Zusätze zu der Abhandlung: Ueber die Bergketten und Vulcane von Inner-Asien; von Alexander von Humboldt. (Diese Zusätze finden sich im ersten Theil der: Fragmens de Geologie et de Climatologie asiatiques als Anhang zu der interessanten Abhandlung, welche der Hr. Verfasser bereits im Bd. XVIII dieser Annalen dem deutschen Publicum überliefert, und hier, mit einigen geographischen und philologischen Bemerkungen des Hrn. Klaproth versehen, französisch wieder gegeben hat. Derselbe Band des genannten Werks enthält auch die von Hrn. Klaproth aus chinesischen und anderen Schriftstellern gezogenen Nachrichten über die Vulcane von Japan und die Gasquellen in China, welche wir, aus anderen Quellen entlehnt, im Bd. XXI S. 331 und im Bd. XVIII S. 603 mitgetheilt haben. P.) Lebhaft interessirt, die verschiedenen Erzählungen der Landeseinwohner über Alles, was ich nicht mit eigenen Augen sehen konnte, zu vergleichen, habe ich meinen Freund, Hrn. Simonoff, Professor der Astronomie in Kasan und Astronom auf der Reise des Kapitains Billinghausen zum Südpol, gebeten, einige Nachrichten über das vulcanische Gebiet von Bischbalik, zwischen der Kette des Thian-schan und dem oberen Irtysch, bei dem gelehrten Professor der persischen Literatur, Hrn. Kazim-Beg, einzuziehen. Diese Nachrichten bestätigen zwar nicht das Daseyn eines feuerspeienden Berges in dem See Alagul, wie es in dem tartarischen Itinerarium, das ich mir in Orenburg verschaffte, angegeben ist; allein sie lehren bei dem See eine heiße Quelle kennen und eine Höhle, aus der, zu großer Furcht der Karavanen, ein heftiger Wind hervordringt. Solche Widersprüche finden sich, wie ich in der Kirgisensteppe und an der Gränze der chinesischen Dxungarei erfahren habe, in den Berichten tartarischer Reisenden leider sehr häufig. Das Folgende ist eine wörtliche Uebersetzung der Note des Hrn. Kazim-Beg, welche dieser, in der englischen Sprache sehr bewanderter, Perser (ein Sohn des großen Mufti von Ufa), während seines Aufenthalts unter den Mitgliedern der schottischen Bibelgesellschaft zu Astrachan, englisch niederschrieb. 1) Beschreibung des Sees Ala gul und der Höhle Uybeh. "Ein tartarischer Mollah, Sayfulla Kazi mit Namen und etwa 70 Jahre alt, der seit mehreren Jahren in Semipolatinsk wohnt, hat mehrere Reisen in diese Gegenden gemacht. Er ist in Guldja am Flusse Ili gewesen, und kennt die Seen Ala gul und Ala tau gul sehr gut. Er hat mir die folgende Nachricht mitgetheilt. Nachdem die Karavanen durch die Stadt Tschugutschak gegangen, nehmen sie ihren Weg nach dem Ala gul oder bunten See, so genannt von drei in ihm enthaltenen ziemlich großen Felsen, die verschiedene Farben besitzen. Dieser See bleibt zur Linken des Weges liegen. Auf der andern Seite, im Westen des Sees, ist ein zweiter See, Ala tau gul. In diesem sieht man einen andern Berg, der weiß wie Schnee ist und weit größer als die Felsen des Ala gul (der Name Ala tau gul ist zusammengesetzt entweder aus ala und tugul, d. h. nicht bunt, oder aus den drei Worten Ala tau gul, was so viel heißt, als ein See, der einen bunten Berg enthält; denn der Mollah sagt, daß der in dem See liegende Berg im Sonnenschein ein schönes und verschiedenfarbiges Ansehen hat). Auf meine Frage, ob etwas darauf hindeute, daß dieser Berg ehemals ein Vulcan gewesen sey und ob die Tartaren und Kalmücken, wenn sie neben diesen Seen vorbeireisten, diesen Bergen ein Opfer brächten, sagte er mir, daß er niemals so etwas in Bezug auf die Seen und die darin liegenden Berge habe anführen hören; allein, setzte er hinzu: Wenn man den Ala gul (der auf der Karte genau im Süden des Ala tau gul liegt) hinter sich hat, gelangt man zu zwei Bergen, dem Jug tau (Kuk tau der Karten, oder blauen Berg) rechts, und dem Barlyk links, zwischen denen der Weg der Karavanen hindurchführt. Einige Werste hinter diesen Bergen, und auf dem Wege, befindet sich eine große unterirdische Höhle; sie führt den Namen Uybeh. Zuweilen, besonders im Winter, bewirkt sie heftige Stürme, die oft zwei Tage anhalten. Der Eintritt in diese Höhle gleicht einer ungeheuren Gruft, und Keiner wagt hineinzugehen, selbst nicht hineinzuschauen. Ihre Tiefe ist Jedem, außer Allah, unbekannt. Ueberdieß beschreibt er diese Höhle so fürchterlich und in so ungewöhnlichen Ausdrücken, daß ich vermuthe, sie gleiche fast dem Elden hole in Derbyshire. Der einzige Unterschied mit letzterer ist der, daß diese an der Seite eines Berges liegt, und weder Stürme noch Winde erzeugt. Der Mollah versichert, der Sturm, der aus der Uybeh hervordringe, sey zuweilen so stark, daß er Alles auf seinem Wege mit fortreiße und in den benachbarten See schleudere. Es ist demnach wahrscheinlich, daß ehedem, vor mehreren Jahrhunderten, Feuer und Flammen aus der Höhle Uybeh hervorschossen, und daß sie aus diesem oder einem ähnlichen Grunde den Namen eines Vulcans erhielt. Ich muß noch erwähnen, daß der Mollah hatte sagen hören, der Wind aus der Uybeh sey im Winter zuweilen warm, und so gefährlich, daß die Karavanen, welche in der Nachbarschaft dieser Höhle anlangen, oft eine ganze Woche lang liegen bleiben, wenn sie die Winde in Thätigkeit glauben, und ihren Weg nicht eher antreten, bevor diese aufgehört haben." Nicht dieser Berg, sondern ein Pic im Ala gul ist für vulcanisch ausgegeben. H. "Was die Opfer betrifft, so erzählt der Mollah, daß sich bei dem Berge Jug tau oder Kuk tau zwei Quellen befinden, eine kalte und eine heiße. Es ist diese letztere, welcher die Kirgisen und Kalmücken Opfer bringen, weil sie glauben, ihr Wasser heile fast alle Krankheiten. Es ist demnach sehr wahrscheinlich, daß das, was der Hr. von Humboldt zu Orenburg von Tartaren über Opfer, die dem Berge im See Ala gul gebracht würden, hat erzählen hören, einerlei ist mit der Nachricht des Mollah Seyfullah über die erwähnten Quellen." "Nachdem ich von ihm die obigen Angaben erhalten, machte ich die Bekanntschaft eines andern Mollah, der zu Kaschkar geboren ist, und mit einer Karavane die Reise neben dem Ala gul und den Bergen Kuk tau und Barlyk gemacht hat. Er bestätigt Alles, was eben über den Ala gul und der Uybeh gesagt worden ist." "Schreiber dieses unterzieht sich gern neuen Untersuchungen über alle Punkte, deren Aufklärung von Wichtigkeit erscheinen sollte. Sobald er wieder einige Nachrichten eingesammelt hat, wird er sie mit großem Vergnügen Hrn. Baron von Humboldt übersenden, dem er die Ehre hat zu seyn u. s. w." Alexander Kazim-Beg. 2) Ueber die Salsen und die Feuer von Baku. (Aus einem Briese des Hrn. Lenz in St. Petersburg an Hrn. Baron A. von Humboldt.) Die Feuer von Baku, welche man gewöhnlich die großen Feuer nennt, liegen 15 Werste ostnordöstlich von dieser Stadt, und heißen bei den Eingebornen vorzugsweise Alesch-gah oder die Feuerorte. Es ist gegenwärtig sehr schwer zu sagen, ob diese Feuer sich von selbst entzündet haben. Die Landeseinwohner und die feueranbetenden Hindus, etwa zwanzig an der Zahl, welche sich hier niedergelassen haben, behaupten, die Feuer brennen seit Anfang der Welt; allein, man weiß, daß dieses Volk geneigt ist, Alles, was seit mehreren Menschenaltern besteht, als da seyend von aller Ewigkeit her zu betrachten. Der Ausbruch indeß, welcher sich am 27. Nov. 1827 nahe beim Dorfe Jokmali, 14 Werst westlich von Baku, ereignete, gab sich zuerst durch eine Feuersäule kund, an einem Orte, wo man vorher keine Flamme sah. Diese Feuersäule behielt drei Stunden lang eine ungewöhnliche Höhe, dann sank sie bis auf drei Fuß herab, und brannte so 24 Stunden hindurch. Diese Erscheinung könnte zu dem Glauben verleiten, die großen Feuer bei Baku hätten einen ähnlichen Ursprung; allein man muß erwägen, daß das Erscheinen jener Feuersäule zu Jokmali begleitet war mit einem Ausbruch von thonigem Schlamm, der den Boden in einem Kreise von 200 bis 150 Toisen Durchmesser mit einer zwei bis drei Fuß dicken Lage bedeckte. Ueberdieß zeigt der Anblick dieses Orts, daß früher hier schon ähnliche Ausbrüche stattgefunden haben. Der graue Thon von der letzten Eruption liegt auf einem Boden von gleicher Art, aber von weit größerer Ausdehnung, denn es ist eine mit braunem Thon bedeckte Ebene, auf der man keine Spur von Vegetation antrifft. Dieser Boden ist unwiderleglich vulcanischen Ursprungs, und der, ursprünglich graue, Thon ist nur an der Luft durch Oxydation des in ihm enthaltenen Eisens braun geworden. Zu Alesch-gah sieht man diese Thonschicht nicht. Das Hauptfeuer, welches in dem Hofe der Wohnung der Hindus brennt, strömt aus Muschelkalk hervor, dessen Fallen 25° gegen Südost beträgt. Das Feuer dringt aus Spalten hervor, deren Wände dadurch blau geworden sind. Gegenwärtig haben die Hindus die meisten dieser Spalten zugemauert, um das Gas in vier Hauptmündungen zu vereinigen. Wenn folglich das Gas, welches an diesem Orte brennt, seine Entstehung einer vulcanischen Feuersäule verdankt, so war diese Eruption nicht mit einem Schlamm- Auswurf begleitet. Außer den großen Feuern giebt es auch kleine, westlich von Baku, beinah 5 Werste von der Salse bei Jokmali; allein diese werden in jedem Jahre durch Regen oder Schnee ausgelöscht, wenigstens haben wir sie im Monat März in diesem Zustand angetroffen. Das Gas tritt aus einigen trocknen Höhlungen des thonigen Bodens mit Geräusch hervor, oder auch, es entwickelt sich in Blasen aus dem Schneewasser, mit dem die tieferen Theile dieser Heerde angefüllt sind. Ehe ich das Gas anzündete, steckte ich in eine der größeren trocknen Höhlungen ein Thermometer, ohne daß es die Wände berührte; es zeigte für die Temperatur des Gases 12° C. Die Flamme, welche, nachdem das Gas angezündet worden, aus dem Loche aufstieg, hielt 2 Fuß in Höhe und einen im Durchmesser. Ich halte diese Bestimmung der Temperatur des Gases für sehr sicher; denn wiewohl ich auch versuchte, die des Gases der großen Feuer auszumitteln, so kann sie doch nicht genau seyn, weil die vielen Flammen nothwendig den Boden, und folglich auch das aus demselben hervorströmende Gas sehr erhitzen müssen. In der Wohnung eines der Hindus zog ich die zwei Fuß lange Röhre, aus welcher das Gas hervorbrannte, aus dem Boden und steckte darauf das Thermometer in das Loch einen halben Fuß tief; es zeigte 28°,8 C. In der Nähe der großen Feuer, etwa eine halbe Werst vom Hauptheerde, fand ich zwei andere Gasquellen, beide sehr schwach; die Temperatur der einen war 12°, die der anderen 13°,1 C. Der fast gänzliche Mangel an Quellen in dem Gebiete von Baku legt der Bestimmung der Bodentemperatur dieser Gegend ein mächtiges Hinderniß in den Weg. Die man antrifft haben fast kein Wasser. Eine findet sich in der Nähe der Stadt, sechs Fuß vom Ufer des Meeres; ihre Temperatur ist ebenfalls beinahe 12°,0 C., was ziemlich mit den Quellen von Derbend und Welikend übereinstimmt. Eine wirkliche Salse befindet sich südsüdwestlich von Baku, 15 Werst vom Meere. Wahrscheinlich ist es dieselbe, welche Hanway (Voyage, Vol. I p. 284) als einen Vulcan bezeichnet. Sie liegt auf einem Berge von runder Gestalt, der ganz mit vulcanischem Schlamm und einer großen Anzahl kleiner Thonkegel von etwa 20 Fuß Höhe bedeckt ist. Der Vulcan nimmt den höchsten Theil des Berges ein, und ist gegenwärtig wenig thätig; er unterscheidet sich von der übrigen mit braunem Thon bedeckten Fläche durch seine graue Farbe, welche vollkommen der von der letzten Eruption zu Jokmali ähnlich ist. Wir trafen den Kegel nicht mehr in seiner Ganzheit an, denn drei Jahre zuvor stürzten sein Gipfel und sein westlicher Theil, wahrscheinlich in Folge einer zu starken Wirkung des Gases, ein, vielleicht im Moment des Ausbruches zu Jokmali, das nur 10 Werst davon entfernt liegt. Der flüssige Schlamm fließt an dieser Seite aus, und hat hier eine Ebene gebildet, die, durch das Eintrocknen der Masse, voller Risse geworden, eine Länge von etwa 1000 Fuß auf eine Breite von etwa 200 Fuß besitzt. Die Höhe des Kegels muß gegen 200 Fuß betragen haben. Was jetzt noch steht, hat eine Höhe von 100 Fuß über der Fläche, und von 900 Fuß über dem Meer. Einer meiner Begleiter hatte den Kegel noch unverletzt gesehen; er besaß damals oben eine Oeffnung nicht größer als eine Faust, und gefüllt mit flüssigem Schlamm, welcher, durch aufsteigende Gasblasen bis zu einer Höhe von zwei Fuß emporgeworfen, nach dem Niederfallen zur Vergrößerung des Kegels beitrug. Nachdem dieser eingestürzt ist, hat sich in seiner Mitte eine Vertiefung gebildet, aus der an zwei Stellen das Gas hervordringt. Wir haben dasselbe angezündet, und es brannte noch als wir den Berg verließen. Man erblickt in dem Schlamme dieser Salse viele Felstheilchen, welche alle scheinen einer mehr oder weniger großen Hitze ausgesetzt gewesen zu seyn. Eine Werst vom Gipfel des Berges findet man sogar eine wahre Schlacke in Stükken von zwei bis drei Fuß Durchmesser, die durch den Vulcan scheinen dahin geschleudert zu seyn. Eine große Menge kleiner Stücke habe ich ganz in der Nähe eines der kleinen Kegel des Berges gefunden. Die Salsen, welche flüssigen Schlamm auswerfen, liegen hauptsächlich auf einem Hügel, beim Dorfe Balkhany, 12 Werst westlich von Atesch-gah, im Gebiete der schwarzen Naphtha, von denen es 82 Brunnen giebt. Diese Salsen bestehen aus Gruben, die mit Schlamm und schwarzem Bergöl gefüllt sind, und von denen die größten zwei bis sechs Fuß im Durchmesser haben. Das Gas entwickelt sich in, mehr oder weniger langen Zwischenzeiten in Blasen; es brennt, wenn es angezündet wird, mit ganz derselben Flamme wie die großen Feuer. Dieß ist der Ort, den Kämpfer das Fegfeuer nennt. An beiden Seiten des Hügels tritt das Gas immerwährend unter Zischen aus dem Boden. Die Schlammfelder sind vulcanische Erscheinungen, ganz denen bei dem Ausbruch zu Jokmali im J. 1827 ähnlich. Das Gas strömt hier aus kleinen, zwei Fuß hohen Thonkegeln, dessen Gipfel eine mit Schlamm gefüllte Oeffnung einnimmt. Solcher Kegel sieht man eine große Anzahl neben einander stehen. Ein Ausbruch gleicher Art mit dem von Jokmali findet sich auf der Insel Pogorelaia Plita (dem gebrannten Fels) an der Mündung des Kur. Mehrere Personen, die beide gesehen, haben mir ihre völlige Einerleiheit versichert. Ein alter persischer Matrose erzählte mir Folgendes: "Vor sechszehn Jahren brach auf dieser Insel eine Flamme hervor, deren Hitze man schon in einer Entfernung von sechs Wersten fühlte (?); gegenwärtig ist aber dieses Feuer erlöscht. Die Insel ist mit flüssigem grauen Schlamm bedeckt, und aus diesem steigt ein Dampf empor, der ganz wie das Feuer von Baku riecht, und, wenn man ihn einathmet, Kopfweh verursacht. Dieser Schlamm enthält eine große Menge von Steinen, die den Glanz des Goldes besitzen. Man findet auch Salz auf dem Boden, aber es schmeckt bitter." Dieselben goldfarbenen Steine habe ich zu Jokmali gefunden; sie bestehen aus Thonschiefer, mit einer schwachen Farbe von Marcasit. Bei Jokmali ist der thonige Boden gleichfalls an vielen Orten mit Natron bekleidet. Zwei Ursachen haben zur Hebung der Insel Pogorelaia Plita über den Spiegel des Kaspischen Meeres beitragen können. Die eine ist die unzweifelhafte Senkung dieses Meeresspiegels, die von 1805 bis 1830 zehn Fuß betragen hat; die andere aber die Eruption der Salse daselbst. Ich habe nicht mit Gewißheit erfahren können, ob die Insel vor diesem Ereigniß da war. Die Nachrichten, welche ich hierüber einzog, sind widersprechend. Niemand in der Nachbarschaft von Baku hat mir über die freiwillige Entzündung der Naphtha Auskunft geben können; allein es leidet keinen Zweifel, daß mehrere Naphthabrunnen dem Gase einen freien Ausgang verstatten, denn man hört es bei einigen derselben deutlich mit Geräusch entweichen.