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Alexander von Humboldt: „[Über Meeresströme]“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1837-xxx_Ueber_Meeresstroeme-4> [abgerufen am 24.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1837-xxx_Ueber_Meeresstroeme-4
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Titel [Über Meeresströme]
Jahr 1837
Ort Stuttgart
Nachweis
in: Heinrich Berghaus, Allgemeine Länder- und Völkerkunde. Nebst einem Abriß der physikalischen Erdbeschreibung. Ein Lehr- und Hausbuch für alle Stände, 5 Bände, Stuttgart: Hoffmann’sche Verlags-Buchhandlung 1837–1840, Band 1 (1837), S. 415–423, 575–583, 586–592, 610–611.
Postumer Nachdruck
Revista Inst. Geogr. 6 (Januar 1859–April 1860), S. 7–22.

„Der Perustrom“, in: Ausgewählte Stücke aus den Klassikern der Geographie für den Gebrauch an Hochschulen, zusammengestellt von O. Krümmel, Kiel und Leipzig: Lipsius & Tischer 1904, 2. Reihe, S. 17–26.

[A. v. Humboldt über die später, seit 1835 (besonders seit 1837), nach ihm benannte kalte Meeresströmung], in: Alexander von Humboldt, Schriften zur Physikalischen Geographie, herausgegeben von Hanno Beck, Darmstadt 1989, S. 169–177. (Studienausgabe Band VI.)
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Antiqua für Fremdsprachiges; Fußnoten mit Asterisken; Tabellensatz; Besonderes: Zeichnung, Antiqua für Diakritika.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.73
Dateiname: 1837-xxx_Ueber_Meeresstroeme-4
Statistiken
Seitenanzahl: 27
Zeichenanzahl: 60539

Weitere Fassungen
[Über Meeresströme] (Stuttgart, 1837, Deutsch)
Die Meeresströme (Stuttgart; Tübingen, 1836, Deutsch)
Die Fucusbank von Flores und Corvo (Stuttgart; Tübingen, 1836, Deutsch)
[Über Meeresströme] (Stuttgart, 1837, Deutsch)
|415|
Wenn auch nicht durch unmittelbare Meſſungen erwieſen, ſo iſt esdoch durch die Unterſuchungen A. von Humboldt’s ſehr wahrſcheinlich ge-worden, daß in dem nordatlantiſchen Ocean, zwiſchen den Parallelenvon 20° und 45°, ein weit geſtrecktes Seehochland liege, deſſen Meeres-ſpiegel bei den Seefahrern ſeit Entdeckung der Neüen Welt unter demNamen des „Mar de Sargaſſo“ bekannt iſt. „Es iſt gegenwärtig“ — beginnt Hr. v. Humboldt die Unterſuchung,welche ich mit ſeiner Erlaubniß hier wörtlich benutzen darf, — „eine all-gemein verbreitete Meinung unter den Seefahrern, daß im Normal-Zuſtande des Impulſes, die mehr iſolirten weſtlichen Azoren Corvo undFlores in dem Golfſtrome *), Pico und Fayal aber an dem öſtlichenSaume deſſelben liegen, da der Strom von Nantucket bis zum Long. 32°W. faſt ununterbrochen von W. nach O. fließt, dann plötzlich, aus nochunergründeten Urſachen, gegen S. umſetzt und ſich unter Lat. 35°, imMeridian von Pico, verliert. Dieſer Strom warmen Waſſers, der ſeinenfrüheſten Impuls einer Strömung in der ſüdlichen Hemiſphäre, den vonMadagaskar aus über die Nadelbank und um das Vorgebirge der gutenHoffnung wirbelnden Waſſern, und einem Stoß gegen die vorſpringendebraſiliſche Küſte beim Kap St. Roque verdankt, nimmt erſt von der Spitzevon Florida bis zur Bank von Neüfundland eine nordöſtliche, von dabis gegen die weſtlichſten Azoren eine öſtliche und zuletzt eine ſüdlicheRichtung an.“ „Betrachtet man dieſe Gegend, zwiſchen Long. 40½° und 42½° W.ſüdlich vom 45ſten Parallel, gleichſam als den Ausfluß, die Mündung,des Golfſtroms, ſo wird dadurch ſcheinbar die Meinung begünſtigt, alsſei die dort befindliche Anhaüfung von See-Tang, eine lange und ſchmaleFucus-Zone, welche ſich von N. gegen S., von dem Parallel von Corvobis zu dem Parallel der Capverdiſchen Inſeln hinzieht, ein Auswurf odereine Anſchwemmung des oceaniſchen Fluſſes warmen Waſſers. Manglaubt nach dieſer Anſicht, der Golf-Strom ſammele erſt (wirbelnd) indem Mexikaniſchen Meerbuſen, dann in der Bahama-Straße, den See-Tang während ſeines Laufs und deponire denſelben da, wo er als Stromverſchwinde. Es iſt nach meiner eigenen Erfahrung keineswegs zu laüg-nen, daß beſonders an ſeinen Rändern faſt in ſeiner ganzen Länge dasFlußbette des Golfſtroms, ſo weit ich es auf vier Seefahrten (von der
*) Obwol bisher noch nicht von den Strömungen des Meeres die Rede ge-weſen iſt, ſo kann eine allgemeine Kenntniß derſelben füglicher Weiſe wol voraus-geſetzt werden. — B.
|416| Küſte von Caracas nach dem Kap S. Antonio der Inſel Cuba, von VeraCruz längs der Küſten von Louiſiana nach der Havana, von dieſem Ha-fen durch die Bahama-Straße nach Philadelphia, und von da über denſüdlichen Theil der Bank von Neüfundland bis in den Meridian derOuter- oder Falſe-Bank) in mehr als 5600 Seemeilen Länge beſchiffthabe *), mit zahlloſen, der Richtung des Stroms parallelen Streifen von Fucus natans gefüllt iſt; aber wenn auch jener Anſicht über das all-mälige Zuſammenſchwemmen des See-Tangs und über die Entſtehungder weit ausgedehnten Fucus-Bank weſtlich von den Azoren, der auchRennell (bedingungsweiſe) beitritt, keine phyſiologiſch-botaniſchen Gründedirekt entgegenſtehen, ſo iſt doch nicht einzuſehen, warum nicht auchnahe Untiefen zu jener Anhaüfung mit beitragen ſollten. Der größteTheil Tangs ſüdweſtlich von den Azoren iſt friſch und in voller Vegeta-tion, als wäre er eben erſt den Felſen entriſſen, und das Senkblei iſt ſoſelten in jenen Tangreichen Regionen ausgeworfen worden, daß man wohlvermuthen kann, die zwei Inſelgruppen der Azoren ſeien nicht die ein-zigen vulkaniſchen Hebungen, welche dort der Meeresboden erfahren.Eine Gegend nördlich vom 40ſten Parallel und N.W. von Corvo ſcheintmir beſonders für den Zuwachs zu zeügen, den die Tangmenge auch ausnahen Untiefen erhält. In dieſer Gegend befindet ſich zwiſchen Lat. 40°und 46° W. das nördliche Ende der großen Azoriſchen Fucus-Bank.Die Richtung des Tang-Streifen iſt dort von S.W. nach N.O. und erdurchſetzt dammartig und bleibend die ſüdoſtwärts fließenden ſtark bewegtenWaſſer des Golfſtroms, wie man auf Rennell’s Karten deütlich ſehen kann.“
„Ich habe ehemals ſelbſt, nicht auf eigene Erfahrung, ſondern aufdie Zeügniſſe von Turner und Lamouroux geſtützt, die Meinung für diewahrſcheinlichere gehalten, es können die Fucusarten keine neüen Zweigetreiben, wenn ſie von der Wurzel getrennt umherſchwimmen. Aber diephyſiologiſche Betrachtung, daß alle Theile der Algen faſt gleichmäßigleben, und daß der Fucus natans (Sargassum natans, Lamouroux) aus
*) Nach der Temperatur des Meerwaſſers zu urtheilen, verließ ich den Golf-ſtrom in der Nacht vom 15. zum 16. Juli 1804 zwiſchenLat. 43° 24′, Long. 48° 4′: Meer 21°,0, Luft 22°,7, um 7 h Abends. Der nörd-lichſte Rand des Golfſtroms war durch Eismaſſen,die ſich kurz vorher in dieſen Gegenden gezeigt, unddurch eine Strömung von N. her (von Falſe-Bank)erkältet.Lat. 43° 21′, Long. 46° 0′: Meer 18°,8, Luft 22°,7, um 4 h Abends. Noch ſchwammviel Fucus natans umher. Ht.
|417| dem Geſtein des Seebodens mittelſt ſeiner wurzelartigen Wulſt, die ihmnur als klauenartige Stielverlängerung zum Anheften zu dienen ſcheint,wol ſchwerlich irdiſche Nahrung ziehn, hat mich ſchon längſt in meinerfrüheren Meinung wankend gemacht. Allerdings mögen die Sporen derThalaſſiophyten, in Mucus gehüllt, von der Oberfläche des Meeresdurch ihre Schwere herab zu Boden fallen, und ſich dort, wie Martiusund Candolle glauben, an Felſen anheften. Neben dieſer Art der Fort-pflanzung und Vermehrung iſt aber eine andere wahrſcheinlich und aufAnalogie der Süßwaſſer-Algen gegründet. Meyen vermuthet, daß derSee-Tang freiſchwimmend vegetirt und ſich in neüe blattartige Lappenausdehnt, eine Vermuthung, die ſchon Theüberg ausgeſprochen, ohne ſiephyſiologiſch zu begründen. Bei den Baucherien und bei Polyspermaglomerata hat der ſcharfſichtige Meyen gezeigt, daß zwei FortpflanzungenStatt finden durch die Sporen der eigentlichen Früchte und durch die,welche im Innern der Schlaüche ſelbſt vorhanden ſind. Viele dieſerAlgen tragen nie Früchte, ſondern die Entwickelung neüer Individuenberuht auf der Aſtbildung. „Bei keinem einzigen Exemplare der Tau-ſende von Fucus natans (identiſch mit Sargassum vulgare und S.bacciſerum, Agardh), die ich im Sargaſſo-Meer ſammelte, heißt es indem Bericht der Reiſe um die Erde auf dem Preüßiſchen Schiffe Prin-zeſſin Louiſe, habe ich Früchte gefunden, während die Pflanzen, welcheich an der Küſte Braſiliens erlangte, immer mit Früchten bedeckt waren.Ich glaube, daß jener ſchwimmende Tang nie feſtgeſeſſen hat. Frei imWaſſer haben ſich ſeine jungen Keime entwickelt, und Wurzeln undBlätter, aber beide von gleicher Beſchaffenheit, nach allen Seiten aus-getrieben. Bei den Süßwaſſer-Algen bedingt ſich gegenſeitig die Bil-dung der Frucht und der Wurzel. Die Wurzel der Tangarten iſt wiedie der Conferven nur eine in Entwickelung gehemmte Frons.““
„Es iſt nicht unintereſſant zu bemerken, daß die Meinung, friſcheblättertreibende Algen des Meeres müßten ihrem Geburtsort ganz naheſein, dem großen Entdecker Chriſtoph Colon eigenthümlich war. Wirſind jetzt glücklich genug, die Beobachtungen dieſes geiſtreichen, die klein-ſten Erſcheinungen ſcharf auffaſſenden Seefahrers faſt ſo zu leſen, wieer ſie bei dem erſten Eindruck des Geſehenen gleich niederſchrieb. Colon’sJournal der erſten Entdeckungsreiſe iſt für die ſo merkwürdige Perma-nenz der großen Fucuslagen weſtlich von Corvo, ich meine für die, ſeitviertehalbhundert Jahren unveränderte Örtlichkeit der großen Fucus-Wieſe (die keine contourloſe unbeſtimmte Fläche, wie man fälſchlich ſagt,ſondern einen ziemlich ſcharf begränzten von N.N.O. gegen S.S.W. |418| gedehnten Streifen bildet) ſehr wichtig. Am 16. September 1492 zeigtenſich dem kühnen Seefahrer (Lat. 28°, Long. 35½° W.) die erſten Fucus-Maſſen in abgeſonderten Maſſen. „Das Kraut,“ ſagt Colon (er bedientſich nie der Portugieſiſchen Benennung Sargaſſo), „war ſo grün, daßman ſchließen konnte, es ſei erſt ganz vor kurzem von dem Boden los-geriſſen; auch glaubten alle (meine Seeleüte), daß wir nahe einer Inſelwären, ich ſage einer Inſel, nicht dem Kontinente (von Aſien) der tierrafirme: denn,“ ſetzt der Admiral ſonderbar apodiktiſch hinzu: „das feſteLand finde ich erſt weiter vorwärts.“ Die Fucus-Art karakteriſirt Colonſpecifiſch durch kleine Früchte, die denen der Piſtazie gleichen. So ofter des vielen See-Tangs im Schiffsjournale erwähnt, unterſcheidet er,wie neüere Seefahrer, ob der Tang alt oder friſch iſt, oder beideszugleich. „Wenn man betrachtet eines Theils den geringen Abſtand der durchColon beſchriebenen Tang-Wieſe von den Inſeln Corvo und Flores, an-dern Theils die Reiſen, die man lange vor Colon von den Azoren gegenN.O. unternahm (Pedro de Velasco, ein unternehmender Seemann ausPalos, ſchiffte von Flores nach Irland, volle 40 Jahre vor 1492), ſowird es mehr als wahrſcheinlich, daß bei den haüfigen Stürmen desAzoriſchen Meeres, welche die Schiffe von ihrer beabſichtigten Fahrt ab-führten, das Phänomen einer lokalen Anhaüfung von See-Tang langevor der erſten großen Entdeckungsreiſe der Spanier, dieſen und den Por-tugieſen bekannt ſein mußte......... Wie ſollte von 1449 bis 1492,bei dem damals regen Unternehmungsgeiſte, das Mar de Sargasso nicht befahren worden ſein? Auch ſpricht Colon in ſeinem Reiſe-Journal,als er auf der Rückkehr von der erſten Entdeckungsfahrt ſich den Azorennahet (7. Febr. 1793), von einem See-Tang, der dieſer Region eigen-thümlich und von dem vorher geſehenen verſchieden iſt.“ „Die Benennung „Mar de Sargasso,“ womit die alten Portugie-ſiſchen und Spaniſchen Seefahrer ſeit dem 15ten Jahrhunderte die See-Tang-reiche Meer-Region zwiſchen den Azoren und den Bermuden belegen,iſt ſehr unbeſtimmt. Rennell iſt in ſeinem großen Werke über die At-lantiſchen Meeresſtrömungen der in meiner Reiſe nach der Äquatorial-Region (1814) aufgeſtellten Meinung, daß es zwei Gruppen von zu-ſammengedrängtem friſchen See-Tang zwiſchen den Meridianen der Azorenund der Bahama-Inſeln gebe, beigetreten. Die erſte und größte dieſerGruppen iſt der Längenſtreifen von Flores und Corvo, deſſen ich ſo ebenerwähnt habe. Er ſchließt weder Corvo noch das um 5½ Bogenminuten |419| weſtlicher liegende Eiland Flores ein *), wie es die bewegten warmenWaſſer des Golfſtroms thun. Der öſtliche Rand der Fucus-Bank bleibtim Mittelzuſtande vom Meridian von Corvo (Long. 33° 31′ W.) ent-fernt bei Lat. 39½° und 41° in Weſten faſt vier Längengrade, bei Lat.30° und 20° dagegen 7¼° und 3¾°. Rennell hat eine große Mengevon Beobachtungen geſammelt, dem zufolge ich die öſtlichen und weſt-lichen Gränzen der Fucus-Bank von Flores und Corvo folgender Maßenfinde:
Oſtgränze Weſtgränze im Parallel
Long. 37° 25′ 42° 15′ W. Lat. 20°
40 10 44 28 „ 25
40 50 44 50 „ 30
42 20 44 50 „ 35
37 15 42 20 „ 40
31 40 32 15 „ 45
„Die nordöſtlichſte Erſtreckung des Tang-Streifens ſcheint im Me-ridian von Fayal ſelbſt faſt 2¼° öſtlich vom Meridian von Corvo, imParallel von 46° zu liegen. Das ſüdlichſte Ende beobachtete Kapt. Birchim Februar 1818 in Lat. 19⅔° bei Long. 39¼° W. Nach der Art,wie dieſe numeriſchen Verhältniſſe, die von den Fehlern der Ortsbeſtim-mung wol nicht ganz gereinigt werden konnten, erhalten ſind, muß mandie öſtlichſten und weſtlichſten Längen unter verſchiedenen Breitengradennicht als gleichzeitige Ränder der Fucus-Bank, ſondern als die Gränzenbetrachten, zwiſchen welchen die Beobachtungen bei verſchiedenen Zuſtän-den des Meeres ſchwanken. Im Mittelzuſtande ſcheint demnach dieAchſe des Streifens bei
  • Lat. 20° in Long. 40° W.
  • 30 „ „ 43
  • 40 „ „ 39¾
  • 46 „ „ 31¼
zu liegen. Die Richtung der Achſe iſt von dem Parallel von Corvo nörd-lich ungefähr N. 42° O. Südlich von dieſem Parallel behält ſie biszu Lat. 35° faſt dieſelbe Richtung, doch mehr S.S.W. — N.N.O.; ſüd-licher als 35° weicht bis Lat. 25° die Richtung wenig vom Meridianab und wendet ſich ſogar bis zum Parallel von 20° wieder allmälig
*) Trotz dieſes Umſtandes des Nicht-Einſchließens halte ich die Benennung„Fucus-Bank von Flores und Corvo,“ inſofern ſie die Nähe dieſer Inſeln be-zeichnet, für karakteriſtiſch und empfehlenswerth. — Ht.
|420| gegen S.O., ſo daß in Lat. 20° und 40° die Fucus-Zone faſt in denſelbenLängengraden liegt. Dieſe Schilderung iſt ganz und allein nach denvon Rennell geſammelten Thatſachen. Evans bemerkt, daß die größteAnhaüfung von Tang zwiſchen den Parallelkreiſen von 30° und 36° iſt.In ſüdlichern Breiten gegen 20° ſagt Rennell (und wir werden gleichſehen, wie richtig dieſe Bemerkung iſt,) dehnt ſich der Tang weit gegenO. aus und ſcheint mehrere parallele Lager zu bilden.“
„Ich werde jetzt einige noch unbenutzte Erſahrungen anführen, umzu beweiſen, wie Strömungen und Winde jene Gränzen der Fucus-Bankvon Corvo zu gewiſſen Jahreszeiten verändern. Labillardière bemerkt,daß er von Lat. 25° und Long. 31° an (alſo faſt im Meridian derAzoriſchen Inſel Fayal) gegen N.N.W. ſteüernd, in einer Strecke vonmehr als 140 Myriametern (750 geogr. Meilen) das Meer mit einerunbeſchreiblich dicken Maſſe von Fucus natans bedeckt fand. Die an-gegebene Diſtanz würde das nördliche Ende dieſer Fucusmenge für Labillar-dière’s Schiff ungefähr in Lat. 36¾° und Long. 35⅛° ſetzen, in eineGegend, wo Rennell eine abgeſonderte Tang-Inſel angiebt. Dieſe Beob-achtung einer ſonderbar öſtlichen Verbreitung des Fucus natans in nie-deren Breiten, zwiſchen den Parallelen von 25° — 35° und 31° — 35°weſtlicher Länge findet einige Beſtätigung in dem handſchriftlichen Schiffs-journale meines Freündes, Hrn. Lichtenſtein. Auf ſeiner Rückreiſe vomVorgebirge der guten Hoffnung fand er die erſten Maſſen Ende April1806 unter Lat. 18° 55′ und Long. 35° 37′ W. *); aber bei ſtiller Seeund gleichmäßig friſchem Winde aus N.O. wurden die Maſſen immerdichter zwiſchen 19½° — 22¼° Breite und 35¾° — 36¼° W. Länge,ſo daß drei Tage lang „der Ocean ſtellenweiſe wie eine Wieſe mit Fucus,in dem der Lophius und Scylläen hausten, bedeckt war.“ Nördlicher alsder Parallel von 22¾° und noch bei Long. 36° verſchwand der See-Tang plötzlich, und das Meer blieb davon frei bis zur Inſel Pico. Hr.Lichtenſtein ſegelte alſo von Lat. 22¾° an diesſeits des öſtlichen Randesder Bank von Flores und Corvo, um von 36° nach 30° 48′ weſtlicheLänge, unter welcher die Inſel Pico liegt, zu gelangen. Auch Bory de
*) Noch um einen drittel Grad ſüdlicher, als Hr. Lichtenſtein, ſah man amBord der Prinzeß Louiſe „ein wenig Seegras treiben,“ am 29. Juni 1829 inLat. 18° 35′ S., Long. 36° 16′ W. Dies iſt der ſüdlichſte Parallel, in welchemder Fucus natans wahrgenommen worden iſt. Weitere Beobachtungen deſſelbenSchiffs und anderer Preüßiſchen Seehandlungs-Schiffe habe ich im geographiſchenAlmanach für das Jahr 1837 (Stuttgart, Hoffmann’ſche Verlagsbuchhandlung)mitgetheilt. — B.
|421| St. Vincent ſah faſt ununterbrochen Streifen von Fucus natans ſeit Lat.23½° und Long. 35° bis Lat. 35°. Leider fehlt die Längenbeſtimmungfür den letzten Punkt. Ich ſelbſt habe am Ende des Monats Juni 1799,auf meiner Schifffahrt von der Coruña nach Cumana, bei friſchem O.N.O.Winde zwiſchen Lat. 20° 24′ — 20° 8′ N. und Long. 27° 45′ — 28° 50′W., alſo nordweſtlich von den Capverdiſchen Inſeln, und 8° öſtlich vondem Punkte, den Rennell für das ſüdöſtlichſte Ende der großen Fucus-Bank hält, ſehr viel ſchwimmende Tang-Gruppen beobachtet.“
„Dieſe anomalen Thatſachen, welche dem Major Rennell unbekanntgeblieben, ſind mehrfacher Deütung fähig. Allerdings iſt das ſüdlicheEnde des Fucus-Streifens von Corvo von den Capverdiſchen Inſeln (inO.S.O.) noch über 600 Seemeilen entfernt, und die Richtung der Strö-mung um dieſe Inſeln (gegen S.W. und W.S.W.) entgegnet der oftgeaüßerten Vermuthung, als kämen die Tangmaſſen, die man oft, dochaber immer nur in mäßiger Menge, auf der großen Handelsſtraße vonSpanien nach Trinidad und Caracas zwiſchen Lat. 19°—22°, und ſchonLong. 28°—29½° antrifft, vor den Inſeln S. Antonio und Bonaviſta.Labillardière’s Beobachtung leitet auf die Frage, ob die große Fucus-Zone von Corvo, die im Mittelzuſtande in Long. 40° und 41° liegt,durch N.W. Stürme und Strömung getrieben, zuweilen 6° bis 7° öſt-licher vortritt, oder aber ob es nicht vielmehr in den Lat. von 24°und 34° gleichzeitig mehrere vorliegende Tang-Streifen giebt, deren einer,und zwar der öſtlichſte, in der Richtung, in der Labillardière ſteüerte,durchſchnitten ward. Lichtenſtein’s Erfahrungen weichen weniger auf-fallend von dem Normalzuſtande ab. Otto von Kotzebue erwähnt inſeiner Reiſebeſchreibung des Sargaſſo-Meeres nicht, aber der vortrefflicheNaturforſcher dieſer Expedition, Adalbert von Chamiſſo, hat nur inſeinem Tagebuche aufgefunden, daß der Rurick auf der Rückkehr nachEüropa die erſten Tangmaſſen am 22. Mai in Lat. 20° und Long. 37½°W. zu durchſchneiden anfing; in Lat. 23° und Long. 38¼° (am 24.Mai 1818) wurden ſie ſehr haüfig und dick. Man verlor ſie aus demGeſicht, als man in Lat. 35° 42′ und Long. 37½° (S.W. von Flores)gelangte. Folgende Zahlen beſtimmen genauer die Örtlichkeit der Beob-achtungen nach Horner’s Angaben:
  • 22. Mai Lat. 19° 59′ Long. 37° 30′ W.
  • 23.21 4038 35
  • 24.23 0639 11
  • 25.25 2339 20
  • 26.27 3939 30
|422|
  • 27. Mai Lat. 30° 04′ Long. 39° 44′ W.
  • 28.32 3738 55
  • 29.34 3438 15
  • 30.... 35 42 .... 37 32
„Der Rurick fand alſo die große Tang-Zone von Corvo eben da, woBirch, Alſager, Hamilton und Livingſton ſie 1818 — 1820 geſehen hatten.Eben ſo Meyen auf der Rückreiſe von Canton im Jahre 1832. Dieerſten bedeütenden Maſſen des Seegraſes erſchienen in Lat. 20° undLong. 36° 20′: die Menge nahm zu im Parallel von 24° und Long.39½°. Das Maximum war Lat. 35° und 36° bei Long. 43¼° W. DieſeAngaben ſtimmen vollkommen mit dem, was wir oben als den Normal-Zuſtand geſchildert haben, überein. Um ſo befremdender iſt es mir, daßAdmiral Kruſenſtern, faſt mitten durch dieſe Zone hinſteüernd (Juni 1806)
  • Lat. 27° 25′Long. 40° 29′ W.
  • 30 3443 30
  • 37 3241 06
und ſo nach überaus genauen Längenbeſtimmungen des See-Tangs garnicht erwähnt *). Allerdings bleibt das Phänomen einer grünendenOberfläche ungeſehen, wenn man auch nur wenige Meilen vom Randedes Streifens hinſegelt. Eine genaue Unterſuchung des Gegenſtandeslehrt, daß man genau unterſcheiden muß zwiſchen dem eigentlichen großenLängenſtreifen von Corvo, deſſen Hauptachſe die Meridiane von 40° und43° durchſchneidet, und dem mit Tangbündchen mehr oder weniger dichterfüllten Meere, das öſtlich von jenem großen Längenſtreifen zwiſchenden Parallelen von 20° und 35° ſich bis zum 32ſten Längengrade, jabis zum Meridian von Fayal erſtreckt. Die Exiſtenz dieſer ſporadiſchenMaſſen und vorliegenden Streifen, auf welche die Schiffer treffen, dievom Vorgebirge der guten Hoffnung nach Eüropa heimkehren, beweiſendie Beobachtungen von
  • Lichtenſtein .......... Lat. 19½° Long. 35¾° — Lat. 22¼° Long. 36¼°
  • Bory de St. Vincent .... 23½ 35
  • Freycinet (Exped. der Urania) 28° 31′ 35° 55′ — 36° 01′ 35° 44′
  • Duperrey (Exped. d. Coquille) 29 54 32 45 — 31 35 31 07
  • D’Urville (Exp. de l’Aſtrolabe) 24 51 32 39 —
    • (26 20 33 39
    • 29 05 30 53

*) Kruſenſt. Reiſe, II. 422 — 424. Aber aus Horners Tabelle des ſpecifiſchenGewichts des Meerwaſſers ſieht man, daß die Nadeſchda zwiſchen Lat. 25° und26° und Long. 39¼° W. „von Seegras, mit dem das Meer weit umher bedecktiſt, umgeben war.“ (Bd. III., 151. 153.) Dieſe Angabe ſtimmt ziemlich mitdem überein, was wir für den Normal-Zuſtand halten. — Ht.
|423|
  • Gaudichaud (Rückreiſe v. Chili) Lat. 27¾° Long. 37¾° — Lat. 29° Long. 35½°
  • Labillardière ......... 25 31 — 36½ 35½
„Die zweite und kleinere Gruppe von See-Tang liegt in S.S.W.und S.W. der Bermuden. Wie mir nach neüern Unterſuchungen ſcheint,kann man ihre Gränze im Mittelzuſtande alſo angeben: Lat. 25° — 31°,Long. 68° — 76°. Die Hauptachſe iſt ungefähr N. 60° O. gerichtet.Man durchſchneidet ſie, wenn man von den Bermuden nach dem Baxode Plata (Caye d’Argent) im Norden der Halbinſel Samana von Haïti,ſegelt. Ein ſehr erfahrner ſpaniſcher Seemann, der mich von der Havanaim Mai 1804 bei ſehr ſtürmiſcher See durch die Bahama-Straße nachPhiladelphia führte, hat mich verſichert, in der kleinen Fucus-Bank imWeſten von den Lucayiſchen Inſeln zuſammenhangende Tangmaſſen von¾ bis 1 Seemeile Länge geſehen zu haben. Bei ſchwachem Winde hin-derten ſie ſehr bemerkbar den Lauf des Schiffes.“ „Um ſich ein vollſtändiges Bild von der Vertheilung dieſer geſell-ſchaftlich lebenden Thalaſſiophyten zu machen, muß man noch eine Meer-Zone betrachten, welche zwiſchen Lat. 25° und 31½° N. die große Bankvon Flores und Corvo, den ſchmalen von N. gegen S. gerichteten Strei-fen, mit der kleinern, mehr inſelförmig abgerundeten, ſüdweſtlich vonden Bermuden verbindet. Dieſe vermittelnde Zone iſt zu jeder Jahrszeitin der ungeheüern Erſtreckung von mehr als 1000 Seemeilen mit paral-lelen ſchwimmenden, aber freilich wenig angehaüften Lagen von Fucusnatans in theils friſchem, theils ſehr veraltetem Zuſtande erfüllt, ſo daßein Schiff nicht vom 44° bis zum 68° der Länge, von der großen Bankzur kleinern, gegen W. ſegeln kann, ohne nicht faſt von Stunde zuStunde Bündeln von zerſtreütem See-Tang zu begegnen. Bisweilen er-reicht in ſehr weſtlichen Längen das scattered weed den Parallel von34½° und nähert ſich dem öſtlichen Rande des Golfſtroms.“ „Will man die Benennung „Mar de Sargaſſo“ auf dieſe ganze Ge-gend von Corvo bis zu den Bermuden und dem Meridiane der LucayiſchenInſel Eleüthera ausdehnen, ſo erhält man für einen Raum, der haüfigaber nicht gleichzeitig mit See-Tang gefüllt iſt, über 65,000 deütſche Qua-dratmeilen, faſt ſechs Mal ſo groß als Deütſchland.“ — [A. von Hum-boldt Abhandlung über Meeresſtröme (Manuſcript)]. |575| Wir wenden uns zu den Strömungen des Großen Oceans. Dasungeheüre Becken, welches dieſe Waſſerfläche füllt, iſt bei weitem nochnicht in dem Maaße bekannt, wie das Atlantiſche Meer; indeſſen läßteben dieſe Großartigkeit des Raumes es erwarten, daß, wie die Luftſtrömeeine gewiſſe Regelmäßigkeit darbieten, ſo auch den Meeresſtrömen nichtdie Manchfaltigkeit und Verſchlingung eigen ſein wird, welche in democeaniſchen Engthal zwiſchen den Weſtküſten der Alten und den Oſtküſtender Neüen Welt nachgewieſen worden ſind. Von den Strömungen desStillen Meeres nimmt die längs der Küſte von Südamerika fließendeunſere Aufmerkſamkeit zunächſt in Anſpruch. „Wie die Exiſtenz und allgemeine Richtung des Golf-Stroms“ —heißt es in Hrn. v. Humboldt’s oben ſchon mehrfach benütztem Manu-ſcript — „Jahrhunderte lang den eüropäiſchen Schiffern vor der Tempe-ratur bekannt waren, ſo war auch in der Südſee, ſeit den früheſten Zei-ten des beginnenden Verkehrs zwiſchen Chili, Lima und Guayaquil, dasDaſein einer großen Meeresſtrömung von S. nach N. und N.N.W.beobachtet worden. Nur die niedrige Temperatur dieſer Meeresſtrömungund der wichtige Einfluß derſelben auf, die, fälſchlich der Nähe der ſchnee-bedeckten Cordilleren zugeſchriebene, Kühle der Peruaniſchen Küſten warenbei meiner Ankunft an dem Littoral der Südſee völlig unbekannt. Franklinhatte ſchon 1775 die Hoffnung geaüßert, „daß Phyſiker wol einſt im„Ocean Flüſſe kalten Waſſers entdecken würden, welche Waſſer hoher„Breiten den niedern zuführen, wie er gezeigt habe, daß die mexikaniſchen„Golfwaſſer umgekehrt, aus niedern Breiten höheren zuſtrömend, einen„Theil der empfangenen Tropen-Wärme dem Azoriſchen, ja ſelbſt dem„Cantabriſchen Meere mittheilen.“ Faſt dreißig Jahre vergingen, ehe dieſeHoffnung des großen Mannes erfüllt wurde, da zwiſchen La Condamine’sund meiner Expedition jene Weltgegenden nur in botaniſcher und aſtro-nomiſch-geographiſcher Hinſicht durch Ruiz und Pavon, wie durch Aleſſan-dro Malaspina’s Begleiter durchforſcht worden waren.“ |576| „Wir überſtiegen zum vierten Male die hohe Andeskette im Septem-der 1802, als wir, Hr. Bonpland und ich, aus dem obern Lauf des Ama-zonen-Stroms unfern der Catarakten von Tomependa in der ProvinzJaen de Bracameros über das Plateau von Caxamarca uns nach Limabegaben, um dort oder im Hafen Callao den erſten Merkurs-Durchgangdieſes Jahrhunderts zu beobachten. Seit 18 Monaten von den Küſtendes Atlantiſchen Oceans entfernt, hatte ich eine große Sehnſucht, dasStille Meer zu ſehen und dort, in der ſüdlichen Hemiſphäre, die Beob-achtungen über die Meerestemperatur fortzuſetzen, welche mich in dernördlichen ſo lebhaft beſchäftigt hatten. Auf dem majeſtätiſchen Paramode Guamani, der von der Meeresküſte noch 32 deütſche Meilen entferntiſt, und ungefähr 2300 t abſolute Höhe hat, wurde die Südſee mehrgeahnet als geſehen. Aber auf dem beſchwerlichen Pfade von der altenBerg- und Inga-Stadt Caxamarca nach der neü-peruaniſchen KüſtenſtadtTruxillo erblickt man zum erſten Male deütlich das Südmeer von einerHöhe, die kaum 1700 t beträgt, weſtlich von dem Dorfe Guangamarca ineiner räthſelhaften, auch durch ihre ungeheüre Mächtigkeit berühmt gewor-denen Flözquarz-Formation. Man ſteigt auf dem Rücken der Cordillerenauf- und abwärts, lange in der Hoffnung, endlich das Meer zu erblicken,getaüſcht, bis man auf eine Felsmauer etwa 650 t über Guangamarcagelangt. Die horizontale Entfernung dieſes Punktes von der Küſte beträgtan 48 Bogenminuten oder 45600 t , wenn ich meine kronometriſchen Län-genbeſtimmungen zum Grunde lege. Das Littoral, die ſandige, faſt ganzvegetationsloſe, nie von Regen getränkte niedere Zone, das peruaniſcheCuntiſuyu, erreicht man erſt jenſeits der Chorillos, bei dem DörfchenCascas, von Gebüſchen der blattloſen Colletia umgeben, nahe den Ruinenvon Chimaca, Bauwerke, die nicht den Ingas, ſondern dem Gran Chimbovon Manſiche ihr altes Daſein verdanken.“ „Das erſte Geſchäft eines reiſenden Phyſikers, wenn er nach langerAbweſenheit in Gebirgsgegenden an die Meeresküſte gelangt, iſt die Be-ſtimmung der Barometerhöhe und der Temperatur des Waſſers. Ichwar mit letzterer beſchäftigt in der Gegend zwiſchen Truxillo und Guaman,bei Callao de Lima und auf der Schifffahrt von Callao nach Guayaquilund Acapulco in einer Strecke des Stillen Meeres von mehr als hundertdeütſchen Meilen. Zu meinem größten Erſtaunen fand ich das Meer ander Oberfläche unter Breiten, wo es außerhalb der Strömungen 26° bis28°,5 iſt, bei Truxillo, Ende Septembers, 16°,0; bei Callao, Anfang No-vember, 15°,5. Die Luft-Temperatur war in der erſten Epoche 17°,8, inder zweiten 22°,7, alſo (was wichtig zu bemerken iſt) 7° wärmer als der |577| Ocean in der Strömung. Die Luft konnte alſo nicht das Meer erkältethaben, und ohne noch eine nähere Kenntniß von dem Klima von Limaoder der Epoche zu haben, in der die „Garua“ herrſcht, d. h. in der dieSonne von einer Nebelſchicht verſchleiert iſt und Monate lang eine ſcharf-begränzte rothgelbe mondartige Scheibe darbietet, faßte ich ſchon inTruxillo, bei der erſten Annäherung an die Küſte, die ſeitdem durch vieleSeefahrer beſtätigte Anſicht, daß die peruaniſche Strömung eine Polar-Strömung ſei, welche, von hohen Breiten niedern zueilend, den Haupt-ſinuoſitäten der Küſte und N.N.W. Richtung folgt, und daß die großeTemperirtheit des peruaniſchen Küſten-Klima, ich kann ſagen die empfind-liche Kälte, welche man mitten in den Tropen und wenige Fuß über demMeeresſpiegel erhaben in der ſogenannten Wüſte des Baxo-Peru erleidet,ihren Grund in der geringen Meereswärme und der gehemmten Wirkungder Sonnenſtrahlen während der Garua (drei- oder viermonatlicher Ver-ſchleierung der Himmelsdecke) hat.“ „So oft ich im Oktober und November die Meerestemperatur umCallao prüfen konnte, war ſie zwiſchen 15°,5 und 16°,0, bei Nacht kaum0°,4 kälter als bei Tage; nur einige Male ſank ſie auf wenige Stundenauf 15° und 14¾° herab, wenn (was in dieſem ſonſt ſo friedfertigenTheile der Südſee karakteriſtiſch iſt und von vielen Küſtenbewohnern alsFolge ſubmariner vulkaniſcher Regungen betrachtet wird) bei dem heiter-ſten Himmel und völliger Windſtille ein ungemein hoher und hohlerWellenſchlag plötzlich an der Granitküſte zu branden beginnt. Wahrſchein-lich hatte dieſe letztere Temperatur-Erniedrigung von 14¾° dieſelbe Ur-ſache, welche nach meinen Vorſtellungen die Waſſer über einer Sandbankerkältet. Bei der tiefen, vielleicht vulkaniſchen Aufregung des Oceansmiſchen ſich untere Waſſerſchichten mit den obern, wie ſie durch Stoßanſteigend auf eine Sandbank, gleichſam auf das Plateau einer ſubma-riniſchen Inſel gelangen. Auf eine ähnliche Weiſe habe ich im mexika-niſchen Meerbuſen bei Vera Cruz die Meereswärme ſinken ſehen, ehe nochder Nordſturm ſelbſt an der unwirthbaren Küſte gefühlt ward. DiesSinken war, wie die Störung der regelmäßigen ſtündlichen Barometer-Veränderungen, ein Vorbote des Sturmes (de los Nortes), der hier nichtWaſſer höherer Breiten herbeiführt (die Stärke der ſüd-nördlichen Strö-mung in der Bahama-Straße macht dies unmöglich), ſondern das Meeraufwühlt und die kältern Waſſer der Untiefen zwiſchen den Tortugas undden Mündungen des Rio del Norte und des Miſſiſſippi herbeiführt. Vonder ſogenannten Erhitzung des Meeres bei heftigem Wellenſchlage, welchewahrſcheinlich nach theoretiſchen Anſichten von Reibung und Leüchten die |578| Alten annahmen, und die auch der ſonſt ſo verdienſtvolle Peron verthei-digt, habe ich in Stürmen nie etwas beobachten können. „Vom Anfang des Monats November bis zum Ende des Decembersſah ich die Temperatur der Südſee allmälig zunehmen; ſie wuchs bis21°,0 und die Regelmäßigkeit dieſer Zunahme wird vollkommen durchſpätere, von meinem Freünde Duperrey im Jahre 1825 gemachte Tem-peratur-Verſuche erwieſen. Den 25. December 1802 ſegelte ich vom Cal-lao nach Guayaquil, um dort ein Schiff zu ſuchen, das mich an dieweſtliche Küſte von Mexiko bringen könnte. Auf dieſer ganzen Schiff-fahrt hatte ich Gelegenheit, die Verbreitung der kalten Meeresſtrömung,gegen N.W., und den merkwürdigen Einfluß, den dieſelbe von dem ammeiſten gegen Abend vorſpringenden Theile von Südamerika zwiſchenPunta Tarinna und Cabo Blanco erleidet, zu beobachten. Die Konfigu-ration der Peruaniſchen Küſte bietet zwei Mal, erſt unter dem 18° unddann unter dem 5° der Breite, in dem konkaveſten und dem konvexeſtenTheile ihrer Kurve, Punkte dar, welche in der weſtlichen afrikaniſchenKüſte der Konvexität des Grünen Vorgebirges und der Konkavität desGolfs von Biafra korreſpondiren. Dieſe Wendepunkte des Littorals,und zwar Wendepunkte weſtlicher Küſten, deren eine, die amerikaniſche,in der ſüdlichen, die andere, die afrikaniſche, in der nördlichen Hemiſphäreliegt, modificiren durch ihre Erdſtellung gegen den Ocean und die herr-ſchenden Winde gleichzeitig die Meeresſtrömungen, das Klima und denKarakter der Vegetation. In dem Neüen Welttheile iſt dieſe Einwirkungder weſtlichen Küſtenrichtung und Kontinental-Form um ſo mächtiger,als ſie hier (und nur hier allein) einer nahen hohen Bergkette, der derAndes, genau parallel laüft. Folgendes enthält Thatſachen und Mei-nungen, die ſich mir zuerſt darboten und wie ich ſie auf dem Meere nie-derſchrieb: — „„Die Strömung begünſtigt dermaßen an dieſen Küſten jede Fahrtvon Süden nach Norden, daß man leicht in 4 bis 5 Tagen vom Callaonach Guayaquil, in 8 bis 9 Tagen von Valparaiſo nach dem Callao (Ent-fernung über 400 deütſche Meilen) ſchifft, wenn man zu dem Rückwege,gleichſam ſtromaufwärts, mehrere Wochen, ja in einzelnen Fällen Mo-nate braucht. Auf meiner Fahrt war die Temperatur-Erhöhung der kal-ten Strömung, wie ich mich dem Äquator näherte, bis 4½° S. Breite,nicht ſehr bedeütend, kaum von 1°,2. Das Meer zeigte, ſo lange wir inder Strömung waren, zwiſchen 21°,0 und 22°,5. Die Beſorgniß, daßtrotz der großen Tiefe des Meeres an der peruaniſchen Küſte die Näheder Küſte ſelbſt die Temperatur des Oceans könne modificirt haben, wurde |579| bald entfernt, da ich auf offenem Meere, 25 bis 30 deütſche Meilen vondem feſten Lande entfernt, die Waſſer auch noch 21°,0 wie zwiſchen demCallao und der Inſel San Lorenzo fand. Die Strömung wendete ſichplötzlich bei dem Vorgebirge Cabo Blanco gegen Weſten, und wir gerie-then nun in wenigen Stunden von Waſſern zu 20°,4 und 20°,6 in Waſſervon 27°, ein Unterſchied von zwölf Fahrenheit’ſchen Graden. „„Völliger Mangel von Regen und völlige Abweſenheit elektriſcherExploſionen, oder wie die Küſtenbewohner, trotz der Garua oder nebeligenUmhüllung der Himmelsdecke, rühmend ſagen, la serenidad perpetuadel Perù (die ewige Heiterkeit von Peru), längs des von Erdbeben ſooft und ſo ſchrecklich heimgeſuchten Littoral in der langen Strecke von25 Breitengraden von Coquimbo bis zur Höhe von Amotape oder Cerri-tos de la Brea. Dieſer ſonſt unbedeütende, aber als klimatiſche Gränzeſo wichtige Hügel liegt nördlich von Chira zwiſchen Punta Pariña undCabo Blanco, ein Vorgebirge, welches ſpaniſche Küſtenfahrer ſpöttiſch elCabo de Hornos de los Cholos nennen, weil das Meer in ſeiner Nähegewöhnlich ſehr hohen Wellenſchlag hat und die von Guayaquil kommen-den jenſeits dieſes Vorgebirges zuerſt einen ſtarken und kühlen S.W.Wind zu fühlen anfangen. Auch wir haben ſeit dem 30. December, wowir das Cabo Blanco umſchifften, aber von S. nach N., trotz der ſonſtſo gleichförmigen Temperatur der Seeluft, eine auſfallende klimatiſcheVeränderung geſpürt. Das Fahrenheit’ſche Thermometer, deſſen ich michbediene, ſtand in den höhern ſüdlichen Breiten den 30. Decbr. noch umMittag beim heiterſten Himmel nur zwiſchen 70° und 74° (21°,0 und23°,3), während, daß am 31. Decbr. ſüdlich von der Felſeninſel Morta-jado es ſchon um 9 h Morgens, und dazu bei dunſtigem Himmel undverſchleierter Sonne, auf 80° (26°,7) ſtieg. Der Boden nördlich von demHügel von Amotape iſt kaum 100 bis 130 t höher als die ſüdliche Ebene:nichts läßt ſich unmittelbar aus den Lokalverhältniſſen dieſes klimatiſchenGränzpunktes erklären; ſeine Wichtigkeit ſcheint allein durch die allge-meine Richtung der Cordilleren und ihr Verhältniß zu den Winden be-ſtimmt zu ſein. Nur der mehrjährige Aufenthalt eines Phyſikers andieſem Gränzpunkte, einer wahren Wetterſcheide, würde uns befriedigenkönnen über die Fragen, warum man nördlich Regengüſſe, Gewitter undeine üppige Vegetation in der Ebene (gegen Guayaquil hin) zu findenanfängt, wenn ſüdlich Regen- und Vegetationsloſigkeit, Mangel elektri-ſcher Exploſionen und der ſonderbare Anblick des Himmels während derGarua-Monate zwiſchen der Küſte und den Cordilleren herrſchen. Jetzt,da der Boden einmal ſüdlich vom Cerro de Amotape von aller Pflanzen- |580| decke wüſtenartig entblößt iſt, während daß nördlich, bei Guayaquil, inder feüchten Provinz de las Esmeraldas und im Choco das Littoral mitUrwäldern dicht bedeckt iſt, begreift man, wie die ſo verſchiedene Beſchaf-fenheit der wärmeſtrahlenden Erdoberfläche auf Bildung, Zug und Ent-ladung der Wolken zwiſchen der Andeskette und dem Ufer der Südſeefortwährend wirken können. Aber eine ſolche Betrachtung erklärt eherdas Fortbeſtehen der gegenwärtigen Verhältniſſe der Atmoſphäre, alsdas Beginnen eines ſolchen Zuſtandes des Himmels in Hinſicht aufTemperatur, Dürre, elektriſche Spannung, periodiſche Verdunkelung derHimmelsdecke und gehinderte Verbreitung (Wanderung) der Pflanzen.Der Bewohner des Baxo-Peru, ſüdlich von der Anhöhe Amotape, ſiehtWetterleüchten an dem fernen Abhange der Cordilleren, aber kennt dasRollen des Donners *) ſo wenig als der Grönländer. Wegen der lockernBauart ſeiner Haüſer würde ihn der Regen mehr als das Erdbebenſchrecken, wenn ein ſolches, dem Littoral ſo fremdes, bisweilen kaum zweioder drei Mal in einem ganzen Jahrhundert ſich zeigendes Phänomenüberhaupt den ſorgloſen Tropenländer beängſtigen könnte. Unter allenZonen richtet der Menſch ſeine Bauart immer mit dem Minimum phy-ſiſchen Kraftaufwandes nach dem gewöhnlichen mittlern Zuſtande derüber- und unterirdiſchen Meteorologie ſeiner Gegend, nach dem Maaßeſeiner unentbehrlichſten Lebensbedürfniſſe ein. Den Erdbeben trotzen dieleichtgeflochtenen, mit Lehm und Gyps beworfenen, wenige Zoll dickenWände in den Wohnungen des Baxo-Peru; ein Regenguß von einigenStunden zerſtört aber die flachen, durch Hunde vertheidigten Dächer unddas Fachwerk der Seitenwände. Große Zerſtörungen richteten Regengüſſeim Baxo-Peru in den Jahren 1701, 1720 (Januar) und vorzüglich 1728(Februar und März) an, wo es 40 Tage lang faſt ununterbrochen in derEbene am Fuß der Cordilleren und ſelbſt an der Küſte regnete. Der Re-gen war mit nahem Donner begleitet und veranlaßte Epidemien unterdem Landvolke. Auch im Jahre 1790 in dem Städtchen Lambayeque indem nördlichen Theile der peruaniſchen Wüſte fielen mehrere Haüſer ein(freilich leicht wie Kartenhaüſer gebaut) bei einem Regenguſſe von weni-gen Stunden. Solche Anomalien, die auch im ägyptiſchen Delta und in
*) Wie in den Tropen, z. B. in den Antillen, ſelbſt in Caracas, das Fallenvon Hagelkörnern Wunder erregt, wie bei uns das Fallen von Aerolithen, ſo hatſich auch in Lima die Erinnerung an die Tage erhalten, in denen man einenDonnerſchlag hörte, wie 13. Juli 1552 acht Uhr Abends, andere 1720 und 1747und 19. April 1803. — H—t.
|581| Cairo bemerkt werden, konnten einen Beobachter hauptſächlich über diewunderſame Meteorologie des Niedern Peru aufklären. Contraſte derWinde, welche Luftſchichten von verſchiedener Temperatur und von ver-ſchiedenem Dunſtgehalt herbeiführen, ſpielen gewiß die Hauptrolle dabei.Wenigſtens iſt mir allgemein in Lima verſichert worden, daß, wenn vomApril bis Mai lange Nordwinde geweht haben und der Wind plötzlichſich in Süden umſetzt, nicht ſelten einige Regentropfen an der Küſte fal-len, und in den anomalen Jahren 1701, 1720 und 1728, wo ſtarke Re-gengüſſe fielen, waren ſolche ſchnellen Wechſel ſehr gemein. Wie weitdas dem peruaniſchen Tieflande eigenthümliche Klima auf dem nahenOcean herrſche, darüber habe ich bisher nur widerſprechende Nachrichteneinſammeln können; gewiß iſt es indeß, daß zwiſchen denſelben Parallel-kreiſen in der Südſee daſſelbe Klima wie im Atlantiſchen Meere, perio-diſche Regengüſſe, Blitz und Donner und nebelfreier Himmel, gefundenwerden. Die früher entwickelten Anomalien beſchränken ſich alſo rechteigentlich auf das Littoral und das nahe Gebiet der kalten Meeres-ſtrömung.
„„Iſt der Urſprung der letztern in der Endſpitze von Südamerikaam Ausgange der Magalhaens-Straße am Kap Pilar, wo im Novemberdie Meeres-Temperatur kaum 5° bis 6° iſt, zu ſuchen? Ein erfahrenerſpaniſcher Seeoffizier, Don Joſef de Moraleda, der das Schiff komman-dirte, auf dem ich die Überfahrt vom Callao nach Guayaquil machte,verſichert, daß er in dem Archipelagus der Inſeln Chonos und Huaytecas,deren Küſten er aufgenommen, die Schnelligkeit des längs des Littoralsgegen N. fließenden Waſſers nur gering, auf der Oberfläche drei bisfünf Zehntheile einer engliſchen Seemeile in der Stunde wie in einem Drift-Current gefunden habe: aber ſorgfältige Verſuche bei dem Lothenhatten erwieſen, daß in einer Tiefe von 12 bis 15 Faden die Strömungin derſelben Richtung weit ſtärker ſei. Die bewegten Theile des Waſſersbewahren, zwiſchen wärmeren Schichten hinfließend, lange die Kälte hoherBreiten und bleiben, ihrer ſpecifiſchen Schwere nach, in der Tiefe. VonValparaiſo und Coquimbo, beſonders aber von Arica nördlich bis Limaiſt die Strömung am ſchnellſten (12 bis 14, bisweilen ſelbſt 18 engliſcheSeemeilen in 24 Stunden). Es geſchieht hier, was man überall beiMeeresſtrömungen bemerkt, die an eine ſich plötzlich wendende Küſteſtoßen; das Hinderniß beſchleünigt ihren Lauf und längs der Küſte findetſich das Maximum der Geſchwindigkeit. Dieſe Gewalt des Stroms iſtUrſache, daß Schiffe, welche zur Zeit der Garua von Quilca nach demCallao de Lima ſegeln, mehrere Tage keine Breiten-Beobachtung erhalten, |582| und ſich nicht nach der Geſtalt der flachen, in Nebel verhüllten Küſteorientiren können, oft zu ihrem größten Nachtheil den Hafen Callao vor-bei bis Huaura und Guarmey ſegeln, wenn ſie ſich der Log-Rechnung nachnoch ſüdlich vom Callao glauben. Die Nebel und Verhüllungen ſind amdickſten zwiſchen Pisco und Lima. Die Fahrt gegen den Strom von N.nach S. iſt ſo mühevoll, daß, von Paita oder Callao nach Valparaiſooder San Carlos de Chiloe ſegelnd, die Schiffe, um die Strömung zuvermeiden, ſich mehr als 8° weſtlich vom Meridian der Inſel Juan Fer-nandez halten. Ja einſt verirrte ſich eine ſpaniſche Fregatte, Santa-Roſalia, auf der Überfahrt von Paita nach Valparaiſo dergeſtalt, daßſie, wahrſcheinlich vom Äquinoctial-Strom gegen Weſten fortgeriſſen, dieOſter-Inſel (Isla de Pascua oder de San Carlos der Spanier) berührte.Nachdem die peruaniſche kalte Küſtenſtrömung ihr Maximum zwiſchenArica, Quilca und Lima erreicht hat, nimmt ſie nordweſtlich wieder ab.Zwiſchen Lima und dem Cabo Blanco, wo ſie plötzlich die Küſte verläßt,ſich gegen W. wendet und ſich der allgemeinen Rotation oder Äquinoctial-Strömung beimiſcht, war nach meinen Beobachtungen die mittlere Ge-ſchwindigkeit kaum 7 bis 8 engliſche Seemeilen in 24 Stunden. „„Die Lokalbeſchaffenheit der Küſte an dieſem Wendepunkt und dasöſtliche Zurücktreten derſelben jenſeits der Punta Pariña und dem CaboBlanco ſind unſtreitig Verhältniſſe, welche, außer der Entfernung einerbis zu 20°,6 erkalteten Meeresſtrömung, die größere Wärme des Litto-rals von Guayaquil und die ganz verſchiedene Luft-Konſtitution nördlichvon dem Cerro de Amotape beſtimmen. Bei Punta de la Aguja, derdarauf folgenden Punta de Nonura und in der ganzen Bucht von Se-chura bis zu dem Rio Chira und den Zwillings-Hügeln der Negritos iſtdie Küſte ganz niedrig. Hoch iſt das Land um Punta Pariña und CaboBlanco, bis es ſich wieder gegen N.O. in dem Golfete de Guayaquilerniedrigt. Die mehrmals genannte Anhöhe von Amotape oder Cerritosde la Brea (Erdpech) liegt 15 engliſche Seemeilen von der Küſte entfernt,und von da an ſchließt ſich ein Rücken (Querjoch) unter dem Parallel-kreis von 6° öſtlich gegen die vortretende Andeskette von Ayavaca. Durchdieſe Geſtaltung wird alles nördlich Gelegene vor den kalten S. undS.W. Winden geſchützt. Dieſer Schutz nimmt noch beträchtlich zu nörd-lich von Guayaquil, wo im Choco die Küſte volle 4° öſtlich vom Meri-dian der Punta Pariña zurücktritt und dazu das Hochland von Quitoſich ſo mächtig weſtlich vordrängt. Längs der ganzen Ebene von Chiliund Peru kann die ſüdliche Polarluft ungehindert ſtrömen.““ Folgende Beobachtungen der Meeres- und Luft-Wärme entlehnt Hr. |583| von Humboldt aus dem ungedruckten Theil ſeines Schiffs-Journals, mitWeglaſſung der Angaben des Deluc’ſchen Hygrometers, des Kyanometersund der ſpecifiſchen Schwere des Seewaſſers. Die Fahrenheit’ſchen Gradedes Originals ſind hier auf die Celſius’ſche Skale reducirt worden.
Meeres- und Luftwärme vom Callao de Lima nach Guayaquil.
1802.Decbr. SüdlicheLatitudo. WeſtlichvomCallao. Temperatur der Erlaüterungen.
See. Luft.
24. 12° 3′ 0 21°,0 22°,9 Im Hafen von Callaovor der Abfahrt.
25. 11 19 0° 42′ 21,7 23,3 Nordweſtlich vom Pela-do, einer der Farallons deHuaura. Friſcher S.W.
26. 9 55 1 47 20,5 22,3 Im offenen Meere, ohneAnſicht der Cordilleren.Meeresſtille. Man hört dasPlätſchern einzelner Armeder Meeresſtrömung.
9 50 1 50 22,2 23,0 Faſt Meeresſtille.
27. 8 48 2 40 22,2 23,7 Eben ſo.
28. 7 49 3 20 22,0 24,5 Friſcher S.W.
7 24 3 27 22,5 22,5 Wind ſtärker.
29. 6 26 4 09 22,2 23,0 Immer noch ohne An-ſicht des Landes.
30. 4 42 4 13 20,4 22,2 Zwölf engl. Seemeilenweſtlich v. Punta Parinna.Meeresgrund in 90 Faden.
4 32 4 14 20,6 21,0 Eilf engliſche Seemeilenim W. von Cabo Blanco.Dieſelbe Tiefe.
31. 3 35 4 05 25,4 26,8 Faſt Meeresſtille.
3 29 .... 26,6 26,0 Vierzehn engl. Seemeilenim S.W. von Punta deMalpaſſo.
3 16 .... 27,5 21,1 Vier engl. Seemeilen imS. von der Inſel el Muerto.Meeresgrund 90 b. 100 Fad.
|586| Lange bevor Hr. von Humboldt von den Verſuchen des Kapt. Du-perrey Nachricht haben konnte, hatte er Gelegenheit, dem Baron Dirckinck(welcher eine Campagne der königl. franzöſiſchen Golette l’Aigrette alsVolontair mitmachte) aufzutragen, eine lange Reihe von Beobachtungenüber die Temperatur des Meeres anzuſtellen, und insbeſondere die kalteTemperatur der Meeresſtrömung an den peruaniſchen Küſten zum Ge-genſtand ſeiner Unterſuchung zu machen. Baron Dirckinck, ein junger,talentvoller Offizier, hat dieſen Auftrag trefflich erfüllt, da er von Val-paraiſo nach Arica und Quilca (16. December 1824 bis 2. Januar 1825);von Quilca nach dem Callao de Lima (3. bis 12. Januar 1825); vonChorillos bei Lima nach Quilca (6. bis 20. Febr. 1825); von Chorillosnach Panama (30. März bis 15. April); von Panama nach Guayaquil(22. April bis 11. Mai); von Chorillos nach San Carlos de Chiloe(20. Juni bis 6. Juli) und von Chorillos nach Valparaiſo (31. Juli bis9. Auguſt 1825) ſegelte, ohne einen einzigen Tag die Beobachtungen aus-zuſetzen. Er fand bei Callao und Chorillos die Temperatur des Meeresund der Luft folgender Maßen:
Zeitpunkt. Meereswärme. Luftwärme.
Januar 12 22°,3 23°,3
März 30 20,2 21,0
Juni 20 18,7 18,2
Auguſt 9 17,1 16,5
„Da Hr. von Dirckinck — bemerkt Hr. von Humboldt in ſeinerDenkſchrift — drei und zwanzig Jahre ſpäter auf ſeinem Kurſe von Callaonach Panama einen Theil deſſelben Weges faſt unter denſelben Breiten-und Längengraden als ich beobachtet hat, ſo ſchalte ich dieſen Theil ſeinerBeobachtungen bis nördlich von dem Parallel des Cabo Blanco ein, umdie geringen Unterſchiede der Jahreszeit (Ende December 1802 und April1825) bemerklich zu machen: |587|
Meereswärme vom Callao de Lima bis zum Äquator.
1825. SüdlicheBreite. LängeW. vomCallao. Temperatur der Erlaüterungen.(Meereswärmenach F.)
Tag. Stunde. Südſee. Luft.
30 März 618 ............ ............ 21°,6 19,5 19,6 21°,3 21,3 20,0 S. Wind; heiter.66°,9 F.S.S.W.
31, — 020 11° 40′........ 0° 55′........ 20,6 21,5 21,0 22,2 21,7 22,7 69°,1 F.S.69°,7
1 April 01212 .................... .................... ...21,6 22,2 21,2 22,2 ...22,6 22,7 22,2 25,0 S.S.O. S. ¼ S.O.70°,2 F.Meeresſtille.
2 — 06121621¾ 8° 33′................ 2° 42′................ 23,0 24,1 23,1 22,1 22,5 24,0 24,7 22,9 22,3 25,6 73°,4 F.S. heiter.S.O. ¼ S.71°,7 F.72,5 F.
3 — 061620 6° 58′............ 3° 57′............ 21,6 21,8 22,0 22,6 23,5 22,6 21,8 22,8 70°,8 F.S.O. ¼ S.71°,5 F.O. ¼ N.O.
4 — 0620 5° 5′........ 4° 16′........ 22,6 22,8 24,7 24,6 23,7 24,0 72°,7 F.S.S.W.; heiter.Etwas N. vomCabo Blanco.
5 — 061222 2° 34′............ 4° 14′............ 26,2 26,6 25,0 26,1 26,2 25,0 25,2 26,3 79°,2 F.79,8 F.S. wolkig.Bedeckt.
6 — 061216 1° 2′............ 4° 9′............ 26,8 27,2 27,2 27,5 27,6 26,5 26,6 26,2 80°,3 F.81,0 F.Bedeckt.81°,5 F. Regen!
7 — 0619½ 0° 50′ N......... ............ 27,7 28,1 28,5 26,2 27,3 27,5 S.W.Regen!83°,3 F.
|588| „Der Übergang aus der kalten Meeresſtrömung in die ſtromfreie Seezwiſchen dem 4. und 5. April, von 71° und 72°,7 F. zu 80° und 83° et-was nördlich vom Parallel des Cabo Blanco iſt in dieſer Tabelle ſehrbemerklich. Ich kam ungefähr in derſelben Gegend von 70° zu 80° F.“ — (A. von Humboldt’s Handſchrift.) Auf ſeiner Fahrt von Valparaiſo nach Lima in der zweiten Hälftedes Monats December 1824 fand Baron Dirckinck die

Meereswärme

  • Von Lat. 35° S. (Long. 79½°) bis Lat. 30° S. (Long. 75½°) meiſt 13°,7 bis 17°,2
  • Von Lat. 30° S. bis zum Wendekreis des Steinb. (Long. 75°) meiſt 16,2 „ 20,0
  • Vom Wendekreis bis Lat. 17° S. (Long. 74½°) .... meiſt 21,1 „ 23,7
  • Von Lat. 17° S. bis Lat. 13° S. (Long. 79°) .... wieder 20,6 „ 22,5
Die letzte Beſtätigung der Anſichten des Hrn. von Humboldt rührtvon Hrn. Meyen her, der zu Anfang des Monats Mai 1831 im Hafenvon Callao folgende Temperaturen beobachtete:
Meereswärme. Luftwärme.
h Morgens 18°,0 18°,0
12 Mittags 18,7 21,0
5 Nachmittags 18,3 20,6
In ſeiner Denkſchrift hat Hr. von Humboldt die mittlern Reſultateüberſichtlich zuſammengeſtellt; es ergiebt ſich hiernach für verſchiedene Mo-nate die Temperatur der Meeresſtrömung bei Callao folgender Maßen:
Monate. Jahr. Meeres-wärme. Beobachter.
Januar, Anfang 1825 22°,5 Dirckinck.
Februar, Ende 1823 17,7 Duperrey.
März, Anfang 1823 18,6 Duperrey.
— Ende 1825 20,2 Dirckinck.
Mai, Anfang 1831 18,3 Meyen.
Juni, Ende 1825 18,7 Dirckinck.
Auguſt, Anfang 1825 17,1 Dirckinck.
Septbr., Ende 1802 (16,0) Humboldt.
Novbr., Anfang 1802 15,5 Humboldt.
December, Ende 1802 20,8 Humboldt.
Mittel 18°,5
|589| „Die drei fehlenden Monate April, Juli und Oktober würden, wennman ſie zufügen könnte, wahrſcheinlich die eben gefundene mittlere Tem-peratur des Meeres bei Callao wenig verändern, da ſie zwiſchen Monatefallen, die wir kennen. Da Luft- und Meeres-Wärme in Wechſelwirkungſtehen, ſo wäre es intereſſant, die Mitteltemperaturen der Atmoſphäre inden einzelnen Monaten für Callao oder Lima mit Genauigkeit zu kennen;denn die Angaben der Luft-Temperatur in dem Moment, wo die Wärmedes Meeres beobachtet wird, ſind wenig belehrend. Die große Waſſer-maſſe empfängt nur ſehr langſam den Einfluß der Atmoſphäre, und inſeiner Meeresſtrömung, deren Schnelligkeit von Winden und vielen ſehrfernen, uns unbekannten Urſachen modificirt wird, iſt ſchwer zu unterſchei-den, was von dem jedesmaligen Temperatur-Wechſel der verändertenSchnelligkeit des Oceaniſchen Stromes, was der Jahreszeit, der mittlernWärme eines letztverfloſſenen Monats zugehört.“ Zur Beſtimmung der mittlern Luftwärme von Lima benützt Hr. vonHumboldt die täglichen Beobachtungen, welche Don Hippolito Unanne inden beiden Jahren 1799 und 1800 angeſtellt hat, deren Reſultate er abernur als annähernde Werthe betrachtet, denn „die Beobachtungen ſindleider! in der Mittagsſtunde“ und in einem „wohl gelüfteten Zimmer,“nicht in freier Luft gemacht. Ich habe, ſagt Hr. von Humboldt, verſucht,ſie nach meinen eigenen, im Jahre 1802 in denſelben Monaten gleichzeitigim Freien und im Zimmer gemachten Erfahrungen zu korrigiren, undfinde dann für die mittlere Temperatur von Lima, ungeſähr gleich den,18 Breitengrade vom Äquator weiter abliegenden Städten Cairo und SanAuguſtin de Florida, 22°,7; für den Tag 23°,1 bis 25°,6, für die Nacht16°,2 bis 18°,7. Die Mittel der einzelnen Monate für Lima ergeben ſich1799 und 1800 wie folgt:
  • Januar 25°,6 Juli 20°,3
  • Februar 26,6 Auguſt 19,6
  • März 26,7 September 19,0
  • April 25,2 Oktober 20,7
  • Mai 23,0 November 22,2
  • Juni 20,2 December 23,8
  • Mittel 22°,7.
„Nach Beobachtungen von Don Mariano de Rivero war 1826 die mitt-lere Temperatur des Monats März 28°,5; April 27°,0; Mai 22°,0; Beob-achtungen, die mit wohl berichtigten, der freien Luft, im Schatten aus-geſetzten Thermometern angeſtellt worden ſind, und von denen meine älternBeobachtungen nur wenig abweichen. Das obige Reſultat für die mittlere |590| Jahreswärme ſtimmt (zufällig) ſehr genau mit dem von Caldcleugh über-ein; dieſer Reiſende findet 22°,5. Dagegen geben zweijährige Beobach-tungen, welche Stevenſon liefert, und welche im jährlichen Mittel 21°darbieten, eine noch niedrigere Temperatur.“ Über den Verlauf der meteorologiſchen Erſcheinungen an der Küſtevon Peru innerhalb eines Jahres theilt Hr. von Humboldt in dem mehr-erwähnten Manuſcripte Folgendes mit: — „Die größte Wärme tritt ge-wöhnlich Ende Februar ein. Die Kälte, wenn man mittlere Monats-Temperaturen von 19½° bis 20° mit dieſem Namen belegen kann, beginntim Mai und dauert bis Mitte September, von welcher an die Wärmewieder ſteigt. Im November beginnt man wieder die Sterne zu ſehen,die bis April ſichtbar bleiben. Denn das ganze flache weſtliche Peru,oder wie die Ingas in ihrer offiziellen Adminiſtrations-Sprache ſagten,das ganze Cuntiſuyu hat nur zwei Jahreszeiten, eine warme, verhältniß-mäßig heitere (Oktober bis Mai, mittlere Wärme 21°,2 bis 27°), undeine kalte (Ende Mai bis Mitte September, mittlere Wärme 20½° bis21°), in der Sonne und Geſtirne verſchleiert ſind. Die Zeit der ſtationä-ren Nebel, Garua, dauert von Ende April und Anfang Mai bis Novem-ber. Die dunſtförmigen Niederſchläge nehmen alſo die kalte Jahreszeitein. In dieſer Epoche erſcheint die Sonnenſcheibe wochenlang, als wennman ſie durch ein gelbroth gefärbtes Blendglas ſähe. Leider aber tretendieſe Verhüllungen der Himmelsdecke auch in den warmen Monaten De-cember, Januar und Februar, auch einzeln ein, und Don Jorge Juanund La Condamine nennen daher mit Recht Lima den Märtyrer-Ort derAſtronomen. Die Stadt Lima iſt nur den S. und W. Winden geöffnet,aber in Norden und Oſten längs des obern Laufs des Rimac und desValle de Lurigancho iſt ſie durch einen Halbkreis von Hügeln vor Windengeſchützt. Die Ingebornen glauben daher, daß die Nebel in Lima haüſi-ger und dauernder als an der freien Meeresküſte im Callao ſind. Derherrſchende Wind in Cuntiſuyu iſt Süd und Südoſt, der bisweilen mitNordweſt abwechſelt. Dieſe Unterbrechung tritt am haüfigſten zwiſchender Frühlings- und Herbſt-Nachtgleiche ein, alſo in der kalten Jah-reszeit, unerachtet in der ſüdlichen Hemiſphäre dieſer Nordwind vomÄquator her weht. Man bemerkt, daß, wenn (was jedoch ſelten) derN.W., der den Bewohnern Kopfweh giebt, ſchon Morgens zwiſchen 9 h und 11 h weht, er augenblicklich zwar die Nebel verſcheücht, daß dieſe aberbald darauf viel dicker werden, beſonders bei wiederkehrendem S.W. DieDunſtniederſchläge ſind alſo wol Folgen kontraſtirender Winde. Garua,kältere Jahreszeit, Wechſel von S. und N. Winden fallen alſo, wie die |591| obere Tabelle der Temperaturen der Meeresſtrömung zeigt, mit der gröſ-ſern Kälte dieſer zuſammen. In den Monaten der Garua (Mai bisOktober) iſt die Temperatur des Meeres im Callao 17°,5, die der Luftin Lima 20°,5 (alſo Luft wärmer als Waſſer 3°). In der heiteren, wär-meren Jahreszeit (November bis April) iſt die Meeresſtrömung 19°,2 und die mittlere Temperatur der Luft in Lima 25° (alſo Luft wärmerals Waſſer 5°,8). Die Atmoſphäre, vom Nebel entblößt, nimmt alſo durchSonnenwirkung und Wärmeſtrahlung des Bodens in der heißen Jahres-zeit um 4½° zu, während daß die Meeresſtrömung nur 1°,7 Wärme verliert.Dieſe Verhältniſſe beweiſen hinlänglich, daß es nicht die geſchwächte In-ſolation iſt, welche dem Meere ſeine niedrige Temperatur giebt, denn zujeder Jahreszeit iſt die Luft hier wärmer als das Waſſer. Bei heitererAtmoſphäre muß allerdings die Sonnenwärme die Kälte der Meeresſtrö-mung etwas vermindern, um ſo mehr, da die erwärmten Theile des Waſ-ſers auf der Oberfläche bleiben, und die mittlere Temperatur von 19°,6,welche man vom November bis April im Hafen bemerkt (einzelne Mo-nate geben dann ſogar 22½°), iſt gewiß gleichzeitig Folge der langſamernStrömung und der Inſolation. Auch ſüdlich von Lima erkennt man inHrn. von Dirckinck’s Beobachtungen dieſe Zunahme der Temperatur, wennman den Auguſt (einen ſehr kalten Monat) mit dem wärmeren Decemberund Februar vergleicht. Im Auguſt wurde das Meer längs der Perua-niſchen Küſte zwiſchen 13° und 17° Breite (Long. 78° bis 79°) 16° bis17½° gefunden; im December war es 20½° bis 22½°; Anfang Februar22½° bis 24½°. Im Hafen Callao ſelbſt ſteigt Ende Januar bisweilenſelbſt die Meereswärme ſo, daß der ſpaniſche Seekapitain Quevedo, 1803,ſie nahe an der Inſel San Lorenzo 25°,5 fand, noch 3° mehr, als Hr.von Dirckinck im Anfang Januar 1825. Obgleich auf Sandbänken dieerkalteten Waſſer haüfig dicke Nebel erregen, wie ich ſelbſt erfahren, ſoiſt der Unterſchied der Kälte der Meeresſtrömung bei Lima in der ver-hüllten und heitern Jahreszeit doch wol viel zu gering, um die Garuaals Folge der Strömung zu betrachten. Über den eigentlichen Urſprung oder vielmehr Anfangspunkt der Be-wegung der kalten Waſſer längs des Littorals von Peru hat Hr. Duper-rey ganz neüe Anſichten aufgeſtellt. Durch Vergleichung der Strom-Beobachtungen vieler mit Kronometern ausgerüſteten Reiſenden hat dieſererfahrene Seeoffizier zu erweiſen geſucht, daß zwiſchen den Meridianendes Süd-Kaps von Neü-Zeeland und der Inſel Pitcairn eine Waſſermaſſein einer Breite von mehr als 60 Längengraden ſich als „Drift“ vonſchmelzendem Eiſe und herrſchenden S.S.W. Winden getrieben vom Süd- |592|Pole her, erſt gegen N.N.O., dann gegen N.O., endlich gegen O.N.O.bewegt, zwiſchen Concepcion und Valparaiſo an die Küſte von Chili an-prallt und ſich dort eben ſo theilt, als es an der Braſiliſchen Küſte beiKap St. Auguſtin der Äquinoctial-Strom des Atlantiſchen Meeres thut,welcher nordweſtlich gegen die Mündung des Orinoco und ſüdweſtlichgegen die Mündung des La Plata fließt. Nach Hrn. Duperrey geht derbei Valparaiſo getheilte Südpolar-Strom, den Küſten folgend, ſüdlichgegen Chiloe, den Archipelagus de los Chonos, Kap Pilar und KapHoorn, nördlich gegen Arica, Callao und Payta bis Cabo Blanco. DieſeAnſicht umfaßt einen ungeheüern Raum der Meeresfläche, verſetzt in eineFerne von 1300 geographiſchen Meilen den Urſprung des PeruaniſchenKüſtenſtromes und ſteigert ein Phänomen der ſüdlichen Hemiſphäre, dasmich ſo lange beſchäftigt hat, zu der Größe, in welcher Rennell’s For-ſchungen uns den Golf- oder Florida-Strom der nördlichen Hemiſphärezeigen, wenn ſie ihn bis zur Nadelbank beim Vorgebirge der guten Hoff-nung aufwärts verfolgen.“ (A. von Humboldt’s Handſchrift. Memoir über Meeresſtröme.) |610| Nach den Erfahrungen von Flinders ſpaltet ſich am Kap Leeuwin dieStrömung in zwei Stromgänge, von denen der eine nördlich längs derWeſtküſte von Neüholland und der andere öſtlich längs der Südküſtedieſer kontinentalen Inſel fließt. Im Mai und December fand er zwi-ſchen dem genannten Kap und dem König Georgs-Sund eine Geſchwin-digkeit von 27 m täglich; ſie nahm aber weiter öſtlich bis auf 16 und 13 m ab. In der Mitte des Indiſchen Meeres, bei den Tſchagos-Inſeln, lau-fen die Strömungen von der Mitte Mai bis zum Oktober, zu welcherZeit der Südoſt-Paſſat hier in ſeiner Kraft weht, beſtändig nach N.W.mit einer Geſchwindigkeit von 15 m in 24 h . Im November werden ſieſchwächer und folgen dem Luftſtrom, der von jetzt an veränderlich wird;zuweilen laufen ſie alsdann nach Oſten, in welcher Richtung, im MonatDecember, eine Geſchwindigkeit von 30 m innerhalb vierundzwanzig Stun-den beobachtet worden iſt. Die Runde um die Erde auf ihrem flüſſigen, oceaniſchen Elementiſt vollendet! Vom Südrande Afrika’s ausgehend ſind wir dahin zurück-gekehrt; wir haben die Strombewegungen des Meeres in allen ſeinenTheilen, nach allen ihren Geſichtspunkten, kennen gelernt und gefunden,daß die Stromgänge des Atlantiſchen Oceans und der längs der Weſt-küſte von Südamerika fließende Strom kalten Waſſers, Dank ſei es denForſchungen James Rennell’s und A. von Humboldt’s, aus dem Dunkel,welches ſie früher umhüllte, mit einer Beſtimmtheit hervortreten, welchewenig zu wünſchen übrig läßt. „So bieten die oceaniſchen Flüſſe,“ — heißt es am Schluß von Hrn.von Humboldt’s Denkſchrift, — „indem ſie die Temperatur einer Zonein die andere tragen, die alte Verbreitung der Menſchen-Racen und denHandelsverkehr der geſitteten Völker bald befördern, bald ſtören, vonruhenden Waſſerſchichten uferartig umgeben, aber dieſe Ufer nach demWechſel der Jahreszeiten erweiternd oder verlaſſend, der phyſiſchen Erd-beſchreibung einen neüen und unermeßlich reichen Stoff der Unterſuchungdar. Die manchfaltigſten Urſachen, einzeln wirkend oder ſich gegenſeitigmodificirend, beherrſchen dies raſtloſe Treiben (nach Gleichgewicht-Streben)der flüſſigen Oberfläche unſeres Planeten. Die Meeresſtrömungen werdenbelebt durch anhaltend wehende Winde, Verſchiedenheiten der ſpecifiſchen |611| Schwere der mehr oder minder erwärmten oder ſalzigen Theile desWaſſers, Veränderung des Barometer-Drucks, durch Anhaüfung derWaſſer im Meerbuſen (wie in dem Mexikaniſchen) oder Störung desNiveaus, durch ſtarke Verdunſtung (wie im Mittelmeere), endlich durchperiodiſches Schmelzen des Polar-Eiſes, welches die Exiſtenz manchfaltigdurchſchnittener großer Polar-Inſeln begünſtigt. Die Richtung der Strö-mungen wird durch die Konfiguration der Küſten, durch die Rotation derErde, wenn die Waſſertheile im Fortſchreiten gegen den Äquator odergegen die Pole nur allmälig die jedem Breitengrade zugehörige Rota-tions-Geſchwindigkeit annehmen, durch Winde und Gegenſtrömungenmanchfach modificirt. Es iſt das Geſchäft des Phyſikers, die numeriſchenElemente dieſer Verhältniſſe (die primitiven Urſachen der Bewegung undihrer Störungen) nach dem freilich unerreichbaren Vorbilde der aſtrono-miſchen Wiſſenſchaften, zu beſtimmen und ununterbrochen zu berichtigen,damit wenigſtens einiges von den ewigen Geſetzen erkannt werde, welchedie klimatiſchen Veränderungen der Feſte von den Strömungen der flüſ-ſigen Umhüllung unſeres Planeten, dem Ocean und dem Luftmeer, ab-hängig machen.“ (Manuſcript, S. 99—101.)