A. v. Humboldt über die Schwankungen der Goldproduction, mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. Wir entlehnen diese Auszüge einer größern Abhandlung, die sich in dem eben erschienenen 4ten Heft der deutschen Vierteljahrsschrift findet. Ueberblickt man die Artikel dieses vierten Heftes, so wird ein erfreulicher Fortschritt dieser neuen Zeitschrift sichtbar, deren Plan, kaum bekannt, zwei bis drei ähnliche Unternehmungen ins Leben lockte. Es kann hier nicht davon die Rede seyn, diese deutschen Revuen gegen einander zu halten; jede muß erst ihre Nachhaltigkeit darthun, jede muß erst beweisen, daß sie in fortgehend ruhiger Beobachtung und Deutung der Pulsschläge der Zeit die Stelle einzunehmen vermöge, die dieser Classe der Presse angewiesen ist in der Mitte zwischen der Bücher- und der Zeitungslitteratur Sie soll von Vierteljahr zu Vierteljahr rückblicken, recapituliren, Musterung halten, review, was in den letzten Monden gethan und was versäumt wurde, womit sich die Mitwelt beschäftigt hatte, oder was, von der Menge unbeachtet, bedeutungsvoll erschien für den, der unter den Schleier blickt, unter welchem schon in der Gegenwart die Zukunft ruht. Dieß ist der Standpunkt der großen englischen Reviews -- des Quarterly, des Edinburgh und des Westminster -- und es wird wohl auch im Ganzen derjenige der deutschen bleiben müssen, wollen sie nicht in die Luft sich stellen, wo der nächste Wind sie verweht, oder in Schachte sich vergraben, wohin ihnen Niemand folgt. Wer in den englischen Reviews etwas Anderes sieht, wer z. B. das Quarterly eine "bestimmte nationale Vertretung der wissenschaftlichen Cultur" nennen kann (wie die Berliner litterarische Zeitung that) der kennt die Stellung dieser Journale in der brittischen Welt und Litteratur nicht. Eben so wenig kennt er Deutschland und seine innersten Lebensbedürfnisse, wenn er schwazt von einem "norddeutschen Culturgeiste, der dem süddeutschen Culturgeiste in so entschiedener Opposition gegenüberstehe, und sich diesem gegenüber stellen müsse, weil er die tiefere Arbeit des philosophischen Denkens übernommen habe, daß an eine Einigung beider nicht zu denken sey." Das Berliner Blatt scheint zu vergessen, daß gerade die beiden Männer schöpferischen Geistes, in deren Formeln die Berliner Philosophen seit dreißig Jahren so wohlgefällig sich gebettet -- Schelling und Hegel -- ihnen aus dem Süden, ja aus Schwaben zugekommen sind. Wer sind denn die Leute, die dort in der Mark, für ganz Deutschland, die "tiefere Arbeit des philosophischen Denkens übernommen haben?" Und was haben sie denn ausgebrütet? Den Skandal des Streites Leo's mit den jüngern Ablegern der Schule, oder diese neue Scheidung in Nord- und Süddeutschland, die längst von jedem Verständigen im Süden wie im Norden verworfen ist? Mit solchen Redensarten, "unerquicklich wie der Nebelwind, wird an die Aburtheilung der neuen deutschen Vierteljahrsschriften gegangen, die zu ganz Deuschland sprechen sollen! Je weniger Halt in den meisten unserer litterarischen wie politischen Blätter ist, wenn man von ihnen Beiträge zur tiefern Lösung irgend einer großen Frage erwartet, welche in der Wechselwirkung des Geistes der Nation und ihres öffentlichen Lebens hervortritt, je enger für die wenigen bessern Tagesblätter ein unglückliches Mißtrauen die Gränzen der Sprechfreiheit absteckt, desto dankbarer muß es anerkannt werden, wenn in einem den ängstlichen Rücksichten des Tags enthobenen Sprechsaal die Notabeln deutscher Litteratur sich vernehmen lassen. -- Man hat der deutschen Vierteljahrsschrift nicht ganz mit Unrecht den Vorwurf gemacht, daß sich zu wenig ein einheitliches Resultat aus den in ihr sich kundgebenden geistigen Richtungen ziehen lasse. Aber es wird doch -- dünkt uns -- an ergiebigen Resultaten nicht fehlen, wenn fortwährend Männer darin auftreten, wie Pöppig (die Handelswege Amerika's), Mebold (die jüdische Frage), Bülau (der Pauperismus) Leonhard (die Steinkohlengebilde), H. Leo (die deutsche Alterthumswissenschaft), Nebenius (der Zollverein), Grund (das Bankwesen), v. Streckfues (die preußische Municipalverfassung), Kölle (die Diplomatie), Prokesch von Osten (die Kriegskunst) etc. Diese und andere Aufsätze sind der Art, wie sie ein im öffentlichen Leben großgezogenes Volk, wie das englische, als würdige Gegenstände der Betrachtung bezeichnen würde. Wenn dagegen der Freihafen sich eine "Galerie von Unterhaltungsbildern" aus den Kreisen der Litteratur etc. nennt, so stellt er sich damit mehr auf den Standpunkt der französischen Revuen, in denen zwar keine Vertreter wie Carus, Varnhagen, Rosenkranz und ähnliche tüchtige Männer jenes Kreises sich finden, die aber dem Freihafen und den ihm vorangegangenen Dioskuren in dem Grade ähneln, in welchem Theodor Mundts schöngeistig-philosophische Gaukeleien verwandt sind, heute mit Georges Sands Irrfahrten in den socialen Ideen, morgen mit Jules Janins Theaterflitter. Doch sind jene erstgenannten Kräfte zu werthvoll, als daß aus dem gemeinsamen Streben einiger nach ungefähr gleichem Ziele ringenden Unternehmungen nicht jedenfalls erfreuliche Ergebnisse für Hebung und Wahrung der periodischen Litteratur Deutschlands sich sollten erwarten lassen. Nach dem alten Ausspruche Herodots (III, 106) sind bei der ungleichen Ausspendung der Güter und der Schätze des Bodens die schönsten Erzeugnisse den Enden der Welt zu Theil geworden. Dieser Ausspruch war nicht bloß auf ein trübes, der Menschheit eigenthümliches Gesühl gegründet, daß das Glück sern von uns wohne, er drückte auch die einfache Thatsache aus, daß durch den Verkehr der Völker den Hellenen, als Bewohnern der gemäßigten Zone, Gold und Gewürze, Bernstein und Zinn aus weiter Ferne zugeführt würden. So wie allmählich durch den Handel der Phönizier, der Edomiter am Golf von Acaba, Aegyptens unter den Ptolemäern und Römern, die lange verschleierten Küsten des südlichen Asiens sich enthüllten, fing man an, die Erzeugnisse der heißen Erdstriche aus erster Hand zu erhalten, und in der regen Einbildungskraft der Menschen wurden die metallischen Schätze der Welt immer weiter und weiter gegen Osten gerückt. Zweimal hat dasselbe Volk, die Araber, in der für den Handel so wichtigen Epoche der Lagiden und der Cäsaren, wie am Ende des 15ten Jahrhunderts, zur Zeit der portugiesischen Entdeckungen, dem Westen den Weg nach Indien gezeigt. Aber in Bestimmung der eigentlichen Heimath des Goldes und aller herrlichen Erzeugnisse der Erde vereinigte sich mit der Idee der Ferne auch die der tropischen Hitze. "So lange Ew. Herrlichkeit nicht schwarze Menschen finden werden," schreibt ein catalonischer Steinschneider, Mossen Jaime Ferrer, 1495 an den Admiral Christoph Columbus, "können Sie nicht große Dinge, wirkliche Schätze, wie Specereien, Diamanten und Gold erwarten." Der Brief ist in einem 1545 zu Barcelona gedruckten Buche, das den sonderbaren Titel: Sentencias catholicas del Divi poeta Dant führt, vor kurzem aufgefunden worden. Der Goldreichthum am Uralgebirge, der sich im wogulischen Norden bis dahin erstreckt, wo die Erde kaum in den Sommermonaten aufthauet, die Diamanten, welche während meiner, auf Befehl des Kaisers Nikolaus im Jahr 1829 gemachten sibirischen Expedition von zweien meiner Begleiter, nahe bei dem 60sten Breitengrade, auf dem europäischen Abfall des Urals entdeckt worden sind, sprechen eben nicht für den Zusammenhang des Goldes und der Diamanten mit tropischer Wärme und farbigen Menschen. Christoph Columbus, der dem Gold einen moralischen und religiösen Werth zuschreibt, "weil," wie er sagt, "wer es besitzt, in dieser Welt erlangt, was er will, ja selbst (durch Bezahlung von Messen?) viele Seelen dem Paradiese zuführt," Christoph Columbus war ganz dem System des Steinschneiders Ferrer zugethan. Er suchte Zipangu (Japan), das man für die Goldinsel Chryse ausgab, und als er, am 14 November 1492, längs den Küsten von Cuba, die er für Theile des Continents von Ost-Asien (Cathay) hielt, hinsegelte, schrieb er in sein Tagebuch nieder: "nach der vielen Hitze, die ich leide, muß das Land reich an Gold seyn." So ließen falsche Analogien vergessen, was das classische Alterthum von den Metallschätzen der Massageten und der Arimaspen im hohen Norden von Europa erzählt hatte: ich sage von Europa, denn das öde Flachland von Nord-Asien, das heutige Sibirien, galt mit seinen Kiefernwäldern für eine langweilige Fortsetzung des belgischen, baltischen und sarmatischen Flachlandes. Umfassen wir mit Einem Blicke die Geschichte des Handelsverkehrs von Europa, so finden wir die reichsten Quellen des Goldes im Alterthum von Asien. Seit dem Ausgange des Mittelalters, und drei Jahrhunderte nachher, gehören sie dem neuen Welttheil an. Gegenwärtig, seit dem Anfange des 19ten Jahrhunderts, strömen die Quellen wieder am reichlichsten in Asien, aber in andern Zonen desselben Continents. Dieser Wechsel in der Richtung der Strömung, dieser Ersatz, welchen zufällige Entdeckungen im Norden darbieten, wenn im Süden die Goldausbeute plötzlich schwindet, verdient eine ernste Betrachtung, eine Ergründung nach numerischen Angaben; denn im politischen Haushalte, wie bei Erforschung von Naturerscheinungen, sind die Zahlen immer das Entscheidende; sie sind die letzten, unerbittlichen Richter in den vielbestrittenen Verhältnissen der Staatswirthschaft.... Daß der große asiatische Goldreichthum, der nach Westen überströmte, aus Inner-Asien, nordwestlich von Ladakh, aus dem obern Laufe des Oxus (zwischen dem Hindu-Khu und den Höhen von Pamer, am westlichen Abhange des Bolor) aus Baktrien und den östlichen Satrapien des Perserreiches kam, ist unzweifelhaft: doch ist es leichter, die Richtung des Stromes, als das Einzelne der Quellen und ihre relative Reichhaltigkeit anzugeben. Der Schauplatz der Mythe von den goldsuchenden Ameisen bei dem Bergvolk der Derden ist fern von den Greifen der Arimaspen zu suchen. Jene Mythe scheint dem Tasellande von Kaschgar und Aksu, zwischen den Parallelketten des Himmelsgebirges und des Kuenlun, wo der Fluß Tarim sich in den Lop ergießt, zuzugehören. Der nördlicheren Arimaspen werden wir später noch einmal erwähnen, wenn wir großer, unmittelbar unter dem Rasen liegender Goldmassen des Urals gedenken. Der Ruf des indischen Reichthums erscholl in oft mißverstandenen Tönen nach Persien hin. Ktesias, aus dem Stamme der Asklepiaden, Leibarzt des Königs Artaxerres Mnemon, beschreibt, fast ohne es selbst zu ahnen, unter dem Bild einer Goldquelle, auf das deutlichste ein Hüttenwerk, einen Schmelzofen, aus dem sich das flüssige Metall in Krüge (thönerne Formen) ergießt. Den Hellenen näher waren Lydien, an den Flüssen, die dem Tmolus entquellen, Phrygien und Kolchis goldreiche Länder. Die Naturschnell zu erschöpfender Schichten von Goldsand (der sogenannten Goldwäschen) macht dem praktischen Bergmanne begreiflich, warum manche der eben genannten und neuerlichst wiederbesuchten Länder den Reisenden goldarm erschienen. Wie leicht würde man nicht, wenn man gegenwärtig die Schluchten und Flußthäler der westindischen Inseln Cuba und Santo Domingo oder gar die Küste von Veragua durchforschte, ohne die vorhandenen historischen Zeugnisse verleitet werden, an der reichen Goldausbeute jener Gegenden am Ende des 15ten Jahrhunderts zu zweifeln? Dauernder, wenn ihn nicht äußere Verhältnisse stören, ist der eigentliche unterirdische Bergbau auf anstehende Golderze. Eben weil man die ganze Lagerstätte nicht auf einmal kennt, weil das Gebirge beim Gangbergbau nur allmählich aufgeschlossen wird, ist der menschlichen Thätigkeit hier eine längere Beschäftigung dargeboten. Goldhaltiges Schuttland wird schnell durchwühlt und der reicheren Geschiebe beraubt. Wie wenige der vierzig Goldwäschen, die Strabo so sorgsam beschreibt, mögen jetzt noch zu erkennen seyn? Diese auf Analogien und bergmännische Erfahrung gegründete Bemerkung mußte hier um so mehr Platz finden, als leere Zweifelsucht gern die Ueberlieferungen des Alterthums erschüttert. Der den Hellenen bekannte Theil von Europa stand in metallischem Reichthume gegen Asien eben so zurück, als späterhin ganz Europa gegen die neue Welt. Das letzte Verhältniß, nämlich die relative Productivität von Europa und Amerika, war im Anfange des 19ten Jahrhunderts, als die Bergwerke der spanischen Colonien am schwunghaftesten betrieben wurden, für die Golderzeugung wie 1: 13, für die Silbererzeugung wie 1:15. -- Wenn auch in dem metallischen Reichthum von Spanien Silber aus Bätika und aus der Nähe des von Hamilkar Barkas gegründeten Neu-Carthago lange der Hauptgegenstand des auswärtigen Handels war, so lieferten doch auch manches Jahr Galläcien, Lusitanien und besonders Asturien 20,000 Pfund Gold, das ist fast so viel, als Brasilien in seiner blühendsten Epoche gegeben hat. Kein Wunder daher, daß die früh besuchte spanische Halbinsel durch Phönicier und Carthager den Ruf eines westlichen El-Dorado's erlangte. Gewiß war an vielen Punkten, die jetzt nur schwache Spuren von Metallgehalt zeigen, die alte Erde einst, ihrer Oberfläche nahe, mit Schichten von Goldsand bedeckt, oder in festem, anstehendem Gesteine mit Trümmern von Golderzen durchzogen. Die locale Wichtigkeit jener Bergwerke in Südeuropa ist nicht zu läugnen, aber im Vergleich mit Asien war ihre Goldausbeute doch nur gering zu nennen. Dieser letztere Welttheil blieb lange der Hauptquell des metallischen Reichthums, und die Richtung der Zuströmung des Goldes für Europa konnte nur als von Osten nach Westen bezeichnet werden. Aber Asien selbst, d. h. der durch Landreisen im Mittelalter verbreitete Ruf von den unermeßlichen Schätzen von Zipangu (Japan) und von dem südlichen Archipelagus veranlaßte eine plötzliche Veränderung in der Richtung jenes Metallstromes. Amerika ward entdeckt, nicht weil Columbus, wie man so lange fälschlich gesagt, einen andern Continent ahnete, sondern weil er durch den Westen einen kürzeren Weg nach dem goldreichen Zipangu und den Gewürzländern im Südosten von Asien suchte. "Der größte geographische Irrthum (die Idee der Nähe von Spanien und Indien) führte zu der größten geographischen Entdeckung." Christoph Columbus und Amerigo Vespucci sind beide in der festen Ueberzeugung gestorben, Ost-Asien (das gangetische Indien, die Halbinsel, auf der Cattigara liegt) berührt zu haben. Um den Ruhm der Entdeckung eines neuen Continents konnte daher zwischen beiden kein Streit entstehen. In Cuba wollte Columbus dem Gran Khan der Mongolen die Briefe seines Monarchen abgeben. Er glaubt sich in Mangi, dem südlichen Theil von Cathay (China): er sucht die von Marco- Polo beschriebene Himmelsstadt Quinsay, jetzt Hang-tscheu-su. "Die Insel Espannola (Hayti), schreibt Columbus an den Papst Alexander VI, ist Tarsis, Ophir und Zipangu. Auf meiner zweiten Reise habe ich 1400 Inseln und 333 Meilen des Continents von Asien (de la tierra firme de Asia) entdeckt." Dieses westindische Zipangu gab bald Goldgeschiebe (pepitas de oro) von 8, 10, ja 20 Pfund Gewicht. Das neu entdeckte Amerika wurde nun die Hauptquelle der edeln Metalle. Der neue Strom ging von Westen nach Osten, ja er durchschnitt bald Europa, weil bei zuneymendem Verkehr seit der Umschiffung von Afrika, dem südlichen und östlichen Asien mehr Ersatz für Specereien, Seide und Färbestoff gegeben werden mußte. Da vor der Entdeckung der Silbergruben von Tasco (1522) am westlichen Abfall der mexicanischen Cordilleren Amerika nur Gold lieferte, so fand sich schon die Königin Isabella von Castilien von Jahr 1497 bewogen, das gesetzmäßige Verhältniß der beiden edeln Metalle zu einander beträchtlich zu ändern. Das frühe und bisher so wenig beachtete Geldedict von Medina läßt sich nur durch diesen Umstand und durch die Anhäufung des Goldes auf wenige Punkte von Europa erklären. Ich habe an einem anderen Orte zu erweisen gesucht, daß von 1492 bis 1500 die ganze Goldeinfuhr aus den damals entdeckten Theilen der neuen Welt in Mitteljahren kaum 2000 Mark betrug. Der Papst Alexander VI, welcher wähnte, den Spaniern eine Erdhälfte gegeben zu haben, erhielt als Gegengeschenk von Ferdinand dem Katholischen kleine Goldgeschiebe aus Hayti, "als erste Früchte des neuentdeckten Landes," zur Vergoldung der prächtigen Decke (Soffitto) der Basilica von Santa Maria Maggiore. Eine Inschrift erwähnt des Metalls, quod primo Catholici Reges ex India receperant. So groß war damals die Thätigkeit der spanischen Regierung, daß schon 1495, wie der Historiker Mundoz gezeigt hat, ein Bergmann Pablo Belvis mit einem Vorrath Quecksilber nach Hayti geschickt wurde, um das Goldwaschen durch Anquicken zu beschleunigen. Sehr auffallend ist es, in einem neu aufgefundenen und erst vor kurzem publicirten Theile der Geographie des Sherif Edrisi zu lesen, "daß die Neger im Innern des westlichen Afrika, wie auch die Bewohner der fruchtbaren Niederung Wadi el Alaki (zwischen Abyssinien, Bodja und Nubien) den Goldsand durch Quecksilber bearbeiteten." Davon spricht der nubische Geograph in der Mitte des zwölften Jahrhunderts, als von einer längst bekannten Sache. Sollte sich diese Kenntniß aus dem Orient durch Aegypten, dem schwarzen, der Scheidekunst ergebenen Lande (Chemi), nach Afrika verbreitet haben? Das griechische und römische Alterthum gedenkt wohl einer sehr gebräuchlichen Anwendung des Quecksilbers, um das Gold aus den Fäden alter Tressen aufzunehmen, nirgends aber einer technischen Anwendung im Großen bei den doch oft so umständlich beschriebenen Goldseyffenwerken. (Fortsetzung folgt.) A. v. Humboldt über die Schwankungen der Goldproduction, mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. (Fortsetzung.) Mehr durch Eröffnung neuer reicher Quellen, als durch Versiegung der älteren wird das jedesmalige Verhältniß des Werthes von Gold und Silber modificirt. Es stieg daher wiederum, seit Entdeckung der großen Antillen, der Preis des Goldes gegen die Mitte des 16ten Jahrhunderts, als die reichen Silbergruben von Potosi und Zacatecas in Peru und Nord-Mexico eröffnet wurden. Nach meinen sorgfältigen Untersuchungen verhielt sich, bis zu der Eröffnung der brasilischen Goldwäschen im Anfange des 18ten Jahrhunderts, die Einfuhr des amerikanischen Goldes zu dem des amerikanischen Silbers dem Gewichte nach wie 1 zu 65. Gegenwärtig ist dieß Verhältniß, wenn man den europäischen Metallhandel mit allen Welttheilen in einem Blick umfaßt, wohl nicht höher als 1 zu 47. So ergibt es wenigstens die Vergleichung der Massen beider Metalle, welche gleichzeitig in Europa gemünzt vorhanden sind. Die Angaben, welche die sonst so vortreffliche Schrift von Adam Smith enthält, sind, wie der größere Theil der darin aufgestellten numerischen Resultate, überaus unrichtig, ja in dem eben berührten Verhältniß um mehr als die Hälfte falsch. Im Geldhandel schwankte der relative Werth von Gold und Silber unter den gebildeten und also unmittelbar mit einander verkehrenden Völkern Europa's, in den ersten hundert Jahren seit der Entdeckung des neuen Continents, zwischen 1: 107/10 und 1: 12, in den letzten zweihundert Jahren zwischen 1: 14 und 1: 16. Die Masse edler Metalle, welche seit der Entdeckung von Amerika bis zum Ausbruch der mexicanischen Revolution nach Europa gekommen ist, war an Gold 10,400,000 castilianische Mark (2,381,600 Kil.), an Silber 533,700,000 Mark oder 122,217,300 Kil., zusammen an Werth 5940 Millionen Piaster. Das in dieser Zwischenzeit dem amerikanischen Boden entzogene Silber ist in dieser Evaluation nach dem Feingehalte der Piaster, das ist zu 0,903 berechnet worden, daher betragen jene 122,217,300 Kil. Piastersilber nur 110,362,222 Kil. feines Silber. Sie würden eine Kugel von feinem Silber bilden, welche 837/10 Pariser Fuß Durchmesser hätte. Eine solche Reduction auf Gestalt und Größe verdient, glaube ich, so wenig als analoge graphische Darstellungen getadelt zu werden. Wenn man das Resultat der dreihundert und achtzehnjährigen Silberproduction des spanischen Amerika mit dem Resultat einjähriger Eisenproduction einzelner europäischer Staaten vergleicht, so erhält man nach der Angabe meines Freundes, des vortrefflichen Geognosten H. v. Dechen, Kugeln von reinem (geschmiedetem) Eisen für Großbritannien von 148, für Frankreich von 111, für die preußische Monarchie von 76 Pariser Fuß Durchmesser. So groß ist der Unterschied der Frequenz zweier Metalle, Silber und Eisen, in dem den Menschen zugänglichen Theile der Erdrinde. Eine genauere Kenntniß der Geschichte der Metallproduction oder der allmählichen Entdeckung großer erzführender Lagerstätten in der neuen Welt lehrt uns, warum das Sinken des Werthes der edeln Metalle oder (was dasselbe ist) das Steigen der Preise von Korn und anderen unentbehrlichen Erzeugnissen des Bodens und des menschlichen Kunstfleißes erst gegen die Mitte des 16ten Jahrhunderts, und besonders zwischen 1570 und 1595 am lebhaftesten gefühlt wurde. Damals fing die Silbermenge der Bergwerke von Tasco, Zacatecas und Pachuca in Neuspanien, von Potosi, Porco und Oruro in der peruanischen Andeskette erst an, sich in Europa gleichmäßiger zu verbreiten, und ihren Effect auf die Preise des Weizens, der rohen Wolle und der Manufacturwaaren auszuüben... Die Besorgnisse über die verminderte Einfuhr der edeln Metalle aus dem neuen Continent, welche sich bei dem Erscheinen des wichtigen und in Deutschland nicht genugsam beachteten Werkes von Jacob (on Precious Metals) verbreitet hatten, sind nicht in Erfüllung gegangen. Die von 1809 bis 1826 so tief gesunkene Metallproduction hat sich, trotz des unruhigen Zustandes des freien spanischen Amerika's, doch wieder zu 3/4 von dem gehoben, was sie in der Epoche war, als ich jene Länder verließ. In Mexico ist sogar, nach den neuesten Nachrichten, die ich dem thätigen preußischen Geschäftsträger, Hrn. v. Gerolt, verdanke, im Jahr 1837 die Ausbeute auf 20 bis 22 Millionen Piaster gestiegen, wozu außer Zacatecas die neu aufgenommenen Gruben von Fresnillo, Chihuahua und Sonora am meisten beigetragen haben. In der letzten friedlichen Epoche der spanischen Oberherrschaft konnte ich den Mittelertrag der mexicanischen Bergwerke auch nur auf 23 Millionen Piaster (etwa 537,000 Kil. Silber und 1600 Kil. Gold) schätzen. Die Controle war damals leichter, da es nur Einen Centralmünzhof gab und strenge Gesetze den Handel auf eine kleinere Zahl von Häfen beschränkten. Die größte Thätigkeit der Welt war damals in jener Centralmünze von Mexico, die von 1690 bis 1803 aus inländischem Gold und Silber genau für 1353 Millionen Piaster, aber von der Entdeckung von Neuspanien an bis zur Befreiung des Landes wahrscheinlich 2028 Millionen Piaster geliefert hat, das ist 2/5 aller edeln Metalle, welche in dieser Zeit das ganze Amerika nach dem alten Continent hat fließen lassen. Was man aus Mißmuth über mißlungene Versuche jetzt so oft von Erschöpfung der mexicanischen Erzmittel vorbringt, ist im Widerspruch mit der geognostischen Kenntniß des Landes, ja selbst mit den neuesten Erfahrungen. Die Münzstätte von Zacatecas allein hat, in den unruhigen Zeiten von 1811 bis 1833, über 66,332,000 Piaster aus 7,758,000 Mark Silber geprägt, und in den letzten 11 Jahren (1822 bis 1833) ununterbrochen zwischen vier und sünf Millionen Piaster. Guanaxuato, das freilich zu meiner Zeit schon lange bis 755,000 Mark Silber jährlich lieferte, ist dagegen in neueren Jahren bis unter die Hälfte herabgesunken. Wenn endlich einmal jene herrlichen, von der Natur mannichfaltig gesegneten Regionen, nach vielem innerm Gähren und Treiben, des Friedens genießen, so müssen mit dem fortschreitenden Anbau des Bodens nothwendig auch neue Lagerstätten entblößt und eröffnet werden. In welcher Region der Erde außerhalb Amerika hat man Beispiele eines ähnlichen Silberreichthums aufzuweisen? Man vergesse nicht, daß bei Sombrerete, wo einige Gruben schon 1555 eröffnet wurden, die Familie Fagoaga (Marques del Apartado) in 5 Monaten in einer Erstreckung von 16 Lachtern (96 Fuß) Länge aus Anbrüchen von Rothgiltigerz der Veta Negra einen reinen Gewinn von vier Millionen Piaster gezogen hat, und daß in dem Bergdistrict von Catorce in 21/2 Jahren (1781 -- 1783) aus einer Weitung von Hornsilber und Colorados, welche das Volk Gott des Vaters Geldsack (la Bolsa de Dios Padre) nannte, ein Geistlicher, Juan Flores, ebenfalls 31/2 Millionen Piaster erbeutete. Der Ertrag des Goldes im spanischen und portugiesischen Amerika hat beträchtlich mehr abgenommen, als der Ertrag des Silbers, aber jene Abnahme ist viel älter als der Ausbruch der politischen Revolutionen in den Tropenländern. Ich habe an einem andern Orte bereits entwickelt, in welchem Irrthum man in Europa bis zum Anfange dieses Jahrhunderts über Ausdauer des Reichthums der brasilischen Goldwäschen gewesen ist, wie man den glänzenden Zustand dieser Wäschen (von 1752 bis 1773) mit dem spätern Zustande verwechselt hat. Zwischen 1752 und 1761 oscillirte die den Quinto bezahlende Goldausbeute von Minas Geraes zwischen 6400 und 8600 Kil. (eine portugiesische Arroba hat nach Franzini 14,656 Kilogrammen). Diese Ausbeute ist allerdings sehr beträchtlich, und die jetzigen Productionen des Ural und Altai weit übertreffend; aber man muß gedenken, daß 1804 auch das spanische Amerika an 10,400 Kil. Gold gab. Die Production von Minas Geraes war in den Mitteljahren von 1785 bis 1794 schon auf 3300 Kil., zwischen 1810 und 1817 auf 1600 Kil., zwischen 1818 und 1820 auf 428 Kil. gesunken. Seit dieser Zeit scheint, durch die Industrie einiger englischen Gesellschaften, sich der brasilische Goldbergbau wieder etwas gehoben zu haben: aber mehr noch als die Erschöpfung der Lagerstätten hat der Hang zur Cultur von Colonial-Producten, welche die immer fortdauernde schändliche Sklaveneinfuhr aus Afrika begünstigt, an dem Verfall der Goldwäschen Schuld. Bei dem ungeheuern Schleichhandel, der jetzt in Brasilien getrieben wird, wäre zu wünschen, daß ein der Verhältnisse des Landes recht kundiger Eingeborner sich bemühen wollte, den allgemeinen Ertrag der jährlichen Goldproduction seit 1822 zu ergründen. Es ist eine merkwürdige Erscheinung in der Geschichte des von Europäern getriebenen Bergbaues, daß seitdem die Goldgewinnung in Brasilien so tief gesunken ist, dieselbe im nördlichen Asien und (freilich fast nur vorübergehend) in dem südlichen Theile der Vereinigten Staaten von Nordamerika zu einer unerwarteten Höhe empor stieg. Das Bergsystem des Ural (eine Meridiankette, mauerartig hingestreckt vom Ust-Urt im nördlichen Theile des Truchmenen-Isthmus bis gegen das Eismeer, ja nach des Botanikers Alexander Schreuks und Hrn. v. Baers neuesten schönen Beobachtungen bis nach Waigatz und Novaja-Semlja hin) ist goldführend erfunden in einer Länge von fast 17 Breitengraden. Wenn der Ural in den Jahren 1821 und 1822 nur noch 27 bis 28 Pud Gold (440 bis 456 Kil.) lieferte, so stieg der Ertrag des uralischen Goldsandes schon in den drei folgenden Jahren: 1823, 1824 und 1825, stufenweise auf 105, 206 und 257 Pud. Nach der mir von dem russischen Hrn. Finanzminister Grafen v. Cancrin handschriftlich mitgetheilten Uebersicht der edeln Metalle, die in dem russischen Reiche gewonnen und in dem Münzhofe von St. Petersburg aus den legirten Metallen rein erhalten worden sind, war die Goldproduction: 1828 .... 290 Pud 39 Pfund. 1829 .... 289 -- 25 -- 1830 .... 347 -- 27 -- 1831 .... 352 -- 2 -- 1832 .... 380 -- 31 -- 1833 .... 368 -- 27 -- 1834 .... 363 -- 10 -- Als ich auf Befehl des Kaisers Nikolaus mit meinen Freunden Gustav Rose und Ehrenberg die Expedition in dem nördlichen Asien machte, waren die Goldwäschen auf das europäische Gränzgebirge des Urals beschränkt. Der Altai (mongolisch: das Goldgebirge, Altaiin Oola) gab nur das wenige Gold (an 1900 Mark), welches aus den goldhaltigen Silbererzen (70,000 Mark) der reichen Gruben von Schlangenberg oder Smeinogorsk, Ridderski und Syrianowski ausgeschieden werden konnte. Seit 1834 ist aber in diesem mittleren Theile von Sibirien der Fleiß der Goldsucher unerwartet belohnt worden. Man hat Lager von Goldsand (Gerölle) entdeckt, ganz denen am Abhange des Urals gleich. Das durch seinen Einfluß auf die Belebung des Verkehrs von Inner-Asien so verdiente Haus Popof hat auch hier ein rühmliches Beispiel gegeben. Unter den 398 Pud Gold (27,884 Mark), welche 1836 das ganze russische Reich lieferte, waren 293 Pud 26 Psund vom Ural und 104 Pud 15 Pfund vom Altai. Im nächstfolgenden Jahr 1837 war die Ausbeute des östlichen Sibiriens schon so gestiegen, daß der Altai 130 Pud, der Ural (von Kron- und Privatwäschen) 309 Pud Waschgold gaben. Rechnet man zu diesen Summen 30 Pud Gold, die aus den in anstehendem Gestein einbrechenden Erzen von Altai und Nertschinsk ausgeschieden wurden, so ergeben sich für die gesammte russische Goldproduction des Jahres 1837 genau 469 Pud oder 7644 Kil. Gold. Die Goldwäschen im Ural sind daher in einem sehr langsamen Sinken, der Altai aber fügt zur Totalmasse so viel hinzu, daß seine Ausbeute zu der des Ural sich schon wie 4: 91/2 verhält. (Beschluß folgt.) A. v. Humboldt über die Schwankungen der Goldproduction, mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. (Beschluß.) Ueber die eigentliche Ablagerung des Goldsandes im Altai sind wir erst ganz neuerlichst durch einen sehr ausgezeichneten Geognosten, meinen ehemaligen Reisebegleiter im südlichen Ural, Hrn. v. Helmersen, belehrt worden. Das Waschgold, welches seit einigen Jahren in stets wachsender Menge im östlichsten Theile des Tomskischen Gouvernements gewonnen wird, gehört nicht dem großen Gebirgsstock selbst zu, den wir das altaische Erzgebirge nennen, den Ledebour, Bunge und Gebler erforscht haben, und in dem sich der Berg Belucha mit seinen unerstiegenen Schneespitzen an den Quellen der Katunja bis zu 11,000 Fuß, bis zur Höhe des Wetterhorns und Pics von Teneriffa majestätisch erhebt. Die Lager goldhaltigen Sandes zeigen sich an beiden Abhängen, besonders aber an dem östlichen eines kleinen Gebirgsarmes, welchen der von Osten gegen Westen streichende Altai in dem Meridian des Telezkischen Sees gegen Norden aussendet, und der bis in den Parallel von Tomsk reicht. "Auf den Karten," sagt mein Freund, Hr. v. Helmersen, "wird dieser waschgoldführende Gebirgsarm durch die Namen des Abakanskischen, Kusnezkischen und Alatau-Gebirges bezeichnet. Seiner Richtung, seiner innern Zusammensetzung und seiner Form nach hat er mit dem Ural die unverkennbarste Aehnlichkeit; es ist in der That eine Wiederholung des Urals, nur in geringerer Länge. Die Analogie geht so weit, daß auch hier der Ostabhang goldreich, der Westabhang aber viel ärmer ist. Da gerade dieser Westabhang der Krone zur Bearbeitung vorbehalten wurde, so haben bisher fast nur die Privatunternehmer den Goldreichthum des Alatau (dieses gegen Norden auslaufenden Zweiges des Altai) benützt." Geognosten, welche mit meinen Untersuchungen über die Richtung der Gebirgssysteme von Inner-Asien und mit den geistreichen Ansichten Elie de Beaumonts über Parallelismus und relative Altersfolge der Gebirgsspalten und Ketten vertraut sind, kann die Wichtigkeit jener Beobachtungen des Hrn. v. Helmersen nicht entgehen. Ich selbst habe die nördliche Lagerstätte des altaischen (kusnezkischen) Goldsandes nicht gesehen, da meine Reise von Tobolsk über Tara, durch die Barabinskische Steppe, nach dem westlichen und südlichen Altai, und von da nach dem chinesischen Gränzposten Chunimailächu (in der Provinz Ili, nördlich vom Saysansee) gerichtet war. Das altaische Waschgold ist etwas silberhaltiger als das Gold des Ural. Die sibirischen Kaufleute, von dem kaiserlichen Bergdepartement kräftig begünstigt, haben jetzt selbst Winterwäschen angelegt, und die Bearbeitung dieses neuen Zweiges der asiatischen Industrie ist um so merkwürdiger und erfreulicher, als die Arbeiter nur Freiwillige sind und sehr gut bezahlt werden. Nach neueren Nachrichten, die ich dem Hrn. Finanzminister, Grafen v. Cancrin, verdanke, sind reiche Sandlager, wie im Salairskischen Gebirgszuge, so auch am Flusse Birtusa entdeckt worden, der die Gouvernements Jeniseisk und Irkutsk von einander trennt. Für ganz Sibirien sind schon 240 Licenzen (Berechtigungen zu Benützung von goldhaltigen Lagerstätten) ertheilt. So beträchtlich zeigt sich demnach in neuerer Zeit (und der Hauptzweck dieser Untersuchung ist, den Wechsel der Strömungen im Goldhandel zu schildern) der Zufluß von Osten her! Jene 469 Pud uralischen und altaischen Goldes (32,830 preußische Mark), welche der Ertrag des Jahres 1837 waren, sind werth in preußischem Silbergelde 7,211,000 Thaler. Ein solcher Ertrag ist nur noch um 1/8 geringer, als die Goldproduction von Minas Geraes in Brasilien in den reichsten Jahren der glücklichen Epoche von 1752 und 1761 war; er ist aber fast um 1/3 geringer, als die Goldproduction von Neu-Granada, Chili und Mexico kurz vor dem Ausbruch der Revolution in dem spanischen Amerika. Wenn man die ungeheure Ausdehnung des sibirischen Continents betrachtet, und sich der schnellen Zunahme des Goldes vom Ural in den Jahren 1822, 1823 und 1824 erinnert, so wird es überaus wahrscheinlich, daß der Zufluß des sibirischen Goldes von Osten nach Westen, von Asien nach Europa, noch immer nicht sein Maximum erreicht hat. Der Ertrag von Ost-Sibirien wird vielleicht schneller steigen, als der Ertrag der uralischen Wäschen, wo man die reichsten Sandlager zuerst und anfangs leider zu flüchtig bearbeitet hat, abnimmt.... Die Ansichten, welche man seit kaum 15 Jahren über den noch immer vorhandenen Goldreichthum von Nord-Asien gewonnen hat, führen fast unwillkürlich zu den Issedonen, Arimaspen und goldhütenden Greifen zurück, denen Aristeas von Prokonnesus und, etwa zweihundert Jahre später, Herodot einen so dauernden Ruf verschafft haben. Mir ist die Freude geworden, die Orte im südlichen Ural zu besuchen, wo wenige Zoll unter dem Rasen, nahe neben einander, glänzende Goldmassen von 13, 16, ja 24 russischen Pfunden entdeckt worden sind. Noch viel größere Massen können einst als rundliche Geschiebe, ganz unverdeckt, auf der Oberfläche der Erde gelegen haben. Kein Wunder also, wenn schon in hohem Alterthume dieses Gold von Jäger- und Hirtenvölkern gesammelt wurde, wenn das Gerücht von solchem Reichthume weit erscholl, ja bis zu den hellenischen Colonien am Pontus Euxinus vordrang, Colonien, die früh mit dem nordöstlichen Asien jenseits des kaspischen Meeres und Oxussees (Aral) in Verkehr traten. Die handeltreibenden Griechen und auch die Skythen kamen nicht selbst bis zu den Issedonen; sie verkehrten nur mit den Argippäern. Niebuhr in seinen Untersuchungen über die Skythen und Geten (Untersuchungen, die keineswegs durch das bestätigt werden, was wir jetzt über Racenverschiedenheit und Sprachbau nordasiatischer Völker wissen) setzt die Issedonen und Arimaspen nördlich von Orenburg, also in jene uns jetzt so bekannt gewordene goldreiche Gegend am östlichen Abfall des südlichen Ural. Diese Meinung wird in dem eben erschienenen inhaltsreichen Werke des Staatsraths Eichwald über die alte Geographie des kaspischen Meeres vertheidigt. Heeren und Völcker deuten dagegen das Herodotische Goldland auf den Altai, und ich gestehe, daß diese geographische Deutung mir mehr durch Localverhältnisse gerechtfertigt scheint... Ich habe oben des Umstandes gedacht, daß im Ural ungeheure Goldmassen wenige Zoll unter dem Rasen gefunden werden. Rieselndes Wasser oder andere geringfügige Ursachen können diese Masse einst so entblößt haben, daß sie auf die Oberfläche der Erde selbst gelangten. Ist vielleicht die Geschichte des heiligen Goldes bei den Skythen, deren Herodot (IV, 7) erwähnt, ist das Herabfallen goldener Ackerwerkzeuge vom Himmel, welche die beiden zuerst nach einander hinzutretenden Königssöhne nicht berühren konnten, ohne sich zu verbrennen, während der dritte, Colaxais, das erloschene (erkaltete) Gold ohne Gefahr nach Hause trug, bloß mythisch zu erklären, oder soll man darin vielleicht Anklänge eines heißen Aerolithenfalles erkennen? Sind hier Eisen und Gold mit einander verwechselt, und war das heilige Gold ein glühender Meteorstein, der von Pallas in Sibirien aufgesundenen Masse ähnlich, aus der man Ackerwerkzeuge schmieden konnte, wie die Esquimaux der Baffinsbay sich ihre Messer aus einer im Schnee halbvergrabenen Meteormasse noch in unsern Tagen bereiten? Ich weiß, daß physische Erklärungen alter Mythen und neuerer Wunder jetzt nicht beliebt sind, und daß ich besorgen muß, auf den Irrweg Alexandrinischer Grammatiker zu gerathen; aber einem Naturforscher ist die Erinnerung an einen Aerolithenfall wohl zu verzeihen. Vielleicht war das vom Himmel gefallene Metall nur glühend, um die älteren Söhne abzuhalten? Auch nach deutschem Volksglauben leuchtet und brennt der Ort, wo ein Schatz vergraben liegt. Solche Betrachtungen leiten ab von speciell-physischen Deutungen! Das Wiederauffinden goldhaltiger Sandlager in Nord-Asien, jenseits des Obi, das Steigen eines einjährigen Ertrages des altaischen oder kusnezkischen Waschgoldes bis zu einem Gewicht von 130 Pud oder 9100 preußische Mark ist eine Begebenheit in der Geschichte des Goldhandels: sie ist eine um so wichtigere Begebenheit, als sie dem Europa unmittelbar unterworfenen Theile von Asien zugehört, und als die ganze Ausbeute zu uns in Westen hinüberfließend auf den europäischen Goldmarkt einwirkt. Fast zu derselben Zeit, wo der Ural seinen Goldschatz eröffnete, und zu ersetzen anfing, was die tiefgesunkene brasilische Goldausbeute nicht mehr dem Geldverkehr darzubieten vermochte, wurden vielversprechende goldhaltige Lagerstätten in dem südlichen Theile der Alleghanys, in Virginien, Nord- und Süd-Carolina, Georgien, Tennessee und Alabama entdeckt. Der eigentliche Flor dieser nordamerikanischen Goldwäschen, welche bald auch einen eigentlichen Bergbau auf anstehendes Gestein veranlaßten, fällt in die Jahre 1830 bis 1835. Sie haben allerdings in den letzten acht Jahren nicht viel über 41/2 Mill. Dollars geliefert, aber die Erscheinung des Goldreichthums in solcher Nähe von der atlantischen Küste verdient in geognostischer Hinsicht mehr Aufmerksamkeit, als man ihr in Europa geschenkt hat. Sie bietet auch ein großes historisches Interesse dar, da das viele Gold, welches die ersten spanischen Conquistadoren in den Händen der Eingebornen von Florida fanden, jetzt nicht mehr als Wirkung eines alten Verkehrs mit Mexico (Anahuac) oder mit Hayti betrachtet zu werden braucht. Hr. Jacob konnte in seinem oft erwähnten Werk über die edeln Metalle den Ertrag der Goldwäschen von Nordamerika nur noch zu 130,000 Dollars anschlagen; aber wenige Jahre darauf stieg derselbe auf 800,000, ja selbst auf eine Million Dollars. In der Grafschaft Cavarras (Nord-Carolina) wurde ein Goldgeschiebe von 28 Pfund (englischem avoir du poids-Gewicht) gefunden, und daneben mehrere von vier bis zehn Pfund. Der Gewinn, und mit ihm die Lust zum Goldwaschen und zum Goldbergbau sind seit dem Jahr 1835 rasch gesunken. In einem Lande, das bei seinem stets fortschreitenden Wohlstande das Glück des freiesten Verkehrs genießt, bieten sich bessere Mittel dar, die Capitalien productiv zu machen; aber in der Geschichte des Geldhandels interessiren die dem Schooße der Erde entrissenen und in Circulation gebrachten Massen, wie der Zu- und Abfluß derselben in verschiedenen Richtungen mehr, als der Vortheil, welchen die Bearbeitung der Lagerstätten vorübergehend gewährt. Quantitäten vermehrter Goldproduction, welche unsere Einbildungskraft aufregen, verschwinden, man möchte sagen, wie ein Unendlichkleines, gegen die seit Jahrtausenden aufgehäufte und im Welthandel circulirende Masse, werde diese existirend als Münze gedacht oder verarbeitet zu sachlichem Gebrauchswerthe. Jeglicher Zufluß, auch der kleinste, wirkt allerdings durch eine lange Dauer, da aber eine größere und an Wohlstand wachsende Population auch eines größern Umlaufcapitals bedarf, so kann, trotz des Zuflusses, durch Vertheilung ein sühlbarer Mangel eintreten. Vor den großen Goldentdeckungen am östlichen Abfall des Ural, deren eigentlicher Flor erst mit den Jahren 1823 und 1824 begann, war auf dem großen Markte zu Hamburg der Tauschwerth des Silbers zum Golde als Mittelpreis der Jahre 1818 -- 1822 wie 1:15,75, wenn er nach der reichen Goldausbeute am Ural im Mittel der fünf Jahre 1830 -- 1834 nur auf 1:15,73 sank. In dieser Zwischenzeit wurden in England, wie ich schon oben berührt, um den Verkehr mit Metallgeld wieder herzustellen, 1,294,000 Mark Gold vermünzt. Welchen Theil hat nun an dieser Veränderung des Tauschwerthes die verminderte Exportation der edeln Metalle aus dem neuen Continent gehabt? Der brasilischen Goldwäschen ist hier kaum Erwähnung zu thun, da sie in jener Zeit jährlich kaum 1700 Mark lieferten. Will man nun auch annehmen, daß in diesen dem ersten Ausbruch der Revolution näheren zwölf Jahren die Golderzeugung des spanischen Amerika bis unter 1/3 von dem gesunken sey, was in der letzten blühenden Epoche (1800--1806) der mittlere Goldertrag gewesen war, so beträgt der zwölfjährige Verlust der Importation (1816 -- 1827) doch nur 83,200 Kil. Nun hat aber der Ural in den Jahren 1823 -- 1827 bereits einen Ersatz von 17,300 Kil. gegeben. Es sind also im Ganzen in jenen zwölf Jahren nur 286,000 Mark Gold weniger nach Europa gekommen. Ich habe geflissentlich ein Beispiel ausgewählt, welches hinlänglich sichere numerische Elemente darbietet. Das gefundene Resultat ist die Entbehrung einer Goldmenge, die nur zwischen 1/4 und 1/5 des, während der zwölf Jahre in der Londoner Münze verprägten Goldes beträgt. Wenn man den Tauschwerth der edeln Metalle befreit von den kleinen localen Zufälligkeiten betrachtet, z. B. den Goldbarrenwerth in Hamburg, so erkennt man darin zwischen 1816 und 1837 weder den Einfluß des asiatischen Bergbaues, noch die abnehmende Golderzeugung im spanischen Amerika. Der Abfluß nach Asien, den ich an einem andern Orte und in verschiedenen Epochen zu untersuchen Gelegenheit gehabt, ist bestimmt im Abnehmen. Sehr uneigentlich wird er der kleine Altai genannt. Auch Hr. v. Helmersen theilt meinen Unglauben an die Existenz des großen Altai (Fragmens asiatiques T. I. p. 28). "Eines jener großen Längenthäler, sagt Helmersen, die das Erzgebirge Altai durchziehen, ist das Thal der oberen Buchtarma: es scheidet den nördlichen russischen Antheil des Gebirges von dem südlichen, chinesischen. Dieser südliche Theil ist häufig, und bis in die neuesten Zeiten als ein besonderes Gebirge mit dem Namen des großen Altai aufgeführt worden, im Gegensatze zu dem nördlichen sogenannten kleinen Altai. Abgesehen von dem Unpassenden dieser Benennungen, die weder in der Natur begründet scheinen, noch von den Bewohnern angenommen sind, dienen sie nur, um einen Irrthum fortzupflanzen, den ein Kartenzeichner von dem andern erbt. Der chinesische Altai bildet mit dem russischen nur ein und dasselbe Ganze, und es ist kein Grund vorhanden, sie als zwei, sogar in ihrer Richtung verschiedene Gebirgszüge auftreten zu lassen."