Alexander von Humboldt. Das Jubiläum der Universität Göttingen ist durch die Anwesenheit Alexander's von Humboldt verherrlicht worden. Die wissenschaftliche Jugend wußte wohl, was dieser Name der Welt bedeutet, aber sie fühlte zugleich, wie er ihr insbesondere theuer und werth sein muß. Denn Humboldt, an Jahren und Verhältnissen wie durch Rang und Stellung dem Kreise der Jugend schon fern, hat doch nie aufgehört, durch Sinn und Geist ihr zugewendet und verbündet zu sein, und mit Vertrauen und Liebe diese Zukunft des Vaterlandes zu pflegen und zu fördern. In einer Zeit und unter Umständen, wo älteres Verdienst und jüngerer Eifer einander so leicht entgegenstehen, und neue Richtungen und Formen alten Gewöhnungen nur störend werden, hat Humboldt stets dem jüngeren Geschlecht, auch wo er ihm nicht gerade beistimmte, doch die Gerechtigkeit widerfahren lassen, welche bei ihm aus eigner fortdauernder Geistesfrische und damit verbundener höherer Einsicht hervorging. Die Göttinger Studirenden haben dies ihr Verhältniß zu dem berühmten Manne richtig gefühlt, und kaum war seine Ankunft bekannt geworden, so wurde ihm ein Fackelzug und tausendstimmig wiederholtes Lebehoch dargebracht, wovon die Zeitungen das Nähere berichtet haben. Die Worte jedoch, mit welchen der Ueberraschte diese Ehrenauszeichnung erwiederte, sind in öffentlichen Blättern sehr ungenau mitgetheilt worden, und wir glauben daher unsern Lesern einen Gefallen zu thun, wenn wir ihnen diese Improvisation, wie sie wirklich Statt gefunden hat, in einer authentischen Auffassung hier darlegen. Humboldt sprach, sobald er nur die eigne Bewegung bemeistert hatte, und einige Stille geworden war, diese würdige und bedeutungsvolle Anrede: "Unter den verschiedenartigen Freuden, die mir in einem vielbewegten Leben geworden sind, ist es eine der süßesten und erhebendsten, diesen ehrenvollen Ausdruck Ihres Wohlwollens zu empfangen." "Fast ein halbes Jahrhundert ist verflossen, seit dem ich in dieser berühmten Hochschule, Georgia Augusta, den edleren Theil meiner Bildung empfing." "Viele und tiefeingreifende Wechsel der Weltgestaltungen haben seitdem die Erdtheile getroffen, die ich, nach wissenschaftlichen Zwecken strebend, durchwanderte; aber die Bande der Zuneigung, welche die alternden, hinschwindenden Geschlechter an die jüngeren, kraftvoll aufstrebenden dadurch knüpft, daß alle, im akademischen Leben, aus Einer Quelle geschöpft, sind in dem raschen Wechsel der Begebenheiten ungeschwächt geblieben." "Deutschlands Hochschulen üben noch jetzt, wie vor Jahrhunderten, ihren wohlthätigen Einfluß auf die freie Entwickelung geistiger Kräfte, auf die ernsten Richtungen des Volkslebens aus." "In der Anerkennung dieses mächtigen Einflusses, der dem hochherzigen Gründer dieser Universität, dem edlen Vorfahren Ihres Königs, im Geiste vorschwebte, bringe ich Ihnen, theure Freunde, tiefbewegt, die Huldigung meiner liebevollen Dankgefühle dar." Das Feuer, mit dem diese edlen Worte gesprochen wurden, machte den lebendigsten Eindruck, so wie das Maaß, in welchem sie gehalten sind, Bewunderung verdient. Eine "Festgabe zur Säcularfeier der Universität Göttingen" bestehend aus Gedichten dreier jungen Dichter, Theodor Creizenach, Moritz Carriere, und Karl Bölsche, ist ebenfalls eine Huldigung für Humboldt; das durch seinen Inhalt werthvolle und auch im Aeußern zierliche Heft ist ihm "dem höchsten Gaste bei dieser Jubelfeier" zugeeignet, und, wir gestehen es, diese Bezeichnung hat uns durch ihre innere, mit jugendlichem Freimuth ausgesprochene Wahrheit, besonders wohlgefallen. Von den Gedichten selbst reden wir vielleicht später einmal. Wir begnügen uns, hier anzumerken, daß ein Sonettenkranz von Moritz Carriere und Theodor Creizenach sehr glücklich die bedeutendsten Namen besingt, welche mit der Erinnerung an Göttingen sich verflechten. Haller, Lichtenberg, Bürger, Voß, Friedrich August Wolf, Wilhelm und Alexander von Humboldt, Blumenbach, Gauß, Jakob und Wilhelm Grimm, und manche Andere, werden hier in verdientem Ruhme vorgeführt, zuletzt auch Heinrich Heine, der ebenfalls in Göttingen studirt hat und Doctor der Rechte geworden ist. Diesen Namen hier nicht vergessen zu haben, dünkt uns ebenfalls so löblich als nothwendig, und in welch gutem Sinne die Jünglinge hier ihren Lieblingsdichter beurtheilen, ja gewissermaßen strafen und warnen, bezeuge das ihn betreffende Sonett selber: Heinrich Heine. Von edlen Blüthen melden uns die Sagen, Die aus dem besten Herzblut aufgeschossen, Die aus dem Grab versunkner Freuden sprossen, Und auf den Blättern Schmerzenslaute tragen. So mahnen mich, o Dichter, Deine Klagen, Die aus dem tiefsten Weh der Brust ergossen, Bald hold und zart, bald stark und wild entflossen, In schläfrigen und düster bangen Tagen. Der Du den Schleier wagtest aufzuheben Von bunten Lappen und geschminkten Leichen, Du hast gethan, was Dir der Geist geboten. Auf aus dem Schlummer, dem Du Dich ergeben! Nun gilt's, mit Ernst das Höchste zu erreichen! Sonst sei hinweggeworfen zu den Todten. -- Von einem andern, sehr sonderbaren poetischen Erzeugniß: "Die Botschaft aus Elysium an alle Freunde und Genossen der Georgia Augusta, von Isidorus; Göttingen, bei Vandenhoeck und Ruprecht, 1837," behalten wir uns vor, bei nächster Gelegenheit ein Wort zu sagen. --