Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Originalzeilenfall ein/aus
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „[Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Von Alexander von Humboldt]“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1828-xxx_Rede_gehalten_bei-08-neu> [abgerufen am 26.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1828-xxx_Rede_gehalten_bei-08-neu
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel [Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Von Alexander von Humboldt]
Jahr 1828
Ort Berlin
Nachweis
in: „Wissenschaftliche und literarische Notizen“, in: Kritisches Repertorium für die gesammte Heilkunde 20:2 (1828), S. 292–305, hier S. 295–302.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Sperrung; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.94
Dateiname: 1828-xxx_Rede_gehalten_bei-08-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 14
Zeichenanzahl: 25600

Weitere Fassungen
[Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828] (Hamburg, 1828, Deutsch)
Alexander von Humboldt’s Rede bei Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte (Frankfurt am Main, 1828, Deutsch)
M. de Humboldt (Paris, 1828, Französisch)
Rede, gehalten bei der Eröfnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Berlin am 18 Sept. 1828 (Augsburg, 1828, Deutsch)
[Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Von Alexander von Humboldt] (Paris, 1828, Französisch)
Bruchstücke aus der Rede Alexander’s v. Humboldt bey Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher u. Aerzte in Berlin, am 28. Sept. 1828 (Gotha, 1828, Deutsch)
Mowa Alexandra Humboldta, miana na piérwszém posiedzeniu (Vilnius, 1828, Polnisch)
[Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Von Alexander von Humboldt] (Berlin, 1828, Deutsch)
Account of the great Congress of Philosophers at Berlin on the 18th September 1828. Communicated by a Correspondent (Edinburgh; London, 1829, Englisch)
Amtlicher Bericht über die Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Berlin im September 1828, erstattet von den damaligen Geschäftsführern A. v. Humboldt und H. Lichtenstein. Nebst einer lithogr. Sammlung eigenhändiger Namenszüge der Theilnehmer (Berlin, 1829, Deutsch)
Eröffnungsrede (Leipzig, 1829, Deutsch)
Bericht ueber die Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg, in September, 1829 [...]. Rede, gehalten bei der Eroeffnung der Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Berlin, am 18ten September, 1828 (Boston, Massachusetts, 1830, Englisch)
Congress of philosophers (New York City, New York, 1830, Englisch)
Congress of philosophers (Baltimore, Maryland, 1830, Englisch)
Account of the great Congress of Philosophers at Berlin, on the 18th of September, 1828 (London, 1830, Englisch)
|292|

1. Wissenschaftliche und literarischeNotizen.


Berlin. Die Versammlung der deutschen Natur-forscher und Aerzte’ die in diesem Jahre hierselbstvom 18ten bis 24sten September Statt gefunden, hat ein rei-ches wissenschaftliches Leben in Berlin entfaltet, und wirdin den Annalen dieser Gesellschaft, die sich vielleicht niewieder so glänzend und zahlreich zusammen finden wird,eine eben so denkwürdige Epoche bilden, als sie für dasgelehrte Berlin unvergeßlich bleiben wird. Der unpartheii-sche Zuschauer wird gestehen müssen, daß die BerlinerGelehrten den Fremden zu danken haben für die glänzende Fre-quenz, und daß die Gäste eben so den Berlinern dankbarverpflichtet sind für die Bereitwilligkeit, mit der ihnen über-all entgegengekommen wurde, für die collegialische Liebe,die sich bei allen Gelegenheiten, in den öffentlichen Ver-sammlungen, wie in den zahlreichen Privatzirkeln, aufs er-freulichste ausgesprochen hat. Zunächst gebührt dieser |293| Dank den Ordnern, den Hrn. Alexander v. Humbold Corres-pondenz. und Lichtenstein, die mit einer Sorgsamkeit, wie sienur aus dem regsten Eifer für die gute Sache erwachsenkonnte, für das Größte, wie für das Kleinste, bis zum Mie-then der Wohnungen u. dgl. unermüdlich thätig gewesensind. In einer großen vielfach bewegten Stadt würde dieso zahlreiche Gesellschaft auseinandergefallen seyn, wennnicht eine ordnende Hand die Glieder zur Kette gefügt hät-te. Was unsre Regierung für die Zwecke des Vereins ge-than, ist nicht mit Ostentation, aber um so kräftiger undentgegenkommender geschehen, und so hat sich Alles ver-einigt, um die diesjährige Versammlung zu einem wahrhaf-ten deutschen Congreß für die betreffenden Gelehrten zugestalten. Als schwachen Nachhall dieser schönen Tagemüssen wir denjenigen unserer Leser, die nicht anwesendseyn konnten, einen kurzen Bericht vom äußern Treibender Versammlung liefern; das innere Leben derselben istkein Gegenstand für den Berichterstatter; man muß diefreudigen Gefühle der interessantesten persönlichen Berüh-rungen empfunden, den deutschen Fleiß, die Liebe, denEifer beobachtet haben, wie er sich namentlich in den Pri-vatvereinen dargelegt hat, um die wesentlichen Tendenzender Gesellschaft ganz zu begreifen. Der Verein zählte imGanzen an hiesigen und Fremden 463 Mitglieder, (worunternicht wenige aus Schweden, Dänemark, aus England, Polen,Rußland, Italien, Frankreich). Es ist uns, bei der Be-schränktheit des Raumes, nicht vergönnt, sämmtliche Na-men hier aufzuführen, wir können es uns aber nicht ver-sagen, wenigstens die ärztlichen Mitglieder (nach dem Ver-zeichnisse und ohne alle Rangordnung) zu nennen: Kreyssig, Tiedemann, S. G. Vogel, Sulzer (aus Rön-neburg), Gmelin, Stark, Seiler, v. Froriep, Harleß, Wie-deman, Wendt (aus Breslau), Oken, Otto, Burdach, Pur-kinje, v. Baer, v. Schönberg, Buch (a. Frankf, a. M.), |294| Corres-pondenz. Goeppert (a. Breslau), Retzius (a. Stockholm), v. Ammon,Warnekros, Augustin, Krukenberg, Kranz (a. Königsberg), Münz (a. Landshut), Jäger (a. Erlangen), Schulz (a. Bran-denburg), Weber (a. Leipzig), Weber (a. Bonn), Helm (a. Stolp), Rumpilt (a. Dresden), Mandt (a. Cüstrin), Meißner (a. Leipzig), Berndt, Lichtenstedt (a. Breslau), Pagenstecher (a. Elberfeldt), Wallroth (a. Nordhausen), Starck, Müller (a. Bonn), Schön (a. Hamburg), Struve (a.Dresden), Roer (a. Marsberg), Merrem, Ritterich, Spitta,Strempel, Heusinger, Sachs, Joerg, Himly jun. (a. Göttin-gen), Wutzer (a. Münster), Vering (a. Zierborn), Ficker (a. Paderborn), Weber II. (a. Halle), Petersen (a. Frankf.a. O.), Eggert (a. Eisleben), Ilmoni (a. Abo), Nicolai (a.Halberstadt), Sanmark (a. Abo), Laurer (a. Greifswald), Wilbrand, Ritgen, Rathke (a. Danzig), Neuburg (a. Frankf.a. M.), Meyer (a. Minden), Larpent (a. Copenhagen), Pierer, Menke, Julius, Henschel (a. Breslau), Creplin (a.Wolgast), Schwarz (a. Fulda), Stachow (a. Bremen), Kö-ler (a. Zelle), Burchard (a. Güstrow), Heymann (a. Coblenz), Reimann (a. Zilenzig), Winkler (a. Leipzig), Lichtenstein (a. Helmstädt), Busch, Schulz, Scheewen (a. Malchin), Meyer (a. Potsdam), Messerschmidt (a. Naumburg), Stapf (ebendas.), Rehmann (a. Petersburg), Geitner (a. Schneeberg), Puhlmann (a. Potsdam), Plagge (a. Steinfurt), Rummel (a. Merseburg), Binger (a. Stendal), Riecke (a. Stargart), Müller (a. Wit-tenberg), Berthold (a. Göttingen), Klose (a. Leipzig), Winck-ler (a. Altenburg), Hartmann (a. Frankf. a. O.), Estreicher (a. Krakau), Poenitz (a. Dresden), Kleinert (a. Leipzig), Behn (a. Lübeck), Siebert (a. Brandenburg), Kaczkowski (a. Volhynien), Niemeyer, Weinschenk (a. Madgehurg), Franke (a. Dresden), Lehmann (a. München), Michaelis (a. Magdeburg), Meißner (a. Halle), Becker (a. Mühlhau-sen), Behr (a. Bernburg), Mampe (a. Stargard), Düffer (a.Halle), Wagner (a. Schlieben), Holt-Yates (a. London), |295| Schulz (a. Magdeburg) — und von Berliner Aerzten, dieCorres-pondenz. als Mitglieder der Versammlung beitraten: Knape, v. Grae-fe, Rudolphi, Hufeland I. u. II., v. Wiebel, Horn, Rust,Heim I. u. II., Bartels, Link, Langerman, Ehrenberg,Horkel, Klug, Natorp, Barez, Hecker, Balz, Kranichfeld,Hauck, Reich, Büttner, Neumann, Kluge, v. Könen,Bremer, Schultz, Lohmeier, Wolfart, Osann, Klaatsch,Jüngken, Wagener, Völtzke, Weitsch, Bruckert, Casper,Eck, Schmidt, Busse, v. Martius, Bing, Seegert, Andresse,Dieffenbach, Schlemm, Gedicka, Kothe, Baum, v. Ar-nim, Brand, d’Alton, Friedheim, Eckardt, Boehr, Leo,Wolf I. u. II., Hesse I. u. II., Kunde, Graefe, Romberg,C. Maier, v. Siebold, Rintel, Krause, Schmidt, Ascher-son, Ratzeburg, M. Mayer, Schweitzer, Troschel,Welper, Behrend, Kuntzman, Schults, v. Stosch, Stein-rück, Ohrtmann, Sundelin, Thaer, Thümmel, Breyer,Rosenstiel u. s. w. Der ganze Kreis der Gelehrten versammelte sich, nach-dem die frühen Morgenstunden zum Besichtigen der, mitgroßer Liberalität geöffneten Sammlungen, zu Privatver-handlungen, benutzt worden waren, täglich um 10 Uhr imherrlichen Saale der Singeakademie zum Anhören der Vor-lesungen, die von Hrn. v. Humbold am 18ten mit einerkurzen, geistvollen Rede eröffnet wurden, mit welcher wirum so lieber unsre Zeitschrift zieren, als diejenigen unsererauswärtigen Leser, die die Gesellschaft diesmal nicht beehrenkonnten, eine möglichst ausführliche Relation davon wün-schen dürften, und welche Rede daher hier folgt: „Wenn es mir durch Ihre ehrenvolle Wahl vergönntist diese Versammlung zu eröffnen, so habe ich zuerst einePflicht der Dankbarkeit zu erfüllen. Die Auszeichnung,welche dem zu Theil geworden, der noch nie Ihren denk-würdigen Vereinen beiwohnen konnte, ist nicht der Lohnwissenschaftlicher Bestrebungen, einzelner schwachen Ver-suche, in dem Drange der Erscheinungen das Beharrende |296| Corres-pondenz.aufzufinden, aus den schwindelnden Tiefen der Natur dasdämmernde Licht der Erkenntniß zu schöpfen. Ein zar-teres Gefühl hat Ihre Aufmerksamkeit auf mich geleitet.Sie haben aussprechen wollen, daß ich in vieljähriger Ab-wesenheit selbst in einem fernen Welttheile, nach gleichenZwecken mit Ihnen hinarbeitend, Ihrem Andenken nichtfremd geworden bin. Sie haben meine Rückkunft gleich-sam begrüßen wollen, um durch die heiligen Bande desDankgefühls mich länger und inniger an das gemeinsameVaterland zu fesseln.“ „Was aber kann das Bild dieses gemeinsamen Vaterlan-des erfrenlicher vor die Seele stellen, als die Versammlung,die wir heute zum ersten Male in unsern Mauern empfan-gen. Von dem heitern Neckarlande, wo Kepler und Schiller geboren wurden, bis zu dem letzten Saume derbaltischen Ebenen; von diesen bis gegen den Ausfluß desRheins, wo, unter dem wohlthätigen Einfluß des Welthan-dels, seit Jahrhunderten die Schätze einer exotischen Naturgesammelt und erforscht wurden, sind, von gleichem Eiferbeseelt, von einem ernsten Gedanken geleitet, Freunde derNatur zu diesem Vereine zusammengeströmt. Ueberall, wodie deutsche Sprache ertönt, und ihr sinniger Bau auf denGeist und das Gemüth der Völker einwirkt, von dem ho-hen Alpengebirge Europas, bis jenseits der Weichsel, wo,im Lande des Copernicus, die Sternkunde sich wieder zuneuem Glanz erhoben sieht; überall in dem weitem Gebie-te deutscher Nation, nennen wir unser jedes Bestreben, demgeheimen Wirken der Naturkräfte nachzuspüren, sey es inden weiten Himmels-Räumen, dem höchsten Problem derMechanik, oder in dem Innern des starren Erdkörpers,oder in dem zartgewebten Netze organischer Gebilde.“ „Von edlen Fürsten beschirmt, hat dieser Verein alljäh-rig an Interesse und Umfang zugenommen. Jede Entfer-nung, welche Vorschiedenheit der Religion und bürgerlicherVerfassung erzeugen könnten, ist hier aufgehoben. Deutsch- |297| land offenbart sich gleichsam in seiner geistigen Einheit;Corros-pondenz. und, wie Erkenntniß des Wahren und Ausübung derPflicht der höchste Zweck der Sittlichkeit sind, so schwächtjenes Gefühl der Einheit keine der Banden, welche jedemvon uns Religion, Verfassung und Gesetze der Heimaththeuer machen. Eben dies gesonderte Leben der deutschenNation, dieser Wetteifer geistiger Bestrebungen, riefen (solehrt es die ruhmvolle Geschichte des Vaterlandes) dieschönsten Blüthen der Humanität, Wissenschaft und Kunsthervor.“ „Die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerztehat, seit ihrer letzten Versammlung, da sie in München ei-ne so gastliche Aufnahme fand, durch die schmeichelhafteTheilnahme benachbarter Staaten und Akademien, sich ei-nes besondern Glanzes zu erfreuen gehabt. Stammverwand-te Nationen haben den alten Bund erneuern wollen zwi-schen Deutschland und dem gothisch-scandinavischen Nor-den. Eine solche Theilnahme verdient um so mehr unsreAnerkennung, als sie der Masse von Thatsachen und Mei-nungen, welche hier in einen allgemeinen, fruchtbringendenVerkehr gesetzt werden, einen unerwarteten Zuwachs ge-währt. Auch ruft sie in das Gedächtniß der Naturkundi-gen erhebende Erinnerungen zurück. Noch nicht durchein halbes Jahrhundert von uns getrennt, erscheint Linné,in der Kühnheit seiner Unternehmungen, wie durch das,was er vollendet, angeregt und beherrscht hat, als eine dergroßen Gestalten eines früheren Zeitalters. Sein Ruhm, soglänzend er ist, hat dennoch Europa nicht undankbar ge-gen Scheele’s und Bergmann’s Verdienste gemacht.Die Reihe dieser gefeierten Namen ist nicht geschlossen ge-blieben; aber in der Furcht, edle Bescheidenheit zu verlet-zen, darf ich hier nicht von dem Lichte reden, welchesnoch jetzt in reichstem Maaße von dem Norden ausgeht:nicht der Entdeckungen erwähnen, welche die innere che-mische Natur der Stoffe (im numerischen Verhältniß ihrer |298| Corres-pondenz.Elemente) oder das wirbelnde Strömen der electro-magne-tischen Kräfte enthüllen. Mögen die trefflichen Männer,welche durch keine Beschwerden von Land- und Seereisenabgehalten wurden, aus Schweden, Norwegen, Dänemark,Holland, England und Polen unserm Vereine zuzueilen, an-dern Fremden, für kommende Jahre, die Bahn bezeichnen,damit wechselsweise jeder Theil des deutschen Vaterlandesden belebenden Einfluß wissenschaftlicher Mittheilung ausden verschiedensten Ländern von Europa genieße.“ „Wenn ich aber, im Angesichte dieser Versammlung,den Ausdruck meiner persönlichen Gefühle zurückhaltenmuß, so sey es mir wenigstens gestattet, die Patriarchenvaterländischen Ruhmes zu nennen, welche die Sorge fürihr der Nation theures Leben von uns entfernt hält; Gö-the, den die großen Schöpfungen dichterischer Phantasienicht abgehalten haben, den Forscherblick in alle Tiefendes Naturlebens zu tauchen, und der jetzt, in ländlicherAbgeschiedenheit, um seinen fürstlichen Freund, wie Deutsch-land um eine seiner herrlichsten Zierden, trauert; Olbers,der zwei Weltkörper da entdeckt hat, wo er sie zu suchengelehrt; den größten Anatomen unseres Zeitalters Söm-merring, der mit gleichem Eifer die Wunder des orga-nischen Baues, wie der Sonnenfackeln und Sonnenflecke(Verdichtungen und Oeffnungen im wallenden Lichtmeere)durchspäht; Blumenbach, auch meinen Lehrer, der durchseine Werke und das belebende Wort überall die Liebezur vergleichenden Anatomie, Physiologie und gesammtenNaturkunde angefacht, und wie ein heiliges Feuer, längerals ein halbes Jahrhundert, sorgsam gepflegt hat. Konnteich der Versuchung widerstehen, da die Gegenwart solcherMänner uns nicht vergönnt ist, wenigstens durch Namen,welche die Nachwelt wiedersagen wird, meine Rede zuschmücken?“ „Diese Betrachtungen über den geistigen Reichthum des |299| Vaterlandes, und die davon abhängige fortschreitende Ent-Corres-pondenz. wicklung unsers Instituts, leiten unwillkührlich auf die Hin-dernisse, die ein größerer Umfang (die anwachsende Zahlder Mitarbeiter) der Ausführung eines ernsten wissenschaft-lichen Unternehmens scheinbar entgegenstellen. Der Haupt-zweck des Vereins (Sie haben es selbst an ihrem Stiftungs-tage ausgesprochen) bestehet nicht, wie in andern Akade-mien, die eine geschlossene Einheit bilden, in gegenseitigerMittheilung von Abhandlungen, in zahlreichen Vorlesungen,die alle zum Druck bestimmt, nach mehr als Jahresfrist ineignen Sammlungen erscheinen. Der Hauptzweck dieserGesellschaft ist die persönliche Annäherung derer, welchedasselbe Feld der Wissenschaften bearbeiten; die mündli-che und darum mehr anregende Auswechselung von Ideen,sie mögen sich als Thatsachen, Meinungen oder Zweifel dar-stellen; die Gründung freundschaftlicher Verhältnisse, wel-che den Wissenschaften Licht, dem Leben heitre Anmuth,den Sitten Duldsamkeit und Milde gewähren.“ „Bei einem Stamme, der sich zur schönsten geistigenIndividualität erhoben hatte, und dessen spätesten Nach-kommen, wie aus dem Schiffbruche der Völker gerettet, wirnoch heute unsre bangen Wünsche weihen, in der Blüthe-zeit des hellenischen Alterthums, offenbarte sich am kräftig-sten der Unterschied zwischen Wort und Schrift. Nichtdie Schwierigkeit des Ideenverkehrs allein, nicht die Ent-behrung einer deutschen Kunst, die den Gedanken wie aufFlügeln durch den Raum verbreitet und ihm lange Dauerverheißt, geboten damals den Freunden der Philosophieund Naturkunde, Hellas, oder die dorischen und jonischenKolonien in Groß-Griechenland und Klein-Asien, auf lan-gen Reisen zu durchwandern. Das alte Geschlecht kannteden Werth des lebendigen Wortes, den begeisternden Ein-fluß, welchen durch ihre Nähe hohe Meisterschaft ausübt,und die aufhellende Macht des Gesprächs, wenn es unvor- |300| Corres-pondenz.bereitet, frei und schonend zugleich, das Gewebe wissen-schaftlicher Meinungen und Zweifel durchläuft. Entschleie-rung der Wahrheit ist ohne Divergenz der Meinungennicht denkbar, weil die Wahrheit nicht in ihrem ganzenUmfang, auf einmal, und von allen zugleich, erkannt wird.Jeder Schritt, der den Naturforscher seinem Ziele zu nä-hern scheint, führt ihn an den Eingang neuer Labyrinthe.Die Masse der Zweifel wird nicht gemindert, sie verbreitetsich nur, wie ein beweglicher Nebelduft, über andre undandre Gebiete. Wer golden die Zeit nennt, wo Verschie-denheit der Ansichten, oder, wie man sich wohl auszudrük-ken pflegt, der Zwist der Gelehrten, geschlichtet seyn wird,hat von den Bedürfnissen der Wissenschaft, von ihremrastlosen Fortschreiten, eben so wenig einen klaren Begriffals derjenige, welcher, in träger Selbstzufriedenheit, sichrühmt, in der Geognosie, Chemie oder Physiologie, seitmehreren Jahrzehenden, dieselben Meinungen zu verthei-digen.“ “Die Gründer dieser Gesellschaft haben, in wahrem undtiefem Gefühle der Einheit der Natur, alle Zweige des phy-sikalischen Wissens (des beschreibenden, messenden undexperimentirenden) innigst mit einander vereinigt. Die Be-nennungen Naturforscher und Aerzte sind daher hier fastsynonym. Durch irdische Bande an den Typus niedererGebilde gekettet, vollendet der Mensch die Reihe höhererOrganisationen. In seinem physiologischen und pathologi-schen Zustande bietet er kaum eine eigene Classe von Er-scheinungen dar. Was sich auf diesen hohen Zweck desärztlichen Studiums bezieht, und sich zu allgemeinen na-turwissenschaftlichen Ansichten erhebt, gehört vorzugsweisefür diesen Verein. So wichtig es ist, nicht das Band zulösen, welches die gleichmäßige Erforschung der organi-schen und unorganischen Natur umfaßt, so werden den-noch der zunehmende Umfang und die allmählige Entwik- |301| kelung dieses Instituts die Nothwendigkeit fühlen lassen,Corres-pondenz. außer den gemeinschaftlichen öffentlichen Versammlungen,denen diese Halle bestimmt ist, auch sectionsweise ausführ-lichere Vorträge über einzelne Disciplinen zu halten. Nurin solchen engeren Kreisen, nur unter Männern, welcheGleichheit der Studien zu einander hinzieht, sind mündli-che Discussionen möglich. Ohne diese Art der Erörterung,ohne Ansicht der gesammelten, oft schwer zu bestimmen-den, und darum streitigen Naturkörper, würde der freimü-thige Verkehr Wahrheit-suchender Männer eines beleben-den Princips beraubt seyn.“ „Unter den Anstalten, welche in dieser Stadt zur Auf-nahme der Gesellschaft getroffen worden sind, hat man vor-züglich auf die Möglichkeit einer solchen Absonderung inSectionen Rücksicht genommen. Die Hoffnung, daß dieseVorkehrungen sich Ihres Beifalls erfreuen werden, legt mirdie Pflicht auf, hier in Erinnerung zu bringen, daß, ob-gleich Ihr Vertrauen zweien Reisenden zugleich die Ge-schäftsführung übertragen hat, doch nur einem allein, mei-nem edlen Freunde, Hrn. Lichtenstein, das Verdienstsorgsamer Vorsicht und rastloser Thätigkeit zukommt. Denwissenschaftlichen Geist achtend, der die Gesellschaft deut-scher Naturforscher und Aerzte beseelt, und die Nützlich-keit ihres Bestrebens anerkennend, ist das Königliche Mi-nisterium des Unterrichts, seit vielen Monaten, jedem unsrerWünsche mit der aufopferndsten Bereitwilligkeit zuvorge-kommen“. „In der Nähe der Versammlungsorte, welche auf dieseWeise für Ihre allgemeinen und besondern Arbeiten vor-bereitet worden, erheben sich die Museen, welche der Zer-gliederungskunst, der Zoologie, der Oryktognosie und derGebirgskunde gewidmet sind. Sie liefern dem Naturfor-scher einen reichen Stoff der Beobachtung und vielfacheGegenstände kritischer Discussionen. Der größere Theil |302| Corres-pondenz.dieser wohlgeordneten Sammlungen zählt, wie die Univer-sität zu Berlin, noch nicht zwei Decennien; die ältesten,zu welchen der botanische Garten (einer der reichsten inEuropa) gehört, sind in dieser Periode nicht bloß vermehrt,sondern gänzlich umgeschaffen worden. Der frohe undlehrreiche Genuß, den solche Institute gewähren, erinnertmit tiefem Dankgefühle, daß sie das Werk des erhabenen Monarchen sind, der, geräuschlos, in einfacher Größe,jedes Jahr diese Königsstadt mit neuen Schätzen der Naturund der Kunst ausschmückt, und, was einen noch höherenWerth hat, als diese Schätze selbst, was dem preußischenVolke jugendliche Kraft und inneres Leben und gemüth-volle Anhänglichkeit an das alte Herrscherhaus giebt, dersich huldreich jedem Talente zuneigt, und freier Ausbildungdes Geistes vertrauensvoll seinen Königlichen Schutz ver-leiht.“ — Folgende Gelehrte haben im Ganzen Vorlesungen ge-halten: Hr. Pr. Oersted aus Kopenhagen über Elektro-magnetismus, Hr. Pr. Pusch aus Warschau, über diegeognostische Construction der Karpathen, Hr. Dr. Behr aus Bernburg, über den angeborenen Mangel der Regenbo-genhaut, Hr. Pr. v. Münchow aus Bonn, über farbigeSchatten, Hr. Pr. Henschel aus Breslau. über die Bestäu-bung der Pflanzenblüthen mit dem Pollen, Hr. Pr. Schulz ans Freiburg im Breisgau, über Physiologie der Milz, unddie Ausschneidung derselben bei Menschen und Thieren;Hr. Geh. Rath Wendt aus Breslau, über Stein-Erzeugungim menschlichen Körper; Hr. Pr. v. Berzelius aus Stock-holm, über die mit dem Platin gewöhnlich verbundenenMetalle; Hr. Dr. Weber aus Halle, über die Schwingun-gen tönender Körper, besonders in Bezug auf Constructionder Orgelpfeifen; Hr. Dr. Göppert aus Breslau, über Ein-wirkung des Kamphers und der narcotischen Gifte auf Pflan-zen; Hr. Pr. Lampadius aus Freiburg, über Schwefel- |303| kohle und Schwefel-Alkohol als Arzneimittel; Hr. Pr. Schulz Corres-pondenz. aus Berlin, über einige in der Mark gefundene fossile Fisch-knochen; Hr. Pr. Vogel von München, über die Zerset-zung schwefelsaurer Salze durch organische Stoffe; Hr. Ob.-Med.-Rath Dr. v. Froriep aus Weimar, über dreifacheMonstruosität; Hr. Pr. Dr. Reinward aus Leyden, überdie Vegetations-Verhältnisse der Inseln des Indischen Ar-chipels; Hr. Pr. Dr. Oken aus München, über die Gesetzein der Anzahl der Wirbel der Thiere; Hr. Pr. Dr. Hoff-mann von Halle, über die geognostischen Verhältnisse desnordwestlichen Deutschlands; Hr. Dr. Keilhau von Chri-stiania, über die Bildung der Insel Spitzbergen; Hr. Supe-rintendent Wagner aus Potsdam, über das Leben des Erd-balls und aller Weltkörper; Hr. Pr. August aus Berlin,über die neusten Fortschritte der Hygrometrie; Hr. Pr. v. Martius aus München, über die Architektonik der Blu-men; Hr. Pr. Egen aus Soest, über den Heer-Rauch; Hr.Pr. Fischer aus Breslau, über die chemische Wirkungder galvanischen Electricität; Hr. Pr. v. Bär aus Königs-berg, über die Form-Aenderungen in der Entwicklung derThiere; Hr. Dr. Plagge aus Steinfurt: physiologische Be-merkungen über das Sehen; Hr. Pr. Jörg aus Leipzig,über Pubertät; Hr. Pr. Pohl aus Berlin die Haupt-Ergeb-nisse seiner Untersuchungen über den Galvanismus; Hr.Pr. Glocker von Breslau, über das Groß-UllersdorferGebirge in Mähren; Hr. Hofrath Nürnberger, über diephysische Einrichtung der Planeten und ihre Bewohner;Hr. Dr. Hohl, über Blitzfiguren auf der Haut der vomBlitz getroffenen Personen; Hr. Pr. Hünefeld, Bemer-kungen über den Brom-Gehalt der Greifswalder Saline; Hr.Dr. Runge über einen neuen Stoff, den er in den Pflan-zen gefunden; Hr. Dr. Meyen über Parasiten. Nach geendigten Vorlesungen versammelte sich die Ge-sellschaft im großen Saale, der im neuen Königl. Exercier- |304| Corres-pondenz.hause eigends zu diesem Zwecke eingerichtet worden warund worin an zwanzig Tischen jeden Mittag im Ganzen für480 Personen gedeckt war. Am Abend des ersten Tages(18ten Septbr.) gab Hr. v. Humbold eine glänzende Er-öffnungsfeier im Saale des Schauspielhauses, die Sr. Ma-jestät der König und die Prinzen des Hauses mit HöchstIhrer Gegenwart beehrten, und wozu nicht nur vom be-rühmten Gastgeber sämmtliche Mitglieder der Gesellschaft,sondern, damit denselben Gelegenheit gegeben werden möch-te, ausgezeichnete Personen der Residenz kennen zu lernen,eben die berühmtesten und interessantesten Männer aus derGelehrten-, Künstler- und Beamtenwelt eingeladen wordenwaren, so daß man wohl selten einen so vielgeltenden Kreisvon Männern (7 — 800 Personen) zusammen gesehen hat.Der Saal war geschmackvoll decorirt worden und im Chorglänzten in Transparents die Namen der berühmtesten ver-storbenen deutschen Gelehrten aus allen Fächern der Na-turwissenschaften. Die übrigen Abende wurden theils inden einzelnen Sectionen mit Vorlesungen, theils in den zahl-reichen Privatzirkeln u. s. w. verbracht, und so war fürlebhafte Anregung und interessante Berührung vielfach ge-sorgt. Es war diesmal, und so viel uns bewußt, zum er-stenmale, bei der so überaus zahlreichen Versammlung dasBedürfniß gefühlt worden, das Hr. v. Humb. in seiner Re-de schon ausgesprochen hatte, die ganze Masse in einzelneSectionen zu trennen, damit das Gleichnamige sich innigerzum Gleichnamigen fügen und der Gelehrte des einzelnenFaches Gelegenheit haben möge, zu seinem speciellern Col-legen zu reden. So waren an einem öffentlichen Orte ein-zelne Zimmer eingerichtet, in denen resp. die Zoologen. Bo-taniker, Mineralogen, Aerzte, Anatomen u. s. w. sich Nach-mittags und Abends versammelten, Gegenstände vorzeigten,Vorlesungen hielten, mündlich debattirten u. s. w. und sozeigte sich denn also auch in dieser Anordnung, wie in al- |305| len Uebrigen von Seiten der Vorsteher eine Sorgfalt, eineCorres-pondenz. Zweckmäßigkeit, eine unermüdliche Umsicht, die nur inder Zufriedenheit sämmtlicher anwesender Mitglieder, inden Genüssen, die dieselben in und mit der Gesellschaftempfunden, einen Lohn gefunden haben mag. — In derWahl des Versammlungsortes für das nächste Jahr schwank-ten die Stimmen zwischen Heidelberg und Bonn, bis sichdie Mehrzahl für Heidelberg entschied, wo Tiedemann und Gmelin zu Vorstehern ernannt wurden. Möge dieGesellschaft ein Jahresfest zur Verherrlichung deutscherWissenschaft bleiben, möge sie überall, wie hier, für dieSache begeisterte Ordner des Ganzen und so zahlreiche fürdie Sache begeisterte Theilnehmer finden, und es wird nichtfehlen, daß sie für die Fortbildung der Wissenschaftenselbst eine einflußreiche Bedeutung gewinnt! Leipzig. Bei der immer größern Bedeutung, wel-che die mittelbare Auscultation und Percussion als Erkennt-nißmittel der wichtigsten Veränderungen innerer Organe(z. B. bei Lungen- und Herzkrankheiten, Knochenbrüchen,Schwangerschaft u. s. w.) erlangen, auf die neuerlichst von Nasse, Collin und Bourel (die Untersuchung der Brustu. s. w. Köln 1828) abermals aufmerksam gemacht wurde,wird es unsern Lesern lieb seyn zu erfahren, daß die von Piorry verbesserten Pariser Stethoscope mit Elfenbein-Pleximetre und die mit Griffen versehenen (à anses) Ple-ximetres bei Leopold Voß hierselbst, erstere für 1 Thlr.16 gr. Cour., letztere für 12 gr. Cour. zu haben sind.Der Gebrauch des Stethoscops ist dem des Laennec’schengleich, nur leichter und nützlicher, und ist, so wie der Ple-ximetres beschrieben in PiorryLa percussion médiate etc. Paris 1828, wovon eine Uebersetzung bei Stahl inWürzburg unter der Presse ist.