Untersuchungen über den Namen Amerika. Von A. v. Humboldt. (Aus einem Schreiben desselben an Herrn Letronne zu Paris.) Die älteste gezeichnete Karte von Amerika, welche man bisher kannte, war die vom Jahre 1527; sie stammt aus der Bibliothek von Ebner in Nürnberg und befindet sich gegenwärtig in der Militair- Bibliothek zu Weimar; sie ist zwei Jahre älter als die Karte von Diego Ribero, welche Güssefeld hat stechen lassen, und gegenwärtig ebenfalls auf der Militair-Bibliothek zu Weimar aufbewahrt wird. Jch habe diese beiden Karten, welche man oft verwechselt hat, in dem Examen critique, pag. 182, verglichen. Eine Weltkarte in der Sammlung des Hrn. Baron Walkenaer, die ebenfalls Amerika darstellt, ist, wie ich es wärend der Cholera im Jahre 1832 erkannt habe, im Puerto Santa Maria im Jahr 1500 von Juan de la Cosa, dem Gefährten von Colomb auf seiner zweiten Reise, und dem Begleiter von Ojeda und Vespucci bei der Expedition von 1499, gezeichnet (man sehe die kronologische Übersicht der Entdeckungen im Examen critique, p. 101). Dieser Juan de la Cosa ist es, über den sich, nach dem Zeügniß von Bernardo de Jbarra in dem Proceß des Fiskus gegen Don Diego Colomb, der Admiral beklagte, weil Cosa hombre habil andaba diciendo que sabia mas que el. Martinus Hylacomylus, Professor in Freiburg im Breisgau, der wärend der Weinlese nach Lotharingen zu reisen pflegte, dessen Herzog Renatus ein großer Beschützer der geograph. Wissenschaften war und mit Vespucci in Verbindung stand, ist der erste, welcher in einer kleinen Weltbeschreibung (Cosmographiae Indroductio: insuper quatuor Americi Vespucii Navigationes. Imp. in urbe S. Deodati, 1507) den Namen Amerika vorschlägt. Vor Navarrete und Washington Jrving ist dieses Buch von Canovat wie auch von dem Ritter Napione (Primo scopritore p. 39 u. 111) citirt worden; aber keiner dieser Autoren hat die Person des Hylacomylus und seine Vorliebe für Vespucci gekannt, die durch seinen Aufenthalt in Lotharingen angeregt worden war; Navarrete hält sogar St. Die in Lotharingen für eine Stadt in Ungarn, für Tata. Die ältesten Ausgaben der Margarita philosophica von 1503, 1504, 1508 und 1512, und ein Brief von Hylacomylus an Philesius Vogesigena (Ringmann, Professor in Basel, Übersetzer des Julius Cäsar) verbreiten viel Licht über Hylacomylus, der Columbus mit Vespucci verwechselte, wie das heütige Publikum oft die Kapitaine Ross und Parry. Jch glaube, daß Hylacomylus der Geograph Waldseemüller ist, welcher eine deütsche Seekarte verfaßt hat. Die Jahrzahl 1507 beweiset allein schon, wie ungerecht die oft wiederholte Beschuldigung ist, daß Vespucci seinen Namen auf die Karten der Neüen Welt als Piloto Mayor des Königs von Spanien gesetzt habe; Vespucci erhielt dieses Amt erst am 22. Mai 1508. Jm Jahr 1508 erscheint in der Ausgabe des Ptolemäos die erste gestochene Karte vom Neüen Kontinent, aber ohne den Namen Amerika, wie es Herr Walkenaer gezeigt hat (Biographie Universelle, T. VI. p. 207 und Recherches geographiques sur l'Interieur de l'Afrique septentrionale, p. 186). Jm Jahr 1509 finde ich den von Hylacomylus 1507 vorgeschlagenen Namen Amerika schon als eine sehr bekannte Benennung in einem anonymen kosmographischen Werke gebraucht, welches den Titel führt: Globus mundi, declaratio sive descriptio mundi et totius Orbis, impress. Argentor. 1509. Dies ist drei Jahre vor Vespucci's Tode. Dieses Werk hat Panzer irriger Weise dem Henricus Loritus Glarcanus zugeschrieben, der im Jahre 1488 geboren wurde und Verfasser von: Geographiae Liber, Basil. 1527, ist. Amerika wird auch in dem Briefe an Rudolf Agricola, aus Wien 1512, von Joachim Vadianus, in dessen Kommentar des Pomponius Mela genannt: Pomponius Mela, de Orbis situ, cum commentariis Joachimi Vadiani; adjecta est epistola Vadiani ab eo pene adolescente ad Rudolph. Agricolam juniorem scripta. Das ganze Buch ist vom Jahre 1522; aber der in neürer Zeit berühmt gewordene Brief, welcher die Stelle über Amerika enthält, ist von 1512. Cancellieri hat irriger Weise geglaubt, daß Vadianus es gewesen sei, welcher den Namen Amerika zuerst ausgesprochen habe. Die erste gestochene Karte von der Neüen Welt mit dem Namen Amerika ist nicht die im Ptolemäos von 1522, sondern eine Weltkarte von Petrus Appianus von 1520, welche ein Mal des Camers Ausgabe des Solinus (Polyhist. Viennae Austr. 1520), ein zweites Mal der Vadianischen Ausgabe des Mela von 1522, beigefügt ist. Diese Karte mit dem Namen Amerika trägt auf der Platte die Jahrzahl 1520. Der Jsthmus von Panama ist auf derselben von einer Meerenge durchschnitten, was um so merkwürdiger ist, weil dieser Jrrthum der neüen chinesischen Karten schon auf einem Globus von Johann Schoner enthalten ist, der, wie die Karte von Appian, aus dem Jahre 1520 stammt (man sehe mein Examen critique, p. 125); überdem fügt diese Appianische Karte, obwol sie den Namen Amerika enthält, in dem südlichen Theile des Continents hinzu, daß letzterer von Columbus im Jahre 1497 entdeckt worden sei (so ist also das Jahr der angeblichen Entdeckung des Vespucci dem Namen Colombus beigesellt), wärend man in dem Cosmographicus Liber Petri Appiani studiose correctus per Gemmam Phrysium (Antwerpiae 1529) liest: -- Quarta pars mundi ab Americo Vespuccio ejusdem inventore nomen sortitur. Inventa est 1497. So groß und dauernd war die Verwechselung der beiden Namen, Colomb und Vespucci, die zwischen Lotharingen, dem Elsaß, Freiburg und Wien entstanden ist und ganz ohne Vespucci's Zuthun zu der Benennung: Amerika Anlaß gab. Unter den Ausgaben des Ptolemäos ist die von 1522 unstreitig die erste, welche den Namen Amerika zeigt; dies bewiesen die Ritter Napione (primo scopritore 1809, p. 88) und Hr. Walkenaer (I, p. 352); aber diese Karte mit dem Namen Amerika stehet um zwei Jahre den gestochenen Karten im Solin von Camers und in dem Mela von Vadianus nach. Merkwürdig, daß diese Ausgabe von 1522, die zum ersten Male den Namen Amerika enthält, zugleich auch diejenige ist, in welcher, nach Hrn. Walkenaers Bemerkung, Laurentius Phristus (in einem Zusatz zum Kap. II., Buch VIII., des Ptolemäos) den Martinus Hylacomylus, pie defunctum, als Bearbeiter eines Theils der zu dieser Ausgabe gehörigen Karten nennt . Die vorstehenden Resultate sind dem Herausgeber von Herrn v. Humboldt bei seiner Rückkehr von Paris, im Januar 1836, mitgetheilt worden. Die Entdeckung der Karte von Juan de la Cosa, gezeichnet im Jahr 1500, also sechs Jahre vor Columbus Tode, hat die erste Veranlassung gegeben zu der Schrift des Hrn. v. Humboldt: Examen critique de l'Histoire de la Geographie du Nouveau Continent et des progres de l'Astronomie nautique aux 15me et 16me siecles. (groß Folio) von der bereits 70 Bogen gedruckt sind.