Über die Vulkane von Quito. Von A. von Humboldt. Wenn Vulkanismus, im weitesten Sinne des Worts, alle Erscheinungen bezeichnet, die von der Reaction des inneren flüssiggebliebenen Theils eines Planeten gegen seine oxydirte, durch Wärmestrahlung erhärtete Oberfläche abhängen, so können nur wenige Erdstriche das Schauspiel von dem mannigfaltigsten Zusammenwirken vulkanischer Kräfte in einem gleichgroßen Maaßstabe darbieten, als das Hochland von Quito. Die geognostischen Beobachtungen, welche Hr. v. Humboldt mittheilt, sind seinen noch ungedruckten Tagebüchern entnommen. Zur Bestimmung des relativen Werthes dieser Beobachtungen ist zu beachten, daß orographische Beschreibungen auf zwei ganz verschiedenartigen Fundamenten beruhen, von denen die einen abhängig von der Zeit, von dem jedesmaligen Zustande unseres mineralogischen und allgemein physikalischen Wissens, von dem sich höher entwickelnden Geiste der Geognosie, die anderen durch Beziehung auf bloß räumliche Verhältnisse (auf Größe und Stellung) unveränderlich und, wenn etwa Natur-Revolutionen die Configuration der Erdoberfläche umgestalten, um so wichtiger sind, als sie die Möglichkeit einer numerischen Vergleichung in dem Resultate der Umgestaltung gewähren. Wo strenge Unterscheidung der Formationen nach zoologischen Charakteren, das ist, nach dem epochenweisen Zusammenleben vorweltlicher Organismen, oder nach oryktognostischen Charakteren, das ist, nach der Natur der krystallinischen Gewebe einer Gebirgsart, erheischt werden, verliert die aufgezeichnete Beobachtung, wenn sie der Zeit und den Ansichten entrückt wird, unter deren Einfluß sie angestellt wurde, von ihrer Bestimmtheit und ihrem wissenschaftlichen Werthe. Sie kann jedoch durch spätere Untersuchung mitgebrachter Sammlungen einigermaßen ergänzt und berichtigt werden. Ein anderer Theil der aufgezeichneten Beobachtungen, der topographische, raümlich beschreibende, ist dagegen unabhängig von der Epoche des Einsammelns. Er bezieht sich auf Bestimmung der mittleren Axe und der ganzen Gestaltung seines Gebirges, auf astronomische Positionen, auf barometrische und trigonometrische Hypsometrie; er beruht auf den alten Grundfesten mathematischen Wissens. Die Abhandlung des Hrn. v. Humboldt zerfällt in zwei Abschnitte. Der erste enthält allgemeine Betrachtungen über die Struktur der Andeskette, ihre Absonderung in zwei oder drei neben einander hin laufende, durch Hochthäler getrennte, durch Querjoche im Bergknoten verbundene, gleichsam gegliederte Reihen: er zeigt den Parallelismus der einzelnen Cordilleren unter sich, wobei das abscharende nordöstlich streichende Trumm der Crodillere von Neu-Granada und Merida, welche die ältere Gebirgsspalte am Littoral von Caracas mit der neueren von Quito und Popayan verbindet, eine denkwürdige Ausnahme macht; er untersucht den Einfluß, den die Sinuositäten der Südsee-Küste, besonders im Golf von Arica (einer Wiederholung der Einbiegung, welche der ebenfalls pyramidale Kontinent von Afrika in dem Busen von Biafra bei Fernando Po darbietet) auf das plötzlich veränderte Streichen selbst der ferneren östlichen Cordillere ausüben. Betrachtet man die lange mauerartig hingedehnte Andeskette, nördlich vom Amazonen-Strome, als ein Ganzes, so sieht man sie regelmäßig und fast periodisch die Nähe thätiger Vulkane durch das plötzliche Auftreten gewisser Gebirgsarten verkündigen, welche die vormals sogenannten uranfänglichen, wie die schiefrigen und sandsteinartigen Übergangs- und Flöz-Formationen trennen. Ein so leicht zu beobachtendes Phänomen mußte früh die Überzeügung anregen, daß jene sporadischen Gebirgsarten der eigentliche Sitz vulkanischer Erscheinungen wären und die vulkanischen Ausbrüche auf irgend eine Weise bedingten. Was damals (um unter einem eingeschränkteren Gesichtspunkte hier bloß an die mineralogische Zufammensetzung zu erinnern) in Süd-Amerika als eine eigene Art quarzloser Grünstein- und Syenit-Porphyre beschrieben ward, nahm später die Benennung Trachyt an, durch welche die ältere, vielleicht charakterischere des Domits verdrängt ward. Die neüeste Zeit, die sich einer völligen Umwandlung der Geognosie erfreüt, hat gelehrt, daß jene durchbrechenden Massen (bald als kraterlose Glocken emporgehoben, bald durch die vulkanischen Mächte dergestalt geöffnet, daß eine permanente Verbindung zwischen dem Inneren der Erde und dem Luftkreise gebildet wird) unter verschiedenen Zonen nicht immer dieselbe Zusammensetzung darbieten. Es sind bald eigentliche Trachyte, welche der Feldspath charakterisirt, wie am Pik von Teneriffa und am Sieben-Gebirge (wo sich etwas Albit dem Feldspath beigesellt), Feldspath-Trachyte, die als thätige Vulkane haüfig Osidian und Bimstein erzeügen, bald Melaphyre, doleritartige Gemenge von Labrador und Augit, der Basalt-Formation näher stehend, wie am Ätna und Stromboli, am Chimborazo und Pichincha; bald ist Albit mit Hornblende vorherrschend, wie in den neüerlichst sogenannten Andesiten der Vulkane von Chili, in den schönen Saülen von Pisoje am Fuß des Vulkans von Purace oder am mexikanischen Vulkan von Toluca; bald endlich sind es Leücitophyre, Gemenge von Leücit und Augit, wie in der Somma, der alten Wand des vesuvianischen Erhebungs-Kraters. Die gegenseitigen Verhältnisse dieser Gesteinarten und die Wirkungen ihrer Gruppirung sind ein wichtiges Problem der allgemeinen Geognosie. Der zweite Abschnitt der Abhandlung ist der geognostischen Beschreibung der nächsten Umgegend der Stadt Quito und des Vulkans von Pichincha, an dessen Abhange die Stadt erbaut ist, gewidmet. Viele offene, mannichfaltig verzweigte, meist wasserleere Spalten, von den Indianern Guaycos genannt, durchschneiden die Stadt. Sie sind 30--40 Fuß breit, gleichen unausgefüllten Gangklüften und haben 70--80 Fuß Tiefe. Sie lausen (was geognostisch wichtig ist und mit der Erbebung des Vulkans, der nicht kegelförmig ist, sondern einen 8000 Toisen langen Rücken bildet, zusammenhängt), alle rechtwinklich auf den Kamm des Gebirges. Der Volksglaube schreibt es ihnen besonders zu, daß die hohen Wohngebäude und prachtvoll gewölbten Kirchen von Quito wenig von den so haüfigen und mit nahem unterirdischen Getöse begleiteten Erdstößen leiden. Manchfaltige Erfahrungen in den von Klüften nicht durchschnittenen Stadtvierteln zeügen aber gegen die Richtigkeit eines Volksglaubens, dessen schon römische Schriftsteller erwähnen. Zur Erläuterung der drei geognostischen Excursionen, welche Hr. v. Humboldt auf den Pichincha machte, wurden Plane, pittoreske Ansichten und Profile vorgelegt, die sich auf eine trigonometrische Operation gründen, welche in der Ebene von Cochabamba bei Chillo vorgenommen wurde. Da die einzelnen weit sichtbaren Gipfel, welche thurmartig den Gebirgskamm krönen, mit Sorgfalt barometrisch gemessen waren, so konnte die hypsometrische Methode der Höhenwinkel und senkrechten Standlinien angewandt werden, eine Methode, deren relative Genauigkeit bei wohlbestimmten Azimuthen, sich dem Verfasser dieser Abhandlung später in Bestimmung der Meridiandifferenz von Mexiko und Veracruz (Entfernung volle drei Längengrade) bewährt hat. Temperatur, Wassergehalt, elektrische Spannung und Blaüe der Atmosphäre wurden bei sehr heiterem Himmel auf dem Gebirgskamm geprüft. Der Siedepunkt des Schneewassers fand sich zu 187°, 2 Fahr. (ohngefähr 68°, 9 Reaum.) auf einem mit Bimstein bedeckten schmalen Kamme von Dolerit-Gestein, der den Kegel von Tablahuma, in 2356 Toisen Höhe, mit dem Pico de los Ladrillos (dem Ziegelberge) verbindet. Von dem Bergrücken des Vulkans von Pichincha genießt man, in Südwest, einer herrlichen Aussicht auf die mit einem fast undurchdringlichen, menschenleeren Urwald (los Yumbos in der Governacion de las Esmeraldas) bedeckte Ebene, wie auf die Küste der Südsee. Durch eine genauer ausgemittelte Längen-Differenz von Callao und Guayaquil wurde die, von Malaspiua's Expedition anfgenommene Karte der Küste berichtigt und so die Entfernung (88 Bogenminuten) des Theils des Littorals gefunden, welcher auf dem genannten Standpunkte sichtbar wird. Die Höhe des Pichincha, die im Vergleich mit anderen Vulkanen von Quito sehr unbeträchtlich ist, da sie die Höhe des Montblanc wenig übersteigt und die Landstraße von Quito nach Cuenca und Lima im Bergpaß von Assuay fast dieselbe Höhe erreicht, gewährt einen Gesichtskreis, dessen Halbmesser (ohne Refraktion) 2° 13' beträgt. Dickes Gewölk stand über der heißen vegetationsreichen Ebene der Yumbos, die eine ungeheüre Masse von Wasserdampf in den Luftkreis ergießt. Ein bestimmter Meerhorizont, die Scheidung von Luft und Wasser, war nicht zu erkennen; man sah gleichsam in das Leere, weil die Quantität des, vom Wasser reflektirten Lichts zu gering ist, um auf einem so lange Wege durch die (Licht absorbirende) Atmosphäre zum Auge zu gelangen. Die tiefen Schluchten oder offenen wasserleeren Spalten, welche im rechten Winkel dem Kamme des Pichincha zulaufen, machen dies Gebirge sehr unzugänglich. Die Reisenden (Hr. v. Humboldt, Aime Bonpland und Don Carlos Montufar) fanden hier mehr Hindernisse, als auf dem schneebedeckten Gipfel des Antisana, den sie kurz vorher bis zu mehr als 1700 Fuß Höhe erstiegen hatten. Die einbrechende Nacht, völlige Unkunde des Weges und tiefe Abgründe hinderten sie, auf dieser ersten Excursion bis zu der, von den französischen Astronomen nicht gemessenen südwestlichsten vierten Kuppe zu gelangen, zu der Kuppe Rucu- Pichincha (2490 Toisen), aus der in den Jahren 1539, 1566, 1577 und 1660 Flammen ausgebrochen sind. Der Krater, von drei Felsen kastellartig umschlossen, wurde erst bei der zweiten Exkursion erreicht. Auch Blöcke hat der Berg, vielleicht schon bei seiner ersten Erhebung auf einer langen Spalte (Richtung: N. 56° O.) ausgestoßen. Sie liegen reihenweise in der Ebene Rumipamba und kamen aus dem nordöstlichsten Thale der Condorgeyer (Cundurguachana). Diesem Thale entspricht in einer gegenüberliegenden Hügelreihe eine andere Kluft, die in das tiefe Becken von Guapulo führt. (Bericht über die Verhandl. der Berl. Akademie im Monat Februar 1837.)