Ein andres aus Berlin, vom 23 Sept. Unſre Blätter enthalten die treffliche Rede, die Hr. A. v. Humboldt bey Eröffnung der Verſammlung der Naturforſcher und Aerzte am 18ten d. gehalten hat. Er begann mit der würdevollen Aeußerung: “Wenn es mir durch Ihre ehrenvolle Wahl vergönnt iſt, dieſe Verſammlung zu eröffnen, ſo habe ich zuerſt meine Pflicht der Dankbarkeit in erfüllen. Die Auszeichnung, welche dem zu Theil geworden, der noch nie Ihrem denkwürdigen Vereine beywohnen konnte, iſt nicht der Lohn wiſſenſchaftlicher Beſtrebungen, einzelner ſchwachen Verſuche, in dem Drange der Erſcheinungen das Beharrende aufzufinden, aus den ſchwindelnden Tiefen der Natur das dämmernde Licht der Erkenntniß zu ſchöpfen: ein zarteres Gefühl hat Ihre Auſmerkſamkeit auf mich geleitet. Sie haben ausſprechen wollen, daß ich in vieljähriger Abweſenheit, ſelbſt in einem fernen Welttheile, nach gleichen Zwecken mit Ihnen hinſtrebend, Ihrem Andenken nicht fremd geworden bin. Sie haben meine Rückkunft gleichſam begrüßen wollen, um durch die heiligen Bande des Dankgefühls mich länger und inniger an das gemeinſame Vaterland zu feſſeln. Was aber kann das Bild dieſes gemeinſamen Vaterlandes erfreulicher vor die Seele ſtellen, als die Verſammlung, die wir heute zum erſten Male in unſern Mauern empfangen. Von dem heitern Neckarlande, wo Kepler und Schiller geboren wurden, bis zu dem letzten Saume der Baltiſchen Ebenen; von dieſen bis gegen den Ausfluß des Rheins, wo, unter dem wohlthätigen Einfluſſe des Welthandels, ſeit Jahrhunderten, die Schätze einer exotiſchen Natur geſammelt und erforſcht wurden, ſind von gleichem Eifer beſeelt, von einem ernſten Gedanken geleitet, Freunde der Natur zu dieſem Vereine zuſammengeſtrömt. — Ueberall, wo die Deutſche Sprache ertönt, und ihr ſinniger Bau auf den Geiſt und das Gemüth der Völker einwirkt; von dem hohen Alpengebirge Europa’s, bis jenſeits der Weichſel, wo, im Lande des Copernicus, die Sternkunde ſich wieder zu neuem Glanz erhoben ſieht; überall in dem weiten Gebiete Deutſcher Nation, nennen wir unſer jedes Beſtreben, dem geheimen Wirken der Naturkräfte nachzuſpüren, ſey er in den weiten Himmelsräumen, dem höchſten Problem der Mechanik, oder in dem Innern des ſtarren Erdkörpers, oder in dem zartgewebten Netze organiſcher Gebilde. — Von edlen Fürſten beſchirmt, hat dieſer Verein alljährig an Intereſſe und Umfang zugenommen. Jede Entfernung, welche Verſchiedenheit der Religion und bürgerlichen Verfaſſung erzeugen könnten, iſt hier aufgehoben. Deutſchland offenbart ſich gleichſam in ſeiner geiſtigen Einheit, und, wie Erkenntniß des Wahren und Ausübung der Pflicht der höchſte Zweck der Sittlichkeit ſind, ſo ſchwächt jenes Gefühl der Einheit keine der Bande, welche jedem von uns Religion, Verfaſſung und Geſetze der Heymath theuer machen. Eben dies geſonderte Leben der Deutſchen Nation, dieſer Wetteifer geiſtiger Beſtrebungen, riefen (ſo lehrt es die ruhmvolle Geſchichte des Vaterlandes) die ſchönſten Blüthen der Humanität, Wiſſenſchaft und Kunſt hervor. — Die Geſellſchaft Deutſcher Naturforſcher und Aerzte hat, ſeit ihrer letzten Verſammlung, da ſie in München eine ſo gaſtliche Aufnahme fand, durch die ſchmeichelhafte Theilnahme benachbarter Staaten und Akademieen, ſich eines beſondern Glanzes zu erfreuen gehabt. Stammverwandte Nationen haben den alten Bund erneuern wollen zwiſchen Deutſchland und dem Gothiſch-Scandinaviſchen Norden. Eine ſolche Theilnahme verdient um ſo mehr unſre Anerkennung, als ſie der Maſſe von Thatſachen und Meynungen, welche hier in einen allgemeinen, fruchtbringenden Verkehr geſetzt werden, einen unerwarteten Zuwachs gewährt. — Wenn ich aber im Angeſichte dieſer Verſammlung den Ausdruck meiner perſönlichen Gefühle zurückhalten muß; ſo ſey es mir wenigſtens geſtattet, die Patriarchen vaterländiſchen Ruhmes zu nennen, welche die Sorge für ihr der Nation theures Leben von uns entfernt hält: Göthe, den die großen Schöpfungen dichteriſcher Phantaſie nicht abgehalten haben, den Forſcherblick in alle Tiefen des Lebens zu tauchen, und der jetzt, in ländlicher Abgeſchiedenheit, um ſeinen fürſtlichen Freund, wie Deutſchland um eine ſeiner herrlichſten Zierden, trauert; Olbers, der zwey Weltkörper da entdeckt hat, wo er ſie zu ſuchen gelehrt; den größten Anatomen unſers Zeitalters, Sömmering, der mit gleichem Eifer die Wunder des organiſchen Baues, wie der Sonnenfackeln und Sonnenflecken (Verdichtungen und Oeffnungen im wallenden Lichtmeere) durchſpäht; Blumenbach, auch meinen Lehrer, der durch ſeine Werke und das belebende Wort überall die Liebe zur vergleichenden Anatomie, Phyſiologie und geſammten Naturkunde angefacht, und wie ein heiliges Feuer, länger als ein halbes Jahrhundert ſorgſam gepflegt hat. Konnte ich der Verſuchung widerſtehen, da die Gegenwart ſolcher Männer uns nicht vergönnt iſt, wenigſtens durch Namen, welche die Nachwelt wiederſagen wird, meine Rede zu ſchmücken? — Dieſe Betrachtungen über den geiſtigen Reichthum des Vaterlandes, und die davon abhängige fortſchreitende Entwickelung unſers Inſtituts, leiten unwillkührlich auf die Hinderniſſe, die ein größerer Umfang (die anwachſende Zahl der Mitarbeiter) der Ausführung eines ernſten wiſſenſchaftlichen Unternehmens ſcheinbar entgegenſtellen. Der Hauptzweck des Vereins beſteht nicht, wie in andern Akademieen, die eine geſchloſſene Einheit bilden, in gegenſeitiger Mittheilung von Abhandlungen, in zahlreichen Vorleſungen, die alle zum Druck beſtimmt, nach mehr als Jahresfriſt in eigenen Sammlungen erſcheinen. Der Hauptzweck dieſer Geſellſchaft iſt die perſönliche Annäherung derer, welche daſſelbe Feld der Wiſſenſchaften bearbeiten; die mündliche und darum mehr anregende Auswechſelung von Ideen, ſie mögen ſich als Thatſachen, Meynungen oder Zweifel darſtellen; die Gründung freundſchaftlicher Verhältniſſe, welche den Wiſſenſchaften Licht, dem Leben heitre Anmuth, den Sitten Duldſamkeit und Milde gewähren.” — Nachdem der Redner in ſeinem Vortrage auf die Anſtalten, welche zur Aufnahme der Geſellſchaft in hieſiger Reſidenz getroffen worden, und auf die Muſeen hingewieſen, welche den Naturforſchern reichen Stoff zur Beobachtung darböten, ſchloß er mit folgenden Worten: “Der frohe und lehrreiche Genuß, den ſolche Inſtitute gewähren, erinnert mit tiefem Dankgefühle, daß ſie das Werk des erhabenen Monarchen ſind, der, geräuſchlos, in einfacher Größe, jedes Jahr dieſe Königſtadt mit neuen Schätzen der Natur und der Kunſt ausſchmückt, und, was einen noch höheren Werth hat, als dieſe Schätze ſelbſt, was dem Preußiſchen Volke jugendliche Kraft und inneres Leben und gemüthvolle Anhänglichkeit an das alte Herrſcherhaus giebt, der ſich huldreich jedem Talente zuneigt, und freyer Ausbildung des Geiſtes vertrauensvoll ſeinen Königlichen Schutz verleiht.”