Mexicanische Alterthümer. Der berühmte Naturforscher Alex. v. Humboldt, welcher auf seiner fast fünfjährigen Reise in America eine geraume Zeit seinen wissenschaftlichen Forschungen in Mexico widmete, theilt in den "Berliner Nachrichten" lehrreiche Bemerkungen über mexicanische Alterthümer mit, aus denen das für dieses Blatt Geeignete hier folgt. Der Architect Nebel, aus Hamburg, hat, nachdem er seine Studien in Italien vollendet, mit lobenswerthem Eifer, unter den mannichfaltigsten Beschwerden, fünf Jahre lang die Reste mexicanischer Bauwerke und Sculpturen aufgesucht, von denen einige, z. B. die Treppenpyramiden von Papantla, in dem Staate von Vera- Cruz, und von Xochicalco (zwischen Cuernavaca und Miacatlan, auf dem westlichen Abhange der Cordillere) fast ganz unbekannt waren. Das erste dieser merkwürdigen Denkmähler (ein Gotteshaus, teocalli) liegt westlich vom Rio Tecolutla, gleichsam in dem Dickicht eines Waldes der heißen und ewig feuchten Zone, am Fuße der östlichen Cordillere, verborgen. Den Indianern der Küstengegend allein bekannt, wurde die Pyramide von Papantla von Jägern spanischer Abkunft um das Jahr 1775 zufällig entdeckt. Hr. Nebel mußte sich mehrere Tage damit beschäftigen, die Stufen der Pyramide von den baumartigen Tropengewächsen reinigen zu lassen, welche sie verdeckten und die Messungen hinderten. Demselben Reisenden verdanken wir den Grundriß der sonderbaren, von Säulen unterstützten Bauwerke, welche auf einem Hügel, südöstlich von Zacatecas, zusammengedrängt sind, und für eine schon weit entwickelte, viel bedürftige Civilisation zeugen. In America hat sich der Strom der Völker von Nordwest gegen Süden bewegt. Man verfolgt diesen Strom von dem See Timpanogos und von den Casas Grandes am Rio Gila bis zur Laguna de Nicaragua hin. Die Tolteken erschienen im siebenten, die Azteken im eilften Jahrhunderte in Anahuac. Ob ein Nebenzweig des toltekischen Hauptstammes gegen Osten zog und dort in der oberen Luisiana, zwischen dem Ohio und den großen canadischen Seen (Breite 39° bis 44°) jene polygonischen Umwallungen und conischen Grabhügel aufführte, die noch jetzt um so mehr in Erstaunen setzen, als sie Scelette einer sehr kleinen Menschenrace enthalten, bleibt überaus zweifelhaft. Dämmernde Lichtpuncte der Civilisation unter den Ureinwohnern waren: Cibora und Quivira bey Neu-Mexico, ein nördliches Dorado, in dem noch im sechzehnten Jahrhundert der Mönch Marcus von Nizza einen bärtigen, das Kreuz anbetenden König, Tatrarax (eine Art Priester Johannes), suchte; Anahuac, oder das tropische Gebirgsland der Tolteken und Azteken; das cochenillereiche Oajaca, wo sich der Trauerpallast von Mitla (Miguitlan) erhebt; Teochiapan, Guatimala und Nicaragua, wo die berühmten Ruinen von Copan, Peten, Utatlan und Santo Domingo Palenque (einst Culhuacan der Tzendalen) liegen. Von den großen Bauwerken, die Nebel gezeichnet hat, sind einige, die Pyramiden von Cholula (Cholollan) und Papantla, wahrscheinlich toltekischen, und also älteren Ursprungs, als die Entdeckungsfahrten von Biarn und Leif Erikson. Die erstere dieser Pyramiden, welche 1350 Fuß lang und 178 Fuß hoch ist, war nach dem Muster des wohl orientirten Teocalli's von Teotihuacan unfern des Sees von Tezcuco erbaut. Die Zeichnungen des Architecten Nebel sind nicht bloß von geometrischer Genauigkeit und characteristisch treu in Auffassung des eigenthümlichen Styls der Basreliefs und anderer Sculpturen, sie haben auch einen großen künstlerischen Werth in landschaftlicher Hinsicht. Die üppige Fülle und der wilde Reichthum der Vegetation, die Physiognomik der Tropengewächse, das ganze Naturleben des Erdraumes, wo jene Völker ihre sonderbaren Bauwerke aufgeführt, sind mit bewundernswürdigem Talente dargestellt. Ansichten neuer, von den Spaniern gegründeten Städte, Costüme und Scenen des häuslichen Lebens sind den archäologischen Gegenständen beygesellt, und nach den Proben colorirter Lithographien zu urtheilen, welche Arch. Nebel vorgezeigt hat, werden seine sorgfältig ausgeführten Zeichnungen, wie seine geistreichen Skizzen, befriedigend auf Stein übertragen werden. Das Werk selbst wird in Paris in zehn Heften, jedes Heft zu fünf Lithographien, unter dem Titel: Voyage archeologique et pittoresque dans la partie la plus interessante du Mexique, erscheinen. Von gleich großer Merkwürdigkeit für Völkergeschichte und Alterthum sind die Denkmähler alter Baukunst in Südamerica, längs der westlichen Küste dieses Landes; südlich von der Landenge von Panama, in dem Reiche der Muyscas (Cundinamarca); auf den Hochebenen von Quito, Cuzco, Titicaca, Tiahuanaco, wo sich dem Nationalcultus geweihete Tempel, Wohnungen der Inca's, öffentliche Bäder, Caravanserais, bey Ankunft der Spanier befanden, welche Denkmähler durch Kunststraßen unter einander verbunden waren, die in einer Länge von fast 300 geographischen Meilen auf Bergrücken von zehn bis vierzehn tausend Fuß Höhe fortliefen.