Nachrichten von Alexander v. Humboldts Reise. Französische Blätter enthalten folgende Auszüge aus Briefen des Hrn. v. Humboldt an Hrn. Arago in Paris: "Ust- Kamenogorsk, am obern Irtisch, in Sibirien, den 13 Aug. 1829. Da bin ich nun seit mehr als zwei Monaten außerhalb Europa's Gränzen, im Osten des Urals, und in dem bewegten Leben das wir führen, habe ich viele Gelegenheiten verloren, dir ein Zeichen des Lebens und der Freundschaft zu geben. Es ist unmöglich, in diesem in der Eile geschriebenen Briefe (wir sind in dieser kleinen Verschanzung, an der Gränze der kirgisischen Steppen, gegen vier Uhr Morgens angekommen, und werden wahrscheinlich noch diese Nacht abreisen, um östlich nach Bucktormu, Narim und dem ersten Posten der chinesischen Mongolei aufzusteigen), es ist unmöglich, sage ich, dir hier das Wesentliche der Beobachtungen mitzutheilen, die wir seit unserer Abreise von St. Petersburg, am 20 Mai, gemacht haben. Du wirst beim Lesen dieser Zeilen kein anderes Interesse finden als das, zu hören, daß der wissenschaftliche Zwek meiner Reise über meine Erwartung erreicht wurde; daß ungeachtet der Strapazen und der weiten Streken, die wir durchmaßen -- wir haben von St. Petersburg an schon mehr als 5600 Werste zurük gelegt, und darunter 320 in diesem Theile Asiens -- meine Gesundheit gut ist; daß ich mit Geduld und Muth ausdaure; daß ich große Ursache habe, mit meinen Gefährten, Hrn. Rose und Hrn. Ehrenberg, sehr zufrieden zu seyn, und daß wir, beladen mit geologischen, botanischen und zoologischen Sammlungen vom Ural, Altai, Obi, Irtisch und aus Orenburg, gegen Ende Novembers nach Berlin zurükzukehren hoffen. Ich vermöchte es nicht, alle die Maaßregeln freundlicher Fürsorge aufzuzählen, welche die russische Regierung ergrif, um den Zwek unsers Ausflugs zu erleichtern. Wir reisen in drei Wagen, geführt von einem Oberbeamten der Bergwerke, unter Vorauseilung eines Kouriers der Krone. Wir bedürfen manchmal 30 bis 40 Pferde auf jeder Station, und Tag und Nacht werden die Relais mit der größten Ordnung besorgt. Ich kan Alles dis nicht als Zeichen persönlichen Wohlwollens und Achtung betrachten: es ist eine den Wissenschaften dargebrachte öffentliche Huldigung, eine edle Freigebigkeit, entfaltet zu Gunsten der Fortschritte der neuern Civilisation. Unser Weg ging über Moskau, Nischnei-Nowogrod, und von da über die Wolga nach Kasan, und nach den Trümmern der tatarischen Stadt Bulgari, wo Tamerlans Familie hauste. Dieser von Muselmännern bewohnte, mit griechischen Kirchen wie mit Moscheen bedekte Theil Rußlands ist sehr interessant, und gibt, wie der Ural, das Land der Baschkiren, und der Altai den schönen Forschungen der Asia polyglotta des Hrn. Klaproth ein lebhaftes Interesse. Von Kasan gingen wir den Ural aufwärts durch die malerischen Thäler von Kungur und Perm. Auf dieser ganzen Reise von Nischnei-Nowogrod bis Katharinenburg und zu den Platinawäschereien von Nischnei-Tagilsk begleitete uns Graf Polier, den du dich erinnerst in Paris bei der Frau Herzogin von Duras gesehen zu haben. Er übte in diesen wilden Gegenden sein schönes Talent als Landschaftsmaler. Durch seine Heirath an Rußland geknüpft, beschäftigt er sich mit Wärme damit, die Ausbeute der Berg- und Hüttenwerke zu verbessern. Ich fand in der Folge durch einen sonderbaren Zufall auf dem asiatischen Abhange des Urals dieselbe Kalesche, die mich von Paris nach Verona, Neapel und Berlin geführt hatte. Sie befand sich in dem besten Zustand und macht der Pariser Bauart Ehre. Wir wandten einen Monat dazu an, die Goldminen von Borosowsk, die Malachitminen von Gumeselefsky und Tagilsk, die Eisen- und Kupferbergwerke, die Berill- und Topasausbeutungen, die Gold- und Platinawäschereien zu besuchen. Man erstaunt über diese Goldgeschiebe (pepites d'or) von zwei bis drei, ja von achtzehn bis zwanzig Pfund, die man einige Zoll unter dem Rasen findet, und die seit Jahrhunderten unbekannt blieben. Einer der Hauptzweke dieser Reise war, die Erforschung der Lage und des wahrscheinlichen Ursprungs dieser Anschwemmungen, die mit Fragmenten von Grünstein, Chloritschiefer und Serpentin vermengt sind. Das jährlich ausgebeutete Waschgold beläuft sich auf 6000 Kilogramme. Die neuen Entdekungen jenseits des 59sten und 60sten Breitegrades werden sehr bedeutend. Wir besizen fossile Elephantenzähne, die sich in diesen Anschwemmungen goldhaltenden Sandes fanden. Seine Bildung, eine Folge von Lokalzerstörungen und Auflokerungen, ist vielleicht sogar später als die Vernichtung der großen Thiere. Es ist sehr bemerkenswerth, daß in dem mittlern und nördlichen Theile des Urals die Platina sich nur auf dem westlichen und europäischen Abhange im Ueberfluß findet. Die reichen Goldwaschungen der Familie Dimidoff in Nischnei-Tagilsk befinden sich auf dem asiatischen Abhange der beiden Seiten der Bartiraya, wo die Anschwemmung von Vilkni allein schon mehr als 2800 Pf. Gold geliefert hat. Die Platina findet sich eine Stunde östlich von der Wasserscheidlinie auf dem europäischen Abhange. In Südamerika trennt auch eine ziemlich niedrige Kette der Cordilleren, die von Cali, den gold- aber nicht platinahaltigen Sand des östlichen Abhangs (von Popayan) von dem goldhaltigen und an Platina sehr reichen Sand des Isthmus von Raspadura da Choco. (Beschluß folgt.) Nachrichten von Alexander v. Humboldts Reise. (Beschluß.) Vom 20 Aug. Diese lezten Zeilen sind am 20 Aug. geschrieben. Ich hatte vor acht Tagen die Feder niedergelegt, um Mondsdistanzen aufzunehmen, denn diese südliche Gränze Sibiriens, wo sich die Quellen des Obi und die Gränzen der chinesischen Mongolei finden, erfordert viele Aufmerksamkeit in der geographischen Bestimmung, da durch die Schnelligkeit der Reise der Gang der Chronometer verändert seyn konnte. Seit dem 13 habe ich das chinesische Piket (Vorposten) in der Songarei besucht. Wir waren gezwungen, unsre Wagen in Ust- Kamenogorsk zu lassen, und uns, über abscheuliche Wege, langer sibirischer Wagen zu bedienen, in denen man sich liegend hält. Ehe ich jedoch von dem Tage spreche, den wir in dem "himmlischen Reiche der Mitte" zubrachten, muß ich den Faden meiner Reise wieder aufnehmen. Die Schönheit der Jahrszeit veranlaßte uns, den Altai und den obern Irtisch dem ursprünglichen Plane unsers Ausflugs beizufügen. Der Generalgouverneur Westsibiriens, General Williaminoff, ließ uns durch einen seiner Adjutanten, Hrn. v. Yermoloff, begleiten. Der General Litvinoff, der auf der ganzen Linie der Kirgisen befehligt, begab sich, von Tomsk kommend, selbst nach den Gebirgen von Kolivan, um sich uns anzuschließen und uns zu dem chinesischen Posten zu führen. Wir kamen daselbst an über Kaimsk und die Steppe von Baraba, wo die Mosquitos mit denen des Orinocco wetteifern, und wo man unter einer Maske von Pferdhaaren fast erstikt, ferner über die schönen Hüttenwerke von Barnaul, den romantischen See von Kolivan, die berühmten Minen von Schlangenberg, die jährlich 40,000 Pf. goldhaltiges Silber geben. Man hatte im Voraus zu einem der chinesischen Posten der Mongolei (Songarei) geschikt, um zu erfahren, ob er uns mit dem General Litvinoff empfangen wolle. Die Erlaubniß ward bewilligt, mit der ganz chinesischen Etikettebemerkung, daß der chinesische Befehlshaber von Baty erwarte, man werde ihm, troz des Rangunterschieds, den ersten Besuch in seinem Zelte machen, da er sich eben so benehmen würde, wenn er je das russische Gebiet berührte. In Baty sind zwei chinesische Lager auf beiden Seiten des Irtisch; jämmerliche Lederzelte von mongolischen oder cambauzischen Soldaten bewohnt. Auf einem dürren Hügel befindet sich ein kleiner chinesischer Tempel. In dem Thale weiden zweihökerige baktrische Kamele. Die beiden chinesischen Befehlshaber, von denen einer erst vor einer Woche von Peking angekommen war, sind von rein chinesischem Stamme. Sie werden alle drei Jahre geändert. In Seide gekleidet, eine schöne Pfauenfeder auf der Müze, empfingen sie uns mit einer sehr ergözlichen Gravität. Gegen einige Ellen rothen Tuchs und Sammets erhielt ich ein chinesisches Buch in fünf Bänden, ein historisches Werk, das, so gewöhnlich es auch seyn mag, doch als Andenken an diese kleine Erkursion von Werth für mich ist. Glüklicherweise war auch für Hrn. Ehrenberg diese mongolische Gränze eine reiche Fundgrube neuer Pflanzen und Insekten. Was uns aber diese Reise nach dem Altai sehr wichtig macht, ist, daß nirgends sonst in den beiden Hemisphären der Granit von gewöhnlichem grobem Feldspath, ohne Albit, ohne Gneis und Glimmerschiefer, solche Beweise der Eruption und der Ausströmung darbietet, wie auf dem Altai. Man sieht den Granit nicht nur in Erzgänge dringen, die sich nach Oben in den Thonschiefer verlieren, und sich durch diese Gebirgsart Bahn brechen, sondern auch sich über dieselbe sichtbar und ununterbrochen auf mehr als 2000 Toisen lang verbreiten. Ich versuchte die Temperatur der Erde (sie ist oft + 2°) so wie die magnetische Neigung und Intensität an den Orten zu beobachten, welche die HH. Hansteen und Ermann nicht besucht haben. Dieselben Punkte beweisen die Bewegung der Knoten von Ost nach West, die du in deinem Berichte über Hrn. Freycinets Reise hervor hobst. Die Post geht ab; ich kan diesen so verwirrten Brief nicht mehr lesen und korrigiren. Ich hoffe dich nächsten Sommer zu umarmen. Tausend Grüße an Gay-Lussac.