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Alexander von Humboldt: „[Ueber die Hochebene von Bogota]“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1838-xxx_Ueber_die_Hochebene-1> [abgerufen am 06.12.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1838-xxx_Ueber_die_Hochebene-1
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Titel [Ueber die Hochebene von Bogota]
Jahr 1838
Ort Berlin
Nachweis
in: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 3 (1838), S. 38–43.
Postumer Nachdruck
Alexander von Humboldt, Ueber die Urvölker von Amerika und die Denkmähler welche von ihnen übrig geblieben sind. Anthropologische und ethnographische Schriften, herausgegeben von Oliver Lubrich, Hannover: Wehrhahn 2009, S. 100–105.
Entsprechungen in Buchwerken
Alexander von Humboldt, Kleinere Schriften. Geognostische und physikalische Erinnerungen, Stuttgart/Tübingen: Cotta 1853, Band 1, S. 100–132.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.80
Dateiname: 1838-xxx_Ueber_die_Hochebene-1
Statistiken
Seitenanzahl: 6
Zeichenanzahl: 12619
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
[Ueber die Hochebene von Bogota] (Berlin, 1838, Deutsch)
Bogota (Paris, 1838, Französisch)
Ueber die Hochebene von Bogota (Leipzig, 1838, Deutsch)
Humboldt, über das Plateau von Bogota (Stuttgart, 1839, Deutsch)
Ueber die Hochebene von Bogota (Stuttgart; Tübingen, 1839, Deutsch)
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19. März. Sitzung der physikalisch-mathema-tischen Klasse. Hr. von Humboldt las eine Abhandlung über die Hoch-ebene von Bogota.

Die Andeskette, wie alle großen Gebirgsketten der alten undneuen Welt, bieten mehr oder minder ausgedehnte Hochebenendar. Sie liegen stufenweise über einander und sind meist durchenge Schluchten (Thäler, die senkrecht die Haupt-Axe des Ge-birges durchschneiden) verbunden. Diese sehr bekannte Erschei-nung wiederholt sich selbst am Abhange isolirt stehender Berge.Was der Andeskette aber eigenthümlich ist und sich in gleichemMaaße nirgends in dem alten Continent wiederholt, ist der Um-stand, daß dort große, reiche und wohl bevölkerte Städte in denHochebenen selbst gegründet sind; fast reihenweise in gleichemAbstande vom Äquator, zwischen 36° nördlicher und eben so vielsüdlicher Breite, von Neu-Mexico bis Chili. Die Ursach diesersonderbaren Städtegründung muß man suchen in der Richtungder frühesten Völkerwanderungen, in der Furcht aller Bergvölker,in die heißen Ebenen hinabzusteigen, in der Wahl der nährendenPflanzen, welche früh ein Gegenstand des Ackerbaues gewordensind. Die europäischen Ansiedler folgten überall der alten Cultur:sie haben die eroberten Städte erweitert, doch ihnen selten neueNamen gegeben. Wenn man Caracas, Popayan, Mexico, Quito,La Paz und Potosi nennt, so reihet man genau in dieser FolgeStationen an einander, die sich senkrecht zu Luftschichten zwi-schen 2800 bis 13,000 Fuß Höhe über der Meeresfläche erhe-ben, meteorologische Warten, gewiß einst Sitze wissenschaftlicherBildung, in welchen durch permanente Bewohnung die wichtig-sten Aufschlüsse über den mittleren Zustand der Atmosphäre nachVerschiedenheit der Höhe und geographischen Breite erlangt wer-den können. Die asiatischen Bergländer zeigen uns höher be-wohnte Dorfschaften und Meierhöfe am nördlichen Abhange desHimalaya, wie in West-Tübet, am Küenlun und in dem Plateauvon Pamer gegen den Bolor hin, aber keinesweges eine Reihegroßer Städte. Kaschmir liegt nach Victor Jacquemont undBaron von Hügel nur 5000 oder 5400 Par. Fuß hoch, es er-reicht also noch nicht die unbedeutende Höhe der Stadt Popayan. |39| Der Paß, auf dem Burnes zwischen Kabul und Balkh den Hindu-Kho, bei dem alten Bamiyan, überschritt, ist auf dem höchstenPunkte fast 1000 Fuß niedriger als das Straßenpflaster der obernStadt Potosi. In diesen allgemeinen Betrachtungen, welche der Abhandlungzum Eingange dienen, untersucht Hr. v. H. die Stellen der Alten,in denen das allgemeine Gesetz der, unabhängig von der geo-graphischen Breite, mit der bloßen Erhebung des Bodens zu-nehmenden Kälte der Klimate ausgesprochen ist. Der von He-rodot geläugneten Schneeberge in Afrika zwischen den Wende-kreisen erwähnt zuerst die Adulische Inschrift. Im Neuen Con-tinent wurde der ewige Schnee der Tropen-Region zuerst indem Gebirge von Citarma (jetzt Nevados de Santa Marta),neun Jahr nach Columbus erster Entdeckung, gesehen. PetrusMartyr de Anghiera, in einem für den Pabst Leo X. geschriebenenBuche, bemerkte zuerst, daß die untere Grenze des ewigenSchnees mit abnehmender Breite sich erhebe. Neuere Beobachtun-gen lehren den Einfluß der Hochebenen auf die mittlere Temperatur.Sie ist 1,°5 bis 2,°3 größer, als in gleicher Höhe an dem ununter-brochenen Abhange der Gebirgsketten: auch bemerkt man Unter-schiede zwischen der Mitte der Hochebene und den Rändern. DemAckerbau, besonders der Cultur des Mays und den europäischenCerealien ist, in den Hochebenen, besonders, wenn sie sich über7800 Fuß erheben, das Erfrieren durch nächtliche Strahlung derBodenwärme gegen einen heiteren, dunstfreien Himmel, durchunbewegte dünne und sehr trockene Luft, gefahrbringend. JedesPlateau hat ein eigenes individuelles Klima, welches durch seinenVegetationszustand, die Gestalt der umgebenden nächsten Fels-wände, ihre Stellung zu den herrschenden Winden und ihre Farbe,wie durch den periodischen Gang der Störungen im elektrischenGleichgewicht der Atmosphäre bedingt wird. Die numerischenResultate der mittleren Tag- und Nacht-Temperaturen geben allein,bei dem verwickelten Gange des meteorologischen Prozesses, keintreues Bild der localen Klimate. Auch von dieser Seite bietet, inder glücklichen Tropen-Zone, die kleinste Raumfläche die höchst-möglichste Mannichfaltigkeit von Naturerscheinungen dar, sei esin den meteorisch vorübergehenden oder in den durch innere Ent-wickelung sich ewig erneuernden des organischen Lebens. |40| Specielle Ansicht der Hochebene von Bogota, aus noch un-gedruckten Tagebüchern geschöpft. Bewohnbarkeit, Klima, Phy-siognomik der Vegetation, geognostische Schichtungs-Verhältnisse.Das Plateau, Llanura de Bogota, nach den alten Mythen derUreinwohner vom Stamme der Muyscas der Boden des ausge-trockneten Sees Funzha, hat die mittlere Höhe von 8130 Fuß.Die Stadt Bogota, vor dem Freiheitskriege Santa Fe de Bogotagenannt, liegt 2556 Fuß höher als das mildere Popayan und820 Fuß tiefer als Quito. Es bietet in seiner 15-18 geogra-phische Quadrat-Meilen großen, ganz söligen, fast baumlosenFläche vier merkwürdige Erscheinungen dar; den prachtvollen Wasserfall des Tequendama, der von der Region immer-grüner Eichen in eine Kluft stürzt, zu welcher Palmen und baum-artige Farren bis an den Fuß der Cataracte hinaufgestiegen sind;das mit Mastodonten-Knochen überfüllte Riesenfeld, Campode Gigantes; Steinkohlenflöze und mächtige Steinsalz-schichten. Das Vorkommen der beiden letztern Formationenerregt um so mehr Befremdung, als sie eine Höhe erreichen,ohngefähr der gleich, welche man erhält, wenn man sich unserenBrocken auf den Gipfel der Schneekoppe gethürmt denkt. DerCharakter der ganzen Landschaft ist großartig, aber melancho-lisch und öde. Die Stadt, von Alleen riesenmäßiger Daturenumgeben, liegt dicht an einer fast senkrecht abgestürzten Fels-wand, deren östlicher Abfall über den Paramo de Chiguachi hin-über in die Ebenen des Meta und Orinoco führt. An dieserFelswand hängen, fast zwei tausend Fuß über der Stadt, nester-artig zwei Capellen, Monserrate und Guadalupe, besuchte Wall-fahrts-Orte, in absoluter Höhe fast dem Gipfel des Ätna gleich.Gegen Südwesten sieht man ununterbrochen eine Dampfsäuleaufsteigen. Sie bezeichnet den Punkt, wo der Wasserfall vonTequendama liegt. Die Vegetation der Hochebene contrastirt mit der des Ab-hanges der Felswand, an der die Capellen hängen, wo unter demSchatten von Escallonia tubar, Vallea stipularis und Weinman-nien, purpurblüthige Thibaudien, Passifloren und Gaulterien vonewigem Nebel getränkt werden. Die mittlere Jahrestemperaturvon Bogota (bei 8130 Fuß Höhe und unter 4° 36′ Breite) ist14′ 5, nach hunderttheiliger Scala, also gleich der Temperatur |41| von Rom, aber in Rom sind die mittleren Grade der wärmsten undkältesten Monate um 16° verschieden (Jan. 7,°8; Aug. 23,°7), wäh-rend daß in der Hochebene von Bogota die Wärme so gleichmäßigvertheilt ist, daß oft sieben auf einander folgende Monate nureinen Unterschied von \( \frac{9}{10} \) Grad mittlerer Wärme darbieten. Imganzen Jahre ist der wärmste Monat 16,°6, der kälteste 14,°2.Die klimaterischen Einflüsse auf die Lebensprozesse des Organis-mus hängen mehr von der Vertheilung der Wärme unter dieverschiedenen Jahres- und Tageszeiten, als von der mittlerenTemperatur des ganzen Jahres ab. Die Bergebene von Bogota hat, wie ihr individuelles Klima,also auch ihre eigene geognostische Mythe. Die Ebene bildet,wie die Bergebene von Mexico (Tenochtitlan), ein Becken, ausdem die Wasser nur in einem einzigen Punkte einen Auswegfinden. Beide enthalten in ihrem Schuttboden die fossilen Kno-chen elephantenartiger Thiere, aber die Öffnung im Thal vonMexico ist eine künstliche, durch die spanischen Ansiedler seit1607 begonnen: der Paß, durch welchen der Rio de Bogota oderFunzha, bei Tequendama, die Wasser der Hochebene ausführt, istein natürlicher. Mythische Traditionen des Urvolks, der Muyscas,schreiben die Öffnung dieses Passes und die Entstehung des gro-ßen Wasserfalles der mächtigen Hand eines Wundermannes, desBotschica (Bochica) zu, einem Heliaden, wie Manco-Capac, derdie in roher Sitte lebenden Muyscas zum Ackerbau anregte, denSonnendienst einführte, und, wie in Tübet und Japan, die Ober-gewalt unter einen weltlichen Herrscher (Zaque) und einen geist-lichen, den Ober-Lama des Sonnentempels von Iraca (bei Soga-moso), theilte. Die Local-Fluth, Bildung und Anschwellung desSees Funzha, wurde durch eine dem Heliaden feindliche weib-liche Gestalt, Huythaca, verursacht. Was von dem Menschen-geschlechte, das heißt dem Stamme der Muyscas, übrig blieb,rettete sich auf die nahen Berge. Der langbärtige WundermannBotschica öffnete die Felswand bei Tequendama und Canoas: ertrocknet die nun wieder bewohnbare Ebene. Huythaca selbstwird der alle Feuchtigkeit anziehende Mond, welcher nun erst dieErde zu begleiten beginnt. Ähnlichkeit zwischen den drei mythi-schen Personen, Quelzalcoatl in Mexico, Botschica in Neu-Granadaund Manco-Capac in Peru. Die beiden erstern, nachdem sie ihr |42| Missions-Geschäft vollbracht, enden auf einsamen Bergen, wieBuddha, in selbstaufgelegten strengen Büßungen. Überall hat sichdie symbolisirende Menschheit Personificirungen, Repräsentantender Gesittung, große historische Gestalten gedacht, um ihnen,einfach und bequem, als plötzliche Erfindung, Fortschritte der Cul-tur, geistliche und bürgerliche Einrichtungen, technische Künsteund Verbesserung der Mondjahre zuzuschreiben. Was sich allmä-lig entwickelt hat, wird gedacht als simultan, wie durch fremdeWundermänner oder Ankömmlinge hervorgerufen. Der Salto de Tequendama, um dessen Ursprung sichder geognostische Theil der Mythe dreht, verdankt seinen im-ponirenden Anblick dem Verhältniß seiner Höhe (870 Fuß nach Roulin) zur herabstürzenden Wassermasse. Nahe bei dem Saltoliegt das Steinkohlenflöz von Canoas, wohl eines der höchsten inder bekannten Welt, aber eben so wenig, als die Steinsalz-Massenvon Zipaquira, am entgegengesetzten nordöstlichen Endpunkte derHoch-Ebene, ein isolirtes Phänomen. Steinkohlen und Steinsalzwiederholen sich an beiden Abhängen der Cordilleren in sehrverschiedenen Höhen. Sie zeugen, wie die Sandstein-Formation,welche ununterbrochen vom Magdalena-Strome auf das Plateauvon Bogota hinauf-, und dann gegen Osten über dem Rücken(Paramo de Chiguachi) in die Ebenen des Meta und Orinocohinabsteigt, für die Hebung der ganzen Andes-Kette. Unter demSandstein, der bei Bogota gelblich-weiß, feinkörnig-quarzig undvon thonigem Bindemittel ist, in tieferen Punkten aber mit Con-glomerat-Schichten wechselt, die eckige Stücke von LydischemStein, Thonschiefer und Gneis einschließen, ist bis jetzt keineandere Flöz-Formation gesehen worden. Er ruht unmittelbarbald auf Übergangs-Thonschiefer, bald auf Gneis. Der Sandsteinist mit schwefelhaltigem Gyps, Salzthon und Steinsalz, an andernPunkten mit Schieferthon und Steinkohlen-Flözen bedeckt. Wennman die Steinsalz-Niederlagen und Salzquellen auf der Hochebenevon Bogota, in der smaragdreichen Provinz Muzo und am öst-lichen Abhange gegen die Llanos von Casanare hin in einemBlicke geographisch zusammenfaßt, so zeigen sich gangartigeSpalten, die in einer eigenen, aber breiten Zone, von Westennach Osten, die ganze mächtige östliche Andes-Kette durchziehenund in sehr verschiedenen Höhen Steinsalz, gypshaltigen Salzthon |43| und Jode führende Salzquellen an die Oberfläche gebracht haben.Neben den partiellen Bildungen, die nur von dem bedeckt sind,was ihnen selbst zugehört, unterteuft die allgemein verbreiteteSandstein-Formation einen grau- und gelblich-weißen, in regel-mäßige Bänke abgetheilten, dichten, bisweilen Höhlen enthalten-den Kalkstein. Die Abhandlung des Hrn. v. H., auf ältere Beobachtungen ge-gründet, beschreibt die Auflagerung dieser Flöz-Formationen inbloßen Raum-Verhältnissen, ohne sie zu benennen nach demParallelismus oder der Identität mit jetzt wohlerkannten euro-päischen Typen. Diese Vorsicht schien nöthig zu einer Zeit, wodas Studium der zoologischen Kennzeichen und charakterisirendenFossilien der fast einzig sichere Leiter geworden ist. Soll manjene mächtige Sandstein-Formation von Bogota mit Steinkohlenund aufliegenden Gyps- und Steinsalz-Schichten für Totes-Liegende,jenen Kalkstein an der Felswand von Tequendama für Jura-Kalkhalten, oder hat man hier alte Kreide und Keuper-Sandstein be-schrieben? Eine sorgfältige und glückliche Bestimmung der inunseren Sammlungen sich allmälig häufenden Versteinerungen derAndes-Kette wird bald die Identität der Formationen mit euro-päischen Typen befriedigend aufklären.