Alexanders von Humboldt Gutachten über die Herantreibung des Meissner Stollns in die Freiberger Erzrefier. Der ehrenvollen Aufforderung, ein bergmännisches Gutachten über die Mittel zu geben, den Wohlstand des Freiberger Bergbaues, als einer bisher so ergiebigen Quelle des sächsischen Nationalreichthums, auf ferne Jahrhunderte zu sichern, glaube ich am besten genügen zu können, wenn ich in wenigen Blättern die Thatsachen zusammenfasse, welche mich nach der reiflichsten und unpartheiischsten Ueberlegung bestimmt haben, dem oberbergamtlichen Berichte vom 6. Februar 1830 vollkommen beizupflichten. Ein Schüler Werners, und als praktischer Bergmann in der Freiberger Akademie gebildet, habe ich mich tief von der Pflicht durchdrungen gefühlt, die in einem bewegten Leben gesammelten Erfahrungen (bald den Grubenbau, freilich nur in einem engen Kreise leitend, bald die Metallförderung in den amerikanischen Kordilleren und dem russischen Theile von Nordasien berufsmässig studierend) ernsthaft zu Rathe zu ziehen, um nicht leichtsinnig zu einem Unternehmen zu rathen, welches andern Theilen des Staatshaushaltes wichtige Summen entziehen, aber neue und langdauernde Quellen des Wohlstandes begründen wird. Der Hauptpunkte, welche hier zu erwägen sind, bieten sich drei dar. — Gibt es kein anderes Mittel, ein kürzeres oder wohlfeileres, als den Meissner Stolln, den Freiberger Bergbau zu retten? Ist es wahrscheinlich, dass die Erzmittel in so grosser Teufe aushalten werden? Steht dem Unternehmen nicht die Betrachtung entgegen, dass es in einem so langen Zeitraume durch unvorhergesehene Unfälle gestört werde? — Diese drei Fragen sollen, wie ich hoffe, durch nachfolgende Betrachtungen, die sich auf die so umsichtlich von der königl. Behörde gesammelten Materialien gründen, eine genügende Erläuterung finden. Nichts kann der Direction, des königl. Oberberghauptmanns, Frhrn. von Herder, und des königl. Freiberger Oberbergamts ehrenvoller sein, als die einfache Erinnerung, die sich mir, einem Schüler der Bergakademie im Jahre 1790 jetzt nach 43 Jahren, unwiderstehlich aufdrängt, dass es durch Anwendung erhöhter intellektueller Kräfte, d. h. durch Vervollkommnung des Maschinenbaues, der Wasservertheilung, der Aufbereitung und des gesammten Hüttenprocesses, ausführbar geworden ist, in der Freiberger Refier nicht blos dieselbe Zahl der Berg- und Hüttenleute zu beschäftigen, sondern auch, bei so sehr abnehmendem Erzgehalte und so sehr zunehmender Teufe der Grubenbaue, das Quantum des Ausbringens zu vermehren. Eine solche Erhöhung intellektueller Kräfte, eine solche Vervollkommnung der praktischen Mittel haben aber ihre Grenzen; wenigstens können sie nicht in dem Maasse der Schnelligkeit vermehrt werden, als die Hindernisse sich vervielfachen. Neue Wege müssen daher eingeschlagen werden, um dem drohenden Uebel, das die Verarmung einer arbeitsamen und überaus achtbaren Menschenklasse zur unmittelbaren Folge haben wird, baldigst zu widerstehen. Meinen eigenen Ansichten misstrauend, habe ich mich in dieser wichtigen Untersuchung, und bei der Redaction dieses Gutachtens, mit einem Freunde berathen, (dem königl. preuss. Oberbergrath von Dechen) der nicht blos zu den vorzüglichsten Geognosten Deutschlands gehört, sondern auch durch Reisen in den wichtigsten Theilen von Europa und durch eigene Berufsgeschäfte innigst mit dem praktischen Bergbau und Hüttenwesen vertraut worden ist. Ich beginne mit der allgemeinen Bemerkung, es sei nicht zu fürchten, dass irgend eine Erfindung eine wohlfeilere Erzeugung mechanischer Kräfte in der Zwischenzeit den, zum Stollnbetrieb nöthigen Geldaufwand vergeblich machen werde. Seit Jahrtausenden, seit den Arbeiten der Römer und Griechen sind Stolln, wo es möglich war, sie anzusetzen, das beste und sicherste und wohlfeilste Mittel geblieben, Gruben von Wasser zu befreien. Sie sind es in Europa, wie auf den Hochgebirgen von Mexiko, Peru und Neu-Granada, wie an dem östlichen und südlichen Abhange des Ural und Altai. Wie wenig Dampfmaschinen, das allgemeinste Hülfsmittel der Mechanik, in der Freiberger Erzrefier anwendbar sein würden (wenn man sie nämlich als das Stollnunternehmen ganz ersetzend betrachtet), ergeben einfache numerische Vergleichungen. Eines Pferdes Kraft hebt in der Minute 33000 Pfund 1 Fuss hoch. Die 1829 in der Freiberger Refier vorhandenen 41 Kunstgezeuge und 2 Wassersäulmaschinen können in ihrer Wirkung, nach Berechnung des kenntnissvollen Maschinendirectors Brendel, nur durch Dampfmaschinen ersetzt werden, von zusammen 1216 Pferdekraft. Die Anlage dieser Dampfmaschine würde über eine halbe Million Thaler kosten, ihre jährliche Unterhaltung 422000 Thaler. Man glaubt, dass die Dampfmaschinen, welche aus einem gemeinsamen Behälter die Grundwasser der Halsbrückner Baue aus einer Tiefe zu heben bestimmt wären, die der Meissner Stolln einbringen wird, in einem Jahre eine Unterhaltung von 2957382 Thaler kosten möchte. Nimmt man auch, nach Massgabe englischer und belgischer Erfahrungen an, dass diese Berechnungen zu hoch seien, so bleibt es doch immer nur allzugewiss, dass bei der vorhandenen Menge der Grundwasser, bei der Entfernung und Kostbarkeit der Brennmaterialien, von einer allgemeinen Anwendung von Dampfmaschinen, um die Wasser des ganzen Freiberger Bergbaues zu Sumpfe zu halten, keine Rede sein könne. In Ländern, wo die Beschaffenheit der Oberfläche (die Thalbildung) keine Gelegenheit zum Ansetzen tiefer Stolln darbietet, hat man freilich zu dem alleinigen Mittel der Dampfmaschinen seine Zuflucht nehmen müssen. Wer mit ihrer Construction und dem Wenigen bekannt ist, was von den zahllosen, jährlich angerühmten und verheissenen Verbesserungen an Kraft und Ersparniss des Brennmaterials in wirkliche, dauernde und praktische Anwendung gekommen, wird erkennen, dass seit zwanzig bis dreissig Jahren die im Grossen angewandten Dampfmaschinen wenig wesentliche Veränderungen erlitten haben. Die Vervollkommnung der sinnreichsten und grossartigsten Erfindungen erreicht bald gewisse Grenzen, und wie sehr dies auch bei den Dampfmaschinen der Fall gewesen, zeigen die auf englischen Gruben noch heut gebrauchten Vorrichtungen nach Newcommen’schem Prinzip, wie die seinsollenden Vervollkommnungen der Dampfmaschinen, von Boulton und Watts berühmten Patente an bis auf Perkins schnell verschollene Versuche herab. Auf diesem Wege, dem der Anwendung der elastischen Kräfte des Dampfes, ist, nach dem Bisherigen zu urtheilen, keine Aussicht, etwas viel Besseres (d. h. allgemein Eingreifendes) an die Stelle des Vorhandenen treten zu sehen, bevor der Meissner Stolln im Laufe ferner Zeiten seinen Zweck völlig erreicht und Segen über die Nachkommen seiner Urheber und über das Land verbreitet haben wird, welches ihn ins Dasein rief, und seit Jahrhunderten durch wissenschaftliches Fortschreiten und freie Belebung intellectueller Kräfte einen so ausgezeichneten Platz in der Geschichte deutscher Bildung eingenommen hat. Der Plan, von Meissen herauf einen Stolln (den möglich tiefsten) nach den Freiberger Silbergruben zu treiben, ist so gross, so weit aussehend, so kostbar, dass eine genaue Bekanntschaft mit den Reichthümern der dortigen Erzniederlagen, ein inniges Vertrautsein mit den bisherigen Betriebsverhältnissen jener Refiere, eine eigene Anschauung grossartiger, bisher im Bergbaue ausgeführter Anlagen erfordert wird, um denselben nicht als chimärisch, ohne Prüfung zu verwerfen. Der Freiberger Bergbau, seit länger als sechs und einem halben Jahrhundert grosse Silbermassen liefernd, ist die Quelle des Erwerbes für einen beträchtlichen Theil der Bewohner des Erzgebirges. Die gewöhnlichen Hülfsmittel des Bergmannes, um die Gruben von den Wassern zu befreien, und so eine der grössten Schwierigkeiten des Betriebes hinwegzuräumen, sind besonders seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts vervollkommnet, und nach grossen Plänen und mit seltener Ausdauer in der Freiberger Refier angewendet worden; sie sind nunmehr erschöpft. Voraussichtlich reichen sie nicht mehr hin, diesen Bergbau bis an das Ende unseres Jahrhunderts zu erhalten. Neue Anlagen sind erforderlich, nicht allein um mehr als 5000 Berg- und Hüttenleute der Freiberger Refier zu erhalten, sondern auch die vielen Tausende von Einwohnern zu retten, deren Nahrungsstand von jenen abhängt, denen kein anderer Ersatz geboten werden kann. Die Frage, ob der Bergbau hier noch länger bestehen soll, muss bald entschieden werden. Bei der Langsamkeit, mit der, der Natur der Sache nach, alle Veranstaltungen des Bergbaues ausgeführt werden können, ist es jetzt hohe Zeit, die Mittel zu seinem ferneren Bestehen in Erwägung zu ziehen, und glücklicherweise ist dieser Moment jetzt noch zu benutzen. Ueber die Nothwendigkeit und über den Nutzen, Bergbau so lange zu erhalten, als er in seiner Gesammtheit ohne baare Zuschüsse bestehen kann, ist kein Zweifel. Aber auch Vorschüsse, um ihn in einer fernen Zukunft sicher zu stellen, zur rechten Zeit gegeben, selbst ohne Zinsen, die indirekt vielfältig eingebracht werden, sind das wohlfeilste Mittel, der Bevölkerung eines grossen Theils des Erzgebirges die Existenz zu sichern. In allen Staaten werden jetzt mit grossem Kapitalaufwande Chausséen gebaut, ohne die Zinsen, ohne Amortisation des Anlagekapitals zu berücksichtigen, und welche Chaussée wirkt so kräftig, als die Erhaltung des Freiberger Bergbaues auf eine bestimmte Gegend zurück. Wie elend sind Gegenden, wo ein einst blühender Bergbau aufgehört hat! Die Mittel, welche den Bestand der Freiberger Refier auf die längste Dauer erhalten können, sind sorgfältig gegen einander abgewogen; das Resultat aller Untersuchungen ist: ein von Meissen nach Freiberg zu treibender Stolln sei das beste, ja sogar das einzigste, welches vollkommen zum Zwecke führt. Dasjenige Mittel, welches zunächst bei der innern grössern Vervollkommnung praktischer Mechanik und allein sich zur Vergleichung darbietet, ist die Anwendung der Dampfmaschinen. Es ist zu ermitteln nicht erforderlich, wie gross die Kraft derselben sein müsste, um das für die Freiberger Refier zu leisten, was ein Stolln ohne Unterbrechung, beinahe ohne Kosten nach seiner Vollendung thut, der den Anner Stolln bei der Halsbrücke um 96 Lachter, die Moritzsohle des tiefen Fürstenstolln bei Beschertglück um 126 Lachter, den Thelersberger Stolln auf Himmelsfürst um 164 Lachter seiger unterteuft . Wir haben bereits oben zu zeigen gesucht, dass Dampfmaschinen nicht nur die Vergleichung nicht aushalten, sondern gänzlich unanwendbar sind. Die Gänge der Freiberger Refier, welche in 307 Jahren, von 1524 bis 1830, für 95423149 Thaler Erze geliefert haben, sind grossentheils durch den neuesten Betrieb so bekannt, dass mit Sicherheit berechnet werden kann: die Lagerstätte der jetzt in Erzlieferung stehenden Gruben enthalten bis zu den (mit Hülfe des Meissner Stollns und der schon vorhandenen Wasserkräfte) abzubauenden Tiefen nicht unter 41800000 Thaler Erze; dass mit grosser Wahrscheinlichkeit zu schätzen ist: die Gänge der, wegen nicht zu gewältigender Grundwasser ruhenden Gruben, von denen bestimmte Nachrichten vorhanden sind, liefern bis zu denselben Tiefen noch für 49300000 Thaler Erze; zusammen für 91100000 Thaler Erze sind hier noch in dem Schoosse der Erde enthalten, ebensoviel, als demselben in den letzten drei Jahrhunderten entzogen worden ist. Der Grund der Abweichung dieser und der folgenden numerischen Angabe des künftig zu erwartenden Silberausbringens von den im Haupttexte enthaltenen ist bereits in der Anmerkung zu Beilage No. X. 3. erläutert. Anmerkung des Herausgebers. Der Meissner Stolln wird daher auf einen sehr genau gekannten Gegenstand gerichtet, keine Unsicherheit waltet über das, was er finden wird. Die drei, zur allgemeinen Beförderung des Freiberger Bergbaues aus landesherrlichen Kassen getriebenen Stolln, der Thalersberger, Thurmhöfer und alte tiefe Fürstenstolln liefern die besten Beweise, sie zeigen den Weg, der zu verfolgen ist. — Der tiefe Hülfe Gottes Stolln (Treuer Sachsen Stolln, auf den die Landstände seit 1826 bis 1830 28899 Thaler mit grossem Vorbedacht gewendet haben), nur 15 Lachter tiefer als der Anner Stolln wird manche Vorbereitung für den grössern Plan erleichtern und einstweilen theilweise helfen. Aber schon auf seinem Wege nach Freiberg wird der Meissner Stolln Nutzen schaffen, und manche Hoffnung liegt hier vor, die zu seiner Ausführung anregt. Der alte Blei- und Silberbergbau bei Munzig wird durch ein kurzes Flügelort gelöst, der Dürrwiesener Stolln daselbst um 39 Lachter unterteuft. Die Reinsberger Silbererzniederlage (wo die hoffnungsreiche Emanuelgrube von 1817—1827 für 21927 Thaler Erze geliefert hat) erhält die Mittel sich zu entwickeln. Ein anderer Stollnflügel schafft der Alten Hoffnung Gottes, dem alten Bergbau bei Siebenlehn, und selbst weiterhin dem Segen Gottes Erbstolln bei Gersdorf neue Hülfe. Welche Aussichten gewährt das nächste Ziel des Stollns bei Freiberg? Der Halsbrückner Spat (einschliesslich Churprinz in seiner abendlichen Fortsetzung) hat von 1577—1800, in 224 Jahren, 783826 Mark Silber (über 10 Millionen Thaler) nur bis zur vierten Gezeugstrecke geliefert. Auf Churprinz (Ludwiger Spat) halten die Erze in Menge und Gehalt unverändert bis achte Gezeugstrecke aus; auf ein Niedersetzen bis zwölfte Gezeugstrecke ist mit Gewissheit zu rechnen. Ferner liefert der Halsbrückner Spat mit seiner morgentlichen Fortsetzung in Lorenz Gegentrum und mit Einschluss von Churprinz wahrscheinlich noch für 27669400 Thaler Erze. Dieser Schatz allein würde demnach den Stollnbetrieb von Meissen herauf rechtfertigen . Seitdem sind die Erze bei voller Gangmächtigkeit bereits bis unter die zehnte Gezeugstrecke niedergebracht worden, und es ist hiernach alle bergmännische Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass sie bis zu 400 Lachter Saigertiefe niedersetzen werde. Anm. d. Herausg. Von Meissen bis Munzig wird das noch ganz unbekannte Sienit- und Thonschiefergebirge untersucht, bei Scharfenberg und an andern Punkten setzen reiche Silbergänge darin auf; das Freiberger Gneusgebirge wird in möglichst tiefster Sohle aufgeschlossen, und das Erzmittel so tief abzubauen sein, als es voraussichtlich niedersetzt; über unbekannte Gebirgstheile wird in unbekannten Tiefen Belehrung erhalten, und der bergmännischen Thätigkeit noch auf Jahrhunderte Nahrung auf diesem Zuge gegeben; das Alles leistet das neue Unternehmen. Die jetzigen Freiberger Refierstolln hatten Ende 1828 eine offene fahrbare Länge von 74412¾ Lachter (19½ geographische Meilen) mehr als vier Mal reichte sie hin, von Calais trockenen Fusses unter dem Meere nach Dover zu gehen. Sie zeigt, was im Laufe der Zeit langsam durch den Bergbau ausgeführt worden ist. Wer zweifelt, dass die Geldverwendungen auf diese Stolln zweckmässig waren; ohne sie wäre der Freiberger Bergbau schon seit Jahrhunderten nur nach dem Rufe ehemaligen Reichthums bekannt. Sollten wir weniger Muth als unsere Vorfahren haben? Liessen sich die kleinen Schweizer Kantone von dem Anblicke der Hindernisse abschrecken, welche die Alpenstrassen darboten? Die Länge des Meissner Stollns bis zum Lorenzschachte auf dem Halsbrückner Spate ist zu 11360 Lachter ermittelt, beinahe drei geographische Meilen, aber noch nicht der sechste Theil jener vorhandenen Stolln. In dem Triennio 1828— 1830 sind auf den 140—150 gangbaren Gruben der Freiberger Refier, an Ortslänge 13624⅞ Lachter, jährlich mehr als eine geographische Meile aufgefahren worden; wer könnte demnach, der Länge wegen, den Meissner Stolln als unausführbar, als ein leeres Projekt betrachten? Die Dimensionen desselben sind nach der Menge des darauf abzuführenden Wassers auf 2 Lachter (14 Leipziger Fuss) Höhe und 1½ Lachter (10½ Leipz. F.) Weite angenommen. Die Fläche desselben verhält sich dabei zu der des Priessnitzer Elbstollns, der bald sein Ziel, den Zaukeroder Kunstschacht dortiger Kohlengrube, erreichen wird , wie 8:3; aber sie beträgt noch nicht ⅐ der Ortsfläche des Tunnels unter der Themse bei London, und dabei steht sie im festen Gestein, ohne Schwierigkeiten, offen erhalten zu werden. — Die Arbeit vor Ort erleichtert der grosse Einbruch. Ist bereits im Jahre 1836 erfolgt. Anm. d. Herausg. Die 11 Lichtlöcher zu 9 Ellen Länge, 3 Ellen Weite, 10 mit Dampfmaschinen, 1 mit Kunstgezeug zu versehen, sind zweckmässig auf die ganze Erstreckung vertheilt, in die Thäler gelagert, um geringere Kosten bei der Abteufung und Wasserhaltung zu haben. Die Entfernungen zwischen denselben, 800—1278 Lachter, sind zwar weit, aber mit genauer Abwägung der Vor- und Nachtheile grösserer und kleinerer Längen bestimmt. Die Versorgung mit Wetter hat auf solchen Entfernungen keine Schwierigkeit; auf englischen und niederländischen Kohlengruben zwingt man sie acht und zehn Mal grössere zurückzulegen. Das Mundloch im Triebischthale zwischen der fünften und sechsten Mühle, oberhalb Meissen, ist über dem höchsten Wasserstand der Elbe (am 24. Februar 1799) angenommen; es ist gleich im festen Gestein, im Porphyr anzusetzen; an Tiefe wird nichts verloren; die 350 Lachter lange Rösche soll wenig über der dritten Mühle münden. Zwischen dem zweiten und dritten Lichtloche und in ihrer Nähe ist Sienit und Granitgebirge das festeste Gestein zu durchörtern. Der Priessnitzer Stolln, mit dem ebenfalls Sienit durchfahren worden ist, hat ein genaues Anhalten zur Bestimmung des Gedinges gegeben. Weiter herauf ist Glimmerschiefer bei Munzig, dann Thonschiefer; auf ⅖ der ganzen Stollnlänge der bekannte Freiberger Gneus. Das zu verarbeitende Gestein ist bekannt, deshalb der Kostenanschlag, was die Arbeitsgedinge betrifft, nicht unsicher. Das Gedinge für eine Lachter Auffahren, einschliesslich Förderung, ist zu 133 Thaler angenommen, wofür 1000 C′ Gestein wegzuschiessen, und im Mittel 250 Lachter weit zu transportiren ist. Dieselbe Sicherheit gewährt die Zeitbestimmung. Die Lichtlöcher von 16 bis 125 Lachter Tiefe können in 1½ bis 8⅗ Jahren niedergebracht werden. Die grösste Ortslänge, welche in einem Jahre herausgeschlagen werden soll, übersteigt nicht 26 Lachter (wöchentlich ½ Lachter); sie bleibt im Durchschnitt beträchtlich darunter. Dies ist Alles nach bergmännischer Erfahrung vieler Länder sehr wohl auszuführen. Fehlen die nöthigen Geldmittel nicht zur rechten Zeit, so ist die Vollendung des Stollns bis zum elften Lichtloche, nach dem trefflich vom königl. Ober- und Bergamte entwickelten Plane, in 33¼ Jahren mit Bestimmtheit zu erwarten. Der Durchschlag mit dem Halsbrückner Spat ist erst 14 Jahre später angegeben. Diese Zeit wird sich wesentlich abkürzen lassen; die Beendigung des Stollns, um zu dem Genusse der Verwendungen zu gelangen, innerhalb 40 Jahren, liegt in den Grenzen der Möglichkeit. Die jetzt aufwachsende Generation erntet die Früchte des Unternehmens im reifen Mannesalter; es wird für die nächsten Nachkommen gesorgt. Die gesammten Kosten der Anlage sind zwar nicht mit Bestimmtheit vorauszusehen, wie die Ortsgedinge, besonders der die Wasserhaltung betreffende Theil derselben. Diese gesammten übrigen Kosten sind nicht geringe, auf 189 Thaler pro Lachter, veranschlagt. Sie sind von der Betriebszeit abhängig, vergrössern sich mit ihrer längern Dauer. Es wird um so mehr mit der angesetzten Summe auszureichen, selbst weniger erforderlich sein, je rascher das Ziel erreicht wird. Dies fordert dringend zur Beschleunigung der Arbeit auf, wenn sie einmal angefangen ist. Die ganze Summe der Stollnkosten bis zum Halsbrückner Spat beläuft sich nach Abzug des Werthes der übrigbleibenden Maschinen auf 3608385 Thaler. Bei 40jährigem Betriebe werden durchschnittlich auf ein Jahr 90000 Thaler erfordert; wahrscheinlich weniger; bei 47jähriger Betriebszeit im Durchschnitt 76775 Thaler. Die Summen vertheilen sich nicht gleichförmig über die ganze Zeit. Die ersten Jahre erfordern mehr, wegen der Erbauung der Wasserhaltungsmaschinen. Dieser Umstand, weniger geeignet, Schwierigkeiten zu erregen, sichert das Unternehmen. Für die nächste Zukunft ist wahrscheinlich die Herbeischaffung der Geldmittel leichter, sicherer, als für eine entferntere. Unerwartete allgemeine Störungen lassen sich alsdann leichter überwinden, das Ganze ist nicht mehr auf das Spiel gesetzt. Nach Verlauf der ersten 10 Jahre werden 60000 Thaler jährlich genügen, die Anlage in der vorgesetzten Zeit zu vollenden. Von dem Halsbrückener Spat tritt der Meissner Stolln in die Reihe derjenigen Arbeiten, welche bis dahin und ferner, aus den eigenen Kräften des Bergbaues, zu seinem weitern Fortbestehen auszuführen sind. Vom Lorenz- bis Reiche Zeche sind 1773 Lachter. Aber welche edlen Mittel liegen hier auch nicht vor! Der Stollngang oder Rothgrübner Stehende, auf dem der tiefe Fürstenstolln getrieben ist, dessen Verumbruchung als erste Vorarbeit zu seiner Wiederaufnahme seit 1832 angefangen, nur bis dritte Gezeugstrecke gebaut, hat von 1524 bis 1800 für 173144 Thaler Erze geliefert. Bei der Mächtigkeit (von ¼—1 Lachter), der bekannten Längenausdehnung von 2000 Lachter, und dem Aufschliessen benachbarter Gänge ist ein vortheilhafter Bau mindestens bis neunte Gezeugstrecke wahrscheinlich; der Erzfall ist nicht in bestimmten Zahlen nachzuweisen, sicherlich mehrere Millionen Thaler. Der Kühschacht sammt Methusalem hat von 1524 bis 1800 für 2138447 Thaler Erze bis zur siebenten Gezeugstrecke hergegeben; ist der Gang nur noch zwei Gezeugstrecken tiefer fortzubringen , so lässt sich mit Recht ein grosser Vortheil davon erwarten. Der Thurmhöfer Zug hat bereits für 4402427 Thaler Erze geliefert, und kann noch mehr Gezeugstrecken tiefer abgebaut werden; auf dem Hohebirkner Zug kommt der Meissner Stolln zwischen sechste und siebente Gezeugstrecke ein, bis zur neunten hat derselbe für 8469622 Thaler Erze hergegeben; er ist dann bis zur äussersten Grenze seiner Erzführung zu verfolgen. Diese Aufschlüsse in der Meissner Stollnsohle geschehen, während der Halsbrückener Spat mit Hülfe desselben bereits die Erzlieferung der Refier (auf 40 Jahre) allein sicher stellt. Hiernach ist kein Zweifel, dass die Freiberger Refier eine so tiefe Stollnlösung verdient, und die darauf gewendeten Kosten nicht vergeblich verwendet werden. In dem Triennio 1828—1830 hat dieselbe 174704 Mark Silber in den mit 1520315 Thaler bezahlten 575334 Centner 4⅞löthigen Erzen, also im Durchschnitt eine halbe Million Thaler Erze jährlich geliefert. Während der Betriebszeit des Stollns (zu 40 Jahren gerechnet) werden diesen Gängen noch für 20 Millionen Thaler Erze entnommen; dann bleiben noch für 71 Millionen Thaler (nur auf den durch jetzige Aufschlüsse und sichere Nachrichten bekannten Gängen) übrig, wodurch das Bestehen des Freiberger Bergbaues auf fernere 142 Jahre nach dem Einkommen des Meissner Stolln auf den Halsbrückner Spat, bei gleicher Silberproduction gesichert ist. Dies Resultat zu erreichen, ist die Verwendung einer Summe von etwas über 3½ Million Thaler nicht zu gross. Dem Unglauben an der Reichhaltigkeit der Freiberger Gänge in grosser noch nicht erreichter Teufe stehen die bestimmtesten Erfahrungen entgegen. Der Ludwiger Spat (Churprinz), das Berggebäude Kühschacht sammt Methusalem Fundgrube, der Thurmhöfer Zug, auf dem bis zehnte Gezeugstrecke Tiefbaue verführt sind, der Hohebirknerzug bezeugen, dass im sächsischen Erzgebirge die Mittel in der Tiefe ausdauern, welche der Meissner Stolln erreichen soll. Die Baue von Valenciana (Mexiko), von Joachimsthal in Böhmen und auf dem Rohrer-Bühel im Landgerichte Kitzbühel (wie Herr Zenger in seiner lehrreichen Zeitschrift für Tirol und Vorarlberg aus Grubenrissen vom Jahre 1539 beweist) haben bis 486 Lachter Teufe in Erzmitteln gebaut. Praktische Bergleute wissen allerdings (man mag die Metalle und Gangmassen als eine Ausfüllung von oben, oder, wie mir wahrscheinlicher, als eine Sublimation auf Spalten von unten, aus dem Innern der Erde, betrachten), dass im Allgemeinen sich über eine bauwürdige Erzteufe nichts bestimmen lässt, und dass dieselbe in identischen Gebirgsarten (sei es Grünstein- und Sienit- Porphyr, Gneus, Glimmerschiefer, Grauwacke oder Uebergangskalk) variirt, und dass man von einem Welttheile auf den andern nicht mit Sicherheit schliessen kann; sie erkennen aber auch, dass es in jedem Bergrefier, in jedem Systeme gleichstreichender Gänge, einen gewissen Horizont, eine gewisse obere und untere Grenze gibt, zwischen welchen die metallführenden Lagerstätten ergiebig bleiben. Bei dem grossartigen Unternehmen, von welchem hier die Rede ist, haben wir daher vorsichtig nur sächsische Lokalerfahrung zu Hülfe gerufen. Diese Betrachtungen können nicht würdiger geschlossen werden, als mit den Worten, deren sich das Oberbergamt selbst in seinem Berichte vom 6. Februar 1830 bedient hat: „Wenn auch mit der Einbringung des Meissner Stollns in die hiesige Bergrefier nur ein Theil der gehegten Erwartungen in Erfüllung gehen sollte, so bleibt es doch die Pflicht des Bergmannes, hierauf bis zu den erschöpfendsten Massregeln hinzuwirken. Denn es ist wohl nicht zu verkennen, dass diese Unternehmung ausser der Belehrung, welche sie uns über die Natur unbekannter Gebirgstheile und unbekannter Tiefen zuführt, auf viele Menschenalter hinaus, Tausenden von Einwohnern mittel- und unmittelbar Beschäftigung gewähren wird, dass sie die intellectuelle Kraft des Menschen erhebt, und den Grund zu einer Regsamkeit legt, welche die herrlichsten Früchte tragen muss.“ Es sei mir selbst erlaubt, hinzuzufügen, dass eine unterirdische Arbeit so kühner und riesenhafter Art einem Volke, das seinen Werth nicht in der Menschenzahl, sondern in seinem Patriotismus, d. h. in ruhmvollen historischen Erinnerungen, in der Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus, und in den in seiner freien Verfassung begründeten Gesetzen sucht, ein erhebendes Gefühl moralischer Stärke verleiht; dass dieses Gefühl besonders zu einer Zeit wichtig wird, in der Alles nach kleinlicher Befriedigung augenblicklicher Bedürfnisse strebt, und dass ein Unternehmen, welches im Gegensatze zu diesem Bestreben für eine ferne Zukunft schafft, sich dem Geiste gleichsam veredelt in einer höhern Beziehung darstellt. Teplitz, am 20. August 1833. Alexander von Humboldt.