Blike in die Zukunft. Freilich muß, ſagt Alexander von Humbold, nach großen Umwaͤlzungen der menſchlichen Geſellſchaften das Staatsvermoͤgen, welches ein Gemeingut der Geſittung iſt, zwiſchen den Voͤlkerſchaften heider Halbkugeln ſich ungleich vertheilt finben; allein nach und nach ſtellt das Gleichgewicht ſich wieder her, und es waͤre ein verderbliches, ich moͤchte beinahe ſagen, gottloſes Vorurtheil, im zunehmenden Wolſtande irgend einer andern Gegend unſers Planeten den Untergang oder das Verderben des alten Europa erbliken zu wollen. Die Unabhaͤngigkeit der Kolonien wird keineswegs ihre Trennung und Abſonderung befoͤrdern, ſondern vielmehr ſie den Voͤlkern fruͤherer Geſittung annaͤhern. Der Handelsverkehr ſtrebt dasjenige zu vereinbaren, was eine eiferſuͤchtige Staatskunſt lange Zeit getrennt hielt. Und mehr noch: es liegt in der Natur der Geſittung, daß ſie vorwaͤrts ſchreitet, ohne darum da zu erloͤſchen, wo ſie zuerſt entſtanden war. Ihre fortſchreitende Bewegung von Oſt nach Weſt, von Aſien nach Europa, beweist nichts gegen dieſe Behauptung. Eine helle Lichtflamme behaͤlt ihren Glanz, auch wenn ſie einen groͤßeren Raum erleuchtet. Die intellektuelle Bildung, dieſe fruchtbare Quelle des Nationalreichthums, theilt ſich uͤberall hin mit und dehnt ſich aus, ohne deßhalb den Ort zu aͤndern. Ihre Bewegung iſt nicht eine Wanderung: wenn ſie uns im Orient alſo vorkam, ſo geſchah es, weil barbariſche Horden ſich Egyptens, Kleinaſiens und jenes vormals freien Griechenlandes, dieſer verlaſſenen Wiege der Geſittung unſerer Altvordern, bemaͤchtigt hatten. Die Verwilderung und Verſunkenheit der Voͤlker iſt eine Folge erlittener Bedruͤkung, ſei es nun, daß einheimiſcher Despotismus oder ein fremder Eroberer dieſelbe ausuͤbt: der Despotismus iſt allzeit von fortſchreitender Verarmung und Abnahme des oͤffentlichen Wolſtandes begleitet. Freie und kraͤftige, dem Vortheile Aller entſprechende Staatseinrichtungen wenden dieſe Gefahr ab; und die wachſende Geſittung der Welt, die Konkurrenz von Arbeit und Tauſchverkehr richten diejenigen Staaten nicht zu Grund, deren Wolſtand aus natuͤrlicher Quelle herfließt. Das gewerbfleißige und handeltreibende Europa wird von der im ſpaniſchen Amerika ſich entwikelnden neuen Ordnung der Dinge Vortheil ziehen, wie ihm ſolcher hinwieder auch durch vermehrten Verbrauch und Abſaz aus Ereigniſſen zufließen wuͤrde, welche in Griechenland, auf den Nordkuͤſten Afrika’s und in andern der Tyrannei der Osmanen unterworfenen Landſchaften, der Barbarei ein Ziel ſezen moͤchten. Was den Wolſtand des alten Feſtlandes bedrohen kann, iſt einzig nur die Verlaͤngerung jener innern Kaͤmpfe, welche die Erzeugniſſe hemmen und zugleich Zahl und Beduͤrfniſſe der Konſumenten vermindern. Im ſpaniſchen Amerika naͤhert ſich nun dieſer, 6 Jahre nach meiner Abreiſe begonnene Kampf ſeinem Ende. In kurzer Zeit werden wir unabhaͤngige Voͤlkerſchaften an beiden Ufergeſtaden des atlandiſchen Weltmeeres erbliken, die bei ſehr abweichenden Regierungsformen, hinwieder durch die Erinnerung an die gemeinſame Herkunft, durch die gleiche Sprache und durch gleichartige Beduͤrfniſſe, wie ſie aus der Geſittung uͤberall hervorgehen, vereinbart erſcheinen. Durch die unermeßlichen Fortſchritte, welche die Kunſt des Seefahrers gemacht hat, ſind, moͤgte man ſagen, die Waſſerbeken der Meere verengert worden. Der atlandiſche Ocean ſtellt ſich uns in Geſtalt eines ſchmalen Kanales dar, welcher die europaͤiſchen Handelsſtaaten von der neuen Welt nicht weiter entfernt, als in der Kindheit der Schifffahrtskunde das Waſſerbeken vom Mittelmeere die Griechen des Peloponneſes von den Bewohnern Joniens, Siciliens, Cyrenea’s entfernt hielt.