Aus Sachſen. vom 6. Febr. Freilich muß, ſagt Alexander v. Humbold, nach großen Umwälzungen der menſchlichen Geſellſchaften das Staatsvermögen, welches ein Gemeingut der Geſittung iſt, zwiſchen den Völkerſchaften beider Halbkugeln ſich ungleich vertheilt finden; allein nach und nach ſtellt das Gleichgewicht ſich wieder her, und es wäre ein verderbliches, ich möchte beinahe ſagen gottloſes Vorurtheil, im zunehmenden Wohlſtande irgend einer andern Gegend unſers Planeten den Untergang oder das Verderben des alten Europa erblicken zu wollen. Die Unabhängigkeit der Colonien wird keineswegs ihre Trennung und Abſonderung befördern, ſondern vielmehr ſie den Völkern früherer Geſittung annähern. Der Handelsverkehr ſtrebt dasjenige zu vereinbaren, was eine eiferſüchtige Staatskunſt lange Zeit getrennt hielt. Und mehr noch: es liegt in der Natur der Geſittung, daß ſie vorwärts ſchreitet, ohne darum da zu erlöſchen, wo ſie zuerſt entſtanden war. Ihre fortſchreitende Bewegung von Oſt nach Weſt, von Aſien nach Europa, beweist nichts gegen dieſe Behauptung. Eine helle Lichtflamme behält ihren Glanz auch wenn ſie einen größeren Raum erleuchtet. Die intellektuelle Bildung, dieſe fruchtbare Quelle des Nationalreichthums, theilt ſich überall hin mit und dehnt ſich aus, ohne deßhalb den Ort zu ändern. Ihre Bewegung iſt nicht eine Wanderung: wenn ſie uns im Orient alſo vorkam, ſo geſchah es, weil barbariſche Horden ſich Aegyptens, Kleinaſiens und jenes vormals freien Griechenlands, dieſer verlaſſenen Wiege der Geſittung unſrer Altvordern, bemächtigt hatten. Die Verwilderung und Verſunkenheit der Völker iſt eine Folge erlittener Bedrückung, ſey es nun, daß einheimiſcher Despotismus oder ein fremder Eroberer dieſelbe ausübt: der Despotismus iſt allzeit von fortſchreitender Verarmung und Abnahme des öffentlichen Wohlſtandes begleitet. Freie und kräftige, dem Vortheile Aller entſprechende Staatseinrichtungen wenden dieſe Gefahr ab; und die wachſende Geſittung der Welt, die Conkurrenz von Arbeit und Tauſchverkehr richten diejenigen Staaten nicht zu Grund, deren Wohlſtand aus natürlicher Quelle herfließt. Das gewerbfleißige und handeltreibende Europa wird von der im ſpaniſchen Amerika ſich entwickelnden neuen Ordnung der Dinge Vortheil ziehen, wie ihm ſolcher hinwieder auch durch vermehrten Verbrauch und Abſatz aus Ereigniſſen zufließen würde, welche in Griechenland, auf den Nordküſten Afrika’s und in andern der Tyranney der Osmanen unterworfenen Landſchaften, der Barbarey ein Ziel ſetzen möchten. Was den Wohlſtand des alten Feſtlandes bedrohen kann, iſt einzig nur die Verlängerung jener innern Kämpfe, welche die Erzeugnisse hemmen und zugleich Zahl und Bedürfniſſe der Conſumenten vermindern. Im ſpan. Amerika nähert ſich nun dieſer, 6 Jahre nach meiner Abreiſe begonnene Kampf ſeinem Ende. In kurzer Zeit werden wir unabhängige Völkerſchaften an beiden Ufergeſtaden des atlantiſchen Weltmeeres erblicken, die bey ſehr abweichenden Regierungsformen, hinwieder durch die Erinnerung an die gemeinſame Herkunft, durch die gleiche Sprache und durch gleichartige Bedürfniſſe, wie ſie aus der Geſittung überall hervorgehen, vereinbart erſcheinen. Durch die unermeßlichen Fortſchritte, welche die Kunſt des Seefahrers gemacht hat, ſind, mögte man ſagen, die Waſſerbecken der Meere verengert worden. Der atlantiſche Ocean ſtellt ſich uns in Geſtalt eines ſchmalen Kanales dar, welcher die europäiſchen Handelsſtaaten von der neuen Welt nicht weiter entfernt, als in der Kindheit der Schifffahrtskunde das Waſſerbecken vom Mittelmeere die Griechen des Peloponneſes von den Bewohnern Joniens, Siciliens, Cyrenea’s entfernt hielt.