Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Originalzeilenfall ein/aus
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „Bruchstücke aus der Rede Alexander’s v. Humboldt bey Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher u. Aerzte in Berlin, am 28. Sept. 1828“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1828-xxx_Rede_gehalten_bei-06-neu> [abgerufen am 28.03.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1828-xxx_Rede_gehalten_bei-06-neu
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Bruchstücke aus der Rede Alexander’s v. Humboldt bey Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher u. Aerzte in Berlin, am 28. Sept. 1828
Jahr 1828
Ort Gotha
Nachweis
in: Allgemeiner Anzeiger der Deutschen. Der öffentlichen Unterhaltung über gemeinnützige Gegenstände aller Art gewidment. Zugleich Allgemeines Intelligenz-Blatt zum Behuf der Justiz, der Polizen und der bürgerlichen Gewerbe 2:283 (16. Oktober 1828), Sp. 3177–3181.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Auszeichnung: Schwabacher; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.94
Dateiname: 1828-xxx_Rede_gehalten_bei-06-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 3
Spaltenanzahl: 2
Zeichenanzahl: 8203

Weitere Fassungen
[Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828] (Hamburg, 1828, Deutsch)
Alexander von Humboldt’s Rede bei Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte (Frankfurt am Main, 1828, Deutsch)
M. de Humboldt (Paris, 1828, Französisch)
Rede, gehalten bei der Eröfnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Berlin am 18 Sept. 1828 (Augsburg, 1828, Deutsch)
[Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Von Alexander von Humboldt] (Paris, 1828, Französisch)
Bruchstücke aus der Rede Alexander’s v. Humboldt bey Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher u. Aerzte in Berlin, am 28. Sept. 1828 (Gotha, 1828, Deutsch)
Mowa Alexandra Humboldta, miana na piérwszém posiedzeniu (Vilnius, 1828, Polnisch)
[Rede, gehalten bei der Eröffnung der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Berlin, am 18ten September 1828. Von Alexander von Humboldt] (Berlin, 1828, Deutsch)
Account of the great Congress of Philosophers at Berlin on the 18th September 1828. Communicated by a Correspondent (Edinburgh; London, 1829, Englisch)
Amtlicher Bericht über die Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu Berlin im September 1828, erstattet von den damaligen Geschäftsführern A. v. Humboldt und H. Lichtenstein. Nebst einer lithogr. Sammlung eigenhändiger Namenszüge der Theilnehmer (Berlin, 1829, Deutsch)
Eröffnungsrede (Leipzig, 1829, Deutsch)
Bericht ueber die Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Heidelberg, in September, 1829 [...]. Rede, gehalten bei der Eroeffnung der Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Berlin, am 18ten September, 1828 (Boston, Massachusetts, 1830, Englisch)
Congress of philosophers (New York City, New York, 1830, Englisch)
Congress of philosophers (Baltimore, Maryland, 1830, Englisch)
Account of the great Congress of Philosophers at Berlin, on the 18th of September, 1828 (London, 1830, Englisch)
|Seitenumbruch| Bruchſtücke aus der Rede Alexander’s v.Humboldt bey Eröffnung der Verſamm-lung deutſcher Naturforſcher u. Aerzte inBerlin, am 28. Sept. 1828*) Von dem heitern Neckarlande, wo Kep-ler und Schiller geboren wurden, bis zu demletzten Saume der baltiſchen Ebenen; vondieſen bis gegen den Ausfluß des Rheins,wo, unter dem wohlthätigen Einfluß desWelthandels, ſeit Jahrhunderten die Schätzeeiner exotiſchen Natur geſammelt und er-forſcht wurden, ſind, von gleichem Eifer be-ſeelt, von einem ernſten Gedanken geleitet,Freunde der Natur zu dieſem Vereine zu-ſammen geſtrömt. Ueberall, wo die deutſcheSprache ertönt und ihr ſinniger Bau auf denGeiſt und das Gemüth der Völker einwirkt;von dem hohen Alpengebirge Europa’s bisjenſeits der Weichſel, wo, im Lande des Ko-pernikus, die Sternkunde ſich wieder zuneuem Glanze erhoben ſieht; überall in demweiten Gebiete deutſcher Nation nennen wirunſer jedes Beſtreben, dem geheimen Wir-ken der Naturkräfte nachzuſpüren, ſey es inden welten Himmelsräumen, dem höchſtenProblem der Mechanik, oder in dem Innerndes ſtarren Erdkörpers, oder in dem zartgewebten Netze organiſcher Gebilde. Vonedlen Fürſten beſchirmt, hat dieſer Vereinalljährlich an Intereſſe und Umfang zuge-nommen. Jede Entfernung, welche Ver-ſchiedenheit der Religion und bürgerlicherVerfaſſung erzeugen könnte, iſt hier aufge- |Spaltenumbruch| hoben. Deutſchland offenbart ſich gleichſamin ſeiner geiſtigen Einheit; und, wie Er-kenntniß des Wahren und Ausübung derPflicht der höchſte Zweck der Sittlichkeitſind, ſo ſchwächt jenes Gefühl der Einheitkeine der Banden, welche jedem von unsReligion, Verfaſſung und Geſetze der Hei-math theuer machen. Eben dieß geſonderteLeben der deutſchen Nation, dieſer Wettei-fer geiſtiger Beſtrebungen, riefen (ſo lehrtes die ruhmvolle Geſchichte des Vaterlandes)die ſchönſten Blüthen der Humanität, Wiſ-fenfchaft und Kunſt hervor. Die Geſellſchaftdeutſcher Naturforſcher und Aerzte hat ſeitihrer letzten Verſammlung, da ſie in Mün-chen eine ſo gaſtliche Aufnahme fand, durchdie ſchmeichelhafte Theilnahme benachbarterStaaten und Academien ſich eines beſonde-ren Glanzes zu erfreuen gehabt. Stammverwandte Nationen haben denalten Bund erneuen wollen zwiſchen Deutſch-land und dem gothiſch ſcandinaviſchen Nor-den. Eine ſolche Theilnahme verdient umſo mehr unſere Anerkennung, als ſie derMaſſe von Thatſachen und Meinungen, wel-che hier in einen allgemeinen, fruchtbringen-den Verkehr geſetzt werden, einen unerwar-teten Zuwachs gewährt. Auch ruft ſie indas Gedächtniß der Naturkundigen erhebendeErinnerungen zurück. Noch nicht durch einhalbes Jahrhundert von uns getrennt, er-ſcheint Linné, in der Kühnheit ſeiner Unter-nehmungen, wie durch das, was er vollen-det, angeregt und beherrſcht hat, als eineder großen Geſtalten eines früheren Zeital-
*) Eine allgemeine Ueberſicht der Verhandlungen des Vereins in Berlin enthält Nr. 275 d. Bl. d. R.Allg. Anz. d. D. 2. B. 1828.
|Seitenumbruch| ters. Sein Ruhm, ſo glänzend er iſt, hatdennoch Europa nicht undankbar gegen Schee-le’s und Bergmann’s Verdienſte gemacht.Die Reihe dieſer gefeierten Namen iſt nichtgeſchloſſen geblieben; aber in der Furcht,edle Beſcheidenheit zu verletzen, darf ich hiernicht von dem Lichte reden, welches noch jetztin reichſtem Maße von dem Norden ausgeht;nicht der Entdeckungen erwähnen, welchedie innere chemiſche Natur der Stoffe (imnumeriſchen Verhältniſſe ihrer Elemente)oder das wirbelnde Strömen der electro-magnetiſchen Kräfte enthüllen. Mögen dietrefflichen Männer, weiche durch keine Be-ſchwerden von Land- und Seereiſen abgehal-ten wurden, aus Schweden, Norwegen,Dänemark, Holland, England und Polenunſerm Vereine zuzueilen, andern Fremdenfür kommende Jahre die Bahn bezeichnen,damit wechſelsweiſe jeder Theil des deutſchenVaterlandes den belebenden Einfluß wiſſen-ſchaftlicher Mittheilung aus den verſchieden-ſten Ländern von Europa genieße.
Wenn ich aber im Angeſichte dieſer Ver-ſammlung den Ausdruck meiner perſönlichenGefühle zurückhalten muß, ſo ſey es mir wenig-ſtens geſtattet, die Patriarchen vaterländiſchenRuhmes zu nennen, welche die Sorge fürihr der Nation theueres Leben von uns ent-fernt hält: Göthe, den die großen Schö-pfungen dichteriſcher Phantaſie nicht abge-halten haben, den Forſcherblick in alle Tie-fen des Naturlebens zu tauchen, und derjetzt, in ländlicher Abgeſchiedenheit, um ſei-nen fürſtlichen Freund, wie Deutſchland umeine ſeiner herrlichſten Zierden, trauert; Ol-bers, der zwey Weltkörper da entdeckt hat,wo er ſie zu ſuchen gelehrt; den größten Ana-tomen unſers Zeitalters, Sömmerring, dermit gleichem Eifer die Wunder des organi-ſchen Baues, wie der Sonnenfackeln undSonnenflecke (Verdichtungen und Oeffnun-gen im wallenden Lichtmeere) durchſpäht;Blumenbach, auch meinen Lehrer, der durchſeine Werke und das belebende Wort überalldie Liebe zur vergleichenden Anatomie, Phy-ſiologie und geſammten Naturkunde ange-facht, und wie ein heiliges Feuer länger alsein halbes Jahrhundert ſorgſam gepflegt hat.Konnte ich der Verſuchung widerſtehen, dadie Gegenwart ſolcher Männer uns nicht ver- |Spaltenumbruch| gönnt iſt, wenigſtens durch Namen, welchedie Nachwelt wiederſagen wird, meine Redezu ſchmücken? Der Hauptzweck dieſer Geſellſchaft iſtdie perſönliche Annäherung derer, welchedaſſelbe Feld der Wiſſenſchaften bearbeiten;die mündliche und darum mehr anregendeAuswechſelung von Ideen, ſie mögen ſichals Thatſachen, Meinungen oder Zweifeldarſtellen; die Gründung freundſchaftlicherVerhältniſſe, welche den Wiſſenſchaften Licht,dem Leben heitere Anmuth, den Sitten Duld-ſamkeit und Milde gewähren. Bey einemStamme, der ſich zur ſchönſten geiſtigen In-dividualität erhoben hatte, und deſſen ſpä-teſten Nachkommen, wie aus dem Schiff-bruche der Völker gerettet, wir noch heuteunſere bangen Wünſche weihen, in der Blü-thezeit des helleniſchen Alterthums, offen-barte ſich am kräftigſten der Unterſchied zwi-ſchen Wort und Schrift. Nicht die Schwie-rigkeit des Ideenverkehrs allein, nicht dieEntbehrung einer deutſchen Kunſt, die denGedanken wie auf Flügeln durch den Raumverbreitet, und ihm lange Dauer verheißt,geboten damals den Freunden der Philoſo-phie und Naturkunde, Hellas oder die dori-ſchen und joniſchen Colonien in Großgrie-chenland und Kleinaſien auf langen Reiſenzu durchwandern. Das alte Geſchlecht kannteden Werth des lebendigen Wortes, den be-geiſternden Einfluß, welchen durch ihre Nähehohe Meiſterſchaft ausübt, und die aufhel-lende Macht des Geſprächs, wenn es unvor-bereitet, frey und ſchonend zugleich das Ge-webe wiſſenſchaftlicher Meinungen und Zwei-fel durchläuft. Entſchleierung der Wahrheit iſt ohneDivergenz der Meinungen nicht denkbar, weildie Wahrheit nicht in ihrem ganzen Umfange,auf einmahl und von Allen zugleich erkanntwird. Jeder Schritt, der den Naturforſcherſeinem Ziele zu nähern ſcheint, führt ihn anden Eingang neuer Labyrinthe. Die Maſſeder Zweifel wird nicht gemindert, ſie ver-breitet ſich nur wie ein beweglicher Nebelduftüber andere und andere Gebiete. Wer gol-den die Zeit nennt, wo Verſchiedenheit derAnſichten, oder, wie man ſich wol auszu-drücken pflegt, der Zwiſt der Gelehrten ge-ſchlichtet ſeyn wird, hat von den Bedürfniſ- |Seitenumbruch| ſen der Wiſſenſchaft, von ihrem raſtloſenFortſchreiten, eben ſo wenig einen klarenBegriff, als Derjenige, welcher in trägerSelbſtzufriedenheit ſich rühmt, in der Geo-gnoſie, Chemie oder Phyſiologie ſeit mehre-ren Jahrzehnten dieſelben Meinungen zu ver-theidigen. Die Gründer dieſer Geſellſchafthaben, in wahrem und tiefem Gefühle derEinheit der Natur, alle Zweige des phyſika-liſchen Wiſſens (des beſchreibenden, meſſen-den und experimentirenden), innigſt mit ein-ander vereinigt. Die Benennungen: Na-turforſcher und Aerzte, ſind daher hier faſtſynonym. Durch irdiſche Bande und an denTypus niederer Gebilde gekettet, vollendetder Menſch die Reihe höherer Organiſatio-nen. In ſeinem phyſiologiſchen und patho-logiſchen Zuſtande bietet er kaum eine eigeneClaſſe von Erſcheinungen dar. Was ſichauf dieſen hohen Zweck des ärztlichen Stu-diums bezieht, und ſich zu allgemeinen na-turwiſſenſchaftlichen Anſichten erhebt, gehörtvorzugsweiſe für dieſen Verein.