Ueber die Haupturſachen der Temperatur-Verſchiedenheit auf dem Erdkörper; von Alexander von Humboldt. (Auszug aus einer in der öffentlichen Verſammlung der K. Akademie hierſelbſt am 3. Jul. 1827 gehaltenen Vorleſung. Zunächſt für Hörende geſchrieben, hat dieſe Abhandlung nur den Zweck eine kurze und leicht zu folgende Ueberſicht zu geben. Deshalb ſind auch von dem Hrn. Verfaſſer, und noch mehr in dieſem Auszuge, alle für einen ſolchen Zweck nicht paſſende Einzelheiten geflieſſentlich übergangen. P. Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper iſt ſeit vielen Jahren ein Haupt-Gegenſtand meiner Unterſuchungen geweſen: ſie ſteht mit der räumlichen Verſchiedenartigkeit der Producte, mit dem Ackerbau und dem Handelsverkehr der Völker, ja mit mehreren Seiten ihres ganzen moraliſchen und politiſchen Zuſtandes in der innigſten Verbindung. Die Zeiten ſind vorüber, wo man ſich mit unbeſtimmten Anſichten über die Differenz geographiſcher und phyſiſcher Klimate begnügte, und alle Modiſicationen der Temperatur bald ſchützenden Bergzügen, bald der Erhöhung der Erdoberfläche zuſchrieb. Man hat nach und nach eingeſehen, daß die merkwürdigen Abweichungen der Klimate, welche man in großen Länderſtrekken, zwiſchen denſelben Breite-Graden und in derſelben Höhe über dem Meeresſpiegel wahrnimmt, nicht von dem kleinlichen Einfluſſe individueller Oertlichkeiten herrühren, ſondern allgemeinen Geſetzen unterworfen ſind, welche durch die Geſtalt der Continental-Maſſen, durch ihre Umriſſe, den Zuſtand ihrer Oberfläche, beſonders aber durch ihr Stellungs- und Größen-Verhältniß zu den benachbarten Meeren beſtimmt wird. Die relative Lage durchſichtiger und undurchſichtiger, tropfbar flüſſiger oder feſter Theile der Erdoberfläche modificirt die Abſorbtion der, unter gleichen Winkeln einfallenden, Sonnenſtrahlen, und mit ihr die Erzeugung der Wärme. Dieſe Umſtände, die winterliche Bedeckung mit Eis und Schnee, welche den Continenten, und nur einem ſehr kleinen Theile der Meere eigen iſt, die Langſamkeit, mit welcher große Waſſermaſſen ſich erwärmen und erkälten; das Strahlen glatter oder rauher Oberflächen gegen einen wolkenſreien Himmel; die regelmäßigen Strömungen des Oceans und der Atmoſphäre, welche Waſſer und Luft aus verſchiedenen Breiten und aus verſchiedenen Tiefen und Höhen mit einander miſchen, ſind die Hauptmomente, von denen die Eigenthümlichkeiten klimatiſcher Verhältniſſe abhängen. Demnach hat jeder Ort gleichſam ein zwiefaches Klima: eines, das von allgemeinen und fernen Urſachen, von der Stellung der Continental- Maſſen und ihrer Geſtaltung abhängt; ein anderes, welches ſpecielle, nahe liegende Verhältniſſe der Localität beſtimmen. Seitdem man angefangen hat, das Problem der geographiſchen Wärme-Vertheilung in ſeiner ganzen Allgemeinheit zu faſſen, ſind meteorologiſche Beobachtungen minder geiſtlos und zweckwidrig angeſtellt worden. Eine kleinere Zahl derſelben führt jetzt zu beſtimmten Reſultaten; und Entdeckungen, welche in den letzten Jahrzehenden in den ſernſten Theilen der Erde gemacht worden ſind, haben den Geſichtspunkt allmälig erweitert. Phyſik und Geognoſie ſind nach und nach gleich wichtige Gegenſtände aller großen Land- und See-Reiſen geworden. Um mit dem äußerſten Norden zu beginnen, erwähne ich hier zuerſt eines Mannes, den die gefahrvollen und läſtigen Beſchäſtigungen ſeines Berufs, des Wallfiſchfanges, nicht abgehalten haben, die feinſten meteorologiſchen und zoologiſchen Beobachtungen anzuſtellen. Herr Scoresby hat zwiſchen der vulkaniſchen Inſel Jan- Mayen und dem von ihm entdeckten Theile von Oſt- Grönland zuerſt die mittlere Lufttemperatur der Polar-Meere beſtimmt. Eine nordweſtliche Durchfahrt ſuchend, iſt es der engliſchen Regierung gelungen, der Erdkunde, der Klimatologie und der Kenntniß magnetiſcher Erſcheinungen Dienſte leiſten zu laſſen, welche urſprünglich dem Handelsverkehr der Völker verheißen waren. Parry, Sabine und Franklin haben aus mehrjährigen Erfahrungen die Temperatur-Verhältniſſe der Luft und des Meeres bis Port- Bowen und Mellville’s Inſel, alſo faſt bis zum 75ſten Breiten-Grade, mit einer Ausdauer erforſcht, von der die Geſchichte menſchlicher Anſtrengungen und muthigen Ankämpfens gegen die Elemente kaum ein ähnliches Beiſpiel aufweiſen kann. Ein altes Vorurtheil, dem Cook’s großer Name zum Schutze diente, die Meinung, als ſey der Südpol, einer allgemein verbreiteten Eisdecke wegen, unzugänglicher, als der Nordpol, iſt neuerlichſt durch den Seefahrer Weddell zerſtört worden. Die Entdeckung eines neuen Archipelagus, Süd-ſüd-öſtlich vom Feuerlande, hat zu einer Expedition Anlaß gegeben, auf welcher (weit jenſeit zweier von dem ruſſiſchen Kapitain Billinghausen aufgefundenen Sporaden) unter dem 74ſten Grade der Breite Weddell ein völlig eisfreies Meer vor ſich ſah. Wenden wir uns zu der gemäßigten Zone, ſo finden wir eine große Zahl von Punkten, wo die bisher für unveränderlich gehaltene mittlere Temperatur gemeſſen worden iſt. Aſtronomen in Neu-Holland und am Fuße des indiſchen Himalaya, katholiſche und evangeliſche Miſſionarien in Macao, Van-Diemens-Land und der Gruppe der Sandwich-Inſeln haben neue Thatſachen geliefert, um die nördliche und ſüdliche, die öſtliche und weſtliche Hemiſphäre (alſo die waſſer- und länderreichſten Theile der Erde) in der heißen und gemäßigten Zone mit einander zu vergleichen. Eben ſo iſt das Verhältniß der Wärme unter dem Aequator und den beiden Wendekreiſen beſtimmt worden. Dieſe numeriſchen Elemente find als Fixpunkte beſonders wichtig, weil ſie wie die Zone des wärmſten Meer-Waſſers (zwiſchen 23° und 24°,5 R.) in der Folge der Jahrhunderte dazu dienen können, die viel beſtrittene Temperatur-Veränderlichkeit unſers Planeten zu prüfen. Ich muß hier erinnern, daß klimatologiſche Beſtimmungen in dem ſüdlichſten Theile der gemäßigten Zone, zwiſchen den Parallel-Kreiſen von 28° und 30°, lange vermißt worden ſind. Dieſe Weltgegend bildet gleichſam ein Mittelglied zwiſchen dem eigentlichen Palmen-Klima und der Zone, in welcher, nach weſtlichen Sagen, die Menſchheit zuerſt (länge dem Mittelmeere, in Vorder-Aſien und Iran) zu geiſtiger Bildung, zu Anmuth der Sitten und ſchaffendem Kunſtgefühle erwacht iſt. Niebuhr’s, Nouet’s und Coutel’s Beobachtungen in Aegypten, meines unglücklichen Freundes Ritchie’s Beobachtungen in der Oase von Murzuk, waren ihrer örtlichen Verhältniſſe wegen nur dazu geeignet, mißleitende Reſultate zu geben. Das große und klaſſiſche Werk über die Canariſchen Inſeln, welches wir Hrn. Leopold v. Buch verdanken, hat auch dieſe Lücke ausgefüllt, ſo wie ſeine Reiſe nach Lappland und nach dem nördlichſten Vorgebirge unſers Erdtheils zuerſt die Urſachen klar entwickelt hat, welche in der Scandinaviſchen Halbinſel, jenſeit des Polarkreiſes, die Strenge der Winterkälte mildern, den Quellen die Temperatur erhalten, welche ihnen tiefere Erdſchichten gegeben haben, und die Gränzen des ewigen Schnees und der verſchiedenen Baumarten, unter Einfluß des Continental- und Küſten-Klimas, ungleich erheben. Folgen wir dem Meeresſtrome, welcher das große Thal des Atlantiſchen Oceans von Oſten gegen Weſten durchſchneidet, ſo finden wir in der neuen Welt, von dem ruſſiſchen Amerika und den Anſiedelungen kanadiſcher Jäger bis an den Plata-Strom und das ſüdlichſte Chili, in einer Länge von mehr als 1500 geographiſchen Meilen, reiche Quellen der Belehrung faſt unerwartet eröffnet. Es ſind nicht mehr fremde Naturforſcher, die uns mittheilen, was ſie bei dem kurzen Aufenthalte in wald- oder grasreichen Ebenen, wie auf dem beeiſeten Rücken der Cordilleren flüchtig erforſcht haben; von der mittleren Temperatur einzelner Wochen und Monate braucht man nicht mehr auf die mittlere Temperatur des Jahres zu ſchließen; überall geht von den Einwohnern ſelbſt gründliche und vollſtändige Belehrung aus. Die executive Gewalt der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika läßt ſeit 5 Jahren, zwiſchen dem 28ſten und 47ſten Grade der Breite, zwiſchen dem Miſſury und den Alleghanis, zwiſchen dem See Michigan und der Küſte von Penſacola , auf einem Flächenraume von 24000 Quadratmeilen, an ſiebzehn verſchiedenen Punkten, wo militairiſche Beſatzungen ſtehen, täglich dreimal meteorologiſche Beobachtungen anſtellen, aus denen ſich die mittlere Temperatur der Tage, der Monate und des Jahres ergiebt. Dieſe Beobachtungen, von dem General-Staabs-Arzte der Armee, Herrn Lovell, berechnet, ſind in zwei Abhandlungen auf Koſten der Nord-Amerikaniſchen Regierung herausgegeben, und an alle wiſſenſchaftliche Inſtitute in Europa vertheilt worden . Wenn nach dieſem ſchönen Beiſpiele, in dem öſtlichen Theile unſeres alten Continents, in dem weitausgedehnten, der halben Mondfläche gleichen Raume zwiſchen der Weichſel und der Lena, in wohl ausgewählten Punkten, ähnliche unter ſich vergleichbare Thermometer- Beobachtungen, auf Befehl und Koſten eines mächtigen Monarchen, gemacht würden: ſo müßte in wenigen Jahren die ganze Klimatologie eine neue und verbeſſerte Geſtalt gewinnen. Ein Auszug aus dieſer Arbeit, deren Mittheilung ich der Güte des Hrn. v. Humboldt verdanke ſoll den Leſern nächſtens überlieſert werden. P. Der Eifer, welcher die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika beſeelt, iſt in dem jetzt erſt frei gewordenen ſpaniſchen Amerika mit gleicher Lebhaftigkeit erwacht. Zeitſchriften, die in Bergſtädten bis zu 9000 Fuß Höhe gedruckt werden, geben täglich, in der ungeheuern Ausdehnung von 28° nördlicher bis 40° ſüdlicher Breite, den Stand des Thermometers, Barometers und Hygrometers, nach genauen, in Paris und London angefertigten, Inſtrumenten an. So iſt die nun vollendete politiſche Revolution dieſer Länder nicht bloß ihrem eigenen Wohlſtande und dem Erwerbfleiße von Europa erſprießlich geworden; ſie wird auch unbezweifelt, je nachdem die Bevölkerung zunimmt, und ſich wiſſenſchaftliche Kultur über ſo viele Berggehänge und Hochebenen verbreitet, zu einer gründlicheren Kenntniß der höheren Schichten der Atmoſphäre führen. Ganze Provinzen erheben ſich dort zu der Höhe des Aetna und Pic’s von Teneriffa, inſelförmig im Luftmeere. Wo im alten Continente der reiſende Phyſiker, der ewigen Schneegränze nahe, ſein Zelt aufſchlägt, da liegen hier volkreiche Städte. So wie Afrika, in neueren Zeiten, für einen an Palmen-Formen armen Welttheil erkannt worden iſt, während es die Alten auf Münzen und Denkmählern als Palmenreich ſymboliſirten; ſo haben auch die letzten Entdeckungsreiſen unſern Glauben an eine ſtets gleichförmige Tropenhitze in den afrikaniſchen Wüſten ſonderbar modificirt. Von Murzuk in Fezzan aus reiſend (einer Oase, in der Ritchie und Lyon, wahrſcheinlich wegen des in der Luft ſchwebenden wärmeſtrahlenden Sandes, im Schalten, 5—6 Fuß über den Boden, mehrere Sommer-Monate hindurch, das Reaumur ſche Thermometer um 5 Uhr Morgens zwiſchen 24° und 26°, Mittags zwiſchen 38° und 43° geſehen haben) ſtarb Dr. Oudney vor Kälte, mitten in Afrika, an der Gränze von Bornu, unter dem 13ten Breiten-Grade, zu Ende Decemb. in einem Lande, das nach Barometer-Meſſungen nicht 1200 Fuß über dem Meeresſpiegel erhaben iſt. Man behauptet, Waſſerſchläuche, welche Oudney’s Caravane trug, ſeyen in derſelben Nacht gefroren geweſen; doch hat mir Clapperton’s Reiſegefährte, Major Denham, den ich nach ſeiner Rückkehr vom See Tchad um mündliche Erläuterungen gebeten, erzählt, daß am Morgen, einige Stunden nach dem Tode des Dr. Oudney, die Luft-Temperatur nicht unter 7 [Formel] Grad geweſen ſey. In Süd-Amerika, dem Aequator näher, bei Bogota und Quito, habe ich, trotz der großen kälteerzeugenden Wirkung der Strahlung hoher Ebenen, Waſſer noch nicht in 8500 und 9000 Fuß Höhe mit Eis bedeckt geſehen. In den handſchriftlichen Tagebüchern des jungen Beaufort, der vor Kurzem im oberen Senegal ein Opfer ſeines wiſſenſchaftlichen Eifers geworden iſt, finde ich, unter 16 Grad Breite, das Thermometer im Schatten, an demſelben Tage, auf 36 Grad in der Mittagsſtunde, und auf 12 Grad am frühen Morgen. So tief ſinkt nie die Luft-Temperatur in Amerika in der Ebene unter demſelben nördlichen Parallelkreiſe. Als ich im vorigen Jahre der Akademie einen ausführlichen Bericht über die vortrefflichen Arbeiten von Ehrenberg und Hemperich vorlegte, habe ich bereits der Kälte erwähnt, welcher dieſe gelehrten Reiſenden in der Wüſte von Dongola, unter 19 Grad Breite, ausgeſetzt waren. Nordwinde gelangten bis in dieſe ſüdliche Tropen- Gegend, und im December ſank das Thermometer bis 2°,5 R. über dem Gefrier-Punkte herab, alſo volle 12 Grad tiefer, als es, nach ſorgfältig von mir geſammelten Erſahrungen, je unter derſelben Breite, in Weſtindien, beobachtet wurde. Man iſt erſtaunt, nicht etwa am äußerſten Rande der Tropen-Zone, ſondern mitten in derſelben, Afrika, in ſeinen Wüſten, kälter als das vegetationsreiche Amerika zu finden. Die eigentlichen Urſachen dieſes ſonderbaren Erkältungs- Proceſſes (vielleicht Wärmeſtrahlung des Bodens durch trockne Luſt gegen einen wolkenfreien Himmel, plötzliches Ausdehnen beim Ergießen feuchter Luſtſchichten in dieſe trockene Luft, Herabſinken der oberen Theile der Atmoſphäre) ſind bis jetzt nicht hinlänglich ergründet worden. Es iſt allgemein bekannt, daß mehr als zwei Dritttheile unſeres Planeten von einer Waſſerhülle bedeckt werden, die durch Berührung mit der Atmoſphäre den wichtigſten Einfluß auf das Klima der Continental-Maſſen ausübt. Waſſer, von den Sonnenſtrahlen getroffen, erwärmt ſich nach anderen Geſezzen, als die feſte Erdrinde. Verſchiebbarkeit der Theilchen, aus denen man ſich das Flüſſige zuſammengeſetzt vorſtellt, erregen Strömungen und ungleiche Vertheilung der Temperatur. Durch Strahlung erkältet und verdichtet, ſinken die Waſſertheilchen zu Boden. Luftreiſen, Erklimmen von iſolirten Bergſpitzen, und in das Meer herabgelaſſene thermoskopiſche Apparate haben die Schnelligkeit der Wärme- Abnahme beſtimmt, welche, von unten nach oben in der Atmoſphäre, von oben nach unten in dem Ocean und in Süßwaſſer-Seen, zu verſchiedenen Jahreszeiten, Statt findet. Geſchöpfe, denen beide Elemente zum Aufenthalte dienen, finden daher, auf jeglichem Punkte der Erde, im luftförmigen und im tropfbaren Elemente, die heterogenſten Klimate ſchichtenweiſe über einander gelagert. In der Tiefe des Meeres, unter dem Aequator, wie in den Alpen-Seen der gemäßigten Zone, herrſcht fortwährend ein beſtimmter Kälte-Grad, der, bei welchem das Waſſer ſeine größte Dichtigkeit erlangt. Ellis’s, Forster’s und Saussure’s Verſuche ſind jetzt unter allen Zonen und in allen Tiefen wiederholt worden; aber was wir über die niedrigſte Temperatur der Luft und des Meerwaſſers, wie über die größte Wirkung der Wärme-Strahlung, zwiſchen den Wende-Kreiſen wiſſen, dient zum unumſtößlichſten Beweiſe, daß die Kälte, welche dort nahe am Meeresboden herrſcht, von einer Strömung herrührt, die in den Tiefen des Oceans ſich von den Polen zu dem Aequator richtet, und die unteren Waſſerſchichten der ſüdlichen Meere erkältet, wie in der Atmoſphäre der obere Luftſtrom, der ſich vom Aequator gegen die Pole ergießt, die Winter-Kälte der nördlichen Länder mildert. Sandbänke werden, wie der unſterbliche Benjamin Franklin zuerſt gelehrt hat, früher durch das Thermometer, als durch das Senkblei erkannt. Es ſind ſubmariniſche Inſel-Theile des Meer-Bodens, welche die elaſtiſchen Kräfte nicht über den Waſſerſpiegel erheben konnten. Auf dem Abhange der Untiefen, durch Stoß anſteigend, miſchen ſich die unteren kälteren Waſſerſchichten mit den oberen wärmeren. So verräth dem Schiffer plötzliche Meereskälte die nahe Gefahr. Durch ihre Temperatur wirken die Untiefen auf die darüber ſtehende Luft, in der ſie Nebel und weitgeſehene Gruppen von Wolken erzeugen. Als man noch wenig über die Verbreitung der Wärme auf dem Erdkörper nachgedacht hatte, glaubte man das Klima zweier Orte nach den Extremen beurtheilen zu können, welche die Sommer- und Wintertemperaturen erreichen. Dieſe Anſicht der Dinge hat ſich noch in der Volksmeinung erhalten; von den Phyſikern iſt ſie längſt als unrichtig aufgegeben worden; denn wenn auch unbezweifelt die Extreme einzeiner Tage und Nächte in gewiſſem Verhältniſſe zu der mittleren Temperafur des Jahres ſtehen, ſo iſt doch (und dieſer Umſtand hat den wichtigſten Einfluß auf das Gedeihen der Gewächſe und den Geſundheitszuſtand der Menſchen), bei einem und demſelben Grade mittlerer jährlicher Temperatur, die Vertheilung der Wärme unter die verſchiedenen Jahreszeiten auffallend verſchieden. Den Typus dieſer Vertheilung, nach Maaßgabe der Himmelsſtriche und Höhen, habe ich ſorgfältig zu beſtimmen geſucht. Sollen aber vergleichende Reſultate in Zahlen überſichtlich gegeben werden, ſo müſſen ſie die mittlere Temperatur jedes Monats, in der Vorausſetzung einer arithmetiſchen Reihe, aus den zwei Extremen eines jeglichen Tages hergeleitet, enthalten. Dieſe Methode befolgte zuerſt Reaumur im Jahre 1735; er verglich den Ertrag zweier Kornernten, nicht (wie Herschel ) mit Zahl und Größe der Sonnenflecke und Sonnenfackeln, ſondern mit der Quantität-Wärme, welche die Cerealien während ihrer Vegetationszeit empfangen. Viele Arbeiten ſind in den letzten Jahren darauf gerichtet geweſen, die Stunde zu beſtimmen, deren mittlere Temperatur zugleich die des ganzen Jahres ausdrückt. Ich erwähne hier nur der Beobachtungen, welche auf Hrn. Brewster’s rühmliche Veranſtaltung in Schottland auf dem Fort Leith angeſtellt worden ſind. Man hat die Nachtwachen eines Militairpoſtens dazu benutzt, ein Thermometer, zwei ganze Jahre lang, von Stunde zu Stunde beobachten zu laſſen und aus der Maſſe dieſer Beobachtungen, die man unter anderen Parallelkreiſen wiederholen ſollte, iſt berechnet worden, daß in der Breite von Edimburg eine einzige tägliche Beobachtung, Morgens um 9 Uhr 13 Minnten, Abends um 8 Uhr 27 Minuten genügen würde, die mittlere jährliche Wärme zu beſtimmen . Unter den Monaten geben dieſes wichtige Reſultat April und October; es ſey denn (und dieſe von Leopold v. Buch zuerſt aufgefundene Thatſache hängt mit merkwürdigen Modificationen der obern Luftſtröme zuſammen), daß durch örtliche Urſachen, wie auf der Inſel Gran Canaria, das Maximum der Wärme verſpätet und in den October verſetzt würde. Ein Reſultat, welches von dem wahren nicht um [Formel] Grad des Reaumurſchen Thermometers abweicht, erhält man auch durch das Mittel aus zwei Stunden gleicher Benennung. Reſults of the therm. obſ. made at Leith Fort every hour of the day and night during the years 1824 and 1825 p. 19. Wenn ich oſt in dieſem Vortrage der, in den beiden letzten Jahrzehnden ſchnell vermehrten, Zahl meteorologiſcher Beobachtungen erwähne; ſo will ich keinesweges darauf hindeuten, als ſey die Vervollkommnung der Klimatologie vorzugsweiſe auf eine ſolche Vermehrung gegründet. Hier, wie in allen Aggregaten empiriſcher Kenntniſſe, die zu früh Wiſſenſchaften genannt worden ſind, kommt es „auf ein denkendes Begreifen der Natur,“ auf eine richtige Anſicht deſſen an, was aus den wohlgeordneten Einzelnheiten gefolgert werden darf. Verſuchen wir nun das Problem der Temperaturvertheilung in ſeiner ganzen Allgemeinheit zu faſſen, ſo können wir uns planetariſche Wärme entweder (wie im gegenwärtigen Zuſtande der ſchon oxydirten, erhärteten Erdrinde) als Folge der Stellung gegen einen Wärme erregenden Centralkörper denken; oder aber (wie im erſten Zuſtande des Zuſammenrinnens aufgelöſeter dunſtförmiger Stoffe) als Folge von inneren Oxydationsproceſſen, Niederſchlägen, chemiſch veränderten Capacitäten oder electro-magnetiſchen Strömungen. Mannichfaltige geognoſtiſche Phänomene, deren ich bereits in einer anderen Abhandlung gedacht habe, deuten auf eine ſolche Entwickelung innerer, von dem Planeten ſelbſt erregter Wärme hin. Dazu hat der geiſtreiche Aſtronom und Phyſiker, Hr. Arago, neuerlichſt die Zweifel, welche man gegen die, den Bergwerken beider Welttheile eigenthümliche, Wärme erhoben hat, durch neue Verſuche über tief erbohrte Quellwaſſer (ſogenannte arteſiſche Brunnen) auf das Vollkommenſte widerlegt . Je größer die Tiefe iſt, aus welcher die Waſſer aufſteigen, deſto wärmer ſind ſie befunden worden. Hier iſt aller Verdacht von niederſinkenden, ſich verdichtenden und alſo wärmeentbindenden Luftſchichten entfernt; hier ſind Menſchennähe und Wirkung bergmänniſchen Geleuchtes nicht zu fürchten. Die Waſſer bringen die Wärme mit ſich, welche ſie durch lange Berührung mit den Geſteinmaſſen, in verſchiedenen Tiefen erhalten haben. Dieſe Ann. Bd. 76. S. 452. P. Dieſe denkwürdigen Beobachtungen lehren, wie, unabhängig von der Schiefe der Ekliptik im früheſten gleichſam jugendlichen Zuſtande der Planeten, Tropentemperatur und Tropenvegetation unter jeglicher Zone entſtehen und ſo lange fortdauern konnten, bis durch Wärmeſtrahlung aus der erhärteten Erdrinde, und durch allmälige Ausfüllung der Gangklüfte mit heterogenen Geſteinmaſſen, ſich ein Zuſtand bildete, in welchem (wie Fourier in einem tiefſinnigen mathematiſchen Werke gezeigt hat) die Wärme der Oberfläche und des Luftkreiſes nur von der Stellung des Planeten gegen einen Centralkörper, die Sonne, abhängt. Wir überlaſſen es gern anderen Phyſikern zu entſcheiden, wie tief unter der oxydirten und erhärteten Erdrinde die geſchmolzenen, flüſſigen Maſſen liegen, welche ſich in die Oeffnungen noch jetzt thätiger Vulkane ergießen, die Continente und den Meeresboden periodiſch erſchüttern und durch Klüfte in Granit und porphyrartigem Geſteine heiße Mineralquellen emportreiben. Die Tiefe unſerer Bergwerke iſt zu gering, um aus der ungleichen Wärmezunahme, welche man bisher darin beobachtet hat, ein Problem befriedigend in Zahlen aufzulöſen, welches die Neugier der gleichſam auf einem Felſengewölbe wohnenden Menſchen beſchäftigt. Hier genügt es, daran zu erinnern, wie die neueren Anſichten der Phyſiker und Geognoſten, und zwar der beobachtenden, nicht leer-hypotheſirenden Geognoſten, den alten Mythus vom Pyrophlegeton und von Hephäſtos allverbreiteter Werkſtätte ins Leben zurückgerufen haben. Wird ein planetariſcher Weltkörper von elaſtiſchen Luftſchichten umfloſſen, und iſt die alternde oxydirte Erdrinde mit faſt überall geſchloſſenen oder ausgefüllten Klüſten, durch lange Ausſtrahlung der Wärme, in den Zuſtand des Gleichgewichts zwiſchen dem Empfangen und Verlieren, dergeſtalt gelangt, daß ſeine äußere Temperatur und die Verſchiedenheit der Klimate nur von der Stellung gegen die Sonne, gegen einen größeren in permanentem Lichtproceß begriffenen Centralkörper, herrühren; ſo kann man in größter Allgemeinheit des Problems die Temperatur eines jeden Ortes als allein abhängig von der Art betrachten, wie ſich der Einfluß der Mittagshöhe der Sonne äußert. Dieſe Höhe beſtimmt zugleich die Größe der halben Tagbögen; die Dicke der Luftschichten, welche von den Sonnenſtrahlen durchſtrichen werden, ehe ſie den Horizont erreichen; die Menge der abſorbirten oder erwärmenden Strahlen (eine Quantität, welche mit der Größe des Einfallwinkels raſch zunimmt); endlich die Zahl der Sonnenſtrahlen, welche, mathematiſch betrachtet, ein gegebener Horizont empfängt. Die Wärmeerzeugung kann demnach, wo es auf ein Mehreres oder Minderes ankommt, als von der erleuchteten Erdfläche ausgehend betrachtet werden. Die Abſorption, welche die Sonnenſtrahlen bei ihrem Durchgange durch den Luftkreis erleiden, oder (anders zu reden) die Wärmeerzeugung durch Lichtſchwächung iſt überaus gering, doch bemerkbar auf dem Ocean, wo ich in großer Entfernung von den Küſten, ſelbſt dann, wenn das Waſſer kälter als die Atmoſphäre war, die Temperatur der letzteren, zur Mittagszeit, mit der Sonnenhöhe habe zunehmen ſehen . Hr. Arago hat mich zuerſt auf dieſe merkwürdige Wirkung der Lichtabſorbtion im Luftkreiſe aufmerkſam gemacht. Con. des tems pour 1828. p. 225. Neuere Unterſuchungen haben gezeigt, daß es in beiden Welttheilen unter dem Aequator, deſſen mittlere Lufttemperatur ſich auf 22°,2 Reaumur erhebt, nicht merklich heißer iſt, als in 10 Grad nördlicher und ſüdlicher Breite. Nach dem Commentar des Geminus zu dem aſtronomiſchen Gedichte des Aratus glaubten einige griechiſche Phyſiker, die Temperatur der Wendekreiſe übertreffe ſogar die des Aequators. Arago hat mit großem Scharfſinne durch zahlreiche optiſche Verſuche dargethan, daß von der ſenkrechten Incidenz an, bis zu einem Zenitabſtande von 20 Graden, die Menge des zurückgeworfenen Lichtes (und von dieſer Menge hängt die mindere Erwärmung des erleuchteten Körpers ab) faſt dieſelbe bleibt. Wenn ich die mittleren jährlichen Temperaturen mit einander vergleiche, ſo finde ich, daß, im weſtlichen Theile des alten Continents, die Temperaturen von Süden gegen Norden abnehmen: von 20 bis 30 Grad Breite um 3°,2 Reaumur; von 30 bis 40 Grad Breite um 3°,6; von 40 bis 50 Grad Breite um 5°,7; von 50 bis 60 Grad Breite wiederum nur um 4°,4. In beiden Continenten iſt die Region, wo die Wärmeabnahme am ſchnellſten iſt, zwiſchen dem 40ſten und 45ſten Grade der Breite zu ſuchen. In dieſem Reſultate ſtimmt die Beobachtung auf eine merkwürdige Weiſe mit der Theorie zuſammen; denn die Variation des Quadrats des Coſinus, welches das Geſetz der mittleren Temperatur ausdrückt, iſt die größtmögliche bei 45 Grad Breite. Dieſer Umſtand hat, wie ich ſchon an einem andern Orte erinnert habe, wohlthätig auf den Kulturzuſtand der Völker gewirkt, welche jene milden, von dem mittleren Parallelkreiſe durchſchnittenen Gegenden bewohnen. Dort grenzt das Gebiet des Weinbaues an das Gebiet der Oelbäume und der Orangen. Nirgend anders auf dem Erdboden ſieht man (von Norden gegen Süden fortſchreitend) die Wärme ſchneller mit der geographiſchen Breite zunehmen; nirgend anders folgen ſchneller auf einander die verſchiedenartigſten vegetabiliſchen Producte, als Gegenſtände des Garten- und Ackerbaues. Dieſe Heterogeneität belebt die Induſtrie und den Handelsverkehr der Völker. Vergl. mein Eſſai politique ſur l’Ile de Cuba 1826. T. II. p. 79—92, wo ich die von Hrn. Atkinson ( Mem. of the Aſtron. Soc. Vol. II. p. 137—138.) erregten Zweifel beſeitigt zu haben glaube. (Man ſehe auch dieſe Ann. Bd. 84. S. 165. P.) Isig. in Aratum cap. 13. Strabo Geogr. lib. II. p. 97. Im öſtlichen Theile des Neuen Continents ſind die Abnahmen der mittleren Temperatur von 20° bis 30° ....... 5° Reaumur. 30° 40° ....... 5°,7 40° 50° ....... 7°,2 50° 60° ....... 5°,8 Es iſt hier der Ort, zu erinnern, daß partielle tägliche und monatliche Temperaturveränderungen, bei der Beweglichkeit des Luftkreiſes, durch Herbeiführung kalter oder warmer Luftſchichten, durch die mehr oder minder elektriſche Spannung, durch die Wolkenbildung oder Dunſtzerſtreuung, kurz durch eine faſt unabſehbare Menge variabler Urſachen, die in der Nähe und Ferne wirken, beſtimmt werden. Leider hat das Studium der Meteorologie in einer Zone beginnen müſſen, wo die Verwickelung der Urſachen, wo Zahl und Intenſität perturbirender Kräfte am größten ſind. Wenn je die freiere Kultur des menſchlichen Geiſtes, wie man es gegenwärtig erwarten darf, einen ihrer Hauptſitze unter den Wendekreiſen aufſchlägt; ſo iſt vorauszuſetzen, daß man dort, bei dem einfachen Gange der Erſcheinungen, deutlich erkennen werde, was hier, im Spiel gleichzeitig wirkender, ſtreitender Kräfte, lange verborgen geblieben iſt. Von den Einfachen iſt es leicht zu dem Zuſammengeſetzten überzugehen, und eine wiſſenſchaftliche Meteorologie kann man ſich als von den Tropen nach dem Norden zurückkehrend denken. Unter dem Palmenklima führt ein ſchwacher Oſtwind immerdar gleich erwärmte Luftſchichten herbei. Das Barometer zeigt, wie der Gang der Magnetnadel, die Stunde des Tages an. Erderſchütterungen, Stürme und Donnerwetter ſtören die kleine, aber periodiſche Ebbe und Fluth des Luftmeeres nicht. Die veränderte Abweichung der Sonne und die dadurch in ihrer Stärke modiſicirten obern Luftſtröme vom Aequator gegen die Pole beſtimmen den Anfang der Regenzeit und der elektriſchen Exploſionen, welche beide zu regelmäßigen Epochen eintreten. Nach der Richtung des Wolkenzuges kann der Reiſende ſich faſt wie nach der Magnetnadel orientiren; und in der trockenen Jahreszeit würde in vielen Gegenden der Tropenwelt die Erſcheinung eines Gewölks am dunkelblauen Himmel die Bewohner eben ſo in Erſtaunen ſetzen, als uns der Fall eines Aërolithen, oder des rothen Polarſchnees, als den Peruaner das Krachen des Donners, oder als alle Bewohner tropiſcher Ebenen ein Hagelwetter. Dieſe Einfachheit und Regelmäßigkeit meteorologiſcher Erſcheinungen läßt eine leichtere und glücklichere Einſicht in ihren Causalzuſammenhang erwarten. So lange Beobachtungen über magnetiſche Inclination, Declination und Intenſität der Kräfte in den Reiſeberichten zerſtreut lagen, und man dieſelben noch nicht durch magnetiſche Linien vereinigt hatte, konnte die Lehre von der Vertheilung des Erdmagnetismus keine bedeutende Fortſchritte machen. Auf dieſe Analogie geſtützt, hat man angefangen, durch ſorgfältige Benutzung vereinzelter Thatſachen, die verwickelte Lehre von der Verbreitung der Wärme zu vereinfachen. Orte, die eine gleiche mittlere Wärme des Jahres, des Sommers oder des Winters haben, ſind durch Curven miteinander verbunden worden. So iſt das von mir im Jahre 1817 entwickelte Syſtem iſothermer Linien entſtanden, welche die Parallelkreiſe unter anderen Winkeln als die iſochimonen und iſothermen Linien durchkreuzen. Sie ſteigen gegen den Aequator herab, weil man im öſtlichen Aſien und im öſtlichen Theile von Nordamerika, auf gleichen Höhen über dem Meeresſpiegel, in einer ſüdlicheren Breite die Temperatur ſuchen muß, welche in unſerem mittleren Europa weiter gegen Norden hinauf gefunden wird. Der merkwürdige Umſtand, daß die höchſte Kultur des Völkerſtammes, zu dem wir gehören, ſich unter faſt gleichen Breiten in der gemäßigten Zone an zwei entgegengeſetzten Küſten, der öſtlichen des neuen Continents und der weſtlichen des alten, angeſiedelt hat, mußte auf die Ungleichheit der Wärme unter denſelben Parallelkreiſen früh aufmerkſam machen. Man fragte, um wie viel Thermometergrade der alte Continent wärmer, als der neue ſey, und erkannte erſt ſpät, daß die iſothermen Linien von der Breite von Florida bis zu der von Labrador hin nicht mit einander parallel laufen, daß die öſtlichen und weſtlichen Küſten von Nordamerika faſt ſo verſchieden, als die von Weſteuropa und Oſtaſien ſind. Geſtalt und Gliederung der Continentalmaſſen und ihr Verhältniß zu den nahen Meeren beſtimmen vorzüglich die Inflexion der iſothermen Linien, die Richtung der gleich warmen Zonen, in welche man ſich den ganzen Erdball getheilt vorſtellen kann. Das Vorherrſchen der Weſtwinde in den gemäßigten und kalten Himmelsſtrichen begründet den Unterſchied der Klimate an den Oſt- und Weſtküſten ein und deſſelben Continents. Die weſtlichen Winde, welche man als Gegenwirkungen der tropiſchen Paſſatwinde betrachtet, gelangen zu einer öſtlichen Küſte, wenn ſie im Winter den vorliegenden, mit Schnee und Eis bedeckten Continent bereits durchſtrichen haben; dagegen führen zu weſtlichen Küſten (in Europa, wie in Neucalifornien und Nootka) weſtliche Winde Luftſchichten herbei, die ſich im ſtrengſten Winter in Berührung mit der großen oceaniſchen Waſſerfläche erwärmt haben. Nach dieſen Ideen habe ich die genauere Kenntniß der niedrigſten Temperatur, zu welcher das atlantiſche Meer außerhalb den Golfſtrome, zwiſchen dem 40ſten und 50ſten Grade der Breite, (alſo in den Breiten von Spanien, Frankreich und Deutſchland) herabſinkt, einer beſonderen Unterſuchung werth gehalten. Ich habe gefunden, daß im Monate Januar das Meerwaſſer in 40° Breite nicht unter 10°,7; in 45° Breite nicht unter 9°,8 herabſinkt. Der allgemein verehrte Geograph von Oſtindien, Major Rennell, der ſich ſeit dreißig Jahren mit der Richtung der Strömungen im atlantiſchen Ocean beſchäftigt und mir bei meinem neueſten Aufenthalte in England einen Theil ſeiner handſchriftlichen Materialien mitgetheilt hat, findet für 50 Grad Breite, alſo in der Zone des nördlichen Deutſchlands, eine Wintertemperatur des Meerwaſſers, welche die Luftſchichten ſelbſt in dem glücklichen Klima von Marſeille im Januar nicht erreichen. Wenn die relative Ausdehnung von Aſien und Nordamerika, von der Südſee und dem nördlichen atlantiſchen Ocean anders wäre, als ſie jetzt iſt, ſo würde, durch ungleiche Erwärmung der feſten und flüſſigen Theile der Erdoberfläche, das ganze Syſtem der Winde in der nördlichen Hemiſphäre, ſowohl ihrer Richtung, als ihrer Stärke nach, verändert werden. De la diſtribution de la chaleur ſur le globe in Mem. de la Soc. d’Arcueil T. III. Unſer Europa verdankt ein milderes Klima ſeiner Erdſtellung (ſeinem Poſitionsverhältniſſe gegen das nahe Meer) und ſeiner gegliederten Geſtaltung. Europa iſt der weſtliche Theil des alten Continents und hat alſo den großen, ſchon an ſich kältemindernden und dazu noch vom Golfſtrome theilweiſe erwärmten atlantiſchen Ocean in Weſten. Zwiſchen den Meridiarien, in denen Europa ſich hinſtreckt, fällt die Aequatorialzone nicht in das Becken des Oceans, wie ſüdlich von dem eben deshalb kälteren Aſien. Der Welttheil, der unter allen den größten Theil des tropiſchen Klima’s genießt, das ſandbedeckte Afrika, iſt ſo gelegen, daß Europa von den Luftſchichten erwärmt wird, welche, über Afrika aufſteigend, ſich von dem Aequator gegen den Nordpol ergießen. Ohne die Exiſtenz des mittelländiſchen Meeres würde der Einfluß des nahen Afrika’s auf Temperatur und geographiſche Verbreitung von Pflanzen und Thieren noch wirkſamer ſeyn. Der dritte Hauptgrund des milderen Klima’s von Europa liegt darin, daß dieſer Welttheil ſich weniger weit gegen den Nordpol erſtreckt als Amerika und Aſien, ja daß er dem größten Buſen eisfreien Meerwaſſers gegenüberliegt, den man in der ganzen Polarzone kennt. Die kälteſten Punkte der Erde, neuerlichſt uneigentlich Kältepole genannt, fallen nicht wie der ſonſt ſo ſcharſſinnige Brewster in der engliſchen Bearbeitung meiner Abhandlung von den iſothermen Linien zu beweiſen geſucht hat, mit den magnetiſchen Polen zuſammen. Das Minimum der mittleren jährlichen Temperatur der Erdoberfläche liegt, nach Capitain Sabine’s Unterſuchungen, im Nordweſten von Melville’s-Inſeln, im Meridian der Behrings-Straße, wahrſcheinlich in 82 bis 83 Grad Breite. Die Sommergrenze des Eiſes, welche zwiſchen Spitzbergen und Oſtgrönland ſich bis zum 80ſten und 81ſten Grade zurückzieht, findet ſich überall zwiſchen Nova-Zembla, den Knochen-Inſeln von Neu-Sibirien und dem weſtlichſten amerikaniſchen Eiscap, ſchon im 75ſten Grade der Breite. Selbſt die Wintergrenze des Eiſes, die Linie, auf welcher die Eisdecke ſich unſerm Welttheile am meiſten nähert, umgiebt kaum die Bären-Inſel. Vom ſcandinaviſchen Nordcap, welches ein ſüdweſtlicher Meeresſtrom erwärmt, iſt die Fahrt zum ſüdlichſten Vorgebirge von Spitzbergen ſelbſt im ſtrengſten Winter nicht unterbrochen. Das Polareis vermindert ſich überall, wo es frei abfließen kann, wie in der Baffins- Bay und zwiſchen Island und Spitzbergen. Die Lage des atlantiſchen Oceans hat den wohlthätigſten Einfluß auf die Exiſtenz jenes, für das Klima von Nord-Europa ſo wichtigen, Eis-freien Meerwaſſers in dem Meridian von Oſtgrönland und Spitzbergen. Dagegen häufen ſich im Sommer die, aus der Baffins-Bay und Barrows-Straße ſüdlich getriebenen Eisberge in dem großen Mittelmeere an, welches die Geographen mit dem Namen der Hudſons-Bay bezeichnen. Dieſe Anhäufung vermehrt ſo ſehr die Kälte in dem benachbarten Continent, daß man in der Factorei York und bei der Mündung des Hayes-Fluſſes, nach Capitain Franklin’s neueſten handſchriftlichen Berichten, in einer Breite mit Nord-Preußen und Curland, am Ende des Auguſts und im Anfange des Septembers, beim Brunnengraben, in 4 Fuß Tiefe, überall Eis findet. Die nördlichſten und ſüdlichſten Grenzen des feſten Polareiſes, das heißt die Sommer- und Wintergrenzen, von deren Lage die Temperatur der nördlichen Continentalmaſſen abhängt, ſcheint in den hiſtoriſchen Zeiten, wie gründlichere Unterſuchungen endlich gelehrt haben, wenig verändert worden zu ſeyn. Der ſchädliche Einfluß, welchen kleine, iſolirte, durch Strömungen zuweilen bis in die Nähe der Azoren getriebene, Eismaſſen auf das Klima von Europa ausüben ſollen, gehört zu den Mythen, die von den Phyſikern ausgehen und ſich unter dem Volke verbreiten, wenn die Phyſiker längſt aufgehört haben, ihnen Glauben beizumeſſen. Finden ſich unter denſelben Breiten-Graden, wo in dem nördlichen Europa noch Garten- und Ackerbau getrieben werden, in Nordamerika und Nordaſien nur ſumpfige, moosbedeckte Länder, ſo äußert dagegen die kräftige Wärmeſtrahlung von Inner-Aſien, zwiſchen den faſt parallelen Bergketten des Himalaya, des Zungling und des Himmelsgebirges (eine Gegend, über welche Klaproth’s geographiſche Unterſuchungen viel Licht verbreiten) den glücklichſten Einfluß auf die aſiatiſche Bevölkerung. Die ewige Schneegrenze liegt am nördlichen Abhange des Himalaya 4000 Fuß höher als am ſüdlichen Abhange, und die phyſikaliſche Erklärung, welche ich von dieſer ſonderbaren Erſcheinung gegeben , iſt durch neue Meſſungen und Beobachtungen in Oſtindien, nach Hrn. Colebrooke’s Berichte, beſtätigt worden. Millionen von Menſchen thibetaniſcher Abkunft und düſterer, religiöſer Gemüthsſtimmung bewohnen volkreiche Städte, da, wo, bei einer minderen Ausdehnung und minderen Continuität der Hochebenen, Felder und Städte, das ganze Jahr hindurch, in tiefem Schnee vergraben ſeyn würden. Annales de Chimie et de Physique T. III. p. 297. T. IX. p. 310. T. XIV. p. 5. Wie die Strömungen des Luftmeeres durch die veränderliche Abweichung der Sonne und durch die Richtung der Bergketten, an deren Abhange ſie herabgleiten, vielfach modiſicirt werden, ſo führen auch die Strömungen des tropfbaren Oceans die wärmeren Waſſer niedriger Breitengrade in die temperirte Zone. Ich brauche nicht in Erinnerung zu bringen, wie die von den Paſſatwinden immer gleichförmig bewegten Waſſer des atlantiſchen Oceans, gegen den vorſtehenden Damm der Landenge von Nicaragua getrieben, ſich nordwärts wenden, in den Golf von Mexiko wirbelnd umhertreiben, durch den Kanal von Bahama ausfließen, ſich als ein Strom warmen Waſſers erſt nordöſtlich gegen die Bank von Neu-Foundland, dann ſüdöſtlich gegen die Gruppo der Azoren hin bewegen, und, wenn ſie vom Nordweſtwinde begünſtigt werden, Palmenfrüchte der Antillen, mit franzöſiſchen Weinen gefüllte Fäſſer aus verunglückten Schiffen, ja ſelbſt lebendige Esquimaux aus Oſt- Grönland mit ihren ledernen Böten nach Irland oder nach den Hebriden, oder nach den Küſten von Norwegen führen. Der vielgereiſte Aſtronom Herr Sabine, der, vor Kurzem aus den Polarländern zurückkehrend, Pendelverſuche im Golf von Guinea, auf der afrikaniſchen Inſel St. Thomas, anſtellte, hat mir erzählt, wie Fäſſer von Palmenöl, die bei dem Cap Lopez, etwas ſüdlich vom Aequator, durch Schiffbruch verloren gingen, erſt von dem Aequatorial-, und dann vom Golfſtrome getrieben, den atlantiſchen Ocean zweimal, von Oſten gegen Weſten und von Weſten gegen Oſten, in 3 und 50 Grad nördlicher Breite, durchſchnitten haben und an den ſchottiſchen Küſten glücklich angelangt ſind. Das wohlerhaltene Zeichen des afrikaniſchen Eigenthümers ließ keinen Zweifel über die Richtung, welche die Fäſſer genommen hatten. Wie hier Aequatorial-Waſſer im atlantiſchen Ocean durch den Golfſtrom nördlich geführt werden, ſo habe ich in dem ſtillen Meere, und zwar in der ſüdlichen Hemiſphäre, einen Strom erkannt, der längs dem Littoral von Chili und Peru kälteres Waſſer hoher Breiten unter die Wendekreiſe führt. In dieſem Strome habe ich das Reaumurſche Thermometer, im Hafen bei Truxillo, im September bis 12°,8; im Hafen von Callao bei Lima zu Ende Novembers bis 12°,4 ſinken ſehen. Ein junger überaus kenntnißvoller däniſcher Seeofficier, der Baron Dirckinck v. Holmfeldt, hat auf meine Bitte dieſes ſonderbare, ſo lange Zeit unbeobachtete Phänomen im Jahre 1825 zu verſchiedenen Jahreszeiten von Neuem unterſucht. Er fand mit Reaumurſchen Thermometern, welche Hr. Gay-Lussac und ich ſorgfältig verglichen hatten, bei dem Hafen Callao das Meerwaſſer im Auguſt wiederum 12°,6; im März 15°,7; während daß, außerhalb der Meeresſtrömung bei dem Vorgebirge Pariña, das ruhige Meer wie gewöhnlich unter ſolchen Breiten die große Wärme von 21 bis 22 Grad zeigte. Es iſt hier nicht der Ort, zu entwickeln, wie dieſer Strom kälteren Waſſers, welcher die ſüdliche Schiffahrt von Guayaquill nach Peru und von Peru nach Chili erſchwert, in einigen Monaten von der Garua, das heißt, von den Dünſten, welche die Sonnenſcheibe fortwährend verſchleiern, in ſeiner Temperatur modiſicirt wird, und wie er das Klima der Peruaniſchen Ebenen erkältet. So wie jedes Beſtreben des Menſchen nach einem wiſſenſchaftlichen Begreifen von Naturerſcheinungen ſein höchſtes Ziel nur in dem klaren Erkennen unſerer eigenen Natur erreicht; ſo führt auch die Unterſuchung, deren Hauptmomente uns hier beſchäftigt haben, zuletzt auf die Art, wie klimatiſche Verhältniſſe ſich in dem Charakter, dem Kulturzuſtande, vielleicht ſelbſt in der Sprachentwickelung einzelner Völkerſtämme, offenbaren. Hier iſt der Punkt, wo die große Lehre von der Vertheilung der Wärme über den Erdkörper ſich an die Geſchichte der Menſchheit anknüpft, und wo eben deshalb das Problem außerhalb des Gebietes einer rein phyſikaliſchen Empirie fällt.