Der von Herodot geleugneten Schneeberge jenſeits des Wendekreiſes des Krebſes gedenkt zuerſt und allein die Aduliſche Inſchrift. Im Neuen Continent wurde der ewige Schnee der Tropen-Region zuerſt in dem Gebirge von Citarma (Nevados de Santa Marta) geſehen, neun Jahr nach Columbus erſter Entdeckung, und zwar von Rodrigo de Baſtidas. Dieſe Erſcheinung machte großes Aufſehen und Petrus Martyr de Anghicra ahnete ſchon, daß die untere Grenze des ewigen Schnees umgekehrt mit der Breite an Höhe zunehmen müſſe. Er ſpricht davon in einem Briefe an den Sohn des Grafen Tendilla, im December 1513, wie auch in dem, für den Papſt Leo X. geſchriebenen Buche de rebus Oceanicis. „Defluebat, heißt es in letzterem, flumen Gaira ex alto nivali monte, quo altiorem nemo ex ducis Roderici (Bastidae) comitibus ajebat se vidisse unquam. Neque aliter putandum est, si nivibus albescebat in ea regione, quae intra decimum gradum distat ab aequinoctiali linea.“ Für die ſo mangelhafte Geſchichte der phyſiſchen Erdbeſchreibung war es nicht ganz unwichtig, die von mir aufgefundenen zwei älteſten Erwähnungen der Schneeregion zwiſchen den Wendekreiſen, im alten und neuen Welttheile, hier beiläufig zu berühren. Strabo, lib. I. pag. 73. lib. XII. pag. 539. Casaub. Lib. II. pag. 27. Erwieſen in dem Prozeß gegen die Erben des Admirals S. Navarrete, Col. de los Viages T. III. pag. 34 und 592. Oceanica ed. Colon. (1574) Dec. II. lib. 2. p. 140. Dec. III. lib. 3. pag. 258. Anghiera, Opus Epist. (ed. Amstel. 1670.) pag. 291. pag. 532. Die Hochebenen, welche den ſteilen Abfall einer Gebirgskette unterbrechen und den Menſchen die Bewohnbarkeit der Erdfläche gleichſam erweitern, können in ihrer Stufenfolge allerdings dazu beitragen, das ſelbſt für die Refraction in kleinen Winkeln ſo wichtige Geſetz der Wärmeabnahme zu berichtigen, aber man darf nicht vergeſſen, daß alle Hochebenen ihr eigenes Klima haben, daß ſie auf die Abſorption und die Strahlung der empfangenen Wärme anders wirken, als der Abhang einer Kette. Unmittelbare Beobachtungen haben mich gelehrt, daß in Hochebenen von einigen Quadratmeilen Oberfläche die mittlere Jahrestemperatur zwiſchen 1°,5. bis 2°,3. höher iſt, als an dem ununterbrochenen Berggehänge. Ja, in einem und demſelben Plateau ſind die Punkte, welche am Rande liegen, wie Bouſſingault ſehr richtig bemerkt hat, ſchon bisweilen um 1°2, kälter, als die Mitte. Herabſteigende Luftſtröme, welche die Geſtalt des Abhanges und ſeine Stellung zu der Richtung der herrſchenden Winde veranlaſſen, tragen zu dieſem Unterſchiede bei; ſie werden dem Ackerbau ſchädlich, beſonders der Cultur europäiſcher Cerealien und des Mayſes; ja in Hochebenen, die, wie die peruaniſchen Felder um Caxamarca, über 7800 Fuß hoch liegen, wird das Erfrieren durch nächtliche Strahlung des Bodens gegen einen heiteren, dunſtfreien Himmel, durch den Einfluß unbewegter und überaus dünner Luftſchichten vermehrt. Aber außer dieſen allgemeinen, von der abſoluten Höhe abhängenden Verhältniſſen iſt das individuelle, locale Klima der Bergebenen durch ihren Vegetationszuſtand, durch die Geſtalt der umgebenden nächſten Felsmaſſen, ihre Verkettung und Farbe, durch den periodiſchen Gang der Störungen im electriſchen Gleichgewicht der Atmosphäre bedingt. Jene kleinen Tafelländer ſind nicht ſowohl Inſeln im freien Luftmeere, ſie ſind vielmehr Ebenen, die am Fuße mächtiger Felſenwände, gleichſam ſchroffer, mannigfach geformter Vorgebirge, hingeſtreckt liegen. Numeriſche Reſultate der mittleren Tag- und Nachttemperaturen geben, bei dem verwickelten Gange der meteorologiſchen Prozeſſe, allein kein treues Bild der localen Klimate. Auch von der Seite bietet, in der glücklichen Tropenzone, die kleinſte Raumfläche die höchſtmöglichſte Mannigfaltigkeit von Naturerſcheinungen dar, ſey es in den meteoriſch vorübergehenden, oder in den durch innere Entwickelung ſich ewig erneuernden des organiſchen Lebens. Mem. d’Arceuil T. III. pag. 592 und meine Fragmens asiatiques T. III. pag. 525 — 529. In dieſem Aufſatze ſind alle Temperaturangaben nach dem hunderttheiligen Thermometer, alle Fuße in altem Pariſer Maaße. Die Meilen ſind geographiſche, deren 15 auf einen Aequatorialgrad gehen. Nach dieſen allgemeinen Betrachtungen will ich bei einer einzelnen Hochebene von mittlerer Höhe verweilen, und aus meinem noch ungedruckten Tagebuche einiges über die Bewohnbarkeit, die Vegetation und die geognoſtiſchen Schichtungsverhältniſſe derſelben zuſammenſtellen. Das Plateau, Llanura de Bogota, nach den alten Mythen der Ureinwohner der Boden eines ausgetrockneten Sees Funzha, liegt 8130 Fuß über dem Meeresſpiegel. Es bietet in ſeiner ganz ſöligen, etwa 15 — 18 geographiſche Quadratmeilen großen Fläche, vier merkwürdige Phänomene dar: den prachtvollen Waſſerfall des Tequendama, der von der Region immer grüner Eichen in eine Kluft ſtürzet, zu welcher baumartige Farren und Palmen bis an den Fuß der Cataracte hinaufgeſtiegen ſind; ein mit Maſtodontenknochen überfülltes Rieſenfeld, Campo de Gigantes; Steinkohlenflötze und mächtige Steinſalzſchichten. Das Vorkommen der beiden letztgenannten Formationen erregt um ſo mehr Verwunderung, als ſie eine Höhe erreichen, ohngefähr der gleich, welche man erhält, wenn man unſeren Brocken auf den Gipfel der Schneekoppe thürmet. Aus dem mit der herrlichſten Tropenvegetation geſchmückten Thale des großen Magdalenaſtroms gelangt man, den zahlloſen Crocodilen (Caymanes) und, was mehr noch erfreut, dem dichten Schwarm der Mosquitos entkommend , in zwei Tagen, aus der Tierra caliente in die Tierra fria der Hochebene von Bogota. Man verläßt ein Klima von 27°,7 mittlerer Temperatur, und ſteigt in eine Zone von 14°,5. Der Weg war bis 1816 faſt ein bloßer Waſſerriß, eine Kluft, in der bisweilen nicht zwei Maulthiere ſich begegnen konnten, und doch führte derſelbe nach der Hauptſtadt des Landes, deren Bevölkerung achtundzwanzig bis dreißigtauſend Einwohner iſt. Als die Spanier wieder auf einige Zeit in den Beſitz von Neu-Granada kamen, ließen ſie, um die militäriſche Communication zu erleichtern, und in Folge einer grauſamen politiſchen Reaction, den Weg von Honda nach Bogota durch Sträflinge aus der republicaniſchen Partei erweitern und ausbeſſern. Er gewann ſeitdem eine andere Geſtalt. Auf dieſe Weiſe entſtand ſchnell, während eines blutigen Bürgerkrieges, was die Vicekönige in faſt dreihundertjährigem friedlichem Beſitze nicht hätten unternehmen wollen. Das Städtchen Honda, bei dem die Flußfahrt endet, wenn man von Carthagena de Indias oder von Santa Marta nach Bogota reiſet, liegt am Zuſammenfluſſe des Rio Guali, der zugleich Granit- und Trachytgeſchiebe führt, mit dem Rio Magdalena. Bouſſingault gibt dem Städtchen, deſſen Einwohner durch Kröpfe verunſtaltet ſind, nach mittleren Barometerſtänden eine Höhe von 636 Fuß über dem Meere; danach hätte die Magdalena in der Vorausſetzung eines Laufes von 125 geographiſchen Meilen (mit d’Anville ¼ auf die Krümmungen gerechnet) 5 Fuß Gefälle auf die Meile. Durch die beiden anmuthigen und temperirten Thäler von Guaduas und Villcta, von denen, ſonderbar genug, das entferntere, ſüdöſtlichere das tiefere iſt, ſteigt man von Mave ununterbrochen durch einen dichten Wald zur Hochebene auf. Anfangs erſcheinen, etwa von einer unteren Grenze von 4200 Fuß Höhe an, einzelne Stämme von Cinchona (Bäume von Fieberrinde), ſpäter zwiſchen dem Acerradero und Roble findet man die ſchönen dunkeln Gebüſche der Neu-Granadiſchen Eiche. Bei dem Dorfe Facatativa tritt man in das Plateau, eine cultivirte, faſt baumloſe, unabſehbare Ebene, in welcher Chenopodium Quinoa, Kartoffeln und Waizen (dieſer fünfzehn bis zwanzigfältiges Korn gebend) ſorgſam angebaut werden. Einzelne niedrige Hügel, wie der Cerro de Suba und Cerro de Facatativa, ſtehen als Inſeln zerſtreut auf dem alten Seeboden. Bis zur Hauptſtadt hat man volle vier Meilen. Die Mitte der Hochebene iſt etwas geſenkt und ſumpfig. Hier liegt das Dorf Funzha, unter der ſpaniſchen Herrſchaft einſt Bogota genannt, ein Dorf, das vor der Conquiſta der Hauptſitz der alten Muyscas war. Seit der Revolution und Unabhängigkeit von Neu-Granada oder Cundinamarca hat man die geographiſchen Benennungen geändert. Der Name des Dorfes Bogota iſt auf die Hauptſtadt übergegangen, die von ihrem erſten Gründer Gonzalo Ximenez de Quesada (weil er aus Santa Fe in der ſchönen Vega de Granada gebürtig war) Santa Fe de Bogota genannt wurde. In der neuen Ordnung der Dinge wollte man, wie bei allen Colonial-Revolutionen, die Erinnerung an das Mutterland vertilgen. Das Gebiet durfte nicht mehr Neu-Granada, die Hauptſtadt nicht mehr Santa Fe heißen. Dem Lande wurde der indiſche Namen Cundinamarca gegeben, ich glaube nicht ſehr ſprachrichtig, denn der älteſte Name unter der Herrſchaft des Zaque war Cundirumarca. Ich folge der neuen, jetzt allgemein angenommenen geographiſchen Nomenclatur. Die Stadt Bogota, von Alleen rieſenmäßiger Daturen umgeben, liegt dicht an einer faſt ſenkrecht abgeſtürzten Felswand. Ueber der Stadt hängen an derſelben Felswand, faſt in 2000 Fuß Höhe, neſterartig zwei Kapellen, Monſerrate und Guadalupe, die ich beſtiegen, um ſie barometriſch zu meſſen, und von denen man eine herrliche Ausſicht auf die ganze Gebirgsebene und die Schneeberge der gegenüberliegenden mittleren Andeskette (der von Quindiu) genießt. In Südweſten ſieht man faſt ununterbrochen eine Dampfſäule aufſteigen. Sie bezeichnet den Punkt, wo der ungeheure Waſſerfall des Tequendama liegt. Der Charakter der ganzen Landſchaft iſt großartig, aber melancholiſch und öde. Der Anblick jener in den ewigen Schnee reichenden Kette erinnert recht lebhaft daran, wie Berggipfel, auch wenn ſie unter den kleinſten Winkeln am Horizont erſcheinen, dennoch einen majeſtätiſchen Eindruck hervorbringen. Was über dem nahen Waldgebirge emporragt, jenſeits des Magdalenathales, in 21 Meilen Entfernung, iſt im Weſten der abgeſtumpfte Kegel des Vulkans von Tolima, der nach meiner bei Ibague ausgeführten trigonometriſchen Meſſung faſt 17200 Fuß hoch und daher wohl der höchſte Berg des Neuen Continents nördlich vom Aequator iſt. Weiterhin, auf den Tolima folgend, erkennt man gegen W. N. W. zuerſt eine Reihe von drei kleineren Bergkuppen, dann eine Meſa, das heißt einen langgedehnten dachförmig abfallenden Rücken. Die untere Schneegrenze erſcheint, wie immer in ſolcher Ferne, ohne alle Ungleichheit, in horizontaler Richtung, rein abgeſchnitten. Sie berührt kaum die Gipfel der drei kaſtellartigen Kuppen; nur die Meſa iſt, wie der Kegelberg, von einem großen weit leuchtenden Schneemantel umgeben. In Bogota nennt man jene Kuppen Paramo de Ruiz, die lange Mauer Meſa oder Paramo de Erve, auch Herveo. Ueber die Richtigkeit der letzteren Benennung iſt aber, bei Gelegenheit eines neuen vulkaniſchen Ausbruchs im Paramo de Ruiz, ein noch ungeſchlichteter Streit entſtanden. Tolima iſt nach dem Cotopaxi der ſchönſte, regelmäßigſt geformte Kegelberg, den ich unter allen Vulkanen geſehen. Die Schneedecke umhüllt alle Unebenheiten des Abhanges; Roulin hat das Verdienſt, in einem Manuſcripte des Padre Simon die Beſchreibung einer Eruption des Tolima vom 12. März 1595 aufgefunden zu haben; ich ſage das Verdienſt, denn nördlich vom Vulkan Purace bei Popayan (Breite 2° 17′) war bisher, in der ganzen Andeskette bis nach Coſta Rica und Nicaragua hin, kein einziger, in hiſtoriſchen Zeiten thätiger Vulkan bekannt. Die Entfernung vom Tolima bis Purace iſt 40 geographiſche Meilen. Beide Trachytberge gehören zu derſelben Kette, nämlich zu der mittleren Cordillere. Solche Betrachtungen geben einem Schneeberge, der am Horizonte aufſteigt, ein eigenes Intereſſe, und nach dem großartigen Eindruck, den man empfangen, traut man anfangs kaum ſeinen Inſtrumenten, wenn man ſieht, daß der Gipfel der Pyramide von Tolima in dem oberen Theile der Stadt Bogota, ohne Correction für Strahlenbrechung, nur unter einem Höhenwinkel von 32 Minuten über dem Horizont erſcheint. Ausbruch von 1828, geſehen von den Höhen des Raizal bei Guadnas, wie auch zu Marmato, weſtlich von Rio Cauca. S. meine Fragmens asiatiques. T. 1. p. 157 und II. p. 602. Ein genauer Beobachter, Herr Carl Degenhardt, der erſt im vorigen Jahre den Bergwerks-Diſtrikt von Marmato verlaſſen hat, verſicherte mich, daß noch jetzt Rauchſäulen aufſteigen. Die Schnelligkeit, mit der ſo oft auf der hohen Ebene, ohne alle Veränderung in der Richtung des Windes, wohl durch ſenkrechte Luftſtröme und durch Wechſel in der electriſchen Spannung der Atmoſphäre, dichte Nebel (Paramitos) auf die größte Heiterkeit plötzlich folgen, macht dort trigonometriſche Meſſungen und aſtronomiſche Beobachtungen ſehr unbequem. Oft iſt man in einer Stunde mehrmals in dieſe Nebel gehüllt. Auch iſt der Anblick der Zahlen, welche die mittlere Temperaturverhältniſſe ausdrücken, dort erfreulicher als der Lebensgenuß, den man von dem ſogenannten ewigen Frühlingsklima, das heißt von der Geſammtheit der Modificationen des Luftkreiſes in den hohen Ebenen der Tropen empfängt. Die mittlere Jahreswärme von Bogota iſt 14°,5; alſo 3° kälter als in Popayan und ſelbſt [Formel] Grad kälter als in Quito. Das letztere Verhältniß iſt ſehr auffallend, denn Bogota liegt zwar 2556 Fuß höher als Popayan, aber noch 850 Fuß niedriger als Quito. Iſt es nur die geſchütztere Lage in einem engen Thale am Fuß des Vulkans von Pichincha, welche der Stadt Quito (trotz ihrer Höhe) ein minder kaltes Klima gibt? Auffallend ſcheint es freilich, daß Bouſſingault, welcher die mittlere Luftwärme unter den Tropen ſehr ſcharfſinnig nach der Bodentemperatur in ſehr geringer Tiefe mißt, für Quito, Riobamba und Lactacunga ſtatt 14° oder 13°,5 zwiſchen 15°,2 und 16°,4 findet. Ueberall ſteht man hier über dem großen vulkaniſchen Herde der Provinz Quito, aber bei der geringen und langſamen Durchwärmung mächtiger Geſteinslagen und bei dem Gleichgewichte, welches in langen Perioden die Ausſtrahlung herzuſtellen ſtrebt, wagt man kaum dieſe höhere Temperatur von Quito den innern Erdkräften zuzuſchreiben. Ich folge der ſehr genauen Arbeit von Bouſſingault, die in den Annales de Chimie, Juillet 1833 enthalten iſt. Ich ſelbſt fand ehemals für Bogota 14°,3, für Popayan 18°,7, für Quito 14°,4. S. mein Mémoire sur la distribution de la chaleur et sur les lignes isothermes in Mem. de la société d’Arceuil, T. III. p. 529. Die Tageswärme iſt gewöhnlich in Bogota, in jedem Theile des Jahres, zwiſchen 15° und 18°, die Nachtwärme zwiſchen 10° und 12°. Unter + 2°½ iſt das Thermometer wohl nie geſehen worden, auch in Quito, bei 8980 Fuß Höhe, ſinkt es (12 Fuß über dem Boden) nicht bis zum Nullpunkte herab. Da die klimatiſchen Einflüſſe auf alle Lebensproceſſe des Organismus mehr von der Vertheilung der Wärme unter die verſchiedenen Jahres- und Tageszeiten, als von der mittleren Temperatur des Ortes abhängen, ſo ſind Vergleichungen der Hochebenen unter den Wendekreiſen mit Punkten der gemäßigten und kalten Zone, die wenig über der Oberfläche des Meeres erhaben ſind, nur unter gewiſſen Einſchränkungen zu empfehlen. Die jährliche Mittelwärme von Bogota bei 8130 Fuß Höhe und 4° 36′ Breite iſt die jährliche Mittelwärme von Rom, ſie iſt aber in allen Monaten des Jahres ſo gleichförmig, daß ſie z. B im Jahr 1823 in 10 Monaten nur um 1°, in 12 Monaten nur um 2°,4 ſchwankte. Der wärmſte Monat war 16°,6; der kälteſte 14°,2. Ebenſo war es fünfzehn Jahre früher. In älteren Beobachtungen von Caldas finde ich in ſieben aufeinanderfolgenden Monaten nur [Formel] Grad Unterſchied. Ebenſo iſt es mit dem Drucke der Luft: wenn man in einem ganzen Jahre den Stand des Barometers in den Wechſelſtunden ſeines regelmäßigen Uhrganges beobachtet, um 9 Uhr Morgens, wo das Queckſilber am höchſten, und um 4 Uhr Nachmittags, wo es am niedrigſten ſteht, ſo findet man in keinem Monate mittlere Differenzen, die um mehr als eine Linie verſchieden wären. In 10 Monaten ſind ſie bisweilen nur [Formel] einer Linie. In Rom iſt die Schwankung 16°, der Januar hat 7°,8, der Juli 23°,7 mittlere Wärme. Relation hist. T. III. pag. 302. Der häufige Nebel, welcher in der Hochebene von Bogota beſonders an ihren Rändern herrſcht, tränkt die Pflanzen und gibt ewige Friſche der Vegetation. Herboriſationen an den ſteilen Felsmaſſen, auf welchen die beiden zierlichen, den heiligen Jungfrauen von Monſerrate und Guadalupe gewidmeten Kapellen in 9900 und 10122 Fuß Höhe erbaut ſind, gehören zu den Genüſſen, deren Andenken ſchwer verliſcht. Hier beginnt die myrtenblättrige Vegetation der Paramos. Unter dem Schatten von Vallea stipularis von Weinmannien und ſchirmförmig ausgebreiteten Escallonien fanden wir die prachtvollen Blüthen von Alstroemerien, Paſſifloren, neuen Arten von Fuchsia und Rhexien. Jede dieſer Kapellen, die durch eine tiefe Felskluft (el Boqueron) getrennt ſind, hat ihre eigene Art von Paſſifloren; die eine Kapelle hat die Curubita, mit der man an großen Feſten die Altäre ſchmückt, (Tacsonia speciosa); die andere hat die ſchöne Tacsonia mollissima, welche ihrer eßbaren Früchte wegen in Popayan cultivirt wird. Den Felſen dicht bedeckend, wuchern hier gruppenweiſe Myrica pubescens, Gaultherien, purpurblüthige Thibaudien, Hypericum brathys von Smith, und unſer ſchönes Genus Aragoa mit tannen- und cypreſſenartigen, ſchmalen Blättern. Von den fieberheilenden Cinchonen verirret ſich keine mehr auf dieſe Höhen: denn Quina naranjada (Cinchona lancifolia, Mut.), die man vor meiner Reiſe nach Loxa mit C. condaminea verwechſelte und für die ächte C. officinalis von Linnée hielt, verließ uns ſchon in dem Eichenwalde, lange ehe wir die Hochebene von Bogota erreichten. Dagegen ſteigt, und dieſe Erſcheinung iſt ſehr auffallend, eine hohe Alpenpflanze, der wollige Frailejon (Espeletia grandiflora) bis zum oberen Theil der Stadt Bogota herab. Die größere Zahl dieſer neuen Gewächſe iſt in meinem und Bonpland’s Werke: Plantes équinoxiales abgebildet. Obgleich die Kapellen von Monſerrate und Guadalupe (an abſoluter Höhe faſt der des Aetna gleich) zweitauſend Fuß ſenkrecht über der Hauptſtadt liegen, ſo wird doch häufig von den Gläubigen dahin gewallfahret. Die ſonderbare Oertlichkeit dieſer Stationen macht ſie für gleichzeitige Beobachtung der ſtündlichen magnetiſchen Abweichung und der ſtündlichen Barometer-Oscillationen überaus empfehlungswerth. Ich habe mit großer Sorgfalt eine Vergleichung der magnetiſchen Inclination und der Intenſität der magnetiſchen Kraft angeſtellt. Beide waren etwas kleiner in der oberen Station, die Oscillationen in Verhältniß von 226 : 224. Die Inclination war in Bogota 27°,15, in der Kapelle Guadalupe aber 26°,80 (hunderttheilige Div.) Auch das Geſetz der Wärmeabnahme zu verſchiedenen Stunden des Tages und der Nacht wäre hier trefflich zu prüfen. Aus der Felskluft, durch welche die beiden Wallfahrtsorte getrennt werden, ſtürzt das Flüßchen San Francisco herab, durchſtrömt die Stadt, wie zwei andere Bäche (die Caños de San Agoſtin und del Arzobispo), und vereinigt ſich in der Mitte der Ebene (Llanura) mit dem Hauptfluſſe Rio de Funzha oder Rio de Bogota. Letzterer empfängt alle von der öſtlichen Gebirgswand kommenden Waſſer, theilt die Ebene, von Norden gegen Süden fließend, in zwei Hälften und findet endlich durch eine plötzliche Wendung gegen Südweſten eine enge Oeffnung in der angrenzenden Bergkette. Er bildet hier den berühmten Salto oder Waſſerfall von Tequendama und fließt dann am weſtlichen Abhange der öſtlichen Cordillere, neun Meilen lang (durch eine Kluft, die ſich allmälig in ein Thal erweitert), dem Magdalenaſtrom zu. Die Confluenz iſt 12 Meilen oberhalb Honda. Die Hochebene von Bogota hat, wie ihr eigenes Klima, ſo auch ihre eigenen Mythen. Sie bildet gleich der Hochebene von Mexiko (dem alten Tenochtitlan) ein geſchloſſenes Becken, aus dem die Waſſer nur an einem einzigen Punkte einen Ausfluß finden. Beide enthalten in ihrem Schuttboden die foſſilen Knochen elephantenartiger Thiere der Vorwelt, doch die Llanura de Bogota in größerer Zahl. Dem Becken von Mexiko, das 1100 Fuß minder hoch, und ringförmig von Trachyt- und Porphyrketten umgürtet iſt, entſtrömen die Waſſer nur durch den künſtlichen, 1607 begonnen Durchbruch bei Huchuetoca, welcher die Waſſer in den Rio de Tula und mit dieſem in die Südſee führt. Dagegen iſt der Paß, in dem ſich die Cataracte von Tequendama bildet, ein natürlicher: es iſt eine gangartige Felsſpalte, entweder mit der Hebung der ganzen Bergkette in Verbindung ſtehend oder in urweltlicher Zeit durch ſpätere, noch jetzt hier nicht ungewöhnliche Erderſchütterungen entſtanden. Würde der Paß von Tequendama geſchloſſen, ſo wandelte ſich gewiß, trotz der Verdunſtung, der kleine Sumpf von Funzha in einen Alpenſee um. So war es, laut der Tradition der Eingebornen, im Anfange der Dinge. Ehe der Mond der Begleiter unſeres Planeten wurde, lebte das Volk der Muyscas oder Mozcas in roher Sitte, ohne Pflanzenbau und ohne Götterverehrung. Da erſchien, von dem Gebirge hinter Bogota herabgeſtiegen, ein langbärtiger Mann anderen Geſchlechts als die Muyscas. Er hatte drei Namen, unter denen der Name Botſchika (Bochica) der gefeiertſte war. Der heilige Mann kam alſo, wie Manco Capac, von Oſten her aus den Grasfluren des Rio Meta, vielleicht aus der Waldgegend des Orinoco, wo hohe Felswände bis zum Rupunury und Eſſequibo hin mit ſymboliſchen Zeichen und Bildern bedeckt ſind. Wie Manco Capac (und ſo beginnen alle Mythen, die den Völkern das unbegriffene Phänomen eines Ueberganges zur Anſiedelung und Geſittung löſen ſollen) lehrte Botſchika die Gebirgsbewohner ſich kleiden, Mays und Quinoa ſäen, und geſellt durch religiöſen Cultus, wie durch Glauben an die Heiligkeit gewiſſer Orte, ſich in ein Volk zu verſchmelzen. Botſchika war begleitet von einem Weibe, das, wie er, drei Namen führte, aber alles bösartig ſtörte, was der heilige Mann zum Glücke der Menſchen erſonnen hatte. Durch ihre Zauberkünſte ließ Huythaca den Fluß Funzha anſchwellen. Die ganze Hochebene wurde ein See und nur wenige Menſchen retteten ſich auf das nahe Gebirge. Da erzürnte der Alte und verjagte das unglückbringende Weib. Huythaca verließ die Erde und wurde der Mond, welcher den erſten proſeleniſchen Muyscas, wie den erſten Arcadiern, nicht geleuchtet hatte. Botſchika, des Menſchengeſchlechts ſich erbarmend, öffnete nun mit ſtarker Hand bei Canoas eine Felswand, ließ den Funzha hinabſtürzen und trocknete ſo die ganze Hochebene. Die Cataracte, das Naturwunder der Gegend, iſt alſo ſein großartiges Werk. Botſchika ſammelte die durch die Lokalfluth zerſtreuten Menſchen, lehrte ſie Städte bauen, führte den Sonnendienſt und eine eigene, von mir an einem andern Orte beſchriebene Einſchaltungsmethode der Mondjahre ein: er gründete eine politiſche Verfaſſung, die an den uralten Prieſterſtaat von Meroe und an das ſpät erſt buddhiſtiſche Tübet erinnert, indem er die Obergewalt unter einen weltlichen Herrſcher, den Zaque, und einen geiſtlichen, den Oberprieſter von Iraca (öſtlich von der Stadt Tunja), theilte. Seine Miſſion war nun vollendet. Er zog ſich in das heilige Thal von Iraca zurück und lebte dort, wie Buddha und der aztekiſche Wundermann Quetzalcoatl, in beſchaulicher Andacht und in ſchweren, ſich ſelbſt aufgelegten Büßungen hundert Muyscas-Cyclen, das heißt zweitauſend Mondjahre. Vues des Cordillères et Monumens des peuples indigèues de l’Amérique T. I. pag. 88. T. II. pag. 226. Der erſte weltliche Fürſt der Muyscas hieß Huncahua, der Weiſe: er gründete die jetzige Stadt Tunja, die nach ihm den Namen Hunca erhielt. Die erſten ſpaniſchen Ankömmlinge nannten ſie Tunca. Der Name Bogota iſt nach Roulin verſtümmelt aus dem Muysca-Worte bakata das heißt Feldgrenze, Ende des Bebauten, weil unter der Herrſchaft der Eingebornen die Bergkette hinter der jetzigen Hauptſtadt bakata genannt wurde. Huncahua unterwarf ſich das Land von den Gebirgen von Opon bis zu den Grasſteppen von San Juan de los Llanos. Ich habe im Text die alte Verfaſſung des Muysca-Staates nicht mit der Verfaſſung von Japan verglichen, in der man lange fälſchlich den Dairi ein geiſtliches, den Seogun ein weltliches Oberhaupt genannt hat. Dieſe Vertheilung der Gewalt hat in Japan nie exiſtirt. Der Seogun iſt der Feldherr, der ſich ſeit dem zwölften Jahrhundert die Oberherrſchaft angemaßt hat, der Dairi iſt das Haupt des entthronten Stammes. Der Dairi, einſt weltlicher Alleinherrſcher, iſt aber göttlichen Urſprungs und ſeine Perſon iſt ſo heilig, daß man ihm die Nägel nur im Schlafe abſchneidet, was im Japaniſchen Hofdialekte „dem Kaiſer die Nägel ſtehlen“ heißt. (S. Nipon o daï itsi Ran, 1834 pag. 436.) Dieſe Mythe, ein geognoſtiſcher Roman, wie ihn die älteſten heiligen Bücher ſo vieler Völker (und oft neben einem hiſtoriſchen) darbieten, iſt theils durch die Localverhältniſſe des hohen Beckens von Bogota und die Ueberſchwemmungen des Flüßchens Funzha, theils durch die ſymboliſirende Tendenz der früheſten Menſchheit erzeugt. Unter allen Zonen, in Vorder-Aſien, in den Hochebenen und Keſſelthälern von Hellas, ja in Inſeln der Südſee von geringem Umfange, finden wir dieſelben geognoſtiſchen und moraliſchpolitiſchen Mythen wieder. Botſchika und Huythaca ſind das gute und böſe Prinzip. Sie kämpfen gegen einander. Botſchika iſt ein Heliade, wie Manco-Capac, vielleicht die menſchgewordene Sonne ſelbſt. Huythaca, das feuchte Prinzip, erregt die Fluth und wird der Mond. Botſchika, das erwärmende, trocknende Prinzip, verjagt die Waſſer, gibt ihnen Abfluß, indem er eine Felſenſpalte öffnet. Botſchika, als Trimurti, hat drei Namen, auch zeigten die Prieſter (Lamas) von Iraca oder Sogamozo den erſten ſpaniſchen Eroberern, den Begleitern des Adalantado, Ximenez de Quesada, Idole, in welchen der Sonnenſohn mit drei Köpfen abgebildet war. Botſchika iſt dabei eine Perſonificirung, ein Repräſentant menſchlicher Geſittung, eine große hiſtoriſche Geſtalt, erdacht, um ihr einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, alle geiſtlichen und bürgerlichen Einrichtungen, wie das zur Anordnung der Feſte (Opfer- und Wallfahrts- Epochen) ſo nothwendige Kalenderweſen, zuzuſchreiben. Was ſich allmälig gebildet und entwickelt hat, wird gedacht als ſimultan, durch einen fremden Wundermann oder Ankömmling hervorgerufen. So verſchieden auch immer die Grade der Civiliſation ſeyn mögen, zu denen die Menſchheit ſich erhebt, auf dem Rücken der Cordilleren, oder an den Ufern des Mittelmeeres, in Griechenland, Klein-Aſien oder Aegypten, überall finden ſich die Spuren deſſelben Ganges der Ideen, überall die wiederkehrenden Formen des Glaubens und phantaſiereicher Erdichtung. Die alte geognoſtiſche Mythe der Muyscas, eines kaum der Barbarei entgangenen oder vielleicht halb in dieſelbe zurückgeſunkenen Volkes, hat, aus dem phyſikaliſchen Geſichtspunkte betrachtet, wenigſtens den Vorzug, daß ſie die Oeffnung des Thales und den Abfluß des Alpenſees einer auf einmal und gewaltſam wirkenden Kraft zuſchreibt. Dieſe Anſicht entſpricht den Bedingungen des Naturphänomens, der Geſtaltung des Felſenthores. Die Schichten des Kalkſteins liegen horizontal. Die Spalte ſcheint neuer als die Erhärtung und Hebung, es iſt nicht eine Lücke, welche unter ungleichen Winkeln einſchießende Flötzlagen, indem ſie herausgeſchoben wurden, zwiſchen ſich zurückließen. Es iſt eine Spaltung, ein Querthal, erzeugt durch dieſelben geheimnißvollen Kräfte, die ſich in jeder Reaction des innern Erdkörpers gegen ſeine Oberfläche (die Erdrinde) offenbaren. Hat ſich die Oeffnung von einer anfangs engen Spalte allmälig zu ihrer jetzigen Dimenſion von 36 Fuß durch den Stoß der Waſſer erweitert, wie einige wiſſenſchaftlich gebildete Einwohner und fleißige Beobachter der Lokalverhältniſſe mich überreden wollten? Ich bezweifle dieſe allmäligen Bildungen und hydrauliſchen Wirkungen des Stoßes. Die Aufgabe iſt hier keine iſolirte, ſie wiederholt ſich in jedem Alpenthale des Alten und Neuen Continents. Die jetzt rinnenden Waſſer (ſo weit berufene Namen ſie auch als Flüſſe tragen) haben ſich enge Furchen in breiten Thälern ausgegraben; ſie ſchlängeln ſich durch die weiten Räume dieſer Thäler. Es ſind kleine Naturphänomene, welche den alten, die Unterbrechung des allgemeinen Reliefs beſtimmenden Urſachen fremd blieben. Das Syſtem allmäliger Wirkungen und der ſchwachen Kräfte, die langer Dauer bedürfen (ein wiſſenſchaftliches Syſtem, das periodiſch wiederkehrt und im klaſſiſchen Alterthume ſich auf Delta-Bildung, auf Anſchwemmungen und Höhlenſinter gründete), befriedigt wenig bei dem Anblick der Erdtrümmer, die uns heute zum Wohnplatz dienen. Der „Regentropfen“ durchbohret wohl durch langes Fallen einen Stein, er gibt aber der Rinde unſeres Planeten nicht ihre jetzige phyſiognomiſche Geſtaltung. Der weitberufene Waſſerfall des Tequendama verdankt ſeinen impoſanten Anblick dem Verhältniß ſeiner Höhe zu der Waſſermaſſe, die in zwei Abſätzen herabſtürzt. Der Rio de Funzha, nachdem er ſich bei Facatativa und Fontibon in einen mit ſchönen Waſſerpflanzen bedeckten Moraſt ausgebreitet, zieht ſich wieder bei Canoas zu einem engern Bette zuſammen. Ich fand ſeine Breite dort 130 Fuß. Bei großer Dürre ſchien mir das im Salto de Tequendama herabfallende Waſſerprofil, wenn man ſich eine ſenkrechte Fläche durch den Fluß gelegt denkt, von 700 bis 780 Quadratfuß. Die große Felswand welche dem Salto gegenüber ſteht, und die durch Weiße und Regelmäßigkeit der Flötzlagen an Jurakalkſtein erinnert, das wechſelnde Spiel des farbig gebrochenen Lichtes in der Dunſtwolke, welche ſtets über den Cataracte ſchwebt, die perlartige Zertheilung der herabſtürzenden Waſſermaſſe, das Zurückbleiben ihrer Cometenartigen Schweife, das donnernde, von den Bergen wiederhallende Getöſe, das Dunkel der tiefen Felskluft, der Contraſt zwiſchen der oberen nördlichen Eichenvegetation und den Tropenformen am Fuße des Salto, alles dieß giebt dieſer nicht zu beſchreibenden Scene einen individuellen, großartigen Charakter. Nur bei ſehr hohem Stande ſtürzen die Waſſer auf einmal ſenkrecht und von der Felswand abgebogen, in den Abgrund. Wenn dagegen der Fluß ſeichter iſt (und ſo fand ich ihn bei dem Beſuche dieſer Gegend) iſt das Schauſpiel größer und erfreulicher. Die Felswand hat nämlich zwei Vorſprünge, einen in 5, den andern etwa in 30 Toiſen Tiefe. Dieſe verurſachen einen wahren caſcadenartigen Fall, wobei ſich unten alles in ein Schaum- und Dampfmeer verliert. Wenn man ſich nahe an den äußerſten Rand der Felsbank wagt, von welcher der Fluß hinabfällt ſo ſammelt man in Menge ein Pflänzchen aus der Richardſchen ſeltenen Familie der Podostemeen, ein neues Geſchlecht Marathrum mit vielfach gefiederten, feinen, faſt haarförmigen Wurzelblättern, die in die tobenden Waſſer tauchen. Marathrum foeniculaceum, Humb. et Bonpl. (Pl. aequin. T. I. tab. 11.) Die genaue Beſtimmung der Höhe des Salto iſt wegen der Lokalität ein ſehr ſchwieriges Problem. Der Fall der Steine, da man dieſelben nicht ganz ſenkrecht fallen laſſen kann, ſondern ihnen eine Wurfkraft mittheilt, hat mich wenig befriedigt. An das Meſſen einer Baſis in der engen Felskluft (Quebrada) iſt vollends nicht zu denken. Dazu verhindert die ſchlangenförmige Richtung der Kluft die Anſicht des ganzen Falles und die Beſtimmung des ganzen Höhenwinkels. Das einzig anzuwendende Mittel ſchien daher das mühevolle Herabſteigen von Canvas in das Thal von Povaſa, wozu ich drei Stunden brauchte. Obgleich ſehr viel Waſſer während des Falles verloren geht, ſo war doch der Strom noch unten ſo reißend, daß das Barometer nur in großer Entfernung vom Fuß des Falles von mir aufgeſtellt werden konnte. Die Schätzung des fehlenden Gefälles nach Diſtanz und nach Zählung der einzelnen ſtufenförmigen Caskaden, machte das Reſultat, welches ich damals erhielt, ſehr ungewiß. Wenn man den Salto von unten ſieht, ſo erinnert er an einen Silberteppich, deſſen Saum nur hie und da die Erde berührt. Herr Roulin hat die Operation, die ich verſuchte, glücklicher wiederholt; er hat ſich dem Fuße des Salto mehr genähert als ich, ungefähr bis auf 20 Toiſen Entfernung, ſeitwärts am Felsrande, wo er ſich dann mit dem Fuße in gleichem Niveau glaubte. Ich ziehe daher gern ſein ſpäter erhaltenes größeres Reſultat (870 Fuß) dem meinigen vor. Die Temperatur des Waſſers fand ich oben und unten vollkommen gleich, was ich wegen der Kälte erregenden Verdunſtung nicht vermuthete. Sie war 15°,6. Ich habe mehrmals die ſenkrecht abgeſtürzte Kalkſteinwand genannt, die ſich jenſeits des Salto von Tequendama gegen Oſten aus dem Abgrund erhebt und welche die von Gmelin in Rom geſtochene ſchöne Kupferplatte recht maleriſch darſtellt. Es iſt hier der Ort, das Verhältniß dieſer Kalkſtein-Formation zu den älteren, vielleicht ſie unterteufenden, zu ſchildern. Ganz nahe bei den herrlichen Weizenfeldern von Canoas liegt ein Steinkohlenflötz, vielleicht das höchſte in der bekannten Welt. Einige Meilen gegen Nordoſt, in der Mündung der Thäler von Uſme und Futſcha (letzteres war einſt der Landſitz des Vicekönigs von Neu-Granada) bringt die Pflugſchaar oft aus ſehr geringer Tiefe rieſenmäßige foſſile Knochen elephantenartiger Thiere an das Licht. Es iſt das Campo de Gigantes, wie es ſchon die erſten ſpaniſchen Ankömmlinge genannt haben. An dem entgegengeſetzten Ende der Hochebene, gegen Norden bei Zipaquira, wird ein mächtiges Steinſalzlager abgebaut. Aus allgemeinen Betrachtungen über den Zuſammenhang dieſer merkwürdigen geognoſtiſchen Verhältniſſe folgt, daß Steinſalz- und Kohlenflötze hier nicht Lokalbildungen, Erzeugniſſe aus einem ausgetrockneten Alpenſee (dem Funzha der Muysca-Mythe) ſind, ſondern daß dieſe Bildungen mit größeren Phänomenen verkettet ſind, mit ſolchen, die ſich auf ganze Länderſtrecken beziehen. Dieſe Phänomene erneuern ſich, ſo zu ſagen, weit hin über Berg und Thal, und gehören dem tiefen Flußbette des Magdalena-Stromes, wie den Ebenen des Meta und Orinoco (weſtlich und öſtlich von der großen Cordillere) gleichmäßig zu. Nach geognoſtiſchen Anſichten, die einer längſt verfloſſenen Zeit zugehören, einer Zeit, in der die noch wenig ausgebildete Wiſſenſchaft die Formationen faſt nur nach ihrer Auflagerung und äußeren Geſtaltung, oder nach einer ſcheinbaren Analogie mit gewiſſen Typen benannte, ſchienen mir in der Hochebene von Bogota drei Flötzformationen auf einander zu folgen: von unten nach oben gezählt, Sandſtein, Gips und Kalkſtein. Humboldt, Vues des Cordillères ou Atlas pittoresque du Voyage aux Regions équinoxiales. Planche VII. (fol.) Die Sandſteinformation wird überall ſichtbar in der öſtlichen Gebirgswand hinter der Stadt Bogota, wie gegen den nördlichen Ausgang der Bergebene hin, wo hoch am Gebirge der kleine Alpenſee Guatavita liegt. Der Kalkſtein ſcheint ſich weniger hoch zu erheben. Der Fels, auf dem die Kapelle von Monſerrate ſteht, iſt bis zur Spitze Sandſtein, dagegen iſt am Cerro de Guadalupe der Fuß und nur das erſte Drittel Kalkſtein. Bouſſingault und Roulin, als ſie ihre für aſtronomiſche Ortsbeſtimmungen wichtige Expedition nach den Llanos des Meta machten, überſtiegen die ganze öſtliche Cordillere zwiſchen Bogota und den Quellen des Meta, welcher in den Orinoco einmündet. Sie fanden überall auf der Höhe Sandſtein. Sie ſagen dazu, daß dieſer oft muſchelreich war. Der Paramo, den man überſteigt, führte ſonſt irrig in Bogota den Namen Chingaſa: er verdient aber mehr den Namen des Paramo de Chiguachi (corrumpirt Choachi) wegen des weiter öſtlich liegenden Dorfes Chiguachi am Fuß des Paramo, ein Dorf, das aber ſchon ſo niedrig liegt, daß Zuckerrohr dabei gebaut werden kann. Dieſer Sandſtein iſt eine mächtige, weit ausgedehnte Formation. Ich bin derſelben ununterbrochen von Bogota bis in das Magdalenathal, über Pandi und die natürliche Brücke von Fuſagaſuga hinabſteigend, gefolgt. Etwas nördlicher, bei Villeta, ruht ſie auf Thonſchiefer mit Kupfererzen. Die Verbreitung einer und derſelben Sandſtein- Formation, aus beiden Thälern und Ebenen, den öſtlichen und weſtlichen, ſich erhebend und quer über ein Gebirge von wenigſtens 12000 Fuß Höhe fortſetzend, iſt eine wichtige Thatſache, eine der vielen, die für die Erhebung der Andeskette ſprechen. Pentland hat ganz ähnliche Verhältniſſe auf der hohen Bergebene von Titicaca beobachtet. Aus dem Littoral von Chili ſteigt ein Gips-, Steinkohlen-, Steinſalz- und Kupferhaltiges Sandſtein-Gebilde (er nennt es New Red Sandstone) über die Cordillere weg und erreicht die öſtlichen Ebenen des Rio Beni, gleichſam das Becken des Amazonenflußes. Auch an tieferen Punkten, auf dem Cerro del Portachuelo (auf einer Höhe von 5730 Fuß) fand ich im Sandſtein viele mikroskopiſche Trochiten (?)- Verſteinerungen. Am Wege von Bogota nach Honda, zwiſchen Hatillo und Guaduas hat Roulin 8—10 zöllige Ammoniten (Goniatiten, Buch?) in ſchwarzem (Uebergangs-?) Kalkſtein gefunden. Auf dem Plateau von Bogota und 6000 Fuß tiefer, unterhalb Pandi, gegen Melgar hin im Magdalenenthale, iſt der Sandſtein gelblich weiß, quarzreich, feinkörnig, mit thonigem Bindemittel, ſo rein von Kalktheilen, daß er nicht mit Säuren brauſet. Bei Honda ſah ich feinkörnige Schichten mit Lettenlagen und groben Conglomeratſchichten wechſeln, die eiſenhaltig und gelblich braun waren. Sie ſchloſſen 2 bis 3 Zoll große eckige Stücke von Lydiſchem Stein, Thonſchiefer, Gneis und Lagerquarz ein. Auch weit oberhalb Honda, bei Espinal, zeigten ſich dieſelben Conglomeratſchichten. Wenn, wie ich glaube, ſowohl der Sandſtein bei Zambrano am Magdalenafluſſe, kaum 16 Meilen vom Meere entfernt, als der kohlenſchieferhaltige Sandſtein vom Rio Sinu zu derſelben Formation gehören, ſo iſt auch eine globuleuſe Struktur hier anzuführen, wie man ſie an mehreren Punkten in Deutſchland findet. Etwas elliptiſche Kugeln ſehr feinkörnigen Sandſteins (von 2 bis 3 Fuß Durchmeſſer) mit ſchalig abgeſonderten Stücken (ich zählte oft 12 bis 15 dieſer Lagen) ſind nämlich in grobkörnigem Sandſtein bei Zambrano eingebacken. Nirgends fand ich dieſe Flötzformation von einer anderen unterteuft. Der Sandſtein ruht unmittelbar auf turmalinhaltigem Granit am Peñon de Roſas, am Rio Magdalena und bei Mariquita; auf Gneis am Rio Lumbi nahe der Silbergrube von S. Anna; auf Uebergangs-Thonſchiefer zwiſchen dem Alto de Gascas und dem Eichenwalde des Alto del Noble, im Wege von Bogota nach Honda. Auf der Hochebene bei Facatativa, wie auch am weſtlichen Abhange der Cordillere bei Pandi, ſoll der Sandſtein Höhlen enthalten. In dem Sandſteingebilde, das ich beſchreibe, aber freilich nicht unmittelbar von dieſem, ſondern von mächtigen Lagen Schieferthon bedeckt, kommen wahre Steinkohlen (nicht Lignite) vor, von denen mehrere abgebaut werden. Wie das Steinſalz, von dem ich weiter unten reden werde, liegen dieſe Reſte einer urweltlichen Vegetation in ſehr verſchiedenen Höhen. Ich kenne ſie zwiſchen 3000 und 8300 Fuß Erhebung über dem Meere: zwiſchen la Palma und Guaduas; bei Velez und Leiva; in der Hochebene von Bogota unfern dem Waſſerfall des Tequendama und bei Chipa, im inſelförmigen Hügel von Suba, wie auch eine halbe Stunde weſtlich vom Steinſalzwerke Rute bei Zipaquira. Spuren von vegetabiliſchen Abdrücken ſind allerdings in dem Dachſteine dieſer hochliegenden Steinkohlen gefunden worden, aber noch keine Farren, keine Lycopodiaceen oder deutliches Coniferen-Holz. Die Schieferkohlenflötze bei Guaduas ſollen 4 bis 5 Lachter Mächtigkeit erreichen. Der Sandſtein iſt an vielen Punkten bedeckt mit Gipsflötzen. Sie ſind mächtig in dem Steinſalzberge von Zipaquira, vereinzelt, zertrümmert und halb weggewaſchen an andern Punkten der Hochebene, im Thal von Uſme, wie hoch am Cerro de los Tunjos. Das Steinſalz iſt hier, wie überall in beiden Continenten, mit dem charakteriſtiſchen graulich blauen, von Erdpech, Selenit, Schwefelkies und natürlichem Schwefel in großen Maſſen durchzogenen Salzthone bedeckt. Die ganze Steinſalzniederlage von Zipaquira, die ich auf Anregung des Vicekönigs Mendinueta in einer eigenen, ſpaniſch abgefaßten Abhandlung beſchrieben, iſt ſammt dem Gypſe und Salzthon an 700 Fuß mächtig. Dieſe Mächtigkeit iſt neuerlichſt durch einen, längſt von mir vorgeſchlagenen Abbau an tiefern Punkten beſtätigt worden. Sphäroidiſche, ſehr abgeplattete, innen hohle oder mit Kryſtallen von Spath-Eiſenſtein angefüllte Concretionen von 18 bis 20 Zoll Durchmeſſer liegen in dem Salzthone. Auch erhält derſelbe oft, durch eingebackene eckige Stücke verhärteten Thones, (Schliefs) ein porphyr- oder breccienartiges Anſehen. Zipaquira iſt aber, wie ſchon oben erwähnt, nicht ein iſolirtes geognoſtiſches Phänomen. Auf faſt gleicher Höhe gehen Steinſalzflötze zu Tage aus bei Enemocon, weſtlich von Gachanſipa, und bei San Juan zwiſchen Sesquiler und Chaleche; ja tief am entgegengeſetzten öſtlichen Abfall der Cordillere von Bogota, gegen die Provincia de los Llanos hin, finden ſich Salzthon und reines Steinſalz bei Chameſa. Zählt man zu den vier, ſchon entblößten Steinſalzflötzen die vielen ausbrechenden Salzquellen zwiſchen dem Rio Negro (der, die ſmaragdreiche Provinz Muzo bewäſſernd, zum Magdalenathale gehört) und den Llanos von Caſanare, gegen den Meta und Orinoco hin, ſo zeigen ſich hier gangartige Spalten, die in einer eigenen, aber breiten Zone (von Weſten nach Oſten gerichtet) die mächtige öſtliche Andeskette durchziehen und in ganz verſchiedenen Höhen Steinſalz, gypshaltigen Salzthon und Jodführende Salzquellen an die Oberfläche gebracht haben. So unvollkommen auch noch unſere Karten von dieſen Gegenden ſind, ſo dienen ſie doch ſchon dazu, ſich über dieſe Salzzone von Cundinamarca, die an die große vulkaniſche Spalte in Mexico erinnert, zu orientiren. In der mittleren Cordillere, in der von Quindiu und Tolima, entſprudeln Salzquellen am weſtlichen Abhange (vielleicht durch in der Nähe wirkende vulkaniſche Kräfte gehoben) auf offenen Spalten dem Granite ſelbſt. Ich hatte auf meiner Reiſe von Carthago nach Popayan bereits von einer ſolchen Erſcheinung gehört. Sie erregte damals noch mehr Erſtaunen, da man von den Salzquellen im Porphyr und von der natürlichen Steinſalz-Produktion am Rande des brennenden Veſuv-Kraters noch keine Kunde hatte. Ein ſehr aufmerkſamer und ſcharf beobachtender Reiſender, Herr Carl Degenhardt, wird dieſen Gegenſtand bald durch Zeichnungen erläutern. Die Salzquelle kommt bei El Quarzo (weſtlich von dem Urſprung des, in den Rio de Nares fließenden Rio Negro) aus dem Granit unmittelbar hervor. Hier die Reihenfolge, in welcher die Steinſalzflötze, um ſie von den Salzquellen zu unterſcheiden, mit größeren Lettern gedruckt ſind: Pinceima am Rio Negro, Zipaquira, Enemocon, Tausa, Mina de San Juan, Gacheta, Medina, Chita, Chamesa und El Receptor. Die drei letzteren Punkte liegen am Eingange der Llanos de Caſanare, gegen den Rio Crabo hin. Das Ganze bildet eine breite Zone (nicht eine Spalte), die eine und dieſelbe Richtung hält. Siehe in meinem geographiſchen Atlas Nr. 19 und 24. Die Sandſtein-Formation und vielleicht an einigen Orten auch der wenig verbreitete unzuſammenhängende Gyps iſt mit dichtem Flötzkalkſteine bedeckt. Er ſteigt von der Bergebene bis Melgar und Tocayma in das tiefe Magdalenathal hinab, wo er verſteinerungsreicher als in den hohen Theilen der Cordillere zu ſeyn ſcheint. Bei Tocayma fand ich in dieſem Kalkſtein die erſten Ammoniten, die ſich mir unter den Tropen gezeigt hatten. Das Schuttland, welches das Plateau von Bogota bedeckt, iſt aus der Zertrümmerung des Sandſteins entſtanden. Glücklicherweiſe iſt es an vielen Punkten mit Letten und Mergel gemengt, und daher dem Bau europäiſcher Cerealien ſehr günſtig. In ärmern quarzreichern Strichen wuchern unter dem Schatten einzelner Stämme von Alnus ferruginea niedere Grasarten, Pharus scaber, Poa infirma und Olyra cordifolia, wie kleine Arten von Tagetes, Viola und Hemimeris. In dem Gigantenfelde, wo ich mehrere Tage lang habe nach foſſilen Knochen graben laſſen, ruhen im aufgeſchwemmten Lande Reſte von Maſtodonten, nach Cuviers Unterſuchung meiſt Mastodon angustidens. Die in Mexico auf der Hochebene gefundenen Reſte gehören dagegen wahren Elephanten (untergegangener Arten) an. Recht auffallend iſt es, daß in dem tropiſchen Theile des Neuen Continents (nicht in der nördlichen und ſüdlichen gemäßigten Zone) die meiſten bisher aufgefundenen foſſilen Gebeine von Elephanten und Maſtodonten dem hohen Rücken der Cordillere, und alſo der Tierra Fria, und nicht den heißen angrenzenden Ebenen eigenthümlich ſind. Bleiben ſie in dieſen unter der üppigen Vegetationsdecke mehr verſteckt? Sind ſie durch die Erhebung der Gebirge entblößt worden? Wenigſtens ſcheinen die, mit Goldſand gemengten Maſtodonten- und Rhinoceros-Knochen auf dem Rücken der Uralkette, zwiſchen ähnlichen Knochen im Schuttlande öſtlich und weſtlich, im Irtyſch- und Kamathale, für eine ſolche Erhebung zu zeugen. Cuvier Rech. sur les Ossemens fossiles (1821) T. I. p. 157, 261 u. 264. Ich habe die Auflagerung der Flötzformationen nach bloßen Raumverhältniſſen beſchrieben, ohne ſie einzeln nach dem Parallelismus oder vielmehr nach ihrer Identität mit wohlerkannten europäiſchen Typen zu benennen. Eine ſolche Vorſicht iſt nöthig zu einer Zeit, wo das genaue Studium zoologiſcher Kennzeichen und charakteriſirender Foſſilien der faſt einzig ſichere Wegweiſer geworden iſt. Ich hielt ſonſt die in den Cordilleren ſo mächtige, weit verbreitete Sandſtein- Formation mit ihren Steinkohlen und ihrem aufliegenden Steinſalze für alten Sandſtein (todtes Liegende), den Kalkſtein an der Felswand des Waſſerfalls von Tequendama theils für gypshaltenden Zechſtein, theils für Jurakalkſtein. Wir wiſſen jetzt, daß Steinkohle mit wahren Farren, mit Monocotyledonen und Coniferen-Holze (wie das Steinſalz) durch viele verſchiedenartige Formationen geht. Das Steinſalz kennen wir, wie noch neuerlichſt Herr von Dechen ſchön entwickelt hat, vom Gypſe der Zechſteinbildung unter dem Stinkſtein (bei Köſtritz) an, durch den engliſchen bunten Sandſtein, den ſchwäbiſchen Muſchelkalk und den lothringiſchen Keuper, bis in die untere Kreide. Zu den wenigen Verſteinerungen, die ich aus der Tropengegend der neuen Welt mitgebracht, kommen jetzt allmählig reichere und viel wichtigere Zugaben. Dem Kalkſtein von Mexico, Neu-Granada und Peru, die man als Zechſtein und Jurakalk anſprach, ſteht daſſelbe Schickſal bevor, welches die Kalkſteine unſerer Schweizeralpen erfahren haben, die ſeit dreißig Jahren von Uebergangskalk, durch viele Mittelſtufen durchgehend, größtentheils als umgewandelter Lias oder gar als Kreideſchichten erkannt worden ſind. Iſt die untere Kreide auch in der Andeskette, aus dem Amazonenthale anſteigend, über große Höhen verbreitet? Iſt die mächtige Quarzformation von Peru, die ich beſchrieben, Quaderſandſtein oder ſind vielleicht die neueſten Flötzformationen ohne Zwiſchenglieder auf todtes Liegende gelagert? Bei immer anwachſendem Material zur Unterſuchung wird dieſe wichtigen Probleme bald der Geognoſt zur Löſung bringen, welcher auch in dem Studium der Verſteinerungen die phyſiologiſchen und geognoſtiſchen Anſichten bisher mit gleicher Klarheit und gleichem Glücke verfolgt hat. Karſten, Archiv für Mineralogie. B. I. (1838) S. 234. Leopold von Buch. Berlin, im März 1838.