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Alexander von Humboldt: „Aus Humboldts neuester Reise“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1830-Ueber_die_Bergketten-08-neu> [abgerufen am 21.04.2025].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1830-Ueber_die_Bergketten-08-neu
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Titel Aus Humboldts neuester Reise
Jahr 1831
Ort München
Nachweis
in: Das Ausland. Ein Tagblatt für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker 4:1 (1. Januar 1831), S. 2–3; 4:2 (2. Januar 1831), S. 6–7; 4:3 (3. Januar 1831), S. [9]–10; 4:5 (5. Januar 1831), S. 18–19; 4:13 (13. Januar 1831), S. [49]–50; 4:16 (16. Januar 1831), S. 62–63; 4:18 (18. Januar 1831), S. 70–71; 4:20 (21. Januar 1831), S. 78–79; 4:21 (21. Januar 1831), S. 81; 4:22 (22. Januar 1831), S. 86–87; 4:23 (23. Januar 1831), S. 90–91; 4:24 (24. Januar 1831), S. [93]–94; 4:25 (25. Januar 1831), S. 98–99; 4:26 (26. Januar 1831), S. [101]–102, Karte.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken und Kreuzen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.2
Dateiname: 1830-Ueber_die_Bergketten-08-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 26
Spaltenanzahl: 32
Zeichenanzahl: 102309

Weitere Fassungen
Ueber die Bergketten und Vulcane von Inner-Asien und über einen neuen vulcanischen Ausbruch in der Andes-Kette (Leipzig, 1830, Deutsch)
Heights of Table Lands (Edinburgh, 1830, Englisch)
Mémoire sur les chaines des montagnes et sur les volcans de l’Asie intérieure, et sur une nouvelle éruption volcanique dans la chaine des Andes (Paris, 1830, Französisch)
Recherches sur les Systèmes de montagnes et les Volcans de l’intérieur de l’Asie (Extrait) (Paris, 1830, Französisch)
Sur les chaînes et les volcans de l’intérieur de l’Asie, et sur une nouvelle éruption dans les Andes (Paris, 1830, Französisch)
Sur les Volcans de l’Asie centrale (Paris, 1830, Französisch)
О горныхъ кряжахъ и вулканахъ внутренней Азiи, и о новомъ вулканиическомъ изверженiи в Андахъ. А. ф. Гумбольдта. (Перев. Д. Соколова.) [O gornych krjažach i vulkanach vnutrennej Azii, i o novom vulkaničeskom izverženii v Andach. A. f. Gumbol’dta. (Perev. D. Sokolova.)] (Sankt Petersburg, 1830, Russisch)
Aus Humboldts neuester Reise (München, 1831, Deutsch)
On the chains of mountains and volcanos of Central Asia (London, 1831, Englisch)
On the Mountain-chains and Volcanoes of Central Asia, with a Map of Chains of Mountains and Volcanoes of Central Asia (Edinburgh, 1831, Englisch)
О горныхъ системахъ Средней Азiи. (Изъ новѣйшаго сочиненiя Г-на Гумбольдта.) [O gornych sistemach Srednej Azii. (Iz novějšago sočinenija G-na Gumbolʹdta.)] (Sankt Petersburg, 1831, Russisch)
О горныхъ системахъ Средней Азiи. (Изъ новѣйшаго сочиненiя Барона Гумбольдта.) [O gornych sistemach Srednej Azii. (Iz novějšago sočinenija Barona Gumbolʹdta.)] (Moskau, 1831, Russisch)
Fisica del Globo. Considerazioni sui vulcani (Mailand, 1833, Italienisch)
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Aus Humboldts neueſter Reiſe. *)


1. Die mittelaſiatiſchen Bergſyſteme. Die Vulkane ſind wegen der beſtaͤndigen Verbindung zwiſchendem Innern des im Zuſtande der Fluͤſſigkeit oder der Schmelzung be-griffenen Erdballs und der ſeine gehaͤrtete und oxidirte Oberflaͤche um-gebenden Atmoſphaͤre, worauf ſie hinweiſen, ſo wie wegen ihres un-verkennbaren Zuſammenhangs mit der Urſache der Steinſalzlager,mit den kleinen vulkaniſchen Kegeln (salses), die bei ihren Aus-bruͤchen Schlamm, Naphta, nicht-reſpirable Gaſe, manchmal ſo-gar, aber nur auf kurze Zeit, Flammen, Rauch und Steine (blocs) von ſich ſpeien, mit den Mineralquellen, den Erdbeben und der Em-porhebung von Bergmaſſen — ein Gegenſtand von ſo hoher Wichtig-keit in Bezug auf Alles, was die Beobachtung der Natur betrifft,daß ſie nicht bloß den Geologen, ſondern jeden Freund der Natur-kunde im weiteſten Sinn dieſes Worts intereſſiren muͤſſen. NachdemHr. Leopold von Buch in ſeinem großen Werk uͤber die kanariſchen |Spaltenumbruch| Inſeln die bald in iſolirten Gruppen um einen Centralvulkan, bald infortlaufenden Reihenfolgen vorkommende Lagerung der Vulkane mitausgezeichnetem Talent beleuchtet hat; ſo mag freilich meine gegen-waͤrtige Denkſchrift, ſofern es ſich darin bloß um die lokalen vulkani-ſchen Erſcheinungen des mittlern Aſiens und Suͤdamerikas, und de-ren große Entfernung vom Meer handelt, woruͤber ich einige bis jetztnoch wenig bekannte Beobachtungen zu ſammeln Gelegenheit hatte,von untergeordneter Bedeutung ſeyn; da man jedoch uͤber die Be-ſchaffenheit des geheimnißvollen Verkehrs der in Thaͤtigkeit befindli-chen Vulkane mit den benachbarten Meeren uͤberhaupt noch ſo garWenig weiß, ſo macht ein Vulkan, deſſen unerwartete Exiſtenz indem Innern eines Continents man erfaͤhrt, immerhin auch als loka-les Phaͤnomen auf mehrfaches Intereſſe Anſpruch. Auf der Reiſe, welche ich im Sommer 1829 mit meinen Freun-den den HH. Ehrenberg und Guſtav Roſe in Nordaſien bis uͤber denOb hinaus machte, brachte ich auf den Grenzen der chineſiſchen Dſun-garei, zwiſchen den Forts Uſt-Kamnogorsk, Buchtarminsk undChoni-mailachu *) einem chineſiſchen Vorpoſten im Norden des SeesDſaiſang, auf der Koſakenlinie der kirgiſiſchen Steppe **) und anden Kuͤſten des kaſpiſchen Meers gegen ſieben Wochen zu. In denwichtigen Stapeloͤrtern Semipolatinsk, Petropaulovski, Troitzkaia,Orenburg und Aſtrachan gab ich mir alle Muͤhe bei den vielgereistenTataren — unter Tataren verſtehe ich, wie die Ruſſen, nicht dieMongolen, ſondern Leute von der tuͤrkiſchen Familie, Bucharen undTaſchkendi’s — Erkundigungen nach den mittelaſiatiſchen Laͤndern inihrer Naͤhe einzuziehen. Reiſen nach Thurfan, Achſu, Chotan, Jer-kend und Kaſchmir ***) ſind ſehr ſelten; deſto haͤufiger die nach Kaſch-gar, nach dem Land zwiſchen dem Altai und dem noͤrdlichen Abhangder himmliſchen Gebirge (Thian-schan, Mussur oder Bokda oola),wo Tſchugultſchak †), Korgos und Guldſcha oder Kura, fuͤnf Werſtevon den Ufern des Ili, ſich befinden, nach dem Chanat Chochand,Buchara, Taſchkend und Scherſaves (Schehr-Sebs) im Suͤden vonSamarkand. In Orenburg, wo man jedes Jahr Karawanen vonmehreren tauſend Kamelen anlangen, und die verſchiedenſten Voͤlker-ſchaften auf dem Markthof repraͤſentirt ſieht, hat Hr. von Gens,Vorſtand der aſiatiſchen Schule und der Kommiſſion fuͤr Grenzſtreitig-
*) Dieſe Denkſchrift des beruͤhmten Naturforſchers beeilen wir uns unſernLeſern vollſtaͤndig in die Haͤnde zu geben; wie ſie, von Klaprothmit Anmerkungen bereichert, in den „neuen Annalen der Reiſen“am Schluß des vor. J. in Paris erſchienen iſt. Nach den wenigenBruchſtuͤcken, die bis jetzt von der vielbeſprochenen Reiſe nach Mittel-aſien — meiſt in Briefen an den franzoͤſiſchen Akademiker Arago — insPublikum gekommen waren, konnte man ſich auf eine vielfache wiſ-ſenſchaftliche Ausbeute Rechnung machen. Dieſe Hoffnung geht jetztin Erfuͤllung.*) Im Kirgiſiſchen heißt dieſer Vorpoſten der Chineſen am Irtiſch Koſchtuba.**) Eigentlich die Steppe der Chaſaken oder Kaïſaken.***) Ich beſitze mehrere Itinerarieu aus dieſen verſchiedenen Laͤndern; ſiewerden eine anſehnliche Zugabe zu der kleinen Anzahl derjenigen bil-den, welche durch die HH. Wolkov und Senkovski im Journal aſiati-que und durch Baron Meyrendorfs Reiſe von Orenburg nach Bochara be-reits bekannt ſind.†) Auch Tſchugtſchu. In den offiziellen Schriften der Chineſen heißtdie Stadt Tarbachataï und die Kirgiſen der Nachbarſchaft nennen ſieTaſchtawa. Es iſt ein im J. 1767 unter dem Namen SuitfingTſching errichteter chineſiſcher Grenzpoſten; die Stadt hat Waͤlleund die Behoͤrden und Inſpektoren der Grenze haben darin ihrenSitz. Die Beſatzung beſteht aus 1000 chineſiſchen und 1500 mand-ſchu’ſchen und mongoliſchen Soldaten mit einem Kommandanten undmehreren Oberoffizieren und bildet eine Art Militaͤrkolonie, indemſie das Land baut und das zu ihrem Unterhalt erforderliche Ge-treibe ſelbſt erzeugt. Die Mandſchu’s und Mongolen kommen vomIli dahin und werden jedes Jahr abgeldst. (Klaproth.)
|3| keiten mit den Kirgiſen der kleinen Horde, ſeit zwanzig Jahren eineMaſſe wichtiger Materialien zur Geographie des innern Aſiens ge-ſammelt. Unter den zahlreichen Reiſejournalen, welche Hr. vonGens mir mittheilte, las ich folgende Bemerkung: „Auf dem Wegvon Semipolatinsk nach Jerkend, bei dem See Ala-kull *) oder Ala-dinghis, ein Wenig nordoͤſtlich vom großen See Balkaſchi, **) inwelchen der Ili ſich ergießt, ſahen wir einen hohen Berg, der vor-mals Feuer geſpien hat. Noch jetzt verurſacht der Berg, der ſichals eine Inſel im See erhebt, heftige Stuͤrme, welche die Karawanenſehr belaͤſtigen; deßwegen opfert man im Vorbeigehen dem alten Vul-kan einige Schafe.“


*) Das Wort Ala-kul oder lieber Alak-kul bezeichnet im Kirgiſiſchen„ſcheckiger See.“ Die Kalmuͤcken der Nachbarſchaft nennen ſeinenoͤſtlichen Theil, welcher der groͤßere iſt, Alak-tugul, d. i. See desſcheckigen Stiers; ein Berg, der aus dem See hervorragt, trenntdieſen Theil von dem weſtlichen, welcher den kalmuͤckiſchen NamenSchibartu cholaï, d. i. kothiger Golf, traͤgt. Sonſt hieß dieſer Seeauch Gurghénoor, d. h. Bruͤckenſee. Ich fand ihn zuerſt angezeigt aufder von dem Artilleriekapitaͤn Iwan Unkovski 17\( \frac{12}{13} \) verfertigten Kartedes Contaiſchalandes (Cungtaidzi bei den dſungariſchen Kalmuͤcken),wobei Angaben des Großcontaiſcha und anderer Kalmuͤcken und Koſa-ken benuͤtzt ſind. Der See iſt darin richtig ſuͤdlich vom Berg Tarba-gataï geſetzt, fuͤhrt den Namen Alak tugul und empfaͤngt die FluͤſſeKara-gol, Urer (?) und Imil; auch die warmen Quellen im Oſtendavon ſind bezeichnet. Es iſt falſch, wenn unſere Karten zwei durcheinen oder mehrere Kanaͤle vereinigte Seen aus dieſem See machen.(Klaproth.)**) Danville nennt ihn Palcati-nor (Balchaschi-noor bedeutet im Kal-muͤckſchen einen ausgedehnten See, Klapr.), und Panſners Kartegiebt ihm eine Laͤnge von 1¾ Gr. An den Ufern des Irtiſchhoͤrte ich die aſiatiſchen Kaufleute ihn Tengis nennen. Tenghisheißt auf Tuͤrkiſch Meer: aktenghis, weißes Meer. Voyage àAstraskhan von Graf J. Potozki 1829 Th. 1, S. 240. Klap-roth, Memoires relatifs à l’Asie. Th. 1, S. 108; Ala tenghizmer bariolée. (Schluß folgt.)
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Aus Humboldts neueſter Reiſe.


(Schluß.)1. Die mittelaſiatiſchen Bergſyſteme.

Die Nachricht von einem Vulkan, die aus dem Munde eines Tata-ren herruͤhrte, welcher im Anfang dieſes Jahrhunderts reiste, vielleichtaus dem Munde Seyfulla Seyfullin’s, der ſich ſeit dem Monat Dezember1829 wieder in Semipolatinsk befindet, nachdem er mehrere Malin Kaſchgar und Jerkend geweſen, erweckte bei mir ein um ſo leb-hafteres Intereſſe, als ſie mich an die brennenden Vulkane des in-nern Aſiens erinnerte, wovon wir den gelehrten Forſchungen derHH. Abel Remuſat und Klaproth in der chineſiſchen Literatur dieerſte Kunde verdanken; eine Kunde, die wegen der vom Meer ent-fernten Lage dieſer Vulkane ſo viel Verwunderung veranlaßte. Kurzvor meiner Abreiſe von St. Petersburg erhielt ich durch die Gefaͤllig-keit des Hrn. von Kloſterman, kaiſ. Polizeidirektors zu Semipola-tinsk, naͤhere Aufſchluͤſſe, die derſelbe von Bucharen und Taſchkendishatte: „der Weg von Semipolatinsk nach Kuldſcha betraͤgt 25 Tag-reiſen; man paſſirt die Berge Alaſchan und Kondegatay, in derSteppe der Kirgiſen der mittlern Horde, die Ufer des Sees Sawand-kull, die Berge Tarbagatai in der Dſungarei, und den Fluß Emyl;iſt man uͤber dieſen, ſo vereinigt ſich die Straße mit der von Tſchu-gultſchak nach der Provinz am Ili. Von den Ufern des Emyl biszum See Ala-kull ſind es 60 Werſt, und die Entfernung des Seesvon Semipolatinsk ſchaͤtzen die Tataren zu 455 Werſten. Er liegtrechts von der Straße; ſeine Ausdehnung iſt 100 Werſt von O nachW. Mitten in dieſem See erhebt ſich ein hoher Berg, Aral-tubé genannt. Von da bis zu dem chineſiſchen Poſten zwiſchen dem klei-nen See Janalaſch-kull und dem Fluß Baratara, *) an deſſen Uferndie Kalmuͤcken lagern, rechnet man 55 Werſte.“ Vergleicht man das Reiſejournal von Orenburg mit dem vonSemipolatinsk, ſo bleibt kein Zweifel, daß der Berg, der nach derUeberlieferung der Eingebornen, folglich in hiſtoriſchen Zeiten,Feuer geſpien hat, die kegelfoͤrmige Inſel Aral-tubé **) ſey. Iſtnun aber auch die Lage dieſer Inſel und ihre Beziehung zu den vonden HH. Klaproth und Abel Remuſat nicht aus europaͤiſchen Reiſe-beſchreibungen, ſondern mit Huͤlfe alter chineſiſcher Werke entdecktenVulkanen im Norden und Suͤden des Gebirgs Thian-ſchan ausgemit-telt, ſo duͤrfte es doch nicht unzweckmaͤßig ſeyn, eine Darſtellung derGeographie jener Gegend beizufuͤgen. Ja ich halte eine ſolche Dar-ſtellung fuͤr um ſo nothwendiger, als die bis jetzt erſchienenen Kar-
*) Genauer Boro tala gol, d. h. der Fluß der grauen Ebene. DerFluß laͤuft nicht von O nach W und ergießt ſich nicht in denAlak tugul, wie Panſners Karte angiebt; ſondern im Gegentheil erlaͤuft von W nach O, und muͤndet in den Chaltar uſik noor, auchBulchatſi noor genannt. (Kl.)**) Im tuͤrkiſch-kirgiſiſchen Dialekt Inſel (toube)- Huͤgel (aral). Immongoliſch-kalmuͤckiſchen aral-noor Inſeln-See; die Inſelgruppein der Wolga bei Jenotaievsk tabun-aral, die fuͤnf Inſeln. DieChalchamongolen brauchen ſtatt des reinmongoliſchen Wortes Oola, das tuͤrkiſche Wort dybe, um Bay zu bezeichnen. Vrgl. Klaprothskirgiſiſch-mongoliſches Vokabularium in den Memoires relatifs àl’Asie Th. 3, S. 550 f.; Asia polyglotta S. 276 und Atlas S. XXX; Reiſen des Grafen J. Potozki, Th. 1, S. 33.
|7| ten in der Beſtimmung der Lage der Bergketten und Seen in derDſungarei und in dem Land der Uigurs von Biſch-Balik zwiſchendem Tarbagatai, dem Ili und dem großen Thian-ſchan im Nordenvon Akſu ſo aͤußerſt mangelhaft ſind. In Erwartung von Klaprothstrefflicher Karte von Mittelaſien, welche den danville’ſchen Atlas er-gaͤnzen wird, verweiſe ich die Leſer nicht auf die Karten von Arrow-ſmith, welche die Bergſyſteme ſehr ſchlecht zeigen, ſondern auf dievon Berthe 1829, Brué oder noch lieber auf die Klaproths in der„Aſia polyglotta“ und den „hiſtoriſchen Gemaͤlden von Aſien,“ vor-nehmlich aber auf die kleine Karte von Mittelaſien in den Mémoiresrelatifs à l’Asie (Th. 2. S. 362.)
Der mittlere und innere Theil Aſiens, der weder einen unermeßli-chen Bergknaͤul noch ein fortgehendes Plateau darbietet, wird von O nachW von vier großen Bergſyſtemen durchſchnitten, welche einen augen-ſcheinlichen Einfluß auf die Bewegungen der Voͤlker ausgeuͤbt haben:ſie ſind der Altaï, der ſich im Weſten in den kirgiſiſchen Bergen en-digt; der Thian-ſchan, der Kuͤen-luͤn und der Himalaja. Zwiſchendem Altaï und dem Thian-ſchan trifft man die Dſungarei und das Thal-becken des Ili, zwiſchen dem Thian-ſchan und dem Kuͤen-luͤn die kleine odervielmehr die hohe Bucharei oder Kaſchgar, Jerkend, Chotan (oderYuͤ-thian), die große Wuͤſte (Gobi oder Scha-mo), Thurfan, Cha-mil (Hamo) und Tangut, d. h. das noͤrdliche Tangut der Chineſennicht zu verwechſeln mit Tuͤbet oder Si-fan; endlich zwiſchen demKuͤen-luͤn und dem Himalaja das oͤſtliche und weſtliche Tuͤbet mitH’Laſſa und Ladak. Will man dieſe drei Plateaus zwiſchen dem Altaï, Thian-ſchan, Kuͤen-luͤn und Himalaja durch drei Alpenſeen andeu-ten, ſo kann man dazu den Balkaſchi, Lop und Tengri (Terkirinorbei Danville) waͤhlen; ſie entſprechen den Plateau’s der Dſungarei,Tanguts und Tuͤbets.
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Aus Humboldts neueſter Reiſe.


2. Das Syſtem des Altai.

Der Altai umgiebt die Quellen des Irtiſch und des Jeniſei oderKem; im Oſten heißt er Taͤngnu, zwiſchen den Seen Koſſogol (Kuſu-kul) und Baikal ſayaniſches Gebirg, weiterhin wird er zum hohenKentai und zum dauriſchen Gebirg, endlich im Nordoſt ſchließt er ſichan den Jablonnoi-chrebet (Aepfelberg), an den Chingchan und andie Aldanketten an, die ſich laͤngs dem Meer von Ochotsk hinziehen.Die mittlere Breite ſeiner Verlaͤngerung von Oſten nach Weſten faͤlltzwiſchen 50 und 51° 30′. Ueber die Geographie des nordoͤſtlichenTheils dieſes Syſtems zwiſchen dem Baikal und den Staͤdten Yakutſkund Ochotsk koͤnnen wir von den Talenten und dem Eifer des Dr. Erman, der dieſe Gegenden durchreiste, mit Naͤchſtem befriedigendeAufſchluͤſſe erwarten. Der eigentliche Altai erſtreckt ſich kaum uͤbereinen Raum von ſieben Laͤngengraden; aber wir begreifen unter demNamen Syſtem des Altai *) alle die Gebirge im hoͤchſten Norden, |Spaltenumbruch| welche die große Maſſe der Hochlaͤnder des innern Aſiens umſchließen,einmal weil die einfachen Namen ſich leichter dem Gedaͤchtniß einpraͤ-
welcher ſich mit dem Berg Tangnu-oola verzweigt, laͤuft Anfangsoͤſtlich, dehnt ſich aber dann in nordoͤſtlicher Richtung bis zu dem noͤrd-lichen Abhang des Chang-gai und im Norden bis zu der Selenggaaus; mehr als 100 Li ſuͤdlich entſendet er einen Zweig, der ſichnachher auch nach O kehrt, Ulan gom oola heißt, und im N den SeeKirghis-noor umgiebt; im SO iſt der Berkinak kokeï oola, undim O der Berg Angghi oola (auf den Karten Onggu oola); ſeinemſuͤdlichen Abhang entſtroͤmt der Fluß Kungghgol, ſeinem nordoͤſtlichender Uchai-gol; noch noͤrdlicher iſt der Berg Malaga oola, an deſſenoͤſtlichem Fuß die Quellen des Bourgaſſutaï gol (gol im MongoliſchenFluß) ſind. Im NO ſind die hohen Gebirge, deren ſuͤdlicher Ab-hang den Fluͤſſen, woraus der Chara gol entſteht, das Daſeyn giebt.Die Kette geht hierauf nordoͤſtlich, erreicht den noͤrdlichen Abhangdes Changgai und folgt den Fluͤſſen Chatun-gol und Tamir. Einandrer Arm des Altai richtet ſich ſuͤdlich und macht ununterbrochenverſchiedene Schwenkungen. Von ſeinem weſtlichen Abhang ergießenſich die Fluͤſſe Narin-gol. Churtſin-gol, Chaliootu-gol, Neſk-gol,Bordſi-gol, Chaba-gol, Kirau-gol, Chara Ertſis-gol und ChoErtſis-gol, von ſeinem oͤſtlichen Abhang der Kargira gol und Chob-tu-gol. Der Gebirgszug dreht ſich nun oſtwaͤrts: hier ergießen ſichvon ſeinem noͤrdlichen Abhang der Bujantu-gol, von ſeinem ſuͤdli-chen Abhang der Bula Tſingghil-gol und der Dſchaktaï-gol (aufden Karten Ariktai-gol). Im O iſt der Schwanz des BergsAltai (auf den mandſchu’ſchen Karten Altaï alin dubé; dubé derSchwanz, der aͤußerſte Punkt einer Sache); im SO der TaiſchiriOola. Weiter ſuͤdoͤſtlich zerfaͤllt das Gebirg in zwei Arme, welcheſich gleich zwei ſchwarzen Wolkenlinien um die Sandwuͤſte legen.Der oͤſtliche Arm heißt Kuk ſirk oola und reicht nordoͤſtlich bis zumBayan oola; der ſuͤdliche Duté dabahn, dann Butaï oola, wo anſeinem weſtlichen Fuß die Quelle des Tugurik-gol, weiter gegenSO Burkan oola und Chonggor adſirgan oola; ſeine Hoͤhen laufennoch einige tauſend Li fort, und durchſchneiden die Sandwuͤſte, woſie den Namen Arban chovor datſcha chada (die zwoͤlf Felſen vonDatſcha) fuͤhren; noch weiter gegen SO iſt der Gurban ſaïkan oola,gegen S der Nom chon oola und wieder gegen SO der Ubeghenoola. Die Kette endigt mit dem Berg Kuk Chararung oola. ImSuͤden des Theils der Kette, welcher Chong gor adſirgan oola ge-nannt wird, ſind die Berge Kitſighené oola, Baïchongor oola undDſchalatu oola, welche an den Itattu oola ſtoßen; 80 Li ſuͤdlichvon dem letztern ruͤckt der Thian ſchan von Weſten in verſchiede-nen Abbeugungen gegen SO vor, und tritt mehr als 1000 Li indie Sandſteppe hinein. Im O der Kette iſt noch der Berg Chor-gotu oola, der mit dem Segun Chaldſchan oola zuſammenhaͤngt;dieſer erſtreckt ſich 200 Li noͤrdlich bis an den Kuk Chararungoola. Mehr ſuͤdlich kreuzen alle dieſe Berge die Sandſteppe und*) Hiezu von Klaproth aus der großen Kaiſ. Geographie von Chinafolgende Beigabe:Beſchreibung der Provinz Tarbagatai. Der Berg Altaï liegtim NO der Stadt Tarbagatai (Tſchugutſchak); er beginnt mit demBerg Bihſi dabahn in der Statthalterſchaft Tſchin ſi fu (oder Bar-kul), geht an dem Kurtu dabahn (dieſer iſt 100 [?] Li nordweſtlichvon dem Gurbi dabahn und bildet mit ihm eine Kette; der CharaErtſis [Irtiſch] entſpringt an ſeinem weſtlichen Abhang) vorbei undwindet ſich dann ſchlangenfoͤrmig weiter. Seine oͤſtlichen Firſtenſind die hoͤchſten und ſteilſten. Er iſt die Krone aller Berge derNordprovinz (d. h. der Provinz im Norden des Thian-ſchan oderhimmliſchen Bergs). Im Oſten dieſer Kette befindet ſich das alteLand der Chalcha, im Weſten das der Oſungar. Im J. 1755 wurdeein Mandarin hingeſchickt, um den Geiſtern des Gebirgs zu opfern.Dieſer Brauch wird ſeitdem jedes Jahr wiederholt.Beſchreibung des Landes der Chalcha. „Der Berg Altaï iſt derKin-ſchan der Alten (im Chineſiſchen Goldberg); er liegt im Nordendes Fluſſes Tes und verbreitet ſich uͤber einen Raum von 2000 Li.Er iſt ſo hoch, daß er an die Milchſtraße ſtoßt, und daß der aufſeinen Gipfeln aufgehaͤufte Schnee ſelbſt im Sommer nicht ſchmilzt.Er iſt das anſehnlichſte von allen Gebirgen im NW. Sein hoͤchſterGipfel iſt im NW des Sees Ubſa-noor. Mehrere Arme, daruntervier Hauptarme, loͤſen ſich von ihm ab. Der eine geht gerade ge-gen N, laͤngs dem Lauf des Ertſis, in das ruſſiſche Reich hinein;der nordoͤſtliche noͤrdlich am Fluß Tes hin 1000 Li weit; der dritte
|10| |Spaltenumbruch| gen, und dann weil der Altai den Europaͤern wegen ſeines Reich-thums an edeln Metallen, indem er eine jaͤhrliche Ausbeute von70,000 Mark Silber und 1900 Mark Gold liefert, am Beſten be-kannt iſt. Der Altai, im Tuͤrkiſchen und Mongoliſchen ſo viel als Gold-berg (alta-in, *) oola) iſt uͤbrigens keine Bergkette, die ein Land ab-ſcheidet, wie der Himalaya, der das Plateau von Tuͤbet begrenztund nur gegen den Indus hin, wo das Land viel niedrer liegt alsauf der andern Seite, ſich jaͤh abdacht; die Ebenen um den SeeDſaiſang und zumal die Steppen um den See Balkaſchi erheben ſichſicherlich nicht uͤber 300 Klafter uͤber den Meeresſpiegel.
Ich vermeide es abſichtlich, bei den Nachweiſungen, die ich imW und S des Altai, in der Stadt Zmeinogorsk, in Ridderski undZyrianovski geſammelt habe, mich des Namens „kleiner Altai“ **) zu bedienen — eines Namens, der den aſiatiſchen und ruſſiſchen Be-wohnern jener Landſchaften fremd iſt, mit welchem aber die Geo-graphie die maͤchtigen Gebirgsmaſſen zwiſchen dem Narym, denQuellen der Buchtorma, der Tſchuia, dem See Teletskoi, der Bia,dem Schlangenberg und dem Irtiſch oberhalb Uſt-kamenogork, ſomitdas Gebiet des ruſſiſchen Sibiriens zwiſchen 79 und 86° Laͤn. oͤ. Par.und zwiſchen 49° 30′ und 52° 30′ Br. bezeichnen; dieſer kleine Altai,an deſſen aͤußerſter Grenze, dem ſogenannten Vorgebirg Kolywano-Woskrestſensk, man Granit, Porphyr, trachytiſches Geſtein undedle Metalle findet, iſt wahrſcheinlich in Bezug auf Ausdehnung undabſolute Hoͤhe weit betraͤchtlicher als der große Altai, deſſen Lageund Exiſtenz als Schneegebirg beinahe noch problematiſch ſind. Arrow-ſmith und mehrere neuere Geographen, die den von ihm willkuͤrlichgewaͤhlten Maßſtab zur Richtſchnur nehmen, verſtehen unter dem gro-ßen Altai eine imaginaͤre Fortſetzung des Thian-ſchan, die ſich im Onach Chamil (Hami), einem beruͤhmten Rebenland, und nach derMandſchuſtadt Barkul (Iſchin-ſi-fu) verlaͤngert und im NO zu denoͤſtlichen Quellen des Jeniſei und dem Berg Tangnu. Durch dieRichtung der Waſſerſcheide zwiſchen den Zufluͤſſen des Orchon unddes Aral-noor, eines Steppenſees ***), ſo wie durch die ungluͤckli-che Gewohnheit uͤberall hohe Bergketten zu bemerken, wo Waſſer-ſyſteme ſich trennen, wurde dieſer Irrthum verurſacht. Will manauf unſern Karten einen großen Altaï beibehalten, ſo muß man dieſenNamen einer Folge von Bergen beilegen, die eine gerade entgegen-geſetzte Richtung, †) naͤmlich von NW nach SO, haben, und zwi- |Spaltenumbruch| ſchen dem rechten Ufer des obern Irtiſch, und dem Jek-Aral-nooroder dem See der großen Inſel, unfern Gobdo Choto, liegen. (Schluß folgt.)

vereinigen ſich in der Kette Gardſchan (chineſiſch In ſchan) 500Li noͤrdlich von der Kruͤmmung des Huang ho, der dort das LandOrdos umgiebt.“ Man ſieht, daß die Chineſen, indem ſie dieRichtung des großen Altaï von NW nach SO anzeigen, ihn bei-nahe mit dem Thian ſchan zuſammen treffen laſſen. NW kommenden Altaï, reicht im O bis zu den Fluͤſſen Orchonund Tula und deren Zufluͤſſen und wird der Kenté von Chinggan.Von dieſem Aſte trennt ſich im W ein Zweig unter dem NamenKuku Dabahu; derſelbe umgiebt die obere Selengga und alle ihreZufluͤſſe, die in ihnen entſpringen und verlaͤngert ſich 1000 Li indas ruſſiſche Gebiet. Der Orchon, der Tamir und ihre Zufluͤſſeentſpringen gleichfalls in dieſer Kette und vermuthlich iſt ſie identiſchmit dem Gebirg, welches die alten Chineſen Yan ſchen ſchan kannten.“*) in iſt die Form des Genitivus bei den Mongolen. Vrgl. Klaproths Mémoires relatifs à l’Asio. Th. 2 S. 582.**) Lebedurs Reiſe. Th. 1 S. 271. Th. 2. S. 114.***) In Gobdo-choto, in der Naͤhe von Tſchung-ugan ſzuͤ, einem Bud-dhatempel.†) Parallel mit der Kette des Changaï, welche ſich zwiſchen dem Jek-Aral-noor der Dſungarei und dem mit ewigem Schnee bedeckten GebirgeTangnu hinzieht und ſich ſuͤdoͤſtlich nach der alten mongoliſchen StadtKara Chorum wendet. Klaproths Asia polyglotta S. 146. (Hiezufuͤgt Klaproth ſelbſt Folgendes: „Der Berg Changaï oola liegt imN der Quelle des Orchon, 1000 Li rechts von der Stadt Ning hiaduͤ Schenſi und 500 nordweſtlich von Ungghin muren. Seine Gip-fel haben eine ſehr anſehnliche Hoͤhe. Die Kette, ein Aſt des von
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Aus Humboldts neueſter Reiſe.


2. Das Syſtem des Altai.(Schluß.)

Im Suͤden des Narym und der Buchtorma, welche Das be-grenzen, was man den kleinen ruſſiſchen Altaï nennt, iſt der ur-ſpruͤngliche Sitz der tuͤrkiſchen Staͤmme — der Ort, wo Diſabul,Großchan der Thu-chiu am Ende des VI Jahrhunderts einen Ge-ſandten des Kaiſers von Konſtantinopel empfing. *) Dieſer „Gold-berg“ **) der Tuͤrken und Chineſen (kinschan) hieß auch Ek-taghund Ektel, welche Namen wahrſcheinlich eine aͤhnliche Bedeutung ha-ben. Wie man behauptet, giebt es mehr ſuͤdlich, unter 46° Br.,ungefaͤhr dem Meridian von Pidſchan und Turfan eine hohe Firſte,die im Mongoliſchen Gipfel des Altaï (Altaïn-niro) heißt. EinigeGrade noch ſuͤdlicher, wo dieſer große Altaï ſich mit den BergenNaiman-oola vereinigt, finden wir einen Querruͤcken, der ſich vonNW nach SO erſtreckt, und den ruſſiſchen Altaï mit dem Thian-ſchanim N von Barkul und Hami verbindet. Es iſt hier nicht der Ortzu entwickeln, wie das auf unſerer Halbkugel ſo verbreitete Bergſyſtemvon nordweſtlicher Richtung in den Steinlagen ***) in dem Zug derdes Alpen von Alghin, der hohen Steppe Tſchuja, der Kette desIyiktu, welche der Culminationspunkt †) des ruſſiſchen Altaï iſt, |Spaltenumbruch| in den ſchmalen Thalſpalten, worin der Tſchuliſchman, der Tſchuja,die Katunia und der obere Tſchariſch fließen und endlich in dem gan-zen Lauf des Irtiſch von Krasnoiarskoi (Kraſnaia Jarki) bis Tobolskſich beurkundet. Zwiſchen den Meridianen von Uſt-Kamenogorsk und Semipola-tinsk, zwiſchen der 59 und 50 Parallele, verlaͤngert ſich das Syſtemder Altaïgebirge von O nach W mittelſt einer Kette von Huͤgel undniedern Bergen, 60 geographiſche Meilen (15 auf den Gr.) weit indie kirgiſiſche Steppe hinein. Dieſe in Bezug auf Weite und Erhebungnicht bedeutende Verlaͤngerung bietet ein großes geognoſtiſches Inter-eſſe dar. Eine kirgiſiſche Bergkette, welche, wie es nach den Kartenſcheint, unter dem Namen Alghidin Tſano *) und Alghidin Schamoeine ununterbrochene Verbindung zwiſchen dem Ural und Altaï her-ſtellt, exiſtirt nicht. Fuͤnf bis ſechshundert Fuß hohe Huͤgel, Grup-pen kleiner Berge, die wie der Semi-tau bei Semipolatinsk ſich aufeinmal 1000 bis 1200 Fuß uͤber die Ebene erheben, taͤuſchen denReiſenden, der nicht gewohnt iſt, die Unebenheiten des Bodens zumeſſen. Aber nicht minder merkwuͤrdig iſt der Umſtand, daß dieſeGruppen von Huͤgeln und kleinen Bergen ſich mitten aus einer Spalteerheben, welche die Waſſerſcheide zwiſchen den Zufluͤſſen des Sarasim S der Steppe und denen des Irtiſch im N **) derſelben ausmacht —einer Spalte, die bis zum Meridian von Swerinagolovskoi auf einerStrecke von 16 Laͤngengraden in gleicher Richtung ſich fortzieht;aus dieſer Spalte entſpringen dieſelben Lagen unvermiſchten Granites,die nicht einmal einen Uebergang zu dieſer Gebirgsart darbieten, der-ſelbe Thonſchiefer und dieſelbe Grauwacke, die, in Verbindung mit Dia-
(im Kalmuͤckiſchen der kahle Berg) liegt auf dem linken Ufer derTſchuja und iſt durch den Argul von den gigantiſchen Saͤulen von Ka-tunia getrennt. Der hoͤchſte Punkt des ruſſiſchen Altaï, deſſen Hoͤ-hen man bis jetzt barometriſch maß, aber noch nicht durch entſpre-chende Beobachtungen konſtatirte, iſt eine Quelle auf dem kleinenBerg Kokſun: ſie liegt 1615 Toiſen uͤber dem Meer.*) Klaproth’s Tableaux historiques de l’Asie S. 117. Mémoiresrelatifs à l’Asie Th. 2, S. 388.**) Man weiß nicht beſtimmt, ob der Name Goldberg, welches der Al-taï im S. des Narym und der gegenwaͤrtigen ruſſiſchen Greuze fuͤhrt,ſeine Entſtehung den Graͤbern in den Thaͤlern am obern Irtiſch ver-dankt, worin die Kalmuͤcken noch jetzt Gold finden, oder ob derGoldreichthum des noͤrdlichen Theiles des an ſeinem Ende ſogenann-ten kleinen Altaï, iu deſſen hoͤhern Regionen beſonders auch anſehn-liche Silberminen vorkommen, auf den ſogenannten großen Altaï jenen Ruf des Goldreichthums uͤbertragen hat. Der Zuſammenhangder beiden Gebirgsmaſſen konnte ſelbſt den unciviliſirteſten Voͤlkernnicht entgehen. Der kleine Altaï durchſchneidet den Irtiſch bei Uſt-Kamenogorsk; dieſer Fluß, den wir beſchifften, fuͤllt gleichſam eine un-geheure Bergſpalte — einem offenen Erzgang — zwiſchen Buchtar-minsk und Uſt-Kamenogorsk aus. In dieſem laͤnglichten außeror-dentlich engen Thal fanden wir den Granit uͤber thonigen Schieferverbreitet. Die Eingebornen erzählten dem Dr. Meyer, daß imSO die Narymberge mittelſt des Kurtſchum, des Dolenkara unddes Saratan mit dem großen Altaï ſich verketten. Als ich in derMitte des Monats Auguſt in Krasnoiarskoi, einem Koſakenvorpo-ſten mit Aufnahme der Azimuthe der benachbarten Berge beſchaͤftigtwar, gewahrte ich deutlich im SO zwiſchen den Zwillingsgipfeln desTſulutſchoko hindurch den mit ewigem Schnee bedeckten Tagtau inder chineſiſchen Mongolei, folglich in der Richtung des großen Altaï. ***) Lebedur, Meyer und Bunge. S. die ſehr intereſſante Reiſe in denAltaï, Th. 1, S. 422.†) Dieſer Punkt, welcher uns durch die kuͤhnen Ausfluͤge des Hrn.Bunge in den Altaïgebirgen bekannt geworden, hat wahrſcheinlicheine betraͤchtlichere Hoͤhe als der Pik Nethou (1787 Toiſen), derhoͤchſte Gipfel der Pyrenaͤen. Der Iyikt (Gottesberg) oder Alas-tau*) Klaproth fuͤgt hiezu aus der Reiſe von Bardanes in den kirgiſiſchenSteppen bei: „Die von den Ruſſen Alghinskoechrebet, Ayaͤghinskoechrebet benannt en Berge fuͤhren bei den Kirgiſen den Namen Dalaikamtſchat. Sie beginnen im N des Sees Naurlun-kul, entſendenvon ihrem noͤrdlichen Abhang die Quellen des Kinkul und Baganak,Zufluͤſſe auf der linken Seite des Iſchim, und endigen bei den Quel-len des Kairakly und Karaſu, die ebenfalls dem Iſchim angehoͤren.Auf dem ſuͤdlichen Abhang entſpringen die Fluͤſſe, welche den klei-nen Turgai und den Kara turgai bilden. Dieſe Kette iſt einTheil der Verlaͤngerung der Gebirge der Dſungarei, wodurch dieſemit dem Ural zuſammenhaͤngen. Es iſt Dieß eine an verſchiede-nen Orten von ungeheuren geneigten Flaͤchen durchbrochene Kette;ſie zeigt nirgend Spuren von großen Erdrevolutionen und iſt uͤber-all bewohnt; jedoch ſind der Eremen, wo die Quelle des Iſchim,und der Boguli tanga tau ſehr hoch und enthalten tiefe Abgruͤnde.Noch mehr flacht ſich die Kette bei den Quellen des Tobol ab;ſie gleicht daſelbſt einer wellenfoͤrmigen Hochebene, und heißt dasgroße Gebirg (oulou tau). In der Naͤhe des Sees Naurlunkulbilden die Vorſpruͤnge wenig geneigte lehmige Ebenen bedeckt, mitKalkſchiefer, Sandſtein, Gips, Alabaſter und hartem Thon.Das Gebirg ſelbſt iſt dort ziemlich hoch und zum Theil mit Waldbewachſen.“**) Eigentlich gelangen nur wenige Fluͤſſe, wie die Tſchagauka, derTunduk und der Iſchim in den Irtiſch; die andern wie die Ulentaund die große Nura, welche noͤrdlich fließen, verlieren ſich in denSeen der Steppe; der Tſchui und der Suraſu, welche ſuͤdlich fließen,erreichen den Sihun oder Syr Darja nicht.
|19| |Spaltenumbruch| baſen, Augite von Porphyr und Schichten von Jaspis, ſo wie kompakteund koͤrnig gewordene Uebergangsſteine, in ſich ſchließen; endlich dieſel-ben metalliſchen Subſtanzen, die man in dem kleinen Altaï trifft, indem die Spalte ihren Anfang nimmt.
Ich beſchraͤnke mich unter dieſen Metallen folgende zu nennen:1) ½ Gr. oͤſtlich von dem Meridian von Omsk den ſilberhaltigenBleiglanz des Kurghan-tagh, den Malachit und das Rothkupfererz,nebſt der Dioptaſe des Altyn-tubé (Goldhuͤgels) in der Steppe; 2)im W des Meridians von Petropaulovski, unter der naͤmlichen Pa-rallele *) mit dem Altyn-tubé, das ſilberhaltige Bleierz der Quel-len des Kara turgaï oder vielmehr des Kantſcha bulgané Turgaï, wel-chen im J. 1814 eine von dem Obriſtlieutenant Theoſilatiev, und demGenieoffizier Gens **) befehligte Expedition durchforſchte. Manbemerkt auf der Grenze der Waſſergebiete des Altai und des Ural(49 und 50° Br.) ein Bemuͤhen der Natur, durch unterirdiſcheKraͤfte eine Bergkette aufzuſtoßen; eine Erſcheinung, die mich leb-haft an jene in dem neuen Kontinent von mir nachgewieſene Hoͤhen-linie (lignes d’exhaussemens, seuils, arêtes de partage, lig-nes de faîtes) erinnerte, welche die Anden mit der Sierra de Pari-me und den Bergen Braſiliens verbindet und unter 2 und 3° n. Br. und16 bis 18° ſuͤd. Br. die dortigen Steppen oder Llanos durchkreuzt. ***) Allein die unzuſammenhaͤngende Kette niederer Berge und Huͤgelvon kriſtalliſirtem Geſtein, in welcher das Syſtem des Altaï ſich nachWeſten verlaͤngert, erreicht nicht das ſuͤdliche Ende des Ural. Gleichden Anden zieht ſich dieſes Gebirg als eine lange Mauer von Nordennach Suͤden, und birgt auf ſeinem oͤſtlichen Abhang Minen in ſeinemSchoß; unter dem Meridian von Sverinogovloskoi aber, wo die Geo-graphen die alghiniſchen Berge hin zu verlegen pflegen, vou deren Na-men die Kirgiſen von Troitſk und Orenburg Nichts wiſſen, bricht esploͤtzlich ab, und hier beginnt eine merkwuͤrdige Gegend voll kleinerSeen. Die Unterbrechung der Hoͤhen dauert fort bis zum Meridianvon Miask, wo der ſuͤdliche Ural im Oſten der kirgiſiſchen Steppe |Spaltenumbruch| (unter 49° Br.) die Kette von Mughodſchar, die ſogenannten Bukan-blitau-Huͤgel *), entſendet. Dieſe Gegend, welche die Gruppe desBal-kul (51° 30′ Br.), und des Kum-kul (49° 45′ Br.) begreift,verraͤth nach der ſinnreichen Idee des Hrn. von Gens eine ehemaligeVerbindung zwiſchen dem See Akſakal, der den Turgaï nud den Ka-miſchloi-Irghis aufnimmt, und dem Aral. Es iſt ein Waſſerſtrei-fen, den man nach Nordoſt, bis uͤber Omsk hinaus, zwiſchen demIſchim und Irtiſch, quer durch die Steppe von Baraba, wo dieSeen ſo zahlreich ſind **), dann gegen Norden jenſeits des Ob beiSurgut durch das Land der Oſtiaken von Berezov bis zu den ſumpfi-gen Geſtaden des Eismeers verfolgen kann. Die alten chineſiſchenSagen, von einem großen bittern See im Innern Sibiriens, durchden der Jeniſeï gefloſſen, ſtimmen gut zu den Reſten dieſer Erwei-terung des Aral und des kaſpiſchen Meeres auf der Nordoſtſeite.Die Steppe von Baraba, die ich auf dem Weg von Tobolsk nach Bar-naul ſah, wird durch den Anbau immer mehr trocken gelegt und dieAnſicht Klaproths ***) ruͤckſichtlich jenes großen bittern Sees findet ſichdurch die an Ort und Stelle angeſtellten geognoſtiſchen Beobachtungenmehr und mehr beſtaͤtigt. Als ob die Chineſen den alten Zuſtand un-ſerer Erdoberflaͤche geahnt haͤtten, nennen ſie die Salzebene im Suͤdendes Thian-ſchan, welche die Oaſe von Hami umgiebt, das ausge-trocknete Meer (han hai). †)

*) Die handſchriftlichen Karten, welche mir Hr. von Speranski, vor-maliger Generalgouverneur von Sibirien, mitzutheilen die Gefaͤllig-keit hatte, ſetzen Karkarali, die neue ruſſiſche Anſiedlung im Odieſes metalliſchen Gebirgs, unter 49° 10′ Br. Die Dioptaſe,welche dieſen Bezirk beruͤhmt macht, die jedoch auch auf dem weſt-lichen Abhang des Ural entdeckt worden, hat in Rußland den Na-men Aſchirite erhalten, von Aſchirka, nicht einem Koſaken, ſondern einemTaſchkender. Dr. Meyer verdankt man die erſten geognoſtiſchen Unter-ſuchungen in der kirgiſiſchen Steppe zwiſchen Semipolatinsk, Karkaraliund Altyn-tubé. **) Dieſe Offiziere hatten Hrn. Menchenin, Mineningenieur, jetzigen Ober-huͤttenverwalter, bei ſich, welcher auf Befehl der Regierung uns nachdem Altaï und Ural begleite. Der Bezirk, in welchem dieſe Blei-mine liegt, wurde gleichfalls durch die Expeditionen von Nabokovund Changhin im J. 1816 und von Artiuchov und Tafaiev im J.1821 durchforſcht. Der letztere, gegenwaͤrtig Kapitaͤn bei dem Korpsder Ingenieure zu Orenburg, hat in der Naͤhe der Bleiminen (49° 12)eine Reihe Cirkummeridianhoͤhen der Sonne beobachtet, die ich durchden Druck bekannt zu machen gedenke, wenn ſie noch einmal berech-net ſeyn werden. Dieß iſt vor der Hand der einzige aſtronomiſchbeſtimmte Punkt in der ganzen kirgiſiſchen Steppe zwiſchen dem Ir-tiſch, der Koſakenlinie am Tobol und der Parallele der Muͤndungdes Sihun, d. h. auf einem Raum von 24,000 Lieues, der folglichzweimal ſo groß als Deutſchland iſt.***) Tableaux géognostiques de l’Amérique méridionale. Voyage auxrégions équinoxiales. Th. III, S. 190, 240 Quartausg.*) Die handſchriftlichen Karten der beiden Expeditionen des ObriſtsBerg (1825/25) nach der kirgiſiſchen Steppe und dem oͤſtlichen Uferdes Ural, bei dem kaiſ. Generalſtab in St. Petersburg.**) Zwiſchen Tara und Kaïnsk.***) Asia polyglotta S. 232. Tableaux historiques de l’Asie S. 175.†) Klaproths Memoires rélatifs à l’Asie S. 342, Auszuͤge aus der150 ſtarken Encyklopaͤdie des Kaiſers Changhi.
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4. Das Syſtem des Thian-ſchan.

Die mittlere Breite des Thian-ſchan oder wie ihn die Tuͤrkennennen des Tengri-tagh *) (beide Namen bedeuten Himmelsberg)iſt der 42 Grad. Der Culminationspunkt des Thian-ſchan iſt vielleichtjene durch ihre drei mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel merkwuͤrdigeGebirgsmaſſe, welche in der mongoliſch-kalmuͤckiſchen Sprache derheilige Berg, Bochda oola, heißt, weßwegen Pallas die ganze KetteBogdo getauft hat. Dieſen Namen trug die Weltkarte Arrow-ſmiths **) aus Unwiſſenheit auf einen Theil des großen Altaï uͤber,d. i. auf eine imaginaͤre Kette, die von SW nach NO, von Haminach den Quellen des Jeniſei, hinlaͤuft. Von dem Bochda oola, auchChatun bokda, majeſtaͤtiſcher Berg der Koͤnigin genannt, im NWvon Turfan, ſchlaͤgt der Thian-ſchan eine oͤſtliche Richtung gegenBarkul ein, wo er ſich, im Norden von Hami, raſch ſenkt und zumNiveau der hohen Wuͤſte Gobi abflacht, welche ſich von SW nachNO, von der chineſiſchen Stadt Kua-tſcheu zu den Quellen des Ar-gun ausdehnt. Der Berg Nomchun, im NW des Sogok und Sobo,kleiner Steppenſeen, macht durch ſeine Lage das Vorhandenſeyn einerleichten Erhoͤhung, einer Graͤte in der Wuͤſte wahrſcheinlich; dennnach einer Unterbrechung von wenigſtens 10 Laͤngengraden erſcheintetwas ſuͤdlicher als der Thian-ſchan und meines Dafuͤrhaltens alseine Fortſetzung dieſes Syſtems bei der großen Kruͤmmung des |Spaltenumbruch| Huangho oder gelben Fluſſes die Schneekette des Gadſchar oder In-ſchan, die gleichfalls von W nach O zieht. *) Kehren wir in die Nachbarſchaft Turfan’s und des Bochda oolazuruͤck, um die weſtliche Verlaͤngerung des Thian-ſchan zu verfol-gen, ſo ſehen wir ihn zwiſchen Gudſcha (Ili), einem chineſiſchenVerbannungsort und Kutſchè, ſodann zwiſchen dem großen See Te-murtu, **) deſſen Namen eiſenhaltiges Waſſer andeutet, und Akſu imNorden von Kaſchgar gegen Samarkand ſich hinſtrecken. Das zwiſchendem Altaï und dem Thian-ſchan begriffene Land wird im O, jen-ſeits des Meridians von Peking, durch den Chingchan oola, einevon SSW nach NNO ſtreichende Berggraͤte geſchloſſen; im W, ge-gen den Tſchui, den Saraſu und den untern Sihun iſt es offen. Esgiebt in dieſem Theil keine querlaufende Graͤte, wenn man nicht an-ders als eine ſolche die Reihe von Hoͤhen betrachten will, welche, vonN nach S, vom Weſten des Sees Dſaiſang uͤber den Tarbagataï biszum nordoͤſtlichen Endpunkt des Alatau ***) zwiſchen den Seen Balkaſchund Alak tugul noor und hierauf jenſeits des Ili, im O des Te-murtu noor (zwiſchen 44 und 49° Br.), ſich verbreiten, und gegen
*) Man nennt ihn auch Siuͤ-ſchau, Schneeberg oder Pé-ſchan, weißenBerg. Ich vermeide aber bei dieſer allgemeinen Bezeichnung dergroßen Ketten des innern Aſiens gerne dieſe ſchwankenden Benen-nungen, wenn ich ſtatt ihrer beſſere auftreiben kann. UnſereSchweizeralpen und der Himalaja erinnern an den Pé-ſchan derChineſen und den Muſſur oder Mustag (Eisberg) der Tataren; derMuſſart von Pallas kommt von einer Verketzerung des Worts Muſ-ſur her, einer Benennung, welche auf den neuen Karten willkuͤrlichbald dem Thian-ſchau, bald dem Syſtem des Kuͤen-luͤn, zwiſchenLadak und Choten, beigelegt wird.**) Die Karte des innern Aſiens von demſelben Verfaſſer, die von un-geheuren Verſtoͤßen wimmelt, wie ſie nur eine abſolute Unkunde derSprachen erzeugen konnte, bringt noch außer dem Gebirg Bogdo,welches nordoͤſtlich geht und der große Altaï wird, eine andere kleineKette zum Vorſchein, die eine ſuͤdoͤſtliche Richtung nimmt und denNamen Altaï Alin Topa fuͤhrt. Dieß iſt ein aus DanvillesKarte von China (1 Bl.) kopirter Pleonasmus; im Mandſchuſchenbedeutet naͤmlich Alin einen Berg und Tubé iſt ein Huͤgel.*) Unter 41 und 42° Br. ſomit im Norden des Ordoslandes. DerIn-ſchan verzweigt ſich 4 Grade weſtlich von Peking mit dem SchneegebirgTa-hang-ſchan, und im Norden jener Stadt mit den mongoliſchenGebirgen, welche ſich ihrerſeits gegen den Tſchan pe ſchan (großesSchneegebirg) im Norden der Halbinſel Corea verlaͤngern. Asia po-lyglotta, S. 205. Memoires relatifs à l’Asie Th. 1, S. 455.**) Der Name Temurtu iſt kalmuͤckiſch-mongoliſch; im Kirgiſiſchenheißt der See Tus-kul (Salzſee) und Iſſi-kul (warmer See). DieItinerarien von Semipolatinsk, die in meinen Haͤnden ſind, ge-ben dem See ausſchließlich den letztern Namen; ſein chineſiſcherName, Sche hai, hat dieſelbe Bedeutung. (Mémoires relatifs àl’Asie Th. 2, S. 358, 416). Nach denſelben Reiſejournalen be-traͤgt ſeine Laͤnge 180, ſeine Breite 50 Werſte; eine Schaͤtzung,die um ⅙ zu ſtark ſeyn mag. Die Reiſenden hatten zwei Mal denoͤſtlichen Strand des merkwuͤrdigen Sees geſehen; das erſte Mal,als ſie ſich nach den Ufern des Ili bei Uſch-Turpan, (der buchariſcheName der 200 Li weſtlich von Akſu gelegenen Stadt Uſchi. DasWort Turpan, woher auch Turfan, bedeutet nach den nenen chine-ſiſchen Geographen eine Reſidenz, nach andern eine angehaͤufte Waſ-ſermaſſe. Kl.) im W von Akſu, begaben; das zweite Mal, nach-dem ſie den Tſchui paſſirt hatten, in dem Land der ſchwarzen oderFelſenkirgiſen, um zu den Ufern des Naryn und nach Kaſchgar zugelangen.***) Ein Name, der in der Geographie viel Verwirrung veranlaßte. DieKirgiſen, namentlich die von der großen Horde, nennen Ala-tagh
|50| die kirgiſiſche Steppe als eine mehrfach unterbrochene Mauer er-ſcheinen.
(Schluß folgt.)

(Ala-tau, gefleckte Berge) die Höhenfolge, die, von W nach Ozwiſchen 43° 30′ bis 45°, von dem obern Sihun bei Tonkat auf dieSeen Balkaſchi und Temurtu zuläuft. Den Namen leitet man vonden ſchwarzen Flecken her, die von ſeinen ſchroffen Felſen zwiſchendem Schnee hervorblinken. (Mayendorffs Reiſe nach Bochara S.96. 786). Der öſtliche Theil des Ala-tau gewinnt bei der großenKrümmung, die der Gihon im SW beſchreibt, eine anſehnlicheHöhe und verkettet ſich in Tharas oder Turkeſtan mmit dem Kara-tau (ſchwarzen Berg); dort, unter 45° 17′ Br., faſt unter dem Me-ridian von Petropaulovski, in dem Gebiet von Suffak, wo die Tigerzahlreich ſind, befinden ſich, wie ich in Orenburg erfuhr, warmeQuellen. Nach den Itinerarien von Semipolatinsk nennen die Ein-gebornen gleichfalls Ala-tau die Berge im S des Tarbagatai zwi-ſchen den Seen Ala-kul, Balkaſchi und Temurtu. Sollte die Ge-wohnheit der Geographen, das ganze Syſtem des Thian-ſchan Alakoder Alak-tau zu benennen, etwa hierin ihren Grund haben? Mit demAla-tau oder Ala-taghi darf man auch den Ulugh-tagh oder den großenBerg nicht verwechſeln, der auf einigen Karten auch unter dem NamenUluk-tag, Ulu-tau und Uluk-tagh aufgeführt wird. Seine Lagein den kirgiſiſchen Steppen iſt bis jetzt eben ſo wenig beſtimmt ange-geben als die der alghin’ſchen Berge.
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3. Das Syſtem des Thian-ſchan.(Schluß.)

Der Theil des innern Aſiens, der zwiſchen dem Himalaja undKuͤen-luͤn liegt, bildet ein mehr abgeſchloſſenes Ganzes. Auf derWeſtſeite iſt es ein von S nach N ſich ziehender Querruͤcken, un-ter dem Namen Bolor oder Belur-tagh **) (von Bolor, einem be-nachbarten Land ſo genannt), der eine feſte Scheidewand aufſtellt.Dieſe Kette trennt die kleine Bucharei von der großen, von Kaſch-gar, von Badachſchan und dem obern Dſchihun (Amu). Ihr ſuͤdlicherTheil, der ſich dem Syſtem des Kuͤen-luͤn anſchließt, bildet nach dem chi-neſiſchen Ausdruck einen Theil des Thſung ling. Im Norden ver-einigt ſie ſich mit der Kette, die ſich nordweſtlich von Kaſchgar hin-zieht, dem ſogenannten kaſchgarer Paß (kaschgar divan oder davan),nach dem Bericht des ruſſiſchen Reiſenden Naſarov, welcher im J.1813 Chokand beſuchte. Zwiſchen Chokand, Dervaſeh und Hiſſar, mithinzwiſchen den noch unbekannten Quellen des Sihun und Amu, erhebt ſichder Thian-ſchan wieder, um von Neuem in dem Chanat Bochara abzuplat-ten. Ihm gehoͤrt in dieſer Gegend eine Gruppe hoher Berge an,wovon mehrere Gipfel, der Thakti Suleiman (Salomonsthron), derTerek ꝛc. ſelbſt im Sommer mit Schnee bedeckt ſind. Weiter gegen |Spaltenumbruch| Oſten, in der Richtung des Wegs laͤngs dem weſtlichen Ufer desTemurtu-Sees nach Kaſchgar ſcheint mir der Thian-ſchan nichtmehr eine ſo bedeutende Hoͤhe zu erreichen, wenigſtens iſt in demReiſejournal von Semipolatinsk nirgend von Schnee die Rede. DieStraße fuͤhrt im O des Sees Balkaſchi und im W des Sees Iſſi-kub oder Temurtu hin, und durchſchneidet den Naruͤn oder Narim, ei-nen Zufluß des Sihun; 105 Werſt ſuͤdlich von dem Naruͤn, zwiſchenDem kleinen Fluß Atbaſch und dem kleinen See Tſchater kul paſ-ſirt man den Berg Rowatt, welcher von ziemlicher Hoͤhe iſt, eineBreite von 15 Werſten hat, und eine große Hoͤhle enthaͤlt. Hier iſtder hoͤchſte Punkt, uͤber den man muß, ehe man nach dem chineſi-ſchen Poſten im Dorfe Artuͤſch, ſuͤdlich von dem Akſu, einem kleinenSteppenfluſſe, und nach Kaſchgar gelangt; dieſe Stadt, an den Uferndes Ara-tumen gebaut, zaͤhlt 15,000 Haͤuſer und 80,000 Einwohner,iſt jedoch noch immer kleiner als Samarkand. Der Kaſchgar-Davan *) ſcheint keine fortlaufende Mauer zu bilden, ſondern auf mehrerenPunkten einen Durchgang offen zu laſſen. Hr. Gens hat mir ſeineVerwunderung daruͤber ausgedruͤckt, daß von den zahlreichen buchari-ſchen Reiſejournalen, die er ſammelte, keines von einer hohen Berg-kette zwiſchen Chokand und Kaſchgar Erwaͤhnung thut. Die großenSchneegebirge ſcheinen ſich erſt im O des Meridians von Akſu wiederzu zeigen; denn dieſelben Tagebuͤcher machen auf der Straße von Kura,an den Ufern des Ili, nach Akßu, ungefaͤhr halbwegs zwiſchen denMineralquellen von Araſchan im N von Kandſcheilao (chan tsilao Koͤnigsfelſen) einem chineſiſchen Poſten und dem Vorpoſten zuTamgataſch, den Dſcheparlé als einen mit ewigem Schnee bedecktenBerg namhaft. **)
**) Nach Klaproth heißt dieſer Querruͤcken im Uïgur’ſchen Bulyt-tagh,Wolkenberg; ein Praͤdikat, das er den außerordentlichen Regenguͤſ-ſen verdankt, die unter jener Breite drei Monate dauern. NachBakui (Extrait des Manuscrits de la bibliotheque du roi, Th. 2,S. 472) nennen die Perſer und Tuͤrken den Bergkriſtall, weil derſelbein dem Bolorgebirge (Po-lu-lo auf den japaniſchen Karten) ſehr ſchoͤnvorkommt, Belur. In der letztern Sprache wuͤrde Beluth-tagh Berg derEichen bedeuten. Im W des Querruͤcken Belur, beinahe unter derParallele von Kaſchgar, alſo etwa unter 39° 30′ Br. befindet ſichdie Station von Pamir. Von dieſer Station ſchreibt ſich derName her, den Marco Polo einer Hoch-Ebene geſchoͤpft hat,aus welcher die neueren Geographen bald eine Bergkette, bald eineweiter ſuͤdlich gelegene Provinz gemacht haben. Dort war es, woder beruͤhmte venezianiſche Reiſende zuerſt eine Thatſache beobach-tete, die ſich mir in der neuen Welt ſo oft darbot, daß es naͤm-lich auf anſehnlichen Hoͤhen aͤußerſt ſchwer haͤlt, ein Feuer anzu-zuͤnden und zu unterhalten.*) Davon im Weſttuͤrkiſchen, dabahn im Mongoliſchen, und dabaganim Mandſchuſchen bedeutet nicht ein Gebirg, ſondern einen Ge-birgspaß, Kaſchgar davan alſo einen Paß uͤber die Gebirge vonKaſchgar, der uͤbrigens ſich eben ſo gut durch ein langes Thal,als uͤber eine ſteile Hoͤhe ziehen kann.**) Dieß iſt der Muſſur tagh, Muſſar tagh, Muſſart bei Strahlenberg undPallas, oder der Eisberg zwiſchen Ili und Kutſché. Das Eisgewand,das er an hat, giebt ihm das Ausſehen einer Silbermaſſe. Einedurch die Gletſcher gebrochene Straße, Muſſur Dabahn genannt,fuͤhrt von SW nach N, oder um es beſſer zu ſagen, von derkleinen Bucharei nach Ili. Ein neuer chineſiſcher Geograph giebtvon dieſem Gebirg folgende Beſchreibung: Im Norden iſt die PoſtſtationGachtſa charchai und im S die Poſtſtation Tamgataſch oder Termé chada; ſie ſind 120 Li von einander entfernt. Reist man vonder erſten Station gen S, ſo breitet ſich der Blick uͤber ein uner-meßliches Schneegefild aus, das im Winter ſehr tief bedeckt iſt.Im Sommer trifft man auf den Hoͤhen Eis, Schnee und Moraͤſte.Wer ſo unvorſichtig ſeyn kann, ſich in dieſes Schneemeer zu wagen,geht ohne Rettung zu Grunde. Hat man uͤber 20 Li zuruͤckgelegt,ſo kommt man zu den Gletſchern, wo man weder Sand nochBaͤume, noch Kraͤuter ſieht; was ſich am Schauerlichſten aus-nimmt, ſind die wie rieſenhafte Felſen uͤber einander aufgethuͤrmtenEisdloͤcke. Blickt man in die Ritzen dazwiſchen hinab, ſo entdecktman Nichts als einen duͤſtern leeren Raum, wo nie der Tag hin-dringt. Das Geraͤuſch der unter dem Eis fließenden Waſſer gleichtdem Donner. Da und dort liegen gebleichte Gerippe von Kamelenund Pferden. Um den Uebergang zu erleichtern, hat man Stu-fen in das Eis gehauen, die aber ſo ſchluͤpfrig ſind, daß jederSchritt Gefahr hat. Manche Reiſenden finden ihr Grab in denKluͤften. Ein aͤngſtliches Gefuͤhl ergreift Menſchen und Thiere,welche durch dieſe unwirthbaren Gaue wandern, wo man nur hin-ter einander gehen kann. Wird man von der Nacht uͤberraſcht, ſo
|63| |Spaltenumbruch| Die weſtliche Verlaͤngerung des Thian-ſchan oder Mustagh,nie ihn die Herausgeber der Denkwuͤrdigkeiten des Sultan Babervorzugsweiſe bezeichnen, verdient eine beſondere Unterſuchung. Dawo der Bolor oder Belur-tagh *) in einem rechten Winkel an denMus-tagh ſtoͤßt, oder ſelbſt in dieſes große Syſtem einſchneidet,faͤhrt der letztere fort, ſich unter dem Namen Asfera-tag him Suͤden desSihun, von O nach W, gegen Chodſchend und Urateppeh, in Fer-ghana, hinzuziehen. Die mit ewigem Schnee bedeckte Asferakettetrennt die Quellen des Sihun (Jarartes) von denen des Amu(Orus) **) ; ſie wendet ſich ungefaͤhr unter dem Meridian von Kod- |Spaltenumbruch| ſchend nach SW, und wird in dieſer Richtung, bis gegen Samar-kand hin, Aktagh oder Al-Botom genannt. Weiter gegen W, anden lachenden und fruchtbaren Ufern des Kohik, beginnt jene Niede-rung, welche die große Bucharei, das Land Mavaralnahar, begreift,wo der ſorgfaͤltige Anbau und der Reichthum der Staͤdte periodiſcheInvaſionen aus Iran, Kandahar und der hohen Mongolei anlockt;und jenſeits des kaspiſchen Meeres, faſt unter gleicher Breite und ingleicher Richtung wie dem Thian-ſchan, erſcheint der Kaukaſus mitſeinen Porphyren und Trachyten. Man iſt daher geneigt, ihn alseine gangartige Fortſetzung der Erdſpalte anzuſehen, auf welcher im Oder Thian-ſchan ſich erhebt, gleich wie man, weſtlich von demgroßen Bergknaͤul Adſarbeidſchans und Armeniens, in dem Tauruseine Fortſetzung des Himalaja und des Hindukuſch erkennt. So haͤn-gen die getrennten Bergglieder des weſtlichen Aſiens, wie Ritter in ſei-nem trefflichen Gemaͤlde von Aſien ſie nennt, geognoſtiſch mit denBergformen des Oſtens zuſammen.
nimmt man unter einen großen Stein ſeine Zuflucht; bei ruhi-ger Nacht hoͤrt man dann ſehr angenehme Toͤne gleich einer Muſikvon verſchiedenen Inſtrumenten; es iſt das Echo, welches das Ge-krach der berſtenden Felſen wiedergiebt. Die Richtung des Wegs, dieman Tags zuvor eingeſchlagen, kann man nicht immer auch am naͤchſtenTage verfolgen. In der Ferne von W her ſtreckt ein bis jetzt unbe-ſtiegenes Gebirg ſeine ſteilen eisbedeckten Gipfel heruͤber. Von derStation Tamga taſch ſind es 80 Li nach dieſem Punkt. Ein Fluß,Muſſur gol entſtuͤrzt mit furchtbarem Ungeſtuͤm den Seiten dieſer Eis-berge, eilt ſuͤdoſtwaͤrts und traͤgt ſeine Fluth dem Ergheu zu, derin den See Lob faͤllt. Vier Tagreiſen ſuͤdlich von Tamgataſch iſteine wuͤſte Ebene, auf der nicht die geringſte Pflanze waͤchst; noch80 bis 90 Li weiter findet man fort und fort rieſenhafte Felſen.Der Befehlshaber von Uſchi ſchickt jedes Jahr durch einen ſeiner Offiziereeine Opferſpende nach dem Gletſcher. Auf dem ganzen Kamm desThian-ſchan, wenn man ihn der Laͤnge nach durchmißt, findetman Eis; wenn man ihn aber von N nach S in ſeiner Breite durch-ſchneidet, nur auf die Weite von einigen Li. Jeden Morgen ſindzehn Maͤnner mit Aushauung der Eisſtufen in dem Paß Muſſur tagh be-ſchaͤftigt; Nachmittags aber hat ſie die Sonne bereits geſchmolzen undmacht ſie ſehr gefaͤhrlich. Manchmal weicht das Eis unter den Fuͤßendes Wanderers und er ſtuͤrzt in eine Tiefe hinab, aus der keineWiederkehr iſt. Die Mohammedaner der kleinen Bucharei opfernvor jeder Reiſe uͤber das Gebirg einen Widder. Es ſchneit daſelbſtdas ganze Jahr uͤber und regnet nie. Kl. lichen Grenze den Mung-bulak-tagh (Berg der tauſend Quellen)— ſo nennt man einen Theil des Alak oder Alak tagh im N von Marghinanund Chokand. Wenn der Paß von Kaſchgar oder Kaſchgar-davahnunter dem Meridian von Chokan liegt, wie die der meyendorff’ſchenReiſe angehaͤngte lavie’ſche Karte andeutet, ſo iſt er in der KetteAsfera zu ſuchen. Aber wahrſcheinlicher ſcheint mir, daß er mitdem Paß Akizik identiſch ſey.*) Die Querkette Belur, Bolor, Beluth oder Bulyt iſt ſo rauh undunwegſam, daß ſich nur zwei Paͤſſe daſelbſt befinden, die ſeit denaͤlteſten Zeiten von Armeen und Karawanen paſſirt wurden: dereine ſuͤdlich zwiſchen Badachſchan und Tſchitral, der andre nordoͤſt-lich von Uſch bei den Quellen des Sihun. Der letztere liegt im Ndes Scheidepunkts des Thian-ſchan und Belur tagh, in der Ge-gend, wo der letztere, um mich eines von der Theorie der Ueber-gaͤnge auf die Erhebung der Berge uͤbertragenen Ausdrucks zu be-dienen, auf einer Spalte in die Kette des Himmelsgebirgs hinein-tritt. Wirklich laͤßt ſich als Fortſetzung des Belur ein kleiner Berg-aſt betrachten, welcher unter 40° 45′ bis 42° 45′ von S nach Nlaͤuft und die Kette Asfera mit dem Mingbulak oder Alatagh (Me-moirs of Sultan Baber, von Erſkine und Waddington, S. XXVIII)verknuͤpft. Die außerordentliche Rauhigkeit des Landes, welche daſ-ſelbe zwiſchen Badachſchan, Karatighin und dem ſuͤdlichen Abhang desThian-ſchan unbewohnbar macht, erklaͤrt es hinlaͤnglich, warum dieKarawanen von Samarkand (38° 40′ Br.) und Taſchkend, nachKaſchgar (59° 23′) den Ili bei Almaligh (Guldſcha 42° 49′ a. a.O. S. XXXII) paſſiren. Sollten Guldſcha, ein Verbannungsortchineſiſcher Großen, und der See Temurtu nicht mehr weſtlich odervielmehr Kaſchgar nicht mehr oͤſtlich liegen, als die Miſſionaͤre an-geben? Uebrigens beſtaͤtigt Erſkine (a. a. O. S. XXXIX. LXVII),auf das Zeugniß eines Uſbeken, die oben geaͤußerte Meinung ruͤckſicht-lich einer Abſenkung der Berge oder Paͤſſe zwiſchen Taſchkend undGuldſcha, ſo wie zwiſchen hier oder dem Ili und Kaſchgar.**) Dieſe letztern liegen auf dem Kulminationspunkte des Belurtagh, amweſtlichen Abhang des Puſchtikur (memoirs of Baber S. XXVII,XXIX, XXXIV, LXVII). Das Thal des obern Sihun hat zur noͤrd-
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Aus Humboldts neueſter Reiſe.

4. Das Syſtem des Kuͤen-luͤn.

Der Kuͤen-luͤn, auch Kulkun oder Tartaſch davan genannt,liegt zwiſchen Chotan (Iltiſchi) *), wohin die hindu’ſche Civiliſationund der Buddhadienſt 500 Jahre fruͤher, als nach Tuͤbet und Ladakgelangten, zwiſchen dem Gebirgsknaͤul des Sees Chuchu-noor undOſt-Tuͤbets und dem Lande Katſchi. Dieſes Bergſyſtem beginnt weſt-lich von dem Tſung-ling, den blauen oder Zwiebelbergen, uͤberwelche Abel Remuſat in ſeiner gelehrten Geſchichte von Chotan **) ſo viel Licht verbreitet hat, und ſchließt ſich, wie ſchon bemerkt wor-den, an die Querkette Bolor an, wovon ſie nach den chineſiſchenSchriftſtellern den ſuͤdlichen Theil bildet. Dieſer an Rubinen, Laſu-liten, und Kalaiten, d. h. Tuͤrkiſen von nicht organiſchem oder ani-maliſchem Urſprung, reiche Erdwinkel zwiſchen Klein-Tuͤbet undBadachſchan iſt ſehr wenig bekannt. Neuen Nachweiſungen zu Folge |Spaltenumbruch| ſcheint das Plateau von Choraſſan, das ſich gegen Herat hinzieht undim Norden den Hinducho *) zur Grenze hat, eher eine Fortſetzungdes Thſung-ling und des weſtlichen Kuͤen-luͤn zu ſeyn, als, wieman gewoͤhnlich annimmt, eine Verlaͤngerung des Himalaja. Vondem Thſung-ling laͤuft der Kuͤen-luͤn von Weſten nach Oſten gegendie Quellen des Huangho hin, und dringt mit ſeinen Schneegipfelnin die chineſiſche Provinz Schenſi. Beinahe unter dem Meridian dieſerQuellen erhebt ſich der große Bergknaͤul des Sees Chuchu-noor, im Nor-den an die Schneekette Nan ſchan oder Ku lian ſchan **) ſich anlehnendund gleichfalls von Weſten nach Oſten laufend. Zwiſchen dem Nanſchanund dem Thian-ſchan, auf der Seite von Hami, begrenzen die Tan-gutgebirge das wuͤſte Hochland Gobi, das ſich von SW nachNO ausdehnt. Die Breite des mittlern Theils des Kuͤen-luͤniſt 35° 30′

5. Das Syſtem des Himalaja.

Der Himalaja ſcheidet die Thaͤler von Kaſchmir (Sirinagur) undNepal von Butan oder Tuͤbet; im Weſten ſteigt er in dem Dſchavahir4,026 Toiſen und im Oſten in dem Dhavalaghiri ***) 4,390 Toiſenuͤber den Meeresſpiegel empor; ſeine Richtung im Ganzen geht von NWnach SO und folglich nicht parallel mit dem Kuͤen-luͤn; er naͤhertſich ſo ſehr dem Meridian von Attok und Dſchellal-abad, daß er zwi-ſchen Kabul, Kaſchmir, Ladak und Badachſchan nur Eine Gebirgsmaſſemit dem Hinducho und dem Thſung-ling zu bilden ſcheint. DerRaum zwiſchen dem Himalaja und dem Kuͤen-luͤn iſt mehr durch ſekun-daͤre Ketten und iſolirte Berge verengt, als die Plateau’s zwiſchendem erſten, zweiten und dritten Bergſyſtem. Deßwegen laſſen ſichTuͤbet und Katſchi nicht fuͤglich mit den langen Hochthaͤlern zwi-ſchen der Kette der weſtlichen und oͤſtlichen Anden, z. B. mit denHochebenen vergleichen, worauf der See Titicaca liegt, deſſen Erhe-bung uͤber das Meer Hr. Pentland, ein ſehr genauer Beobachter, zu1,986 Toiſen angiebt. Uebrigens darf man ſich die Hoͤhe des Pla-teau’s zwiſchen dem Kuͤen-luͤn und dem Himalaja nicht uͤberall als gleich
*) Die Lage von Chotan wird auf allen Karten falſch angegeben. Nachden aſtronomiſchen Beobachtungen der Miſſionaͤre Felix de Arocha,Espinha und Hallerſtein iſt die Breite 37° 0′ und die Laͤnge 35°52′. w. Peking, folglich 78° 15′ d. Par. (Mémoires relatifs àl’Asie Th. 2, S. 283). Dieſe Laͤnge entſpricht der mittlern Rich-tung des Kuͤen-luͤn.**) Histoire de la ville de Rhotan, p. VIII etc. 237. Klaproth a. a.O. Th. 1, S. 295, 415.*) Der Hindukuſch Memoirs of Baber S. 139.**) Die oͤſtliche Verlaͤngerung des Ki lian ſchan, eine mit ewigem Schneebedeckte Kette, heißt Ala ſchan.***) Humboldts Abhandlung sur quelques phénomènes geologiquesqu’offre la Cordilère de Quito et la partie occidentale de l’Hima-laya in den Annales des Sciences naturelles, Maͤrz 1825. Dha-valaghiri, der Montblanc Indiens; ſein Name kommt von denſanskritiſchen Woͤrtern Dhavala weiß und ghiri Berg her. Hr.Bopp vermuthet, daß in Dſchavahir die Endſilbe hir ſtatt ghiriſteht: oͤſchava bedeutet Schnelligkeit. Um Vergleichungspunkte mitden beiden Koloſſen Aſiens zu finden, ſ. Arago Annuaire du bu-reau des Longitudes 1830. Hertha Januarheft 1829, S. 14,und N. Annales des Voyages Th. 14. In den Anden fand ich, daß die mittlere Hoͤhe der langen Thaͤ-ler zwiſchen der oͤſtlichen nnd weſtlichen Cordillere, von dem Berg-knaͤul von Los Robles bei Popayan bis zu dem von Paſko, d. h.von 2° 20′ n. Br. bis 10° 30′ ſuͤd. Br., ungefaͤhr 1500 Toiſenbetrug (Voyage aux regions équinoxiales Th. 3, S. 207). DasPlateau oder vielmehr das Thal von Tiahuanaco, den Titicacaſeeentlang, der Urſitz peruaniſcher Civiliſation, liegt hoͤher als der Pikvon Teneriffa; allein daraus geht denn doch nicht der allgemeineSatz hervor, daß die abſolute Hoͤhe, zu welcher der Boden dieſerlangen Thaͤler durch unterirdiſche Kraͤfte emporgehoben ward, mitder abſoluten Hoͤhe der anſtoßenden Berge gleichfalls zunehme. Eben
|71| vorſtellen. Die Milde der Winter und der Weinbau *) in den Gaͤr-ten von H’laſſa, unter 29° 40′ Br., eine aus den von Klaproth unddem Archimandriten Hyacinth herausgegebenen Berichten bekannteThatſache, beurkundet das Vorhandenſeyn tiefer Thaͤler, und keſſel-foͤrmiger Einſenkungen. **) Zwei anſehnliche Fluͤſſe, der Indus undder Zzangho (Tſampu), ***) deuten auf dem Plateau von Tuͤbet, inNW und SO, eine Abflachung an, deren Mittelpunkt ſich faſt un-ter dem Meridian des rieſenhaften Dſchavahir, der beiden heiligenSeen Manasſoravara und Ravana Hrada und des Berges Kaïlaſaoder Kailas (im Chineſiſchen O neuta, im Tuͤbetaniſchen Gang dis-ri [ſchneefarbner Berg], auf den danville’ſchen Karten Kentaiſſe) be-finden muß. Von dem Himalaja gehen aus: die Kette Kara ko-rum padiſcha, welche nach NW, alſo noͤrdlich von Ladak gegen denThſung-ling ſich erſtreckt; die Schneeberge von Hor (Chor) undZzang, welche oͤſtlich ſtreichen. Der Hor ſtoͤßt an ſeinem Nordweſt-ende an den Kuͤen-luͤn; auf der Oſtſeite laͤuft er auf den Tengrinoor (Himmelsſee) zu; der Zzang, ſuͤdlicher als der Hor, begrenztdas lange Thal des Zzangho und laͤuft von W nach O gegen den Nientſin tangha gangri, eine ſehr hohe Spitze, welche zwiſchen Hlaſſaund dem See Tengri noor (falſch Terkiri) ſich in den Berg Nom-ſchun ubaſchi †) endigt. Zwiſchen den Meridianen von Gorcha,Chatmandu und H’Laſſa entſendet der Himalaja nordwaͤrts gegenden ſuͤdlichen Rand des Zzanghothals mehrere mit ewigem Schnee be-deckte Aeſte. Der hoͤchſte iſt der Yarla Schamboi gangri, deſſenName im Tuͤbetaniſchen einen Schneeberg in dem Lande Gottes des ſelbſt-ſeyenden bezeichnet. Dieſer Gipfel liegt weſtlich von dem See Yam-ruk yumdzo, (auf unſern Karten Palté) ††) welcher wegen einer Inſel,die beinahe ſeine ganze Flaͤche ausfuͤllt, viele Aehnlichkeit mit einemRing hat.
(Schluß folgt.)

ſo iſt die Erhebung der iſolirten Ketten uͤber die Thaͤler ſehr ver-ſchieden.*) Der Anbau von Gewaͤchſen, deren Pflanzenleben ſich auf dieDauer des Sommers beſchraͤnkt und die ihres Laubwerkes beraubt,in einen Winterſchlaf verſinken, koͤnnte aus den Einfluͤſſen er-klaͤrt werden, welche große Ebenen auf die Strahlung der Waͤrmeausuͤben; wo es ſich aber um Hoͤhen von 1800 bis 2008 Toiſen,6° noͤrdlich der Acquinoktialzone handelt, hat es mit der geringernStrenge der Winter eine andere Bewandtniß.**) Ich erinnere mich des engen aber lieblichen Thals von Guallabamba,in welches ich oft von Quito in einigen Augenblicken eine ſenkrechteHoͤhe von 500 Toiſen hinab ſtieg, um ein kaltes und unfreundlichesKlima gegen die tropiſche Waͤrme, den Anblick der Palmen, Oran-gen und Bananen zu vertauſchen.***) Die Forſchungen Klaproths haben bewieſen, daß dieſer Fluß dasSyſtem des Bramaputra ganz und gar nichts angeht, ſondern mitdem Irawaddy im birmaniſchen Reiche identiſch iſt.†) Klaproths Mémoires relatifs à l’Asie Th. 2, S. 291.††) Wahrſcheinlich ein Verſtoß, der von dem Namen des etwas noͤrdlichergelegenen Peïti herruͤhrt. D’Anvilles Atlas de la Chine-BoutanV. II (die Stadt heißt im Tuͤbetaniſchen Bhaldhi; woraus die Chine-ſen Peïti oder Petï gemacht haben; kein Zweifel, daß der NamePalté, welchen der benachbarte See fuͤhrt, von Bhaldhi abzuleiteniſt. Kl.)
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Aus Humboldts neueſter Reiſe.

5. Das Syſtem des Himalaja.(Schluß.)

Folgt man mit Benuͤtzung der von Klaproth geſammelten Schrif-ten der Chineſen *) dem Syſtem des Himalaja gegen Oſten uͤberdas engliſche Gebiet in Hinduſtan hinaus, ſo ſieht man, daß er imNorden Aſſam begrenzt, die Quellen des Brahmaputra enthaͤlt, unddurch den noͤrdlichen Theil Avas in die chineſiſche Provinz Yuͤn-naneindringt; er zeigt daſelbſt, im Weſten von Yung-tſchang, ſpitzigeSchneegipfel; hierauf raſch ſich wendend gegen NO nach den Grenzenvon Hu kuang, Kiangſi und Fu kian naͤhert er ſich mit beſchneiten Haͤup-tern dem Ocean, wo man eine Verlaͤngerung von ihm noch in denGebirgen der Inſel Formoſa findet, die den groͤßten Theil des Som-mers uͤber mit Schnee bedeckt ſind, was auf eine Erhebung von we-nigſtens 1900 Toiſen ſchließen laͤßt. So kann man das Syſtem desHimalaja als eine fortlaufende Kette vom indiſchen Ocean, ſodannin dem Hinducho, durch Kandahar und Choraſſan, bis jenſeits deskaspiſchen Meers nach Adſerbeidſchan, auf eine Strecke von 73 Laͤn-gengraden, die Haͤlfte der Ausdehnung der Anden, verfolgen. Dasweſtliche Ende, welches vulkaniſch, **) aber in dem Demavend gleichfallsmit Schnee bedeckt iſt, verliert den Charakter einer Kette in dem Berg-knaͤul Armeniens, der mit dem Sangalu, dem Bingheul und demKaſchmir-tagh, hohen Spitzen in dem Paſchalik Erſrum, in Ver-bindung ſteht. Die mittlere Richtung des Himalajaſyſtems iſtN 55° W. Dieß waͤren die Hauptzuͤge eines geognoſtiſchen Gemaͤldes desinnern Aſiens, das ich nach zahlreichen, ſeit einer Reihe von Jahren |Spaltenumbruch| geſammelten Materialien entworfen habe. *) Diejenigen von dieſenMaterialien, die wir neuern europaͤiſchen Reiſenden verdanken, wollen,im Verhaͤltniß zu dem ungeheuren Raum, welchen der Altaï undHimalaja und die Queerketten Bolor und Chingchan einnehmen,nicht Viel heißen. Es ſind die gelehrten Kenner der chineſiſchen,mandſchuſchen und mongoliſchen Literatur unſerer Tage, von welchendie wichtigſten und vollſtaͤndigſten Notizen uͤber dieſe Materie her-ruͤhren. Je mehr die gelehrte Welt ſich das Studium der aſiatiſchenSprachen aneignet, deſto mehr wird man den Werth dieſer ſo langeZeit vernachlaͤſſigten Quellen fuͤr die Geognoſie des mittleren Aſiensſchaͤtzen lernen. In Erwartung eines beſondern Werks, worin Klap-roth ein neues Licht hieruͤber verbreiten wird, duͤrfte die vorliegendeBeſchreibung der vier Bergſyſteme, und ihres Laufes von O nachW, wozu der erwaͤhnte Gelehrte einen großen Theil der Materialiengeliefert hat, nicht unwillkommen ſeyn. Um auszumitteln, worinder Charakter der Unebenheiten unſerer Erdoberflaͤche beſteht, um dieGeſetze aufzufinden, wornach Anlage und Senkungen der Bergmaſſenſich richten, laͤßt ſich dann die Analogie anderer Kontinente zu Huͤlfenehmen. Hat man einmal die großen Formen, ſind die herrſchendenRichtungen beſtimmt, ſo darf man ſich nur an dieſe Baſis, als aneinen allgemeinen Maßſtab, halten, um Allem, was in den Erſcheinun-gen vorher iſolirt, regellos, von einem andern Bildungsalter zu ſeynſchien, ſeine Stelle anzuweiſen. Dieſe naͤmliche Methode, diemeinem geognoſtiſchen Gemaͤlde von Suͤdamerika zum Grund liegt,habe ich hier auf die großen Gebirgsmarkungen von Centralaſien an-zuwenden verſucht. Indem ich einen letzten Blick auf die vier Gebirgsſyſteme wer-fen, welche Aſien von O nach W durchſchneiden, zeigt ſich, daß dasſuͤdlichſte derſelben die groͤßte Laͤngenausdehnung hat. Der Altaï erreicht mit hohen Spitzen kaum den 78°, der Thian-ſchan und dieKette, an deren Fuß Hami, Akſu und Kaſchgar liegen, gelangenzum Mindeſten zu 69° 45′, wenn man naͤmlich mit den Miſſionaͤ-ren Kaſchgar unter 71° 37 oͤſtl. Par. ſetzt; **) das dritte und vierteSyſtem, kann man ſagen, verwickeln ſich in den großen Bergknaͤuelnvon Badachſchan, Kleintuͤbet und Kaſchgar; uͤber 69 und 70° hin-aus aber giebt es nur eine Kette, die des Hinducho, die ſich ge-gen Herat abflacht, ſpaͤter jedoch, im Suͤden von Aſterabad, gegen denvulkaniſchen Schneegipfel des Demavend wieder zu einer betraͤchtli-chen Hoͤhe aufſteigt. Das Plateau von Jrau, welches in ſeiner wei-teſten Ausdehnung von Tehran nach Schiras eine mittlere Hoͤhe von630 Toiſen ***) zu haben ſcheint, entſendet gegen den Indus und
*) Ich beſitze ein Manuſkript „Aperçu des hautes chaines de monta-gnes de l’Asie centrale,“ welches mir Klaproth, vor meiner Reiſenach Sibirien, im J. 1828 mittheilte.**) Der oͤſtliche Theil der Kette, wo ſie bei der Inſel Formoſa endigt, iſtgleichfalls vulkaniſch. Der Berg Tſchy kang (der rothe Berg) imSuͤden von Fung ſchan hian, hat ſonſt Feuer geſpien und mantrifft daſelbſt noch einen See, welcher warmes Waſſer hat. DerPhy nan my ſchan, im SO von Fung ſchan hian, iſt ſehr hoch undmit Fichten bewachſen: man bemerkt daſelbſt waͤhrend der Nachteinen Schimmer, der dem Feuer gleicht. Der Ho ſchan (Feuerberg)im SO von Tſchu lo hian iſt voll Felſen, zwiſchen denen Quellenlaufen, aus deren Waſſer beſtaͤndig Flammen ſpruͤhen. Endlich derLieu huang ſchan (Schwefelberg), welcher ſich im Norden der StadtTſchang hua hian bis Tau ſchui tſchhing ausdehnt, wirſt fortwaͤh-rend Flammen an ſeiner Grundflaͤche aus, und die Schwefelduͤnſte,die er ausſtroͤmt, ſind ſo ſtark, daß ſie einen Menſchen erſtickenkoͤnnen; es wird eine große Menge Schwefel aus dieſem Gebirgausgebeutet.*) Zwei Verſuche uͤber dieſen Gegenſtand (Mémoires sur les montagnesde l’Inde et la limite inférieure des neiges perpetuelles del’Asie) ſind von mir erſchienen in Annales de chimie et de phy-sique Th. III und Th. XIV. **) Die aſtronomiſche Geographie des innern Aſiens iſt noch ſehr imUnklaren, weil man nur die Reſultate der Beobachtungen, nichtaber auch die Elemente derſelben kennt. So laͤge Taſchkend nachWaddingtons Karte zu Babers Memoiren unter dem 2 Meridianoͤſt. Samarkand; nach der lapie’ſchen Karte in Meyendorffs Reiſeunter dem Meridian von Samarkand ſelbſt.***) Es fehlt fuͤr dieſe Laͤnder, die doch kuͤrzlich von Europaͤern bereistwurden, und ſo leicht bereist werden koͤnnen, noch immer an baro-metriſchen Meſſungen. Die Beſtimmungen des Siedepunkts von
|79| |Spaltenumbruch| Tuͤbet zwei Aeſte, den Himalaja und die Kette des Kuͤen-luͤn, undbildet eine Gabeltheilung der Erdſpalte, von welcher dieſe Gebirgeſich erheben. So kann der Kuͤen-luͤn als eine vorſpringende Truͤm-mermaſſe des Himalaja angeſehen werden. Der zwiſchenliegendeRaum, welcher Tuͤbet und Katſchi in ſich begreift, iſt nach allen Seitenvielfach zerkluͤftet: eine mit den gewoͤhnlichſten Erſcheinungen derGangbildung augenfaͤllige Analogie wie ich ſie ſchon fruͤher in derlangen und engen Succeſſion der Cordilleren darthat. Die Verlaͤn-gerung der Syſteme des Himalaja und Kuͤen-luͤn, die in dem Berg-knaͤul zwiſchen Kaſchmir und Fysabad in einander verwachſen, gehtvon da bis jenſeits des kaspiſchen Meeres zum 45 Laͤngengrad. DieKette des Himalaja bleibt im Suͤden des Bolor, Ak-tagh, Mingbu-lak und Ala-tau zwiſchen Badachſchan, Samarkand und Turkeſtan;im Oſten des Kaukaſus verbindet ſie ſich mit dem Plateau von Adſer-beidſchan und macht die ſuͤdliche Grenze der großen Einſenkung, inwelcher das kaspiſche Meer und der Aralſee *) die tiefſten Beckenſind, und wozu das ganze Stuͤck Land zwiſchen der Kuma, demDon, der Wolga, dem Jaik, dem Obtſchey-ſyrt, dem See Akſakal,dem untern Sihun, dem Chanat Chiva, an den Ufern des Amu-de-ria, gehoͤrt, das eine Flaͤche von wahrſcheinlich 18,000 Quadrat-lieues einnimmt, die niederer als der Meeresſpiegel liegt. Die Un-terſuchung dieſer ſonderbaren Einſenkung war Gegenſtand muͤhſamerbarometiſcher Nivellirungen zwiſchen dem kaspiſchen und ſchwarzenMeer fuͤr die HH. Parrot und Engelhardt und zwiſchen Orenburgund der Muͤndung des Jaik fuͤr die HH. Helmerſen und Hoffmann.Dieſes ſo niedere Land, voll tertiariſcher Formationen mit Meta-phyren und Truͤmmern verſchlackter Felſen, bietet dem Geologen einbis jetzt auf unſeren Planeten faſt einziges Phaͤnomen dar. Im Suͤ-den von Baku, und in dem Golf Balkan wird dieſer Anblick durchdie vulkaniſchen Kraͤfte ſehr modifizirt. Vor Kurzem hat die Akademieder Wiſſenſchaften zu St. Petersburg meinem Wunſch entſprochen, durcheine Reihe barometriſcher Nivellirungen laͤngs dem nordoͤſtlichen Randdieſes Beckens an der Wolga zwiſchen Kamſchyn und Saratov, an |Spaltenumbruch| dem Jaik zwiſchen Obtſchey-ſyrt, Orenburg und Uralsk, an derJemba bis jenſeits der Hoͤhen von Mugodſchar, in welchen derUral ſich gegen Suͤden verlaͤngert, neben dem Akſalkaſee und gegenden Saraſu hin eine geodaͤſiſche Linie beſtimmen zu laſſen, die alle mitdem Waſſerſpiegel des Meers gleich gelegenen Punkte vereinigt. *)


Fraſer (Narrative of a journey to Rhorassan, Appendix S. 135)geben, nach der meyerſchen Formel, Tehran 627, Iſfahan 688und Schiras 692 Toiſen. Die Formel Biots liefert noch umeinige Toiſen niederere Hoͤhen. Die im Februarheft der Hertha1820 gewonnenen Reſultate gruͤnden ſich auf die irrige Voraus-ſetzung des Dr. Knorre, daß die Expanſivkraft der Temperaturaͤnde-rung von dem Siedepunkt aus abſolut proportionell bleibe. ZurVergleichung des perſiſchen Plateau’s mit andern iſt hier folgendeUeberſicht. Das Innere von Rußland um Moskau 76 Toiſen undnicht 145 wie lange Zeit behauptet worden; die Ebenen der Lombar-dei 80; das Plateau von Schwaben 150, das der Auvergne 174,das der Schweiz 220, das von Bayern 260, das von Spanien350. Wenn der Boden eines Laͤngen-Thals, z. B. in derKette der Anden, oft eine Hoͤhe von 1500 bis 2000 Toiſen uͤberdem Meeresſpiegel erreicht, ſo iſt Dieß eine Folge der Erhebungder ganzen Kette. Die Plateau’s von Spanien und Bayern erhe-ben ſich aber wahrſcheinlich mit der ganzen Maſſe des Kontinents.Die zwei Epochen ſind in der Geognoſie ſehr verſchieden.*) Eine Reihe barometiſcher Nivellirungen, vom kaspiſchen Meerbis zur Mertvoy Kultuk Bai am Aralſee, welche von den der Ex-pedition des Obriſts Berg beigegebenen Kapitaͤnen Duhamel undAnjou waͤhrend eines ſtrengen Winters gemacht wurden, bewei-ſen, daß der Waſſerſpiegel des Aralſees 117 (engl.) Fuß uͤber demkaspiſchen Meer liegt.*) S. Humboldts Rede in der außerordentlichen Sitzung der Akademieder Wiſſenſchaften zu St. Petersburg am 16 November 1829 inN. Annales de Voyages 2 serie, Th. 15, S. 86 f.
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6. Vulkaniſche Erſcheinungen im Innern Aſiens.(Fortſetzung.)

Der, unter 42° 25′ oder 42° 35′ Br., zwiſchen Korgos an denUfern des Ili und Kutſché in der kleinen Bucharei gelegene Vulkangehoͤrt der Kette des Thian-ſchan an; vielleicht, daß er ſich an dem noͤrd-lichen Abhang deſſelben, drei Grad oͤſtlich von dem See Iſſikul oderTemurtu, befindet. Die chineſiſchen Schriftſteller nennen ihn Peſchan(Montblanc), Ho-ſchan und Aghie (Feuerberg.) *) Man weiß nichtmit Beſtimmtheit, ob der Name Peſchan ſo viel beſagen will, daßſein Gipfel die Linie des ewigen Schnees erreiche, was das Mini-
*) Klaproth am a. O. S. 110 und Mémoires rélatifs à l’Asie Th.2, S. 358. Abel Remuͤſat im Journal asiatique Th. 5, S. 45,und in der Description de Rhotan Th. 2, S. 9. Die von Klap-roth mitgetheilten Notizen ſind die vollſtaͤndigſten und hauptſaͤch-lich aus der Geſchichte der Dynaſtie Ming geſchoͤpft. Abel Remuͤ-ſat hat die japaniſche Ueberſetzung der großen chineſiſchen Encyklo-paͤdie benuͤtzt. Die Wurzel ag in dem Wort aghie bezeichnet imHinduſtaniſchen nach Klaproth Feuer. Ohne Zweifel wurde imS des Peſchan, in den Umgebungen von Chotan, in der Naͤhedes Thian-ſchan narlu von unſerer Aera Sanskrit oder eine mitdieſem verwandte Sprache geſprochen; indeß im Sanskrit wuͤrdeFeuerberg agni ghiri heißen. Hrn. Bopp zu Folge waͤre aghiekein ſanskritiſches Wort. (Die Wurzel ag bedeutet in allen Spra-chen Hinduſtans Feuer, dieſes Element heißt im Hinduſtaniſchen âg, im Mahrattiſchen âgh und die Form agi hat ſich noch in derSprache von Pendſchb erhalten. Das Wort agni, womit manim Sanskrit gewoͤhnlich Feuer ausdruͤckt, ſtammt wie águn im Bengali-ſchen, ogon im Ruſſiſchen, und ignis im Lateiniſchen von der naͤm-lichen Wurzel. Kl.)
|87| |Spaltenumbruch| mum der Hoͤhe dieſes Gebirgs waͤre, oder ob er bloß die glaͤnzendeFarbe einer mit Salz, Bimsſtein und zerſetzter vulkaniſcher Aſchebedeckten Spitze andeutet. Ein chineſiſcher Schriftſteller aus dem7 Jahrhundert ſagt: „Zweihundert Li (oder 15 Lieues) noͤrdlich vonder Stadt Chueï tſcheu (heut zu Tag Kutſché, unter 41° 37′ Br.und 80° 33′ oͤſt. L. nach den aſtronomiſchen Beobachtungen der Miſſionaͤrein dem Lande der Eleuther) erhebt ſich der Peſchan, der ununterbro-chen Rauch und Feuer ausſpeit. Von da kommt das Ammoniakſalz;auf einem der Abhaͤnge des Feuerbergs (Hoſchan) brennen alle Steine,ſchmelzen und fließen einige Dutzend Li weit. Die fluͤſſige Materiewird hart, wie ſie ſich abkuͤhlt. *) Die Bewohner bedienen ſich der-ſelben bei Krankheiten als eines Heilmittels; **) man trifft daſelbſtauch Schwefel.“
Klaproth bemerkt, daß der Peſchan heut zu Tage Chalar ***) genannt werde, und daß nach dem Bericht der Bucharen, welchemit dem Ammoniakſalz (chin. nao scha, perſ. nuschader) nachSibirien handeln, das Gebirg im S von Korgos ſo reich an dieſerSalzart ſey, daß die Einwohner darin dem chineſiſchen Kaiſer ihrenTribut entrichten. In einer neuen Beſchreibung Centralaſiens, dieim J. 1777 in Peking erſchien, liest man: „die Provinz Kutſché bringt Kupfer, Salpeter und Ammoniakſalz hervor. Dieſe letzte Sub-ſtanz ruͤhrt von einem Ammoniakberg im N der Stadt Kutſché her,welcher voll Hoͤhlen und Kluͤfte iſt. Im Fruͤhjahr, Sommer undHerbſt fuͤllen ſich dieſe Oeffnungen mit Feuer, ſo daß bei Nacht dasGebirg wie von tauſend Lampen erleuchtet ſcheint. Niemand kannſich alsdann naͤhern. Nur im Winter, wenn die Menge Schnee,welche faͤllt, das Feuer ausloͤſcht, ſuchen die Eingebornen Ammoniak-ſalz zu ſammeln, bei welcher Arbeit ſie ſich ganz auskleiden. DasSalz befindet ſich in Hoͤhlen, in Form von Stalaktiten, ſo daß esſchwer haͤlt, es los zu machen.“ Der Name tatariſches Salz, wel-chen das Ammoniakſalz von Alters her im Handel fuͤhrt, haͤtte laͤngſt |Spaltenumbruch| die Aufmerkſamkeit auf die vulkaniſchen Erſcheinungen des innernAſiens richten ſollen. (Fortſetzung folgt.)

*) In der Geſchichte der Dynaſtie der Thang heißt es, wo vonLava die Rede iſt, daß ſie wie zerlaſſenes Schmalz fließen. Kl.**) Nicht der Lava, ſondern der Salztheilchen, die ſich auf ihrer Ober-flaͤche anſetzen.***) Der Peſchan der alten Chineſen fuͤhrt den tuͤrkiſchen Namen EſchikBaſch. Eſchik bedeutet eine kleine Art Kamel und Baſch Kopf.Schwefel giebt es daſelbſt in Menge. Der Eſchik Baſch iſt einerder hohen Berge, die zur Zeit der Dynaſtie der Wei, im 3 Jahr-hundert, im NW das Koͤnigreich Chueithſu (Kutſché) begrenzten; eriſt der Aghie ſchan unter den Sui (in der erſten Haͤlfte des 7Jahrhunderts). Aus der Geſchichte dieſer Dynaſtie erfaͤhrt man, daßdieſer Berg immer Feuer und Rauch von ſich giebt, und daß manauf ihm das Ammoniakſalz ſammelt. Nach der Beſchreibung derWeſtlaͤnder, einem Anhang der Geſchichte der Dynaſtie Thang, hießder fragliche Berg damals Aghie Thian-ſchan (was man Berg derFeuerfelder uͤberſetzen koͤnnte) oder Peſchan (Montblanc); er lagim N der Stadt Ilolo und es ging ein beſtaͤndiges Feuer daraushervor. Ilolo (oder vielleicht Irolo, Ilor, Irol) war die Reſi-denz des Koͤnigs von Chueithſu. Der Eſchik Baſch liegt im N vonKutſché, 200 Li weſtlich von dem Chan tengri, welcher einenTheil der Kette des Thian-ſchan ausmacht. Er hat eine ſehr großeBreite, und man gewinnt daſelbſt noch gegenwaͤrtig viel Schwefelund Ammoniakſalz. Der Fluß Eſchik Baſch gol, der im S derStadt Kutſché fließt, und nach einem Lauf von 200 Li in denErghen faͤllt, nimmt hier ſeinen Urſprung.
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6. Vulkaniſche Erſcheinungen im Innern Aſiens.(Fortſetzung.)

Hr. Cordier in ſeinem an Abel Remuͤſat gerichteten Schreibenuͤber die Exiſtenz zwei brennender Vulkane in der mittlern Tatareinennt den Peſchan eine Solfatara analog mit der von Puzzoli. *) Sowie den Peſchan das obenangefuͤhrte Werk ſchildert, koͤnnte er aller-dings den Namen eines Vulkans verdienen, der nicht mehr brennt,obwohl ſeine Feuererſcheinungen Puzzoli, dem Krater des Piks vonTeneriffa, dem Rucu Pichincha und dem Vulkan von Jorullo,d. h. den Solfatara’s, die ich geſehen habe, fehlen; indeß ſprechenaͤltere chineſiſche Hiſtoriker, welche den Marſch des Heers der Hiungnu in dem erſten Jahrhundert unſerer Aera erzaͤhlen, von Maſſengeſchmolzener Steine, welche mehrere Meilen weit ſich ergoſſen, ſodaß man in ihren Worten Lava-Ausbruͤche nicht verkennen kann.Der Ammoniakberg zwiſchen Kutſché und Korgos war aber ein ak-tiver Vulkan, in der ſtrengſten Bedeutung des Wortes — ein Lavaſtroͤme ausſpeiender Vulkan in der Mitte von Aſien, 400 geographi-ſche Lieues von dem kaspiſchen Meer **) im Weſten, 433 von dem Eis-meer im Norden, 504 von dem großen Ozean im Oſten und 440 vondem indiſchen Meer im Suͤden. Es iſt hier nicht der Ort die Fragein Betreff des Einfluſſes der Nachbarſchaft des Meers auf die Thaͤ-tigkeit der Vulkane zu eroͤrtern; wir machen bloß auf die geographiſche Lage der Vulkane des innern Aſiens und ihre gegenſeitige Be-ziehungen aufmerkſam. Thatſaͤchlich iſt, daß die Entfernung des Peſchanvon allen Meeren drei bis vierhundert Lieues betraͤgt. Bei meinerRuͤckkehr aus Mexiko aͤußerten beruͤhmte Geologen mir ihre Verwun-derung daruͤber, als ſie mich von einem vulkaniſchen Ausbruch inder Ebene von Jorullo und von dem noch in voller Thaͤtigkeit begrif-fenen Popocatepetl reden hoͤrten; und doch befindet ſich der erſtere nur30 und der letztere nur 43 Lieues vom Meer entfernt. Der Dſche-del Koldaghi, ein rauchender Kegel in Kordofan, von dem man Hrn.Ruͤppel in Dongola unterhielt, liegt 150 Lieues vom rothen Meer, ***) und dieſe Entfernung iſt nur der dritte Theil derjenigen des Peſchan,der ſeit 1700 Jahren Lavaſtroͤme von ſich giebt, vom indiſchen Meer.Durch einen neuen Ausbruch des Piks von Tolima, in den Andenvon Neu-Granada, eines Bergs aus jener Reihe von Vulkanen inder Centralkette im Oſten des Kauka, des entfernteſten vom Meerund nicht von der weſtlichen Kette, welche der an Gold und Platinaſo reiche Choco, der Ural Columbiens, begrenzt, wird die Meinung,als ob die Anden, wie ſie vom Meer zuruͤcktreten, keinen aktiven Vul-kan mehr darboͤten, hinlaͤnglich widerlegt. Das Syſtem der Berge
*) Journal asiatique Th. 5 (J. 1825) S. 44 f.**) Die Entfernung des Peſchan von dem Aral iſt 225 Lieues, wennman als Laͤnge der Oſtkuͤſte dieſes Sees 56° 8′ 59″ und als Breite45° 38′ 30″ annimmt; eine auf mehrere aſtronomiſche Beobachtun-gen gegruͤndete Beſtimmung Lemm’s, des Aſtronomen bei der Ex-pedition Berg’s. Dieß iſt die einzige aſtronomiſche Beobachtung, diean den Ufern des Aral gemacht wurde. Die Lage des Peſchan iſtnach der von Akſu berechnet, welche Stadt nach den Miſſionaͤrenunter 76° 47′ L. liegt.***) N. Annales des Voyages par Eyriès et Malte-Brun Th. XXIV, S. 282.
|91| |Spaltenumbruch| von Caracas, die ſich von O nach W ziehen oder die Litoralkette vonVenezuela wird zwar durch heftige Erdbeben haͤufig erſchuͤttert; aberOeffnungen, die mit dem Innern der Erde in bleibender Verbindungſtehen, und woraus die Lava hervorgeht, hat ſie eben ſo wenig alsdie nur 100 Lieues von dem Golf von Bengalen entfernte Kette desHimalaja, oder ſogar die Ghaͤts, die eine Kuͤſtenkette zu nennenwaͤren. Vermochte der Trachyt die Bergketten, nachdem ſie einmalerhoben waren, nicht mehr zu durchdringen, ſo enthalten ſie keineRiſſe oder Gaͤnge, durch welche die unterirdiſchen Kraͤfte eine ſtaͤteWirkung auf die Oberflaͤche hervorbringen koͤnnten. Der bemerkens-werthe Umſtand der Nachbarſchaft des Meers uͤberall wo die Vulkanenoch in Thaͤtigkeit ſind — ein Umſtand, der ſich im Ganzen nicht leug-nen laͤßt — ſcheint weniger die chemiſche Wirkung des Waſſers zur Ur-ſache zu haben, als die Geſtaltung der Erdkruſte und den geringernWiderſtand von Seiten der erhobenen Kontinentalmaſſen, welchen dieelaſtiſchen Fluͤſſigkeiten im Innern unſers Planeten in der Gegendtiefer Meerbecken erfahren. Daher koͤnnen auch ferne vom Meer,wie in dem alten Land der Eleuter, bei Turfan und im Suͤden desThian-ſchan, vulkaniſche Erſcheinungen Statt finden, wo durch alte Revo-lutionen in der Kruſte der Erdkugel eine Spalte ſich aufgethan hat.Die thaͤtigen Vulkane ſind nur deßhalb ſeltener vom Meer entfernt,weil, wenn der Ausbruch nicht am Abhang der Kontinentalmaſſengegen ein Meerbecken vor ſich geht, es ſchon eines außerordentlichenZuſammenfluſſes von Umſtaͤnden bedarf, um eine dauernde Kommunika-tion zwiſchen dem Innern der Kugel und der Atmoſphaͤre herzuſtel-len und Oeffnungen zu bilden, welche, wie die intermittirenden Ther-malquellen, ſtatt Waſſer, Gaſe und fluͤſſige oxidirte Erden, d. h.Laven ausſchuͤtten.
Im Oſten des Peſchan, des Montblancs im Lande der Eleuterzeigt der ganze Nordabhang des Thian-ſchan vulkaniſche Erſchei-nungen; man ſieht daſelbſt Laven und Bimsſteine und ſelbſt großeSolfataren, die man brennende Oerter nennt. Die Solfatara vonUrumtſi hat fuͤnf Lieues im Umfang; im Winter iſt ſie nicht mitSchnee bedeckt; man glaubt ſie mit Aſche gefuͤllt. Wirft man ei-nen Stein in dieſes Becken, ſo erheben ſich Flammen und einſchwarzer Rauch, die lange Zeit anhalten; kein Vogel wagt uͤber diebrennenden Oerter ſeinen Flug. Sechzig Lieues weſtlich vom Peſchaniſt ein See *) von betraͤchtlicher Ausdehnung, deſſen verſchiedeneBenennungen im Chineſiſchen, Kirghiſiſchen und Kalmuͤckſchen war-mes, ſalz- und eiſenhaltiges Waſſer bedeuten. Ueberſteigen wir die vulkaniſche Kette des Thian-ſchan, ſo fin-den wir im OSO des Sees Iſſikul, von dem in den von mir ge-ſammelten Reiſejournalen ſo oft Erwaͤhnung geſchieht, und des Pe-ſchan den Vulkan von Turfan, den man auch den Vulkan von Ho-tſchen (Feuerſtadt) **) nennen kann, weil er ganz in der Naͤhe die-ſer Stadt liegt. Abel Remuͤſat laͤßt ſich uͤber dieſen Vulkan in ſeiner |Spaltenumbruch| Geſchichte von Choten und in ſeinem Schreiben an Hrn. Cordier *) weitlaͤufig aus. Es iſt nicht von fluͤſſigen Steinmaſſen, Lavaſtroͤmen,wie beim Peſchan die Rede, aber „man ſieht beſtaͤndig eine Rauch-ſaͤule aufſteigen, die Abends durch eine fackelartige Flamme erſetzt wird.Die Voͤgel und andere Thiere, welche davon beleuchtet werden, er-ſcheinen roth. Beim Suchen des Naoſcha oder Ammoniakſalzes ziehendie Einwohner Holzſchuhe an, die ledernen Schuhe wuͤrden zu ſchnellverbrennen.“ Das Ammoniakſalz ſammelt man beim Vulkan vonHotſcheu nicht bloß als einen Niederſchlag, welchen die Daͤmpfe abſe-tzen, ſondern die chineſiſchen Schriftſteller ſprechen auch von einergruͤnlichen Fluͤſſigkeit, die man in den Hoͤhlen holt, und die, gekochtund verduͤnſtet, das Ammoniakſalz in Form kleiner Zuckerkoͤrnervon großer Weiße und vollkommener Reinheit abwirft. Der Peſchan und der Vulkan von Hotſchen oder Turfan ſind 140Lieues in der Richtung von O nach W von einander. Ungefaͤhr 40Lieues im W des Meridians von Hotſcheu, am Fuß des rieſenhaftenBochda oola befindet ſich die große Solfatara von Urumtſi, und 140Lieues nordweſtlich von dieſer, in einer Ebene in der Naͤhe der Uferdes Chobok, der ſich in den kleinen See Darlaï ergießt, erhebt ſichein Huͤgel, „deſſen Spalten ſehr heiß ſind, ohne jedoch Rauch (ſicht-bare Daͤmpfe) auszuhauchen. Das Ammoniakſalz ſublimirt ſich in die-ſen Spalten zu einer ſo feſten Rinde, daß man genoͤthigt iſt, denStein zu zerſchlagen.“ (Fortſetzung folgt.)

*) Nach der panſnerſchen Karte des innern Aſiens iſt ſeine Laͤnge 17bis 18 und ſeine Breite 6 bis 7 Lieues; er heißt im KalmuͤckiſchenTemurtu (der eiſenhaltige), im Kirghiſiſchen Tuskul, im ChineſiſchenYan hai (Salzwaſſer), im Tuͤrkiſchen Iſſikul (warmes Waſſer.)Klaproth’s Mémoires relatifs a l’Asie Th. 2. S. 358. 416. Th.3, S. 299. Abel Remuͤſat betrachtet den Balkſchi als den war-men See der Chineſen. (Journal asiatique Th. 5, S. 45, Note 2.**) Dieſe jetzt zerſtoͤrte Stadt lag 1½ Lieue oͤſtlich von Turfan.*) Abel Remuͤſat nennt den Vulkan Peſchan, im N von Kutſché, denVulkan von Biſchbalik, weil zur Zeit der Mongolen in China dasganze Land zwiſchen dem noͤrdlichen Abhang des Thian-ſchan undder kleinen Kette von Tarbagatai Biſchbalik hieß.
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6. Vulkaniſche Erſcheinungen im Innern Aſiens.(Fortſetzung.)

Die vier bis jetzt bekannten Punkte des innern Aſiens, der Pe-ſchan, Hotſcheu, Urumtſi und Chobok, welche erwieſener Maßenvulkaniſche Erſcheinungen darbieten, liegen 130 bis 140 Lieues ſuͤd-lich von der Gegend der Dſungarei, in welcher ich mich zu Anfangdes Jahrs 1829 befand. Wirft man einen Blick auf die dieſer Ab-handlung beigegebene Karte, ſo ſieht man, daß der See Akakulmit dem inſulariſchen Kegel Aral tubé, der noch in hiſtoriſchen Zei-ten in Feuer ſtand, zu dem vulkaniſchen Gebiet von Biſchbalik gehoͤrt.Dieſer Inſelberg liegt im W der Ammoniakhoͤhle von Chobok undim N des noch gegenwaͤrtig leuchtenden Peſchan, der aber vor Kurzemauch noch Lava ſpie, 60 Lieues von jedem dieſer Orte. Von demSee Alakul bis zum See Dſaiſang, in welchem die Nachſicht derMandarinen den Koſaken von der Linie am Irtiſch das Fiſchrechteinraͤumt, rechnet man 51 Lieues. Der Tarbagatai, an deſſen Fußdie chineſiſch-mongoliſche Stadt Tſchugutſchak iſt, bis wohin im J.1825 Dr. Meyer, der gelehrte und thaͤtige Gefaͤhrte Ledebours, um-ſonſt ſeine naturhiſtoriſchen Forſchungen auszudehnen verſuchte, er-ſtreckt ſich im SW des Dſaiſang gegen den Alakul. *) Somit ken- |Spaltenumbruch| nen wir in dem Innern von Aſien ein vulkaniſches Gebiet, deſſenFlaͤcheninhalt mehr als 2500 □ Lieues betraͤgt, und das die Haͤlftedes Laͤngenthals zwiſchen dem erſten und zweiten Bergſyſtem ein-nimmt. Der Hauptſitz der vulkaniſchen Gaͤhrung ſcheint in demThian-ſchan zu ſeyn. Vielleicht iſt der koloſſale Bochda oola ein tra-chytiſches Gebirg gleich dem Chimboraço. Auf der Nordſeite des Tar-bagatai und des Darlaiſees wird die Wirkung ſchwaͤcher; indeß habenHr. Roſe und ich laͤngs dem ſuͤdweſtlichen Abhang des Altaï aufeinem glockenfoͤrmigen Huͤgel bei Ridderski und in der Naͤhe des Dor-fes Butatſchicha weißen Trachyt gefunden. Auf zwei Seiten, im Norden und Suͤden des Thian-ſchan, wer-den heftige Erdbeben verſpuͤrt. Die Stadt Akſu ward zu Anfang des XVIII Jahrhunderts durch eine derartige Erſchuͤtterung gaͤnzlich zer-ſtoͤrt. Profeſſor Eversmann in Kaſan, deſſen wiederholte Reiſen dieKenntniß der Bucharei ſehr gefoͤrdert haben, hoͤrte von einem Tata-ren, der ihm diente, und der in dem Land zwiſchen den Seen Bal-kaſchi und Alakul wohlbewandert war, erzaͤhlen, daß es daſelbſt ſehrhaͤufig Erdbeben gebe. In Oſtſibirien noͤrdlich von der 50 Paralleleſcheint der Erſchuͤtterungskreis ſeinen Mittelpunkt in Irkutſk und indem tiefen Becken des See Baikal zu haben; dort auf dem Weg nachChiachta, zumal an den Ufern des Dſchida und des Tſchikoi, bemerktman Baſalt mit zellichtem Mandelſtein, Chabaſie und Apophillit. *) Im Monat Februar 1829 litt Irkutſk ſehr von Erderſchuͤtterungen;im folgenden April nahm man in Ridderski Bewegungen wahr, dieſich in der Tiefe der Minen ſehr lebhaft aͤußerten. Aber dieſer Punktdes Altaï iſt die aͤußerſte Grenze des Erſchuͤtterungskreiſes; weiterweſtlich, in den Ebenen Sibiriens zwiſchen dem Altaï und Ural, ſowie laͤngs der ganzen Kette des Ural, hat man von Erdbeben bis jetzt keineSpur. Der Vulkan Peſchan, der Aral-tubé im W, der Ammoniakhoͤhlenvon Chobok, Ridderski und der metallreiche Theil des kleinen Altaï liegen ſo ziemlich in einer Richtung, die von der des Meridians nur
ſiſchen Karten ſtellen die beiden Seen bloß als einen dar, mit einemBerg in der Mitte. Der See heißt Alakul, der oͤſtliche Theil Alak-tugulnoor und der weſtliche Golf Schibartu cholaï. (Kl.)*) Ich enthalte mich jedes Zweifels uͤber die Frage nach der eigentlichenBewandtniß mit dem Alakul und Alaktugulnoor, zwei einandernah gelegenen Seen; doch beduͤnkt es mich ſonderbar, daß die Ta-taren und Mongolen, welche jene Laͤnder ſo haͤufig durchreiſen, nurden Alakul kennen, und nach ihrer Behauptung der Alak tugul noorſein Daſeyn einer bloßen Namensverwechslung dankt. Panſner,deſſen ruſſiſche Karte des innern Aſiens in Bezug auf die Gegendendie im N des Ili liegen, alles Zutrauen verdient, laͤßt den Alakuldurch fuͤnf Kanaͤle mit dem Alaktugul noor kommuniziren. Vielleichtdaß die Landenge, welche dieſe Seen trennt, ſumpfig iſt, weßhalbdenn Andere nur Einen See aus ihnen gemacht haben. Alakul undAlaktugul koͤnnten wohl auch bloß einen See in der Naͤhe des Alataubezeichnen, eines Bergs, der ſich von Turkeſtan bis in die Tatareierſtreckt. Anf der von den engliſchen Miſſionaͤren des Kaukaſusherausgegebenen Karte ſieht man den Alakul nicht; man bemerktdarauf bloß eine Gruppe von drei Seen: den Balkaſchi, den Alaktu-gul und den Kurghé. Uebrigens iſt die Meinung ungegruͤndet, als obdie Nachbarſchaft betraͤchtlicher Seen auf die vom Meer entferntenVulkane denſelben Einfluß hervorbringe als der Ozean. Der Vulkanvon Turfan iſt nur von unbedeutenden Seen umgeben. (Die chine-*) Von Dr. Heß, Adjnnkt der Akademie der Wiſſenſchaften zu St. Pe-tersburg, der von 1826 bis 1828 an den Ufern des Baikal undim Suͤden von dieſem See zubrachte, iſt eine geognoſtiſche Beſchreibungeines Theils der von ihm beſuchten Gegenden zu erwarten. Er ſahzu Werchnei Udinsk den Granit oftmals mit Conglomeratenwechſeln.
|94| wenig abweicht. Vielleicht faͤllt der Altaï noch in dem Erſchuͤtte-rungskreis des Thian-ſchan und die Stoͤße des Altaï, ſtatt vou Oſtenoder aus dem Baikalbecken zu kommen, ruͤhren gleichfalls von demvulkaniſchen Gebiet von Biſchbalik her. Auf mehreren Punkten desneuen Kontinents durchſchneiden ſich die Erſchuͤtterungskreiſe augen-ſcheinlich, oder — mit andern Worten — derſelbe Boden empfaͤngtdie Erderſchuͤtterung periodiſch von zwei verſchiedenen Seiten.
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6. Vulkaniſche Erſcheinungen im Innern Aſiens.(Fortſetzung.)

Das vulkaniſche Gebiet von Biſchbalik liegt im Oſten der großenEinſenkung der alten Welt. Reiſende, die von Orenburg aus die |Spaltenumbruch| Bucharei beſuchten, erzaͤhlen von Mineralquellen, am Abhang jenerEinſenkung bei Suſſac auf dem Kara-tau, welcher mit dem Alatauim Norden der Stadt Tharas oder Turkeſtan ein Vorgebirg bildet.Im Suͤden und Weſten des innern Beckens finden wir noch zweiVulkane in Thaͤtigkeit — den von Tehran ſichtbaren Demavend,und den mit glaſichten Laven bedeckten Seïban des Ararat. DieTrachyten, die Porphyre, und die Mineralquellen des Kaukaſus ſindbekannt. Eben ſo giebt es zwiſchen dem kaspiſchen und dem ſchwar-zen Meer zahlreiche Naphthaquellen und Salſen (volcans de bone). Dahin gehoͤrt der kleine Vulkan von Taman, deſſen letzten Feuer-ausbruch im J. 1794 Pallas, Engelhardt und Parrot beſchrieben ha-ben, und der nach der ſinnreichen Bemerkung Eichwaldts „ein Pen-dant von Baku und der ganzen Halbinſel Abſcheron iſt.“ Die Aus-bruͤche fanden in den Gegenden Statt, wo die vulkaniſchen Kraͤftedem geringſten Widerſtand begegnen. Am 27 November 1827 wur-den heftige mit ſtarkem Gekrach verbundene Erderſchuͤtterungen indem Dorf Gokmali, in der Provinz Baku, 3 Lieues von der Weſt-kuͤſte des kaspiſchen Meers, verſpuͤrt; worauf ein Ausbruch vonFlammen und Steinen folgte. Ein 200 Toiſen langer und 150 Toi-ſen breiter Platz brannte 27 Stunden lang, und erhob ſich uͤberden Niveau des anſtoßenden Landes. Nach dem die Flammen erloſchenwaren, ſprudelten Waſſerſaͤulen empor, die, gleich arteſiſchen Brun-nen, noch jetzt fließen. *) Ich ergreife gerne dieſe Gelegenheit, umauf Eichwaldts Periplus des kaspiſchen Meers aufmerkſam zu machen,deſſen Beſchreibung mit Naͤchſtem im Druck herauskommen wird.Sie liefert eine Menge hoͤchſt wichtiger phyſikaliſcher und geognoſtiſcherBeobachtungen, namentlich uͤber den Zuſammenhang der Feueraus-bruͤche mit der Erſcheinung der Naphthaquellen und den Steinſalzla-gern, uͤber die weitgeſchleuderten Kalkſteinbloͤcke, uͤber die noch fort-dauernde Hebung und Senkung des Bodens der kaspiſchen See, uͤberden ſchwarzen theilweiſe verglasten granathaltigen **) Porphyr undſeinen Zug durch den Granit, den roͤthlichten quarzichten Porphyr,und den ſchwarzen kalkichten Spenit in den Krosnoyodoskgebirgen,welche von der Balchanbai, im Norden der alten Muͤndung des Orus,beſpuͤlt werden. Das geognoſtiſche Gemaͤlde der Oſtkuͤſte des kaspi-ſchen Meers, wo die Inſel Tſchabekan eben ſo wie Baku und die Ei-lande zwiſchen dieſer Stadt und Salian Naphthaquellen darbieten,wird uns zeigen, welche Arten kriſtalliſirten Geſteins unter den ho-rizontalen Gebirgsſchichten der Halbinſel Abſcheron verborgen liegen,wo die Wirkung des innern Feuers ſich beſtaͤndig bemerklich macht,ohne daß jedoch jene ſich ſo weit zu erheben vermochten, daß ſie ansTageslicht gekommen waͤren. Die Porphyre des Kaukaſus, die ſichvon WNW nach OSO verlaͤngern — eine Lage und Richtung, derenich oben aus Anlaß des vermuthlichen Zuſammenhangs dieſer Kettemit der Erdſpalte des Thian-ſchan Erwaͤhnung that — treten von
*) Nordiſche Biene 1828, No. 12.**) Verg. die treffliche Beſchreibung des Melapyrs zu Friedrichsroda inThuͤringen in den geognoſtiſchen Briefen des Hrn. von Buch, S.205. Der Gipfel des ſilberreichen Kegels von Potoſi iſt gleichfallsein Porphyr mit Granat (Melapyr); ich habe dieſen letztern auch inden Trachyten vou Itzmuigitzan, auf den mexikaniſchen Hochebenen,und in den ſchwarzen ſchlackenaͤhnlichen Trachyten von Yana Urcu,am Fuß des Chimboraço, getroffen.
|99| Neuem hervor, und durchziehen, ungefaͤhr im Mittelpunkt der gro-ßen Einſenkung, alles Geſtein in den Gebirgen Krasnovodosk undKurerſch. Nach neuern Forſchungen ſo wie nach den Sagen der Tata-ren gingen der Entſtehung der Naphthaquellen ſtets Feuerausbruͤchevoraus. Mehrere Salzſeen auf den entgegengeſetzten Kuͤſten des kas-piſchen Meers haben eine hoͤhere Temperatur, und Steinſalzbloͤcke mitAdern von Aſphalt bilden ſich, wie Dr. Eichwaldt ſcharfſinnig nach-wies, „durch ploͤtzliche vulkaniſche Impulſe, wie im Veſuv, *) inden ſuͤdamerikaniſchen Cordilleren und in Adſerbeidſchan, oder gleich-falls unter unſern Augen durch den langſam ſich verlaͤngernden Im-puls der Waͤrme.“ Leopold von Buch hat laͤngſt auf den Zuſammen-hang vulkaniſcher Kraͤfte mit den Maſſen enhydriſchen Steinſalzes,welche ſo haͤufig und ſo verſchiedene horizontalgeſchichtete Formationendurchziehen, aufmerkſam gemacht.
Durch alle dieſe Phaͤnomene erhaͤlt eine Beobachtung einiges Ge-wicht, die ſich mir an den Geſtaden des großen Oceans bei Huaurazwiſchen Lima und Sandia darbot. Trachytiſche Porphyre, die inhohem Grad dem Phonolith gleichen, durchziehen dort in ganzen Grup-pen ungeheure Steinſalzmaſſen, die man wie in der afrikaniſchenWuͤſte, und in der kirghiſiſchen Steppe bei Iletſki-Satſchita gleich offe-nen Steinbruͤchen ausbeutet. Eine ſtete Wahrnehmung bei vulkani-ſchen Erſcheinungen ſind die Metallbildungen, welche, wenn auchin kleiner Quantitaͤt, doch in großer Verſchiedenheit die Erzeugungdes Steinſalzes begleiten; Dieß iſt z. B. in der peruaniſchen Provinz Cha-chapovas, am Weſtabhange der Cordilleren, in der Gegend, wo dieWaſſer des Pilluana und des Guallaga auf eine Lieue weit durch einSteinſalzlager fließen, mit Schwefel, mit kupferfarbigen Pyriten,mit ſpathiſchem Eiſen und Bleiglanz, welcher letztere in betraͤchtlicherMenge und mit etwas Silber vermiſcht vorkommt, der Fall. DieſeBetrachtungen ſchließen eine andere Art der Production von Salz-baͤnken, durch die gewoͤhnliche Verduͤnſtung in der Atmosphaͤre, z. B.in den großen Salzſeen der Steppe zwiſchen dem Jaik und der Wolga,nicht aus. (Schluß folgt.)

*) Annales du Musée d’histoire naturelle 5 Jahrg. No. 12, S. 436.Bei dem Ausbruch dieſes Vulkans im J. 1805 haben Gay Luſſacund ich kleine Fragmente von Steinſalz in der kaum abgekuͤhlten Lavagefunden. Meine tatariſchen Reiſejournale ſprechen ebenfalls vonSteinſalz in der Nachbarſchaft eines vulkaniſchen Bergs des Thian-ſchan im N von Akſu zwiſchen Turpagad und dem Berg Arba.
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Aus Humboldts neueſter Reiſe.

6. Vulkaniſche Erſcheinungen im Innern Aſiens.(Schluß.)

Der Erderſchuͤtterungskreis, deſſen Mittelpunkt der See Bai-kal oder die Vulkane des Thian-ſchan ſind, erſtreckt ſich, wie wirgeſehen, in Weſtſibirien nur bis zum weſtlichen Abhang des Altaï,und nicht uͤber den Irtiſch und den Meridian von Semipolatinsk.In der Uralkette nimmt man keine Erdſtoͤße wahr, auch findet mandaſelbſt, ungeachtet des Reichthums an metalliſchem Geſtein, *) we-der Baſalt-Olivin, noch eigentlichen Trachyt, noch Mineralquellen.Der Kreis von Adſerbeidſchan, welcher die Halbinſel Abſcheron undden Kaukaſus in ſich begreift, reicht oft uͤber Kislar und Aſtrachanhinaus. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit der Grenze der großen Einſen-kung im Weſten. Wenden wir von dem kankaſiſchen Iſthmus unsgegen N und NW, ſo gelangen wir in das Gebiet der großenhorizontalſchichtigen und tertiariſchen Formationen, wovon Suͤd-rußland und Polen voll ſind. In dieſer Region weiſen das Augit-geſtein, welches den rothen Kies von Jekaterinoslav **) durchdringt,der Aſphalt und die mit ſchwefelichtem Gas geſchwaͤngerten Quellenauf das Vorhandenſeyn anderer unter der Satzbildung verborgenerMaſſen hin. Man kann gleichfalls als eine wichtige Thatſache an-fuͤhren, daß bei Griasnuſchinskaja an dem ſuͤdlichen Ende der anSerpentin und Hornblende ſo reichen Uralkette, welche Aſien undEuropa von einander ſcheidet, eine wirkliche Mandelſteinformationvorkommt. Die Regionen der Mondskrater ***) erinnern an dieEinſenkung von Weſtaſien. Eine ſo gewaltige Erſcheinung kann nurdurch eine ſehr maͤchtige, das Innere der Erde bewegende Urſachehervorgebracht worden ſeyn. Dieſe naͤmliche Urſache, indemſie durch ploͤtzliche Hebungen und Senkungen die Kruſte derErdkugel geſtaltete, fuͤllte wahrſcheinlich durch eine maͤhlig fortgeſetzteSeitenwirkung die Kluͤfte des Urals und des Altaï mit Metallen. |Spaltenumbruch| Die Fuͤlle Goldes in den Wandungen der Spalten, auf der Mauerund dem Dach des Gangs iſt dann vielleicht noch betraͤchtlicher ge-worden durch atmoſphaͤriſche Einfluͤſſe, *) bei dem geringernDruck, den die elektriſchen Daͤmpfe gegen die zu Tage ſtreichen-den Gaͤnge hin erfuhren. Die fragmentariſchen Anſchwemmun-gen von Gold, Platina, Kupfer und Zinnober erſcheinen aufden Hoͤhen des Urals mit foſſilen Knochen der großen urweltlichenThiere vermengt, die man ſonſt gewoͤhnlich in den Flachlaͤndern Sibi-riens, an den Ufern des Irtiſch und des Tobol, findet. Ohne unsauf die Frage einzulaſſen, in wiefern dieſe Miſchung mit Knochenvon Rhinozeroſſen der Ebenen die Epoche der Erhebung der Uralketteund der Zerſtoͤrung der obern Maſſen goldhaltiger Gaͤnge andeute,begnuͤgen wir uns, mit Beziehung auf die ſinnreiche kuͤrzlich vonHrn. Elie de Beaumont uͤber das relative Alter und den Parallelis-mus der gleichzeitigen Bergſyſteme entwickelte Anſicht, zu bemerken,daß auch in dem Innern von Aſien die vier großen oſtweſtlichen Berg-ketten von ganz verſchiedenem Urſprung ſind, als die nordſuͤdlichenoder die, welche von N 30° W nach S 30° O laufen. Die Kette desUral, der Bolor, **) die Ghats von Malabar und der Chingchanſind ohne Zweifel von neuerem Datum als der Himalaja und der
*) Dagegen hat der ſuͤdliche Abhang des kleinen Altaï eine warmeQuelle, in der Nachbarſchaft des Dorfs Fykaͤlka 10 Werſte von derQuelle des Katunia (Ledebur Th. 2, S. 521.)**) Ich rede hievon nach der ſchoͤnen Sammlung des Obermineninge-nieurs Kowalevski.***) Man muß die Gebirge, wie den Konon und Aratus, unterſcheidenvon den Kraterlaͤndern, wie mare crisium, Hipparch und Archimedes,welche viel groͤßer ſind als Boͤhmen.*) Essai politique sur la nouvelle Espagne (2. édit.) Th. 3, S. 195.wo auf einen ſolchen Einfluß in Bezug auf den Guanaxuato hin-gewieſen iſt, der zu Anfang des XIX Jahrhunderts jaͤhrlich eineMillion Mark Silbers abwarf.**) Im W des Bolor oder Belurtagh, in der Fortſetzung des Thian-ſchan, d, h. in dem Aktagh oder Al-Botom, welcher mittelſt derAsferakette mit dem eigentlichen Thian-ſchan zuſammenhaͤngt undſich ſuͤdweſtlich von Choſchend gegen Samarkand hin verlaͤngert, liegtnach dem arabiſchen Geographen Ibn al Wardi ein Berg, den er Tim(Fehler des Abſchreibers ſtatt Btm oder Botom) nennt, und der beiTag raucht, bei Nacht aber leuchtet und Ammoniakſalz und Zadſch,vermuthlich Alaun, hervorbringt. In der Nachbarſchaft giebt esGold- und Silberminen (Operis Cosmographici Ibn el-Wardi ca-put primum; ex codice upsaliensi edidit Andreas Hylander Lond.1823 S. 552.) Zwar iſt in dieſem Schriftſteller nicht von einemLavaausbruch wie beim Peſchan die Rede, hingegen zweifle ich, daßdieſe Phaͤnomene bloß von Lagen brennender Steinkohlen herruͤhren, wiebei Sainte-Stienne (Forez), wo man auch Ammoniakſalz ſammelt. Derleuchtende Berg Botom erinnert uͤberdieß an die Ausbruͤche auf derOſtkuͤſte des caſpiſchen Meeres, z. B. an den rauchenden BergAbitſché, in der Naͤhe der Bai Manghiſchlak, wo die Steine um denKrater alle ſchwarz und verſchlackt ſind. Journal asiatique Th. 4,S. 295.
|102| Thian-ſchan. Syſteme aus verſchiedenen Epochen befinden ſich nichtimmer weit von einander, wie in Deutſchland und in dem groͤßtenTheil des neuen Kontinents; oft hat die Natur Bergketten oder Er-hoͤhungsaxen von ganz verſchiedenen Richtungen und Epochen einan-der ganz nahe geruͤckt — aͤhnlich den Charakteren eines Denkmals,welche, manchfach ſich durchkreuzend, in verſchiedenen Zeiten eingegra-ben wurden und das Zeichen ihres Alters an ſich tragen. So ſiehtman in dem ſuͤdlichen Frankreich Ketten und wellenfoͤrmige Erhebun-gen, von denen die eine mit den Pyrenaͤen, die andere mit den weſtli-chen Alpen *) parallel lauft. Dieſelbe Verſchiedenheit der geogno-ſtiſchen Phaͤnomene zeigt ſich in den Hochlaͤndern des innern Aſiens,wo es einzelne Partien giebt, welche durch die roſtfoͤrmige Gruppi-rung der Bergſyſteme wie abgeſchloſſen und außer allem Zuſammenhangerſcheinen. **)

Abbildungen