Ueber den mittleren Barometerstand am Meere unter den Tropen; von Alexander von Humboldt. (Aus dessen Voyage aux regions equinoxiales etc. T. XI. p. 1. der Octav-Ausgabe.) Unter den numerischen Elementen, welche in der physikalischen Geographie seit langer Zeit einer genauen Bestimmung bedürfen, ist der mittlere Barometerstand am Spiegel des Meeres, in den verschiedenen Zonen, eins der wichtigsten. Diese Bestimmung umfaßt zwei durchaus verschiedene Fragen, nämlich: 1) wie groß ist der absolute Mittelstand des Barometers an den Küsten von Europa und dem mittleren Amerika, und 2) ist dieser Stand in der gemäßigten und heißen Zone derselbe oder nicht? Keine dieser Fragen ist bis jetzt vollkommen beantwortet. Die Bestimmung des absoluten Barometerstandes setzt genaue Berechnungen über die Wirkung der Capillarität voraus, d. h. über die Depression des Quecksilbers in den Röhren der Gefäßbarometer. Hr. Arago hat sich mit dieser sehr delicaten Gattung von Untersuchungen beschäftigt, indem er Barometer nach Fortin'- scher Construction mit Heberbarometern verglich. Er wird die Resultate dieser Arbeit nächstens bekannt machen, welche um so mehr Interesse besitzt, da sie mit der Frage, ob das mittlere Gewicht der Atmosphäre in einer langen Reihe von Jahrhunderten unveränderlich sey, in Zusammenhang steht. Ich beschäftige mich indeß hier nur mit dem mittleren Barometerstande unter dem Parallelkreis von 49° und den Aequatorialregionen. Diese Untersuchung hat seit der Zeit, daß ich Europa verließ, meine Aufmerksamkeit besonders erregt. Ich habe zwei meiner Barometer sorgfältig mit dem verglichen, an welchem Hr. Bouvard die meteorologischen Variationen auf dem Observatorio zu Paris beobachtet. Ich glaube zu Cumana, an der Küste des Meeres, den mittleren Barometerstand zu 337''',8 oder 762mm,02 bei 25° C. gefunden zu haben, was bei 0° C. einen Stand von 758mm,59 geben würde . Da man zu dieser Zeit (1799) den mittleren Barometerstand am Spiegel des Meeres, in Europa , nach Shukburgh zu 761mm,18 (bei 0° C.) annahm, so mußte ich nothwendig aus diesem Vergleiche schließen, daß der mittlere Barometerstand, am Spiegel des Meeres, in der heißen Zone ein wenig kleiner sey als in der gemäßigten . In Ungewißheit hinsichtlich der Capillarität des angewandten Barometers, berechnete ich in meinem Tableau des regions equinoxiales diesen Unterschied zu zwei Millimeter, und schrieb ihn der aufsteigenden Bewegung der tropischen Atmosphäre zu, welche die stark erhitzten Luftschichten nach den Polarregionen abführte. Da ich, vor meiner Einschiffung nach Cumana, mit meinen Instrumenten eine lange Landreise von Paris, über Marseille, Murviedro und Madrid, nach Corunna gemacht hatte, so legte ich wenig Vertrauen auf meine Bestimmung. Glücklicherweise kann ich sie gegenwärtig durch eine andere weit genauere ersetzen. Hr. Caldas, der den Wissenschaften, durch die Reactionen einer blutdürstigen Politik, in einem Alter entrissen wurde, wo er ihnen durch seinen Eifer noch hätte nützlich seyn können, glaubt, daß der Unterschied zwischen dem mittleren Barometerstande nach meinen Beobachtungen und denen von Shuckburgh von der geringen Uebereinstimmung herrührt, welche man zwischen den ausgekochten und den nicht ausgekochten Barometern antrifft (Semanario, T. I. p. 52.). Dieser Umstand hat indeß auf meine Beobachtungen zu Cumana und Guayra keinen Einfluß haben können. Ich hatte nämlich zwei Gefäßbarometer aus Europa nach Caracas mit geführt, in deren Röhren das Quecksilber mit der größten Sorgfalt von sehr geschickten Künstlern ausgekocht worden war. Hr. Oriani findet, für Mailand, den mittleren Barometerstand am adriatischen Meere zu 338lin,23 bei 13°,5 C., was 761mm,73 bei 0° C. giebt. Nach Ferrer beträgt der mittlere Barometerstand zu Havannah, bei 25°,7 C., 338lin,55 oder 763mm,71, also, bei 0° C., 760mm,18. Dieß Resultat ist identisch mit dem des Hrn. Boussingault; aber wir wissen nicht, wie hoch das Barometer des Hrn. Ferrer über dem Meere hing, und welche Mittel zu Mailand und Havannah angewandt worden sind, um die Capillarität der Röhren zu erfahren. Man sehe Dei combustibili, Memoria del Conti Bevelacque-Lancisc. p. 107. Schumacher Astronom. Nachrichten. Beil. Th. II. N. 65. Hertha No. 3. p. 246. Ueber die ziemlich constante Depression, welche das Barometer in der Nähe des Cap Horn , im Meere von Sachalin und an der Westküste Norwegens, wo heftige Westwinde wehen, erleidet, sehe man: Krusenstern, Recueil de Mem. hydrographiq. T. I. p. 29. Leopold von Buch, in Gilbert's Annalen der Physik, T. XXV. p. 230., auch daselbst p. 4. über die barometrische Windrose. Man sehe meinen Essai sur la Geogr. des plantes, p. 90. Richer, Bonguer, La Condamine, Ulloa und Don Jorge Juan glaubten, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, daß das Barometer am Spiegel des Aequinoxialmeeres auf 27" 11''',5; 28" 1''' oder 28"0''' stehe. Die Instrumente, deren sich diese Reisenden bedienten, waren ohne Zweifel sehr unvollständig von Luft befreit, denn da sie keine Correction wegen der Temperatur anwandten, so hätten sie die Barometerstände weit größer finden müssen. Daß man neuerlich den mittleren Stand des Barometers am Spiegel des Meeres in Europa ein wenig zu groß angegeben hat, rührt ohne Zweifel von der Ungewißheit her, in der man noch hinsichtlich der Capillaritätswirkungen ist. Die Hrn. Boussingault und Rivero haben, gemeinschaftlich mit Hrn. Arago, vor ihrer Einschiffung nach Guayra, zwei vortreffliche Fortin' sche Barometer mit dem im Observatorio zu Paris verglichen. Diese beiden Barometer haben unter sich denselben Unterschied beibehalten, welchen sie in Europa besaßen. Nun hat Hr. Boussingault gefunden, daß, am Niveau des Oceans, zu Guayra, das Mittel aus den 12 Tage lang beobachteten Maximis und Minimis, bei 0° C., 760mm,17 beträgt. Hr. Arago berechnet aus 9jährigen Beobachtungen zu Paris den mittleren Barometerstand daselbst, nach Reduction auf 0° C. und auf das Niveau des Meeres , zu 760mm85. Der Unterschied der beiden Mittelstände, welche gewissermaßen mit demselben Instrumente angestellt sind, steigt also auf 0mm,68. Der mittlere Barometerstand im Observatorio zu Paris ist 755mm,43. Der Unterschied zwischen dem Observatorio und dem Hafen in Havre, beträgt nach einjährigen correspondirenden Beobachtungen an verglichenen Instrumenten: 5mm,42. Man darf nicht vergessen, daß selbst in der heißen Zone zufällige Störungen einen Einfluß auf den mittleren Barometerstand ausüben. Ich habe sorgfältig die wahrscheinlichen Gränzen dieser Veränderungen berechnet, und es geht daraus, nach der Analogie von gut beobachteten Thatsachen hervor, daß selbst zu Guayra, der aus den Maximis um 9h und Minimis um 3h [Formel] abgeleitete Mittelstand des Barometers, in den verschiedenen Jahreszeiten um einen Millimeter größer oder kleiner gefunden werden kann. Um die uns hier beschäftigende Frage ganz außer Zweifel zu stellen, müßte man das 9jährige Mittel von Paris mit dem einjährigen Mittel an den Küsten von Venezuela vergleichen. Aber bis jetzt besitzen wir nur für einen einzigen Ort in der heißen Zone, zwischen 0° und 15° NB., stündliche Beobachtungen von einem ganzen Jahre; und dieser einzige Ort ist das Plateau von Bogota, welches sich um mehr als 2600 Met. über das Niveau des Aequinoxialmeeres erhebt.