Ueber die Haupt-Urſachen der Temperatur- Verſchiedenheit auf dem Erdkörper. Von Hrn. Alexander von Humboldt. (Geleſen in der Akademie der Wiſſenſchaften am 3. Juli 1827.) Eine lange Reihe von Jahren iſt verfloſſen ſeit dem ich, von meiner Reiſe nach der Andes-Kette zurückkehrend, es verſucht habe, in den öffentlichen Verſammlungen dieſer Akademie einige Natur-Anſichten zu entwickeln, von denen ich hoffen durfte, daß ſie durch die Größe des Gegenſtandes, vielleicht auch durch ein ſorgfältiges Hinweiſen auf das Gemeinſame in den Erſcheinungen, ein allgemeineres Intereſſe erregen würden. In der Form kleiner Abhandlungen habe ich fragmentariſch geſchildert: zuerſt die Wüſten und Steppen, welche, wie Meeres-Arme hingeſtreckt, fruchtbare Länderſtriche und feindliche Menſchenſtämme von einander ſcheiden; dann die Phyſiognomik der Gewächſe oder die geographiſche Verbreitung der Pflanzen-Formen, welche den Charakter einer Landſchaft beſtimmen, das Gemüth der Einwohner mehr oder minder lebhaft anregen, ja faſt unbewußt die dichteriſche Phantaſie mit trüben oder heiteren Bildern erfüllen; endlich die Waſſerfälle, welche die große Flußwelt des Orinoco-, des Caſſiquiare- und Amazonen-Stromes gleichſam in zwei Hälften theilen, Palmen-Gebüſche auf Schaumbedeckten Inſeln nähren, und in ihren höhlenreichen Felsdämmen die Grabſtätte eines untergegangenen Völkerſtammes verbergen. So verſchiedenartig auch die Gegenſtände ſind, welche ich hier in die Erinnerung zurückrufe, ſo habe ich doch ununterbrochen dahin geſtrebt, ſie in der Behandlung auf etwas Gemeinſames, auf die Begründung einer allgemeinen vergleichenden Naturkunde zurückzuführen. Es hieße den höheren Zweck eines wiſſenſchaftlichen Erkennens, einer philoſophiſchen Naturbetrachtung verfehlen, wenn man ſich mit den Einzelnheiten ſinnlicher Anſchauung, mit der rohen Anhäufung ausſchließlich ſogenannter Thatſachen (des Wahrgenommenen, Verſuchten und Erfahrenen) begnügte und ſo die Einheit der Natur verkennend, nicht das Allgemeine und Weſentliche in den Erſcheinungen vorzugsweiſe zu erforſchen ſuchte. Nach denſelben Beſtrebungen eines vergleichenden Naturſtudiums habe ich den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in verſchiedenen Erdſtrichen betrachtet, und vor vier Jahren, in der letzten öffentlichen Verſammlung, der ich beiwohnen konnte, mit wenigen Zügen geſchildert. Wenn ich hier jene früheren Arbeiten aufzähle, ſo iſt es nicht, um wohlgefällig bei dem zu verweilen, was im lebendigen Fortſchreiten der Naturwiſſenſchaft und der phyſiſchen Erdkunde nur zu ſchnell zu veralten droht: jene Erinnerung ſoll bloß dazu dienen, den Geſichtspunkt zu beſtimmen, aus dem ich wünſchte, den gegenwärtigen Vortrag beurtheilt zu ſehen. Oeffentliche akademiſche Sitzungen ſind nicht dazu geeignet, abgeſonderte Beobachtungen zu erörtern, oder bloßen Zahlen-Verhältniſſen ermüdend nachzuſpüren. Kürze, welche die Achtung gegen den Hörenden gebietet, ſteht der Vollſtändigkeit jeder empiriſchen Unterſuchung entgegen. Das Einzelne kann gefällig nur dann die Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen, wenn es dem Allgemeinen untergeordnet, auf höhere Natur-Anſichten hindeutet. Einer beſonderen Nachſicht könnte ſich die aphoriſtiſche Behandlung empfehlen, wenn es ihr gelänge, dieſelbe Klaſſe von Erſcheinungen vielſeitig zu beleuchten, eine Fülle von Ideen in ſchneller Folge zu erwecken, und ſo die freie Thätigkeit des Geiſtes regſam zu beſchäftigen. Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper iſt ſeit vielen Jahren ein Haupt-Gegenſtand meiner Unterſuchungen geweſen: ſie ſteht mit der räumlichen Verſchiedenartigkeit der Producte, mit dem Ackerbau und dem Handelsverkehr der Völker, ja mit mehreren Seiten ihres ganzen moraliſchen und politiſchen Zuſtandes in der innigſten Verbindung. Die Zeiten ſind vorüber, wo man ſich mit unbeſtimmten Anſichten über die Differenz geographiſcher und phyſiſcher Klimate begnügte, und alle Modificationen der Temperatur bald ſchützenden Bergzügen, bald der Erhöhung der Erdoberfläche zuſchrieb. Man hat nach und nach eingeſehen, daß die merkwürdigen Abweichungen der Klimate, welche man in großen Länderſtrecken, zwiſchen denſelben Breite-Graden und in derſelben Höhe über dem Meeresſpiegel wahrnimmt, nicht von dem kleinlichen Einfluſſe individueller Oertlichkeiten herrühren, ſondern allgemeinen Geſetzen unterworfen ſind, welche durch die Geſtalt der Continental-Maſſen, durch ihre Umriſſe, den Zuſtand ihrer Oberfläche, beſonders aber durch ihr Stellungs- und Größen-Verhältniß zu den benachbarten Meeren beſtimmt wird. Die relative Lage durchſichtiger und undurchſichtiger, tropfbar flüſſiger oder feſter Theile der Erdoberfläche modificirt (um mich der Sprache der mechaniſchen Phyſik zu bedienen), die Abſorption der, unter gleichen Winkeln einfallenden Sonnenſtrahlen, und mit ihr die Erzeugung der Wärme. Dieſe Umſtände, die winterliche Bedeckung mit Eis und Schnee, welche den Continenten, und nur einem ſehr kleinen Theile der Meere eigen iſt, die Langſamkeit, mit welcher große Waſſermaſſen ſich erwärmen und erkälten; das Strahlen glatter oder rauher Oberflächen gegen einen wolkenfreien Himmel; die regelmäßigen Strömungen des Oceans und der Atmosphäre, welche Waſſer und Luft aus verſchiedenen Breiten und aus verſchiedenen Tiefen und Höhen mit einander miſchen, ſind die Hauptmomente, von denen die Eigenthümlichkeiten klimatiſcher Verhältniſſe abhängen. Demnach hat jeder Ort gleichſam ein zwiefaches Klima: eines, das von allgemeinen und fernen Urſachen, von der Stellung der Continental-Maſſen und ihrer Geſtaltung abhängt; ein anderes, welches ſpecielle, nahe liegende Verhältniſſe der Lokalität beſtimmen. Seitdem man angefangen hat, das Problem der geographiſchen Wärme-Vertheilung in ſeiner ganzen Allgemeinheit zu faſſen, ſind meteorologiſche Beobachtungen minder geiſtlos und zweckwidrig angeſtellt worden. Eine kleinere Zahl derſelben führt jetzt zu beſtimmten Reſultaten; und Entdeckungen, welche in den letzten Jahrzehenden in den fernſten Theilen der Erde gemacht worden ſind, haben den Geſichtspunkt allmälig erweitert. Ohne dem Einſammeln von Natur- Producten oder den Fortſchritten einer ſpeciellen Naturbeſchreibung zu ſchaden, ſind nach und nach Phyſik und Geognoſie wichtige Gegenſtände aller großen Land- und See-Reiſen geworden. Um mit dem äußerſten Norden zu beginnen, erwähne ich hier zuerſt eines Mannes, den die gefahrvollen und läſtigen Beſchäftigungen ſeines Berufes, des Wallfiſchfanges, nicht abgehalten haben, die feinſten meteorologiſchen und zoologiſchen Beobachtungen anzuſtellen. Herr Scoresby hat zwiſchen der vulkaniſchen Inſel Jan-Mayen und dem von ihm entdeckten Theile von Oſt-Grönland zuerſt die mittlere Luft-Temperatur der Polar-Meere beſtimmt. Eine nordweſtliche Durchfahrt ſuchend, iſt es der engliſchen Regierung gelungen, der Erdkunde, der Klimatologie und der Kenntniß magnetiſcher Erſcheinungen Dienſte leiſten zu laſſen, welche urſprünglich dem Handelsverkehr der Völker verheißen waren. Parry, Sabine und Franklin haben aus mehrjährigen Erfahrungen die Temperatur-Verhältniſſe der Luft und des Meeres bis Port-Bowen und Mellville’s Inſel, alſo faſt bis zum 75ſten Breiten-Grade, mit einer Ausdauer erforſcht, von der die Geſchichte menſchlicher Anſtrengungen und muthigen Ankämpfens gegen die Elemente kaum ein ähnliches Beiſpiel aufweiſen kann. Ein altes Vorurtheil, dem Cook’s großer Name zum Schutze diente, die Meinung, als ſei der Südpol, einer allgemein verbreiteten Eisdecke wegen, unzugänglicher, als der Nordpol, iſt neuerlichſt durch den Seefahrer Weddell zerſtört worden. Die Entdeckung eines neuen Archipelagus, Süd-ſüd-öſtlich vom Feuerlande, hat zu einer Expedition Anlaß gegeben, auf welcher (weit jenſeits zweier von dem ruſſiſchen Kapitain Billinghauſen aufgefundenen Sporaden) unter dem 74ſten Grade der Breite Weddell ein völlig eisfreies Meer vor ſich ſah. Wenden wir uns von dieſen Extremen der Polargegenden zu der gemäßigten Zone, ſo finden wir eine große Anzahl von Punkten, wo neben den drei geographiſchen Ortsbeſtimmungen in Breite, Länge und Höhe, neben den veränderlichen Erſcheinungen der magnetiſchen Inclination, Abweichung und Kraft, auch die bisher für unveränderlich gehaltene mittlere Temperatur gemeſſen worden iſt. Aſtronomen in Neu-Holland und am Fuß des indiſchen Himalaya, katholiſche und evangeliſche Miſſionarien in Macao, Van- Diemens-Land und der Gruppe der Sandwich-Inſeln haben neue Thatſachen geliefert, um die nördliche und ſüdliche, die öſtliche und weſtliche Hemisphäre (alſo die waſſer- und länderreichſten Theile der Erde) in der heißen und gemäßigten Zone mit einander zu vergleichen. Eben ſo iſt das Verhältniß der Wärme unter dem Aequator und den beiden Wendekreiſen, (unter letzteren liegen zufällig die größten Handelsplätze der Tropenwelt, Havanah, Canton, Culcutta und Rio-Janeiro) beſtimmt worden. Dieſe numeriſchen Elemente ſind als Fixpunkte beſonders wichtig, weil ſie, wie die Zone des wärmſten Meeres-Waſſers (zwiſchen 23° und 24° R.), in der Folge der Jahrhunderte dazu dienen können, die viel beſtrittene Temperatur-Veränderlichkeit unſeres Planeten zu prüfen. Ich muß hier erinnern, daß klimatologiſche Beſtimmungen in dem ſüdlichſten Theile der gemäßigten Zone, zwiſchen den Parallel-Kreiſen von 28° und 30°, lange vermißt worden ſind. Dieſe Weltgegend bildet gleichſam ein Mittelglied zwiſchen dem eigentlichen Palmen-Klima und der Zone, in welcher, nach weſtlichen Sagen, die Menſchheit zuerſt (längſt dem Mittelmeer, in Vorder-Aſien und Iran) zu geiſtiger Bildung, zu Anmuth der Sitten und ſchaffendem Kunſtgefühle erwacht iſt. Niebuhr’s, Nouet’s und Coutel’s Beobachtungen in Aegypten, meines unglücklichen Freundes Ritchie’s Beobachtungen in der Oaſe von Murzuk, waren ihrer örtlichen Verhältniſſe wegen, nur dazu geeignet, mißleitende Reſultate zu geben. Das große und klaſſiſche Werk über die Canariſchen Inſeln, welches wir Herrn Leopold v. Buch verdanken, hat auch dieſe Lücke ausgefüllt, ſo wie ſeine Reiſe nach Lappland und nach dem nördlichſten Vorgebirge unſeres Erdtheils zuerſt die Urſachen klar entwickelt hat, welche in der Scandinaviſchen Halbinſel, jenſeits des Polarkreiſes, die Strenge der Winterkälte mildern, den Quellen die Temperatur erhalten, welche ihnen tiefere Erdſchichten gegeben haben, und die Grenzen des ewigen Schnees und der verſchiedenen Baumarten, unter Einfluß des Continental- u. Küſten- Klimas, ungleich erheben. So hat dieſer vielumfaſſende Reiſende das relative Alter der Gebirgs-Arten, die Modificationen des Luftkreiſes und die geographiſche Verbreitung der Gewächſe, gleichzeitig im Süden und Norden, durch die Mannigfaltigkeit ſeiner Beſtrebungen ergründet, und das alte Band der Geognoſie und phyſiſchen Erdkunde feſter geknüpft. Folgen wir dem Meeresſtrome, welcher das große Thal des atlantiſchen Oceans von Oſten gegen Weſten durchſchneidet, ſo finden wir in der neuen Welt, von dem ruſſiſchen Amerika und den Anſiedelungen kanadiſcher Jäger bis an den Plata-Strom und das ſüdlichſte Chili, in einer Länge von mehr als 1500 geographiſchen Meilen, reiche Quellen der Belehrung faſt unerwartet eröffnet. Es ſind nicht mehr fremde Naturforſcher, die uns mittheilen, was ſie bei dem kurzen Aufenthalte in wald- oder grasreichen Ebenen, wie auf dem beeiſeten Rücken der Cordilleren flüchtig erforſcht haben; von der mittleren Temperatur einzelner Wochen und Monate braucht man nicht mehr auf die mittlere Temperatur des Jahres zu ſchließen; überall geht von den Einwohnern ſelbſt gründliche und vollſtändige Belehrung aus. Die executive Gewalt der vereinigten Staaten von Nord-Amerika läßt ſeit 5 Jahren, zwiſchen dem 28ſten und 47ſten Grade der Breite, zwiſchen dem Miſſury und den Alleghanis, zwiſchen dem See Michigan u. der Küſte von Penſacola, auf einem Flächenraume von 24,000 Quadratmeilen, an 17 verſchiedenen Punkten, wo militairiſche Beſatzungen ſtehen, täglich dreimal meteorologiſche Beobachtungen anſtellen, aus denen ſich die mittlere Temperatur der Tage, der Monate und des Jahres ergibt. Dieſe Beobachtungen von dem General-Staabs-Arzte der Armee, Herrn Lowell, berechnet, ſind in zwei Abhandlungen auf Koſten der nord-amerikaniſchen Regierung herausgegeben und an alle wiſſenſchaftliche Inſtitute in Europa vertheilt worden. Wenn nach dieſem ſchönen Beiſpiele, in dem öſtlichen Theile unſeres alten Continents, in dem weitausgedehnten, der halben Mondfläche gleichen Raume zwiſchen der Weichſel und der Lena, in wohl ausgewählten Punkten, ähnliche unter ſich vergleichbare Thermometer-Beobachtungen, auf Befehl und Koſten eines mächtigen Monarchen, gemacht würden, ſo müßte in wenigen Jahren die ganze Klimatologie eine neue und verbeſſerte Geſtalt gewinnen. Der Eifer, welcher die vereinigten Staaten von Nord-Amerika beſeelt, iſt in dem jetzt erſt frei gewordenen ſpaniſchen Amerika mit gleicher Lebhaftigkeit erwacht. Zeitſchriften, die in Bergſtädten bis zu 9000 Fuß Höhe gedruckt werden, geben täglich, in der ungeheuren Ausdehnung von 28° nördlicher bis 40° ſüdlicher Breite, den Stand des Thermometers, Barometers und Hygrometers, nach genauen, in Paris und London angefertigten Inſtrumenten an. So iſt die nun vollendete politiſche Revolution dieſer Länder nicht blos ihrem eigenen Wohlſtande und dem Erwerbfleiße von Europa erſprießlich geworden; ſie wird auch unbezweifelt, je nachdem die Bevölkerung zunimmt, und ſich wiſſenſchaftliche Kultur über ſo viele Berggehänge und Hochebenen verbreitet, zu einer gründlicheren Kenntniß der höheren Schichten der Atmosphäre führen. Ganze Provinzen erheben ſich dort zu der Höhe des Aetna und Pic’s von Teneriffa, inſelförmig im Luftmeere. Wo im alten Continent der reiſende Phyſiker, der ewigen Schneegrenze nahe, ſein Zelt aufſchlägt, da liegen hier volkreiche Städte. So wie Afrika, in neueren Zeiten, für einen an Palmen-Formen armen Welttheil erkannt worden iſt, während es die Alten auf Münzen und Denkmälern als Palmenreich ſymboliſirten; ſo haben auch die letzten Entdeckungsreiſen unſern Glauben an eine ſtets gleichförmige Tropenhitze in den afrikaniſchen Wüſten ſonderbar modifizirt. Von Murzu in Fezzan aus reiſend (einer Oaſe, in der Ritchie und Lyon, wahrſcheinlich wegen des in der Luft ſchwebenden wärmeſtrahlenden Sandes, im Schatten, 5 — 6 Fuß über den Boden, mehrere Sommer-Monate hindurch, das Reaumurſche Thermometer, um 5 Uhr Morgens zwiſchen 24° und 26°, Mittags zwiſchen 38° und 43° geſehen haben) ſtarb Dr. Oudney vor Kälte, mitten in Afrika, an der Grenze von Bornu, unter dem 13ten Breitengrade, zu Ende Dezember in einem Lande, das nach Barometer-Meſſungen nicht 1200 Fuß über dem Meeresſpiegel erhaben iſt. Man behauptet, Waſſerſchläuche, welche Oudney’s Caravane trug, ſeien in derſelben Nacht gefroren geweſen; doch hat mir Clapperton’s Reiſegefährte, Major Denham, den ich nach ſeiner Rückkehr vom See Tchad um mündliche Erläuterungen gebeten, erzählt, daß am Morgen, einige Stunden nach dem Tode des Dr. Oudney, die Luft- Temperatur nicht unter 7½ Grad geweſen ſei. In Süd-Amerika, dem Aequator näher, bei Bogota und Quito, habe ich, trotz der großen kälteerzeugenden Wirkung der Strahlung hoher Ebenen, Waſſer noch nicht in 8500 und 9000 Fuß Höhe mit Eis bedeckt geſehen. In den handſchriftlichen Tagebüchern des jungen Beaufort, der vor Kurzem im oberen Senegal ein Opfer ſeines wiſſenſchaftlichen Eifers geworden iſt, finde ich, unter 16 Grad Breite, das Thermometer im Schatten, an demſelben Tage, auf 36 Grad in der Mittagsſtunde, und auf 12 Grad am frühen Morgen. So tief ſinkt nie die Luft-Temperatur in Amerika in der Ebene unter demſelben nördlichen Parallelkreiſe. Als ich im vorigen Jahre der Akademie einen ausführlichen Bericht über die vortrefflichen Arbeiten von Ehrenberg und Hemprich vorlegte, habe ich bereits der Kälte erwähnt, welcher dieſe gelehrten Reiſenden in der Wüſte von Dongola, unter 19 Grad Breite, ausgeſetzt waren. Nordwinde gelangten bis in dieſe ſüdliche Tropen-Gegend, und im Dezember ſank das Thermometer bis 2°, 5 R. über dem Gefrier-Punkte herab, alſo volle 12 Grad tiefer, als es, nach ſorgfältig von mir geſammelten Erfahrungen, je unter derſelben Breite, in Weſtindien, beobachtet wurde. Man iſt erſtaunt, nicht etwa am äußerſten Rande der Tropen-Zone, ſondern mitten in derſelben, Afrika, in ſeinen Wüſten, kälter als das vegetationsreiche Amerika zu finden. Die eigentlichen Urſachen dieſes ſonderbaren Erkältungs-Prozeſſes (vielleicht Wärmeſtrahlung des Bodens durch trockene Luft gegen einen wolkenfreien Himmel, plötzliches Ausdehnen beim Ergießen feuchter Luftſchichten in dieſe trockene Luft, Herabſinken der oberen Theile der Atmosphäre) ſind bis jetzt nicht hinlänglich ergründet worden. Es iſt allgemein bekannt, daß mehr als zwei Drittheile unſeres Planeten von einer Waſſerhülle bedeckt werden, die durch Berührung mit der Atmosphäre den wichtigſten Einfluß auf das Klima der Continental- Maſſen ausübt. Waſſer, von den Sonnenſtrahlen getroffen, erwärmt ſich nach andern Geſetzen, als die feſte Erdrinde. Verſchiebbarkeit der Theilchen, aus denen man ſich das Flüſſige zuſammengeſetzt vorſtellt, erregen Strömungen und ungleiche Vertheilung der Temperatur. Durch Strahlung erkältet und verdichtet, ſinken die Waſſertheilchen zu Boden. Luftreiſen, Erklimmen von iſolirten Bergſpitzen, u. in das Meer herabgelaſſene thermoscopiſche Apparate haben die Schnelligkeit der Wärme-Abnahme beſtimmt, welche, von unten nach oben in der Atmosphäre, von oben nach unten in den Ocean und in Süßwaſſer-Seen, zu verſchiedenen Jahreszeiten, ſtattfindet. Geſchöpfe, denen beide Elemente zum Aufenthalt dienen, finden daher, auf jeglichem Punkte der Erde, im luftförmigen und im tropfbaren Elemente, die heterogenſten Klimate ſchichtenweiſe über einander gelagert. In der Tiefe des Meeres, unter dem Aequator, wie in den Alpen-Seen der gemäßigten Zone, herrſcht fortwährend ein beſtimmter Kälte-Grad, der, bei welchem das Waſſer ſeine größte Dichtigkeit erlangt. Ellis’s, Forſter’s und Sauſſure’s Verſuche ſind jetzt unter allen Zonen und in allen Tiefen wiederholt worden; aber was wir über die niedrigſte Temperatur der Luft und des Meerwaſſers, wie über die größte Wirkung der Wärme-Strahlung zwiſchen den Wende-Kreiſen wiſſen, dient zum unumſtößlichſten Beweiſe, daß die Kälte, welche dort nahe am Meeresboden herrſcht, von einer Strömung herrührt, die in den Tiefen des Oceans ſich von den Polen zu dem Aequator richtet, und die unteren Waſſerſchichten der ſüdlichen Meere erkältet, wie in der Atmosphäre der obere Luftſtrom, der ſich vom Aequator gegen die Pole ergießt, die Winter- Kälte der nördlichen Länder mildert. Sandbänke werden, wie der unſterbliche Benjamin Franklin zuerſt gelehrt hat, früher durch das Thermometer, als durch das Senkblei erkannt. Es ſind ſubmariniſche Inſel-Theile des Meerbodens, welche die elaſtiſchen Kräfte nicht über den Waſſerſpiegel erheben konnten. Auf dem Abhange der Untiefen, durch Stoß anſteigend, miſchen ſich die unteren kälteren Waſſerſchichten mit den oberen wärmeren. So verräth dem Schiffer plötzliche Meereskälte die nahe Gefahr. Durch ihre Temperatur wirken die Untiefen auf die darüber ſtehende Luft, in der ſie Nebel und weitgeſehene Gruppen von Wolken erzeugen. Gewöhnt, den Farbenſchmuck tropiſcher Producte dem energiſchen Reize des Lichtes und der Wärme zuzuſchreiben, wird der Naturforſcher durch den Anblick ſchönfarbiger Seegewürme, Conchylien und Fiſche befremdet, die, in den Aequatorial-Meeren großentheils in Tiefen leben, in welche das Sonnenlicht, nach Erfahrungen in Taucher-Glocken und nach Bouguer’s optiſchen Verſuchen, nicht mehr hindringt, und wo die Temperatur kalter Klimate herrſcht. Haben ſich die Typen dieſer prachtvollen organiſchen Bildungen vor Jahrtauſenden, unter anderen äußeren Bedingniſſen, feſtgeſtellt? Werden die großäugigen Fiſche, welche in 2000 Fuß Tiefe dem Raube nachgehen, noch durch Eindrücke des Geſichtsſinnes geleitet? Dieſe Fragen verdienen neue Unterſuchungen, welche eben ſowohl in das Gebiet der zoologiſchen Geographie, als der Phyſiologie und Naturlehre gehören. Der neueren Behauptung, daß eine Schaar phoſphorescirender Mollusken jenen Fiſchen in den finſtern Abgründen des Oceans vorleuchte, durch Licht, was die Lebensthätigkeit ſelbſt etwickelt, kann ich nicht beipflichten. Als man noch wenig über die Verbreitung der Wärme auf dem Erdkörper nachgedacht hatte, glaubte man das Klima zweier Orte nach den Extremen beurtheilen zu können, welche die Sommer- und Winter- Temperaturen erreichen. Dieſe Anſicht der Dinge hat ſich noch in der Volksmeinung erhalten; von den Phyſikern iſt ſie längſt als unrichtig aufgegeben worden; denn wenn auch unbezweifelt die Extreme einzelner Tage und Nächte in gewiſſem Verhältniß zu der mittleren Temperatur des Jahres ſtehen, ſo iſt doch (und dieſer Umſtand hat den wichtigſten Einfluß auf das Gedeihen der Gewächſe und den Geſundheitszuſtand der Menſchen) bei einem und demſelben Grade mittlerer jährlicher Temperatur, die Vertheilung der Wärme unter die verſchiedenen Jahreszeiten auffallend verſchieden. Den Typus dieſer Vertheilung, nach Maaßgabe der Himmelsſtriche und Höhen, habe ich ſorgfältig zu beſtimmen geſucht. Sollen aber vergleichende Reſultate in Zahlen überſichtlich gegeben werden, ſo müſſen ſie die mittlere Temperatur jedes Monats, in der Vorausſetzung einer arithmetiſchen Reihe, aus den zwei Extremen eines jeglichen Tages hergeleitet, enthalten. Dieſe Methode befolgte zuerſt Reaumur im Jahr 1735; er verglich den Ertrag zweier Korn-Erndten, nicht (wie Herſchel) mit Zahl und Größe der Sonnenflecke und Sonnenfakkeln, ſondern mit der Quantität Wärme, welche die Cerealien während ihrer Vegetationszeit empfangen. Viele Arbeiten ſind in den letzten Jahren darauf gerichtet geweſen, die Stunde zu beſtimmen, deren mittlere Temperatur zugleich die des ganzen Jahres ausdrückt. Ich erwähne hier nur der Beobachtungen, welche auf Herrn Brewſter’s rühmliche Veranſtaltung in Schottland auf dem Fort Leith angeſtellt worden ſind. Man hat die Nachtwachen eines Militair-Poſtens dazu benutzt, ein Thermometer, zwei ganze Jahre lang, von Stunde zu Stunde beobachten zu laſſen, und aus der Maſſe dieſer Beobachtungen, die man unter anderen Parallelkreiſen wiederholen ſollte, iſt berechnet worden, daß in der Breite von Edimburg eine einzige tägliche Beobachtung, Morgens um 9 Uhr 13 Minuten; Abends um 8 Uhr 27 Minuten genügen würde, die mittlere jährliche Wärme zu beſtimmen . Unter den Monaten geben dieſes wichtige Reſultat April und Oktober; es ſei denn (und dieſe von Leopold v. Buch zuerſt aufgefundene Thatſache hängt mit merkwürdigen Modificationen der obern Luftſtröme zuſammen), daß durch örtliche Urſachen, wie auf der Inſel Gran Canaria, das Maximum der Wärme verſpätet und in den Oktober verſetzt würde. Ein Reſultat, welches von dem wahren nicht um ½ Grad des Reaumurſchen Thermometers abweicht, erhält man auch durch das Mittel aus zwei Stunden gleicher Benennung. Results of the therm. obs. made at Leith Fort every hour of the day and night during the years 1824 and 1825 p. 19. Werfen wir einen Blick auf die verdienſtlichen Arbeiten des Herrn Doktor Poggendorf und Herrn Mädlers über das Klima von Berlin, ſo finden wir die mittlere Temperatur dieſer Hauptſtadt nahe an 6°, 8, die von Paris 8°, 4 Reaumur. Der Unterſchied der Wärmemenge, welche beide Orte während eines Jahres empfangen, wird daher nur durch 1°, 6 ausgedrückt, während daß die einzelnen Monate vom November bis zu Anfang Aprils, um 4 volle Grade mittlerer Temperatur, zu Paris wärmer als zu Berlin ſind. Im Sommer, vom Junius bis zum September, ſcheinen die Unterſchiede ſehr unbedeutend. Die hier angeführten Zahlenverhältniſſe ſind eine Art Abſtraction, und ſtimmen daher wenig mit der Erinnerung des Empfundenen überein. Wir ſind gewöhnt, die Stärke der ſinnlichen Eindrücke von Wärme und Kälte vorzüglich nach ihrer Succeſſion zu beſtimmen. Die mittleren Temperaturen der Monate geben nur das allgemeine Schema; zu einer vollſtändigen Kenntniß der klimatiſchen Verhältniſſe genügt es nicht, zu wiſſen, daß die mittlere Temperatur des Winters in Paris 2°, 6 über dem Gefrierpunkt, in Berlin 1/2 Grad unter dem Gefrierpunkt iſt; wir verlangen zu wiſſen, wie oft, in einer gegebenen Periode von Jahren, in jeder dieſer zwei Städte die Luft über 10 Grad Kälte und über 25 Grad Wärme gezeigt hat. Pflanzen, von denen einige einen langen Winterſchlaf halten, und ihre apendiculären Organe (Blätter) verlieren, andere in allen Jahreszeiten fort vegetiren, noch andere einer großen Sommerwärme bedürfen, damit ihre Früchte zur Reife kommen, ſind die empfindlichſten, ja die lehrreichſten Thermoskope. Ihr beſſeres oder ſchlechteres Gedeihen wird durch die kleinſten Modificationen in der Vertheilung der Wärme und des Lichts beſtimmt. Dunkle oder lichte Wärme wirken anders auf die Gewächſe. Kein Thermometer vermag die Temperatur zu meſſen, welche die unmittelbare Berührung der Sonnenſtrahlen im Innern des organiſchen Pflanzen-Gewebes erzeugt. Ein Gemenge von Clorgas und Hydrogen wird augenblicklich, ſelbſt beim niedern Stande der Sonne im Dezember, durch directes Licht mit Knall entzündet, wenn zerſtreutes Licht nicht wirkt. Dieſe Betrachtungen erläutern die Vegetations- Verhältniſſe der heiteren Continental-Klimate und des neblichten Küſtenhimmels, die Vegetations-Verhältniſſe der an feſten, undurchſichtigen, lichtabſorbirenden Maſſen ſo reichen nördlichen Hemisphäre und der faſt ganz pelagiſchen, ſüdlichen. Wenn ich oft in dieſem Vortrage der, in den beiden letzten Jahrzehnden ſchnell vermehrten Zahl meteorologiſcher Beobachtungen erwähne, ſo will ich keinesweges darauf hindeuten, als ſei die Vervollkommnung der Klimatologie vorzugsweiſe auf eine ſolche Vermehrung gegründet. Hier, wie in allen Aggregaten empiriſcher Kenntniſſe, die zu früh Wiſſenſchaften genannt worden ſind, kommt es „auf ein denkendes Begreifen der Natur“, auf eine richtige Anſicht deſſen an, was aus den wohlgeordneten Einzelnheiten gefolgert werden darf. Verſuchen wir nun das Problem der Temperatur-Vertheilung in ſeiner ganzen Allgemeinheit zu faſſen, ſo können wir uns planetariſche Wärme entweder (wie im gegenwärtigen Zuſtande der ſchon oxidirten, erhärteten Erdrinde) als Folge der Stellung gegen einen Wärme-erregenden Centralkörper denken; oder aber (wie im erſten Zuſtande des Zuſammenrinnens aufgelöſeter, dunſtförmiger Stoffe) als Folge von inneren Oxydations-Proceſſen, Niederſchlägen, chemiſch veränderten Capacitäten oder electro-magnetiſchen Strömungen. Mannigfaltige geognoſtiſche Phänomene, deren ich bereits in einer anderen Abhandlung gedacht habe, deuten auf eine ſolche Entwickelung innerer, von dem Planeten ſelbſt erregter Wärme hin. Dazu hat der geiſtreiche Aſtronom und Phyſiker, Herr Arago, neuerlichſt die Zweifel, welche man gegen die, den Bergwerken beider Welttheile eigenthümliche Wärme erhoben hat, durch neue Verſuche über tief erbohrte Quellwaſſer, (ſogenannte arteſiſche Brunnen) auf das Vollkommenſte widerlegt. Je größer die Tiefe iſt, aus welcher die Waſſer aufſteigen, deſto wärmer ſind ſie befunden worden. Hier iſt aller Verdacht von niederſinkenden, ſich verdichtenden und alſo wärmeentbindenden Luftſchichten entfernt; hier ſind Menſchen-Nähe u. Wirkung bergmänniſchen Geleuchtes nicht zu fürchten. Die Waſſer bringen die Wärme mit ſich, welche ſie durch lange Berührung mit den Geſtein-Maſſen, in verſchiedenen Tiefen, erhalten haben. Dieſe denkwürdigen Beobachtungen lehren, wie, unabhängig von der Schiefe der Ekliptik im früheſten gleichſam jugendlichen Zuſtande der Planeten, Tropen- Temperatur und Tropen-Vegetation unter jeglicher Zone entſtehen und ſo lange fortdauern konnten, bis durch Wärme-Strahlung aus der erhärteten Erd-Rinde, und durch allmälige Ausfüllung der Gang-Klüfte mit heterogenen Geſtein-Maſſen, ſich ein Zuſtand bildete, in welchem (wie Fourier in einem tiefſinnigen mathematiſchen Werke gezeigt hat) die Wärme der Oberfläche und des Luftkreiſes nur von der Stellung des Planeten gegen einen Central-Körper, die Sonne, abhängt. (Fortſ. folgt.) Ueber die Haupt-Urſachen der Temperatur- Verſchiedenheit auf dem Erdkörper. Von Hrn. Alexander von Humboldt. (Schluß.) Wir überlaſſen es gern anderen Phyſikern zu entſcheiden, wie tief unter der oxydirten und erhärteten Erd-Rinde die geſchmolzenen, flüſſigen Maſſen liegen, welche ſich in die Oeffnungen noch jetzt thätiger Vulkane ergießen, die Continente und den Meeresboden periodiſch erſchüttern und durch Klüfte in Granit und porphyrartigem Geſteine heiße Mineralquellen emportreiben. Die Tiefe unſerer Bergwerke iſt zu gering, um aus der ungleichen Wärme-Zunahme, welche man bisher darin beobachtet hat, ein Problem befriedigend in Zahlen aufzulöſen, welches die Neugier der gleichſam auf einem Felſengewölbe wohnenden Menſchen beſchäftigt. Hier genügt es, daran zu erinnern, wie die neueren Anſichten der Phyſiker und Geognoſten, und zwar der beobachtenden, nicht leer-hypotheſirenden Geognoſten, den alten Mythus vom Pyrophlegeton und von Hephäſtos allverbreiteter Werkſtätte ins Leben zurückgerufen haben. Wird ein planetariſcher Weltkörper von elaſtiſchen Luftſchichten umfloſſen, und iſt die alternde oxydirte Erdrinde mit faſt überall geſchloſſenen oder ausgefüllten Klüften, durch lange Ausſtrahlung der Wärme, in den Zuſtand des Gleichgewichts zwiſchen dem Empfangen und Verlieren, dergeſtalt gelangt, daß ſeine äußere Temperatur und die Verſchiedenheit der Klimate nur von der Stellung gegen die Sonne, gegen einen größeren in permanentem Lichtprozeß begriffenen Centralkörper, herrühren; ſo kann man in größter Allgemeinheit des Problems, die Temperatur eines jeden Ortes als allein abhängig von der Art betrachten, wie ſich der Einfluß der Mittagshöhe der Sonne äußert. Dieſe Höhe beſtimmt zugleich die Größe der halben Tagbögen; die Dicke der Luftſchichten, welche von den Sonnenſtrahlen durchſtrichen werden, ehe ſie den Horizont erreichen; die Menge der abſorbirten oder erwärmenden Strahlen (eine Quantität, welche mit der Größe des Einfallwinkels raſch zunimmt); endlich die Zahl der Sonnenſtrahlen, welche mathematiſch betrachtet, ein gegebener Horizont empfängt. Die Wärme-Erzeugung kann demnach, wo es auf ein Mehreres oder Minderes ankommt, als von der erleuchteten Erdfläche ausgehend betrachtet werden. Die Abſorption, welche die Sonnenſtrahlen bei ihrem Durchgange durch den Luftkreis erleiden, oder (anders zu reden) die Wärmeerzeugung durch Lichtſchwächung iſt überaus gering, doch bemerkbar auf dem Ocean, wo ich in großer Entfernung von den Küſten, ſelbſt dann, wenn das Waſſer kälter als die Atmosphäre war, die Temperatur der letzteren, zur Mittagszeit, mit der Sonnen-Höhe habe zunehmen ſehen . Herr Arago hat mich zuerſt auf dieſe merkwürdige Wirkung der Lichtabſorption im Luftkreiſe aufmerkſam gemacht. Conn. des tems pour 1828. p. 225. Neuere Unterſuchungen haben gezeigt, daß es in beiden Welttheilen unter dem Aequator, deſſen mittlere Luft-Temperatur ſich auf 22°, 2 Reaumur erhebt, nicht merklich heißer iſt, als in 10 Grad nördlicher und ſüdlicher Breite. Nach dem Commentar des Geminus zu dem aſtronomiſchen Gedichte des Aratus glaubten einige griechiſche Phyſiker, die Temperatur der Wendekreiſe übertreffe ſogar die des Aequators. Arago hat mit großem Scharfſinne, durch zahlreiche optiſche Verſuche dargethan, daß von der ſenkrechten Incidenz an, bis zu einem Zenit-Abſtande von 20 Graden die Menge des zurückgeworfenen Lichtes (und von dieſer Menge hängt die mindere Erwärmung des erleuchteten Körpers ab) faſt dieſelbe bleibt. Wenn ich die mittleren jährlichen Temperaturen mit einander vergleiche, ſo finde ich, daß, im weſtlichen Theile des alten Continents, die Temperaturen von Süden gegen Norden abnehmen: von 20 bis 30 Grad Breite um 3°,2 Reaumur; von 30 bis 40 Grad Breite um 3°,6; von 40 bis 50 Grad Breite um 5°,7; von 50 bis 60 Grad Breite wiederum nur um 4°,4. In beiden Continenten iſt die Region, wo die Wärme-Abnahme am ſchnellſten iſt, zwiſchen dem 40ſten und 45ſten Grade der Breite zu ſuchen. In dieſem Reſultate ſtimmt die Beobachtung auf eine merkwürdige Weiſe mit der Theorie zuſammen; denn die Variation des Quadrats des Coſinus, welches das Geſetz der mittleren Temperatur ausdrückt, iſt die größtmögliche bei 45 Grad Breite. Dieſer Umſtand hat, wie ich ſchon an einem andern Orte erinnert habe, wohlthätig auf den Kultur-Zuſtand der Völker gewirkt, welche jene milden, von dem mittleren Parallel-Kreiſe durchſchnittenen Gegenden bewohnen. Dort grenzt das Gebiet des Weinbaues an das Gebiet der Oelbäume und der Orangen. Nirgend anders auf dem Erdboden ſieht man (von Norden gegen Süden fortſchreitend) die Wärme ſchneller mit der geographiſchen Breite zunehmen; nirgend anders folgen ſchneller auf einander die verſchiedenartigſten vegetabiliſchen Producte, als Gegenſtände des Garten- und Ackerbaues. Dieſe Heterogeneität belebt die Induſtrie und den Handels-Verkehr der Völker. Vergl. mein Essai politique sur l’Ile de Cuba 1826. T. II. p. 79 — 92, wo ich die von Herrn Atkinſon (Mem. of the Astron. Soc. Vol. II. p. 137 — 138.) erregten Zweifel beſeitigt zu haben glaube. Isag. in Aratum cap. 13. Strabo Geogr. lib. II. p. 97. Im öſtlichen Theile des neuen Continents ſind die Abnahmen der mittleren Temperaturen von 20° bis 30° ...... 5° Reaumur. 30° 40° ...... 5°,7 40° 50° ...... 7°,2 50° 60° ...... 6°,8 Es iſt hier der Ort zu erinnern, daß partielle, tägliche und monatliche Temperatur-Veränderungen, bei der Beweglichkeit des Luftkreiſes, durch Herbeiführung kalter oder warmer Luftſchichten, durch die mehr oder minder electriſche Spannung, durch die Wolken-Bildung oder Dunſt-Zerſtreuung, kurz durch eine faſt unabſehbare Menge variabler Urſachen, die in der Nähe und Ferne wirken, beſtimmt werden. Leider hat das Studium der Meteorologie in einer Zone beginnen müſſen, wo die Verwickelung der Urſachen, wo Zahl und Intenſität perturbirender Kräfte am größten ſind. Wenn je die freiere Kultur des menſchlichen Geiſtes, wie man es gegenwärtig erwarten darf, einen ihrer Hauptſitze unter den Wendekreiſen aufſchlägt; ſo iſt vorauszuſetzen, daß man dort, bei dem einfachen Gange der Erſcheinungen, deutlich erkennen werde, was hier, im Spiel gleichzeitig wirkender, ſtreitender Kräfte lange verborgen geblieben iſt. Von dem Einfachen iſt es leicht zu dem Zuſammengeſetzten überzugehen, und eine wiſſenſchaftliche Meteorologie kann man ſich, als von den Tropen nach dem Norden zurückkehrend denken. Unter dem Palmen-Klima führt ein ſchwacher Oſtwind immerdar gleich erwärmte Luftſchichten herbei. Das Barometer zeigt, wie der Gang der Magnet-Nadel, die Stunde des Tages an. Erderſchütterungen, Sturme und Donnerwetter ſtören die kleine, aber periodiſche Ebbe und Fluth des Luftmeeres nicht. Die veränderte Abweichung der Sonne und die dadurch in ihrer Stärke modificirten obern Luftſtröme vom Aequator gegen die Pole, beſtimmen den Anfang der Regenzeit und der electriſchen Exploſionen, welche beide zu regelmäßigen Epochen eintreten. Nach der Richtung des Wolkenzuges kann der Reiſende ſich faſt wie nach der Magnetnadel orientiren; und in der trockenen Jahreszeit wurde in vielen Gegenden der Tropenwelt die Erſcheinung eines Gewölks am dunkelblauen Himmel die Bewohner ebenſo in Erſtaunen ſetzen, als uns der Fall eines Aërolithen, oder des rothen Polar- Schnees, als den Peruaner das Krachen des Donners oder als alle Bewohner tropiſcher Ebenen ein Hagelwetter. Dieſe Einfachheit und Regelmäßigkeit meteorologiſcher Erſcheinungen läßt eine leichtere und glücklichere Einſicht in ihren Cauſal-Zuſammenhang erwarten. So lange Beobachtungen über magnetiſche Inclination, Declination und Intenſität der Kräfte in den Reiſeberichten zerſtreut lagen, und man dieſelben noch nicht durch magnetiſche Linien vereinigt hatte, konnte die Lehre von der Vertheilung des Erdmagnetismus keine bedeutende Fortſchritte machen. Auf dieſe Analogie geſtützt, hat man angefangen, durch ſorgfältige Benutzung vereinzelter Thatſachen, die verwickelte Lehre von der Vertheilung der Wärme zu vereinfachen. Orte, die eine gleiche mittlere Wärme des Jahres, des Sommers oder des Winters haben, ſind durch Curven miteinander verbunden worden. So iſt das von mir im Jahr 1817 entwickelte Syſtem iſothermer Linien entſtanden, welche die Parallel Kreiſe unter anderen Winkeln, als die iſochimonen und iſotheren Linien durchkreuzen. Sie ſteigen gegen den Aequator herab, weil man im öſtlichen Aſien und im öſtlichen Theile von Nord-Amerika, auf gleichen Höhen über dem Meeresſpiegel, in einer ſüdlicheren Breite die Temperatur ſuchen muß, welche in unſerem mittleren Europa, weiter gegen Norden hinauf, gefunden wird. Der merkwürdige Umſtand, daß die höchſte Cultur des Völkerſtammes, zu dem wir gehören, ſich unter faſt gleichen Breiten in der gemäßigten Zone an zwei entgegengeſetzten Küſten, der öſtlichen des neuen Continents u. der weſtlichen des alten angeſiedelt hat, mußte auf die Ungleichheit der Wärme unter denſelben Parallel-Kreiſen früh aufmerkſam machen. Man fragte, um wie viel Thermometergrade der alte Continent wärmer, als der neue ſei, und erkannte erſt ſpät, daß die iſothermen Linien von der Breite von Florida bis zu der von Labrador hin nicht mit einander parallel laufen, daß die öſtlichen und weſtlichen Küſten von Nord-Amerika faſt ſo verſchieden, als die von Weſt-Europa und Oſt- Aſien ſind. Geſtalt und Gliederung der Continental- Maſſen und ihr Verhältniß zu den nahen Meeren, beſtimmen vorzüglich die Inflexion der iſothermen Linien, die Richtung der gleichwarmen Zonen, in welche man ſich den ganzen Erdball getheilt vorſtellen kann. Das Vorherrſchen der Weſtwinde in den gemäßigten und kalten Himmelsſtrichen begründet den Unterſchied der Klimate an den Oſt- und Weſtküſten ein und deſſelben Continents. Die weſtlichen Winde, welche man als Gegenwirkungen der tropiſchen Paſſatwinde betrachtet, gelangen zu einer öſtlichen Küſte, wenn ſie im Winter den vorliegenden, mit Schnee und Eis bedeckten Continent bereits durchſtrichen haben; dagegen führen zu weſtlichen Küſten (in Europa, wie in Neu-Californien und Nootka) weſtliche Winde Luftſchichten herbei, die ſich im ſtrengſten Winter in Berührung mit der großen oceaniſchen Waſſerfläche erwärmt haben. Nach dieſen Ideen habe ich die genauere Kenntniß der niedrigſten Temperatur, zu welcher das atlantiſche Meer außerhalb dem Golfſtrome, zwiſchen dem 40ſten und 50ſten Grade der Breite, (alſo in den Breiten von Spanien, Frankreich und Deutſchland) herabſinkt, einer beſondern Unterſuchung werth gehalten. Ich habe gefunden, daß im Monat Januar das Meerwaſſer in 40° Breite nicht unter 10°,7; in 45° Breite nicht unter 9°,8 herabſinkt. Der allgemein verehrte Geograph von Oſtindien, Major Rennell, der ſich ſeit 30 Jahren mit der Richtung der Strömungen im atlantiſchen Meere beſchäftigt, und mir bei meinem neueſten Aufenthalt in England einen Theil ſeiner handſchriftlichen Materialien mitgetheilt hat, findet für 50 Grad Breite, alſo in der Zone des nördlichen Deutſchlands, eine Winter-Temperatur des Meerwaſſers, welche die Luftſchichten ſelbſt in dem glücklichen Klima von Marſeille im Januar nicht erreichen. Wenn die relative Ausdehnung von Aſien und Nord-Amerika, von der Südſee und dem nördlichen atlantiſchen Ocean anders wäre, als ſie jetzt iſt, ſo wurde, durch ungleiche Erwärmung der feſten und flüſſigen Theile der Erdoberfläche, das ganze Syſtem der Winde in der nördlichen Hemisphäre, ſowohl ihrer Richtung, als ihrer Stärke nach, verändert werden. De la distribution de la chaleur sur le globe in Mem de la Soc. d’Arcueil. Tom. III. Unſer Europa verdankt ein milderes Klima ſeiner Erdſtellung (ſeinem Poſitions-Verhältniſſe gegen das nahe Meer) und ſeiner gegliederten Geſtaltung. Eurapa iſt der weſtliche Theil des alten Continents, und hat alſo den großen, ſchon an ſich kältemindernden und dazu noch vom Golfſtrom theilweiſe erwärmten atlantiſchen Ocean im Weſten. Zwiſchen den Meridianen, in denen Europa ſich hinſtreckt, fällt die Aequatorial-Zone nicht in das Becken des Oceans, wie ſüdlich von dem, eben deshalb kälteren Aſien. Der Welttheil, der unter allen den größten Theil des tropiſchen Klimas genießt, das ſandbedeckte Afrika iſt ſo gelegen, daß Europa von den Luftſchichten erwärmt wird, welche über Afrika aufſteigend, ſich von dem Aequator gegen den Nordpol ergießen. Ohne die Exiſtenz des mittelländiſchen Meeres würde der Einfluß des nahen Afrikas auf Temperatur und geographiſche Verbreitung von Pflanzen und Thieren noch wirkſamer ſein. Der dritte Hauptgrund des milderen Klimas von Europa liegt darin, daß dieſer Welttheil ſich weniger weit gegen den Nordpol erſtreckt, als Amerika und Aſien, ja daß er dem größten Buſen eisfreien Meerwaſſers gegenüber liegt, den man in der ganzen Polar-Zone kennt. Die kälteſten Punkte der Erde, neuerlichſt uneigentlich Kälte-Pole genannt, fallen nicht, wie der ſonſt ſo ſcharfſinnige Brewſter in der engliſchen Bearbeitung meiner Abhandlung von den iſothermen Linien zu beweiſen geſucht hat, mit den magnetiſchen Polen zuſammen. Das Minimum der mittleren jährlichen Temperatur der Erdoberfläche liegt, nach Capitain Sibene’s Unterſuchungen, im Nordweſten von Melville’s-Inſeln, im Meridian der Behrings-Straße, wahrſcheinlich in 82 bis 83 Grad Breite. Die Sommergrenze des Eiſes, welche zwiſchen Spitzbergen und Oſtgrönland ſich bis zum 80ſten und 81ſten Grade zurückzieht, findet ſich überall zwiſchen Nova-Zembla, den Knochen-Inſeln von Neu-Sibirien und dem weſtlichſten amerikaniſchen Eiscap, ſchon im 75ſten Grade der Breite. Selbſt die Wintergrenze des Eiſes, die Linie, auf welcher die Eisdecke ſich unſerm Welttheil am meiſten nähert, umgibt kaum die Bären-Inſel. Vom ſcandinaviſchen Nordcap, welches ein ſüdweſtlicher Meeresſtrom erwärmt, iſt die Fahrt zum ſüdlichſten Vorgebirge von Spitzbergen ſelbſt im ſtrengſten Winter nicht unterbrochen. Das Polareis vermindert ſich überall, wo es frei abfließen kann, wie in der Baffins-Bay und zwiſchen Island und Spitzbergen. Die Lage des atlantiſchen Oceans hat den wohlthätigſten Einfluß auf die Exiſtenz jenes, für das Klima von Nord-Europa ſo wichtigen, Eis-freien Meerwaſſers in dem Meridian von Oſtgrönland und Spitzbergen. Dagegen häufen ſich im Sommer die, aus der Baffins-Bay und Barrows-Straße ſüdlich getriebenen Eisberge in dem großen Mittelmeere an, welches die Geographen mit dem Namen Hudſons-Bay bezeichnen. Dieſe Anhäufung vermehrt ſo ſehr die Kälte in dem benachbarten Continent, daß man in der Faktorei York und bei der Mündung des Hayes-Fluſſes, nach Capitain Franklin’s neueſten handſchriftlichen Berichten, in einer Breite mit Nord-Preußen und Curland, am Ende des Auguſt und im Anfange des September, beim Brunnengraben, in 4 Fuß Tiefe, überall Eis findet. Die nördlichſten und ſüdlichſten Grenzen des feſten Polar-Eiſes, das heißt die Sommer- und Wintergrenzen, von deren Lage die Temperatur der nördlichen Continental-Maſſen abhängt, ſcheint in den hiſtoriſchen Zeiten, wie gründlichere Unterſuchungen endlich gelehrt haben, wenig verändert worden zu ſein. Der ſchädliche Einfluß, welchen kleine, iſolirte, durch Strömungen zuweilen bis in die Nähe der Azoren getriebene Eismaſſen auf das Klima von Europa ausüben ſollen, gehört zu den Mythen, die von den Phyſikern ausgehen und ſich unter dem Volke verbreiten, wenn die Phyſiker längſt aufgehört haben, ihnen Glauben beizumeſſen. Finden ſich, unter denſelben Breiten-Graden, wo in dem nördlichen Europa noch Garten- und Ackerbau getrieben werden, in Nord-Amerika und Nord-Aſien nur ſumpfige, moosbedeckte Länder, ſo äußert dagegen die kräftige Wärme-Strahlung von Inner-Aſien, zwiſchen den faſt parallelen Bergketten des Himalaya, des Zungling und des Himmels-Gebirges, (eine Gegend, über welche Klaproth’s geographiſche Unterſuchungen viel Licht verbreiten) den glücklichſten Einfluß auf die aſiatiſche Bevölkerung. Die ewige Schneegrenze liegt am nördlichen Abhange des Himalaya 4000 Fuß höher, als am ſüdlichen Abhange, und die phyſikaliſche Erklärung, welche ich von dieſer ſonderbaren Erſcheinung gegeben , iſt durch neue Meſſungen und Beobachtungen in Oſt-Indien, nach Herrn Colebrooke’s Berichte, beſtätigt worden. Millionen von Menſchen thibetaniſcher Abkunft und düſterer, religiöſer Gemüthsſtimmung, bewohnen volkreiche Städte, da, wo bei einer minderen Ausdehnung und minderen Continuität der Hochebenen, Felder und Städte, das ganze Jahr hindurch in tiefem Schnee vergraben ſein würden. Annales de Chimie et de Physique. T. III. p. 297. T. IX. p. 310. T. XIV. p. 5. Schneller und anmuthiger Wechſel von ebenen und hohen Berggipfeln befördert überhaupt, im Thier- und Pflanzenreiche, die Miſchung von Erzeugniſſen verſchiedener Klimate. So haben ſich in dem Theile des mexikaniſchen Freiſtaats, der unter den Tropen liegt, die Vögel von Nord-Amerika angeſiedelt, wie die ſchönen und reichhaltigen Sammlungen des Herrn Deppe, welche das königliche Muſeum der Liberalität des Grafen von Sack verdankt, mehrfach beweiſen. In einer erſt vor wenigen Tagen in dieſer Akademie verleſenen Abhandlung hat der gelehrte afrikaniſche Reiſende, Herr Lichtenſtein, ſcharfſinnig entwickelt, daß ſich in der mexikaniſchen Fauna die tropiſchen Seevögel des ſtillen Oceans mit den Süßwaſſer-Vögeln der vereinigten Staaten, überhaupt Formen nördlicher und ſüdlicher Klimate von Europa, Louſiana und Braſilien wunderſam vereinigen. Wie die Strömungen des Luftmeeres durch die veränderliche Abweichung der Sonne, und durch die Richtung der Bergketten, an deren Abhange ſie herabgleiten, vielfach modificirt werden, ſo führen auch die Strömungen des tropfbaren Oceans die wärmeren Waſſer niedriger Breiten-Grade in die temperirte Zone. Ich brauche nicht in Erinnerung zu bringen, wie die von den Paſſatwinden immer gleichförmig bewegten Waſſer des Atlantiſchen Oceans gegen den vorſtehenden Damm der Landenge von Nicaragua getrieben, ſich nordwärts wenden, in den Golf von Mexico wirbelnd umhertreiben, durch den Kanal von Bahama ausfließen, ſich als ein Strom warmen Waſſers erſt nordöſtlich gegen die Bank von New-Foundland, dann ſüdöſtlich gegen die Gruppe der Azoren hin, bewegen, und, wenn ſie vom Nordweſtwinde begünſtigt werden, Palmenfrüchte der Antillen, mit franzöſiſchen Weinen gefüllte Fäſſer aus verunglückten Schiffen, ja ſelbſt lebendige Esquimaux aus Oſt-Grönland mit ihren ledernen Böten nach Irland oder nach den Hebriden, oder nach den Küſten von Norwegen führen. Der vielgereiſte Aſtronom Herr Sabine, der vor kurzem aus den Polar-Ländern zurückkehrend, Pendel-Verſuche im Golf von Guinca, auf der Afrikaniſchen Inſel St. Thomas, anſtellte, hat mir erzählt, wie Fäſſer von Palmenöl, die bei dem Cap Lopez etwas ſüdlich vom Aequator, durch Schiffbruch verloren gingen, erſt von dem Aequatorial-, und dann vom Golf-Strome getrieben, den Atlantiſchen Ocean zweimal, von Oſten gegen Weſten und von Weſten gegen Oſten, in 53 Grad nördlicher Breite, durchſchnitten haben, und an den ſchottiſchen Küſten glücklich angelangt ſind. Das wohlerhaltene Zeichen des Afrikaniſchen Eigenthümers ließ keinen Zweifel über die Richtung, welche die Fäſſer genommen hatten. Wie hier Aequatorial-Waſſer im Atlantiſchen Ocean durch den Golf-Strom nördlich geführt werden, ſo habe ich in dem Stillen Meere, und zwar in der ſüdlichen Hemiſpäre, einen Strom erkannt, der längs dem Littoral von Chili und Peru kälteres Waſſer hoher Breiten unter die Wendekreiſe führt. In dieſem Strome habe ich das Reaumur’ſche Thermometer, im Hafen bei Truxillo, im September bis 12°, 8; im Hafen von Callao bei Lima zu Ende Novembers bis 12°, 4 ſinken ſehen. Ein junger, überaus kenntnißvoller däniſcher Seeoffizier, der Baron Dircking v. Holmfeldt, hat auf meine Bitte dieſes ſonderbare, ſo lange Zeit unbeobachtete Phänomen, im Jahre 1825 zu verſchiedenen Jahreszeiten von neuem unterſucht. Er fand mit Reaumur’ſchen Thermometern, welche Hr. Gay-Luſſac und ich ſorfältig verglichen hatten, bei dem Hafen Callao das Meerwaſſer im Auguſt wiederum 12°, 6; im März 15°, 7; während daß außerhalb der Meeresſtrömung bei dem Vorgebirge Parinna, das ruhige Meer wie gewöhnlich unter ſolchen Breiten die große Wärme von 21 bis 22 Grad zeigte. Es iſt hier nicht der Ort zu entwickeln, wie dieſer Strom kälteren Waſſers, welcher die ſüdliche Schifffahrt von Guayaquill nach Peru und von Peru nach Chili erſchwert, in einigen Monaten von der Garua, d. h. von den Dünſten, welche die Sonnenſcheibe fortwährend verſchleiert, in ſeiner Temperatur modificirt wird, und wie er das Klima der Peruaniſchen Ebenen erkältet. So wie jedes Beſtreben des Menſchen nach einem wiſſenſchaftlichen Begreifen von Natur-Erſcheinungen ſein höchſtes Ziel nur in dem klaren Erkennen unſerer eigenen Natur erreicht; ſo führt auch die Unterſuchung, deren Hauptmomente uns hier beſchäftigt haben, zuletzt auf die Art, wie klimatiſche Verhältniſſe ſich in dem Charakter, dem Kultur-Zuſtande, vielleicht ſelbſt in der Sprach-Entwickelung einzelner Völkerſtämme, offenbaren. Hier iſt der Punkt, wo die große Lehre von der Vertheilung der Wärme über den Erdkörper ſich an die Geſchichte der Menſchheit anknüpft. Eben deshalb fällt das Problem außerhalb des Gebiets einer rein phyſikaliſchen Empirie. Man kann nicht läugnen, daß das Klima und ſein erhebender oder niederdrückender Einfluß gleichſam das ganze häusliche und bürgerliche Leben einer Nation durchdringen. Aber viel und mehr noch gehört der Abſtammung, den natürlichen Anlagen, den inſtinktmäßigen und doch geiſtigen Trieben der Menſchen an. Nach einer, nun ſchon veralteten Philoſophie, die der erſten Mitte des achtzehnten Jahrhunderts angehört, wurden Religion, Regierungsform und Richtung des Kunſtſinnes bei verſchiedenen Völkern, den Klimaten und der Nahrung hauptſächlich zugeſchrieben. Um zu beweiſen, daß ein Theil dieſer Anſicht ſchon in dem tiefſten Alterthume, in der religiöſen und politiſchen Societät der Pythagoräer, herrſchte, ſei es mir erlaubt, eine merkwurdige Stelle anzuführen, welche uns beim Photins erhalten iſt: „Die Griechen,“ heißt es darin, „haben an ſittlicher Bildung alle Barbaren übertroffen, weil ſie den gemäßigten Theil der Erde bewohnen. Die Skythen und Aethiopier, von denen die einen durch Kälte, die anderen durch Hitze gequält werden, ſind eben deshalb von heftiger und leidenſchaftlicher Natur. Die Griechen und vor allen die Athener haben verbeſſert, was ihnen von den Barbaren zugebracht worden iſt; Malerei und andere Künſte, Mathematik und Wohlredenheit haben ſie zuerſt erfunden. Dieſe Art der Bildſamkeit iſt aber dem Lande der Griechen eigen, weil dort die reinſten und dünſten Lüfte wehen. Attika iſt unfruchtbar und dürr, denn eine ſolche Luft-Beſchaffenheit ſchadet dem Ertrage des Bodens, iſt aber heilſam den Seelen der Athener .“ Annon. de vita Pythag. apud Phot. Cod. CCLIX. interp. Holstenio c. 23. (Ed. Kiesling P. II. p. 120) Das iſt die Lehre von dem Einfluſſe der Luft-Temperatur auf den Geiſt und die Sitten, wie ſie in der Geſellſchaft der Pythagoräer herrſchend war. Jene hochgerühmte Intelligenz, deren Entwickelung durch ein mildes Klima zwar nicht erzeugt, aber begünſtigt wird, hat ſich unwandelbar erhalten unter den Bewohnern des altgriechiſchen Bodens. Sie hat ſich in demſelben Stamme offenbart, von der dunkeln Sagengeſchichte der „glänzenden Orchomenos“ an, bis zu der verhängnißvollen Zeit, in der wir leben, bis zu dem blutigen Kampfe, welcher, in beiden Welttheilen, wo irgend die Menſchheit ſich des Erbtheils helleniſcher Kultur erfreut, alle edlen Gemüther bewegt.