Ueber den Urſprung von Amerika. Von Alex. von Humboldt. Ein geiſtreicher Naturforſcher, Smith Barton, hat ſehr richtig bemerkt, er koͤnne die Hypotheſe, daß ein großer Theil Amerika’s in ſpaͤterer Zeit als das uͤbrige Feſtland aus dem Gewaͤſſer ſich erhoben habe, nur als eine thoͤrigte Idee, auf keine natuͤrliche Art erweislich, anſehen. Hoͤren wir uͤber dieſen Gegenſtand Alex. von Humboldt: Schriftſteller, die ſich mit Recht Ruhm erworben, haben wiederholentlich behauptet, daß Amerika in jedem Sinne des Wortes ein neues Feſtland ſey. Jener Reichthum der Vegetation, die Menge der Fluͤſſe, jene großen Vulkane, die ſtets in Bewegung ſind, ſagen ſie, zeigen an, daß die unaufhoͤrlich zitternde und nicht voͤllig trockene Erde ſich weniger von dem urſpruͤnglichen chaotiſchen Zuſtande entfernt habe, als dies in der alten Welt der Fall iſt. Lange vor meiner Reiſe erſchienen mir ſolche Ideen als unphiloſophiſch und den allgemein anerkannten Geſetzen der Phyſik widerſprechend. Dieſe Bilder von Jugend und Unordnung ſowohl, als von Trockenheit und progreſſivem Verluſt der Kraft in der Erde, ſo wie ſie aͤlter wird, konnten nur bei denjenigen entſtehen, die es ſich zum Vergnuͤgen machen, zwiſchen den beiden Hemiſphaͤren Gegenſaͤtze aufzufinden und ſich von der Einrichtung unſeres Planeten keinen Geſammt-Ueberblick zu verſchaffen wußten. Wird man ſagen, der ſuͤdliche Theil Italiens ſey ein neueres Land als die Lombardei, weil derſelbe beſtaͤndig von Erdbeben und feuerſpeienden Bergen erſchuͤttert wird? Außerdem ſind unſere gegenwaͤrtigen Vulkane und Erdbeben doch nur unbedeutende Erſcheinungen in Vergleich mit denjenigen Revolutionen der Natur, die von Geologen angenommen werden zur Zeit des Schmelzens und Abkuͤhlens der Maſſen, welche die Berge gebildet haben, als die Erde noch im Zuſtande des Chaos war. Es muͤſſen verſchiedene Urſachen die Wirkungen der Naturkraͤfte in den mannigfaltigen Climaten veraͤndern. In der neuen Welt duͤrften vielleicht die Vulkane, etwa vier und funfzig an der Zahl, laͤnger gebrannt haben, weil die Kette hoher Gebirge, in denen ſie ſich befinden, naͤher an dem Meere liegt, und weil dieſer Umſtand und der beſtaͤndige Schnee, welcher ſie bedeckt, das unterirdiſche Feuer zu modificiren ſcheinen; es ſind dieſe Umſtaͤnde bis jetzt nur noch zu wenig der Aufmerkſamkeit gewuͤrdigt worden. Erdbeben und Feuer-Ausbruͤche treiben daſelbſt periodiſch ihr Spiel. — Vulkane ruhen Menſchen-Alter hindurch, ehe ſie wieder in Brand gerathen. Die Meinung, daß in den aͤltern Himmelsſtrichen ein gewiſſer Friede in der Natur herrſchen muͤſſe, gruͤndet ſich bloß auf ein Spiel unſerer Einbildung. Eine Seite unſeres Planeten kann durchaus nicht aͤlter als die andere ſeyn. Die durch Vulkane entſtandenen Eilande, z. B. die Azoriſchen Inſeln, oder ſolche, die ſich nach und nach durch Molusken gebildet haben, wie viele Inſeln im ſtillen Meere, ſind im Allgemeinen juͤnger, als die Granitmaſſen der Central-Kette Europa’s. Ein Land von geringem Umfange kann durch Ueberſchwemmungen, welche ſich uͤber einen Theil des Landes verbreiten, lange Zeit mit Waſſer bedeckt bleiben, und ſo einen See bilden; nachdem das Waſſer abgetrocknet war, duͤrfte der Name neu gebildeten Landes demjenigen Theile, der nach und nach zur Vegetation geeignet wird, wohl bildlich beigelegt worden ſeyn; aber eine Umgebung von Waſſer, wie ſie ſich der Geolog zur Zeit der Bildung der Sekundair-Gebirge denkt, kann, in Uebereinſtimmung mit den Geſetzen der Hydroſtatik, nur als in allen Theilen der Welt und in allen Climaten zugleich exiſtirend gedacht werden. Das Meer konnte nicht auf den großen Ebenen des Orinoko und des Amazonen-Fluſſes zuruͤckbleiben, ohne zur ſelben Zeit die Gegenden um das Baltiſche Meer zu verwuͤſten. Die Verkettung und die Einerleiheit der Sekundairſchicht bei Carracas, in Thuͤringen, und in Nieder- Egypten zeigen, wie ich in meinem geologiſchen Gemaͤlde von Suͤd-Amerika dargethan, daß dieſe große Wirkung der Natur zur ſelben Zeit auf der ganzen Erde ſtatt gefunden habe.