Briefe aus Paraguay, mitgetheilt von Alexander v. Humboldt. Seitdem der Direktor der exekutiven Gewalt der Republik Paraguay, (Director supremo de la Republica), nach Grundsätzen der spanischen Regierungskunst, das Land geschlossen hält, ist es so selten, irgend eine Nachricht unmittelbar aus diesem alten Jesuiten-Reiche zu empfangen, daß man mit Jnteresse alles liest, was in Ansicht der Dinge und der Begebenheiten geschrieben ist. Das jetzige Paraguay oder wie man in Buenos-Ayres, sagt Alto-Paraguay, ist gegen Osten vom Parana, gegen Westen vom Paraguay, gegen Norden von den Flüssen Yvineima und Mbotetey begränzt. Nach der schönen Manuscript-Karte des Miguel de Lastarria von 1804 (Carta orografica del Vireynato de las Provincias del Rio de la Plata), die ich benutze, finde ich für den Flächeninhalt des Landes an 7500 Quadratmeilen, deren 20 auf einen Grad gehen. Das Land ist demnach so groß als England und Schottland zusammen genommen, aber die ganze nördliche Hälfte von Paraguay jenseits des Rio Jpanes und der Berge von Maracayu ist ohne Anbau, selbst ohne Versuch von Missions-Anstalten. Das spanische Gouvernement und Dr. Francia, der in die Rechte desselben getreten ist, rechnet als Gränz-Flüsse gegen Mato-Grosso und Cuyaba hin die Einmündungen des Yvineima in den Parana (Br. 22° 25') und des Mbotetey in Paraguay (Br. 19° 33'); dort liegen Nova Coimbra, das südlichste, 1775 gegründete Presidio (Br. 19° 55') der Brasilianer und die Ruinen der zerstörten Stadt Xerez. Nach portugalischen Karten, die mir aus Rio Janeiro zugeschickt worden sind, behaupten die Brasilianer, daß ihr Besitz sich bis zum Fluß Chichuy (Xexuy) bei der alten Mission Belem (Br. 23° 32') erstreckte. Das verrufene Paraguay der Jesuiten umfaßte mehr östliche Länder an dem linken Ufer des Parana, und zwischen dem Parana, Uruguay und Jbicuy. Die Landeseinwohner bezeichnen diese durch Artigas verwüstete Gegend mit dem Namen Unter-Paraguay (Basso-Paraguay) und die Ausdehnung desselben Namens gegen die Capitania San Paulo und Montevideo hin, hat in unseren Karten und Erdbeschreibungen zu vielen Verwirrungen Anlaß gegeben. Vor dem Kriege der Unabhängigkeit und der Trennung der spanischen Kolonien von dem Mutterlande nannte man officiell 1) Gobierno de Montevideo das Küstenland bis zum Piratiny und Rio Negro; 2) Gobierno del Uruguay das Land zwischen dem Rio Negro und dem Uruguay-Flusse; 3) Gobierno de Corrientes y de Missiones das Land zwischen dem Uruguay, Curitiba oder Yguazu, Parana (von der Einmündung des Curitiba bis zu der verkehrreichen Stadt Corrientes) und Rio Paraguay (abwärts von Corrientes bis Buenos-Ayres); 4) Gobierno del Paraguay das Mesopotamien zwischen dem östlichen Ufer des Paraguay und dem westlichen Ufer des Parana. Die neueren politischen Ereignisse haben Gränzen und Nomenklatur zugleich verändert. Es ist hier hinlänglich zu erinnern, daß Entre Rios das mit Buenos- Ayres konföderirt gebliebene Gobierno de Corrientes genannt wird, in dessen nördlichem Theile die, unter den Jesuiten so berühmten, jetzt verheerten Missionen, Candelaria, Loreto und Santes Apostoles liegen; daß Provincia de Missiones jetzt das Land östlich vom Uruguay, zwischen dem Jbicuy, der Berggruppe S. Xavier und der Mission San Angel heißt, wie Provincia Cisplatina die Strecke zwischen der Mündung des Platastromes, dem Uruguay, dem Jbicuy und der Capitania de Rio Grande. Diesen portugalischen, oder vielmehr brasilischen Besitz der Provincia de Missiones und Provincia Cisplatina erkennt die Republik Buenos-Ayres keinesweges als rechtmäßig an. Officiell bezeichnen die spanischen Amerikaner das ihnen entriffene Land mit dem Namen: La Banda oriental. Das ehemalige Vicekönigreich des La Plata-Stromes, aus dem die Republik Buenos-Ayres sich allmählig als Bundes-Staat gestaltet, hat, nach meinen neuesten Berechnungen, 126,770 Quadrat-See-Meilen (zu 20 auf den Grad ). Es ist demnach nur um [Formel] kleiner als das europäische Rußland, zählt aber bis jetzt nur noch 2,300000 Einwohner, während daß in dem europäischen Rußland (mit Polen und Finland) über 52 Millionen leben. Jch unterscheide in dem neu sich bildenden Bundesstaate drei Landesstrecken: Eine geographische Quadratmeile (zu 15 auf den Grad) hat 1 [Formel] Quadrat-See-Meilen. Die leztern sind in dem spanischen Amerika die gebräuchlichsten. Nördliche Region, das ehemalige Alto- Peru, von dem Tequieri und Mamori bis zum Pilcomayo, zwischen 13° und 21° südl. Breite, zum Theil noch von den königlich spanischen Truppen, unter Olareto's Befehl, besetzt ..... 37,020 Qdt. See- Meilen. Westliche Region, zwischen dem Pilcomayo, La Plata, Rio Negro und dem östlichen Abfall der Andeskette (mit den Städten Tarija, Salta, Cordova, Santa Fe, San Luis de la Punta und Mendoza) ............. 66,518 Oestliche Region, das heißt das Land östlich von Paraguay und Parana (1s zwischen Uruguay und Parana oder Entre Rios 6848,; 2s zwischen dem Uruguay und der Meeresküste, der Provincia Cisplatina 8960; 3s zwischen dem Rio Paraguay und Parana, das eigentliche Paraguay von Doktor Francia beherrscht, 7424) ...... 23,232 Das alte Vicekönigreich des La Plata-Stromes oder Buenos-Ayres ........ 126,770 Ueber die Bevölkerung des Paraguay, welche in neueren Zeiten beträchtlich zugenommen hat, fehlt es ganz an genauen Nachrichten. Brackenridge in seinem trefflichen Werke (Voyage to South-America 1820 T. II. p. 47.) gab sie zu 140,000 an, aber nach den Dokumenten, welche Hr. Rodney, der Kommissär der nordamerikanischen Vereinigten Staaten an den Präsidenten nach Washington gesandt hat (Message From the President of the session of the fifteenth Congress p. 20. 41.) war diese Schäzzung selbst für das Jahr 1818 zu gering. Die Zahl der Weißen und Mestizen ist sehr beträchtlich in Paraguay. Die Bevölkerung der Stadt Asuncion (Br. 25° 20' und 40' östlich vom Meridian von Buenos-Ayres wird zu 12000 Einwohnern angegeben; in der Candelaria (Provinz Entre Rios) zählte man im Jahr 1817 an 5000 Seelen, in Buenos-Ayres 60,000. Buenos-Ayres ist nicht durch absolute Himmels-Beobachtungen bestimmt, sondern nur kronometrisch durch Uebertragung der Zeit von Montevideo. Der Meridian-Unterschied von Buenos-Ayres und Montevideo wurde durch Malaspina's Expedition zu 2° 10' (Espinosa, Memorias de los Navigentes Espannoles T. I. Costas de America p. 3. 6. 140.); durch spätere spanische Seekarten zu 2° 16' angegeben. Triesnecker fand für Montevideo aus dem Merkur-Durchgange des 5. Nov. 1789 Länge: 58° 32' 30" westlich von Paris, aus einer Sternbedeckung 58° 37' 11". Die wahre Länge scheint in der That zwischen beiden Angaben zu liegen, denn ganz neuerlichst hat, nach Manuskript-Nachrichten, welche mir der Kontre-Admiral Herr de Rossel mitgetheilt, der Kommandant der französischen Korvette l'Aigrette (Herr Fouque) durch vortreffliche Kronometer den Meridian-Unterschied von Montevideo und der Jnsel Anhatomirim zu 7° 34' 18" bestimmt. Diese Jnsel ist aber, nach Roussin's Expedition, der sicherste Punkt der brasilischen Küste, und wird zu 51° 1' 18" angenommen, woraus für Montevideo 58° 35' 36", für Buenos-Ayres 60° 52' 12" folgen würde. (Das Deposito hidrografico de Madrid nahm ehemals als absolute Länge 60° 43' an!) Nachstehende Briefe, welche über den jetzigen Zustand von Paraguay einiges Licht verbreiten, sind von einem unternehmenden Manne, Herrn Grandsire geschrieben. Dieser wurde mir in dem Jahre 1823 von dem gelehrten Botaniker Herrn Mirbel (der unter der Staatsverwaltung des Duc de Cazes eine wichtige Stelle im Ministerium des Jnnern bekleidete) als ein Reisender vorgestellt, der den Entschluß gefaßt hätte, nach Paraguay über Corrientes vorzudringen, um meinem Freunde, Herrn Bonpland, den er ehemals in Buenos-Ayres sehr genau gekannt, zu seiner endlichen Befreiung nützlich zu sein. Eine solche Gelegenheit war nicht zu vernachlässigen, und so wenig Hoffnung ich auch hatte, daß dieser Versuch gelingen würde, so bot ich doch alles auf, was Herrn Grandsire's rühmliches Unternehmen begünstigen konnte. Jch verschaffte ihm, gemeinschaftlich mit Herrn Cuvier, Briefe des Jnstituts, welche den Wunsch für Bonpland's Rückkunft aufs lebhafteste ausdrückten. Der damalige Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Vicomte de Chateaubriand, empfahl auf meine Bitte Herrn Grandsire an den französischen General-Konsul in Rio Janeiro. Jch schrieb selbst einen langen spanischen Brief an den Diktator Doktor Francia. Herr Grandsire meldete mir seine Ankunft in Brasilien im März 1824. Es hat gewiß nicht an seinem guten Willen und an seiner Thätigkeit gelegen, wenn sein Wunsch, Bonpland zu befreien, unerfüllt geblieben ist. Jtapua in Paraguay, 18. August 1824. Sie haben aus meinem letzten Briefe aus Montevideo gesehen, daß ich die Hoffnung hatte, unmittelbar von Buenos-Ayres den Rio Paraguay aufwärts und dann durch den Parana nach Candelaria zu gelangen; aber ein ungegründeter Verdacht, daß meine Reise politische Zwecke habe, hat mich gehindert, diesen Plan auszuführen. Jch bin gezwungen worden Buenos-Ayres zu verlassen und habe in Montevideo bei dem brasilischen General-Gouverneur Le Coc, der Jhnen und Herrn Bonpland sehr ergeben ist, die freundlichste Aufnahme gefunden. Von dort aus habe ich durch die Provincia Cisplatina die schwierige Reise nach Paraguay, wo der Doktor Francia jetzt unter dem Namen eines Diktators herrscht, fortgesetzt. Jch lebe noch immer der Hoffnung, durch meine angestrengtesten Bemühungen, die Empfehlungen des Jnstituts und Jhre an den Diktator gerichteten Briefe zur endlichen Befreiung ihres Freundes beizutragen. Jch habe hier erfahren, daß er die Gefangenschaft mit mehr als 60 Personen theilt, unter denen sich einige Schweizer befinden, die in der Asuncion (Hauptstadt von Paraguay) sich mit naturhistorischen Untersuchungen beschäftigen. Das Land ist gegenwärtig zum Handel blos den Unterthanen des Kaisers von Brasilien geöffnet, und da der Diktator die Republik Buenos-Ayres beschuldigt, ihm selbst nach dem Leben getrachtet zu haben, so sind ihm alle Reisende verdächtig, welche über Corrientes eindringen wollen. Jch hoffe, da ich unter brasilischem Schutze hier (in Jtapua) anlange, meinen Zweck nicht zu verfehlen. Meine Ankunft ist gestern durch einen Kurier dem in Tranquiera kommandirendem General gemeldet worden, denn ehe nicht die Erlaubniß von dem Doktor Francia persönlich gegeben wird, kann ich von diesem Gränzorte nicht weiter vorwärts schreiten. Von San Borja bis hieher in der Provinz Entre Rios habe ich eine wahre Einöde gefunden. Die ganze Gegend ist durch Artiga verheert; alle Kirchen, welche die Jesuiten östlich von Parana gebaut hatten, und welche nach ihrer Vertreibung durch Missionen anderer Mönche unterhalten wurden, sind verbrannt. Die Kinder der Jndier irren mit verwilderten Ziegen in den Wäldern umher. Jch schicke Jhnen diesen Brief über San Borja, von wo aus ihn der Kommandant an den Hofkapellan des Kaisers nach Rio Janeiro besorgen wird. Jch habe auf dieser Reise mich überzeugt, daß die beiden Katarakten (Saltos) des Rio Uuruguay durch kleine Nebenkanäle vermieden werden können, so daß Schifsfahrt mit Dampfböten künftig möglich sein wird. Nachdem dieser von den Portugalen geschlagen, sich nach Paraguay flüchtete, um dort neue Werbungen zu machen, wurde ihm vom Doktor Francia der Befehl gegeben, sich in ein Kloster zu begeben, in dem er jetzt noch seiner Freiheit beraubt ist. Jtapua d. 10. Sept. 1824. Aus meinem letzten Briefe haben Sie gesehen, daß dem Diktator der Republik Paraguay, Don Gaspar Francia, meine Ankunft gemeldet worden ist. Die Hoffnung, die ich hatte, bis zur Hauptstadt zu gelangen, hat leider sehr abgenommen. Der Diktator legt mir neun Fragen vor, alle politischen Jnhalts über die Beschlüsse, welche er den Kontinentalmächten, in einem in Jtalien gehaltenen Kongresse, zuschreibt und nach denen die independenten Provinzen unter spanische Botmäßigkeit zurückgebracht werden sollten. Er ist voll Besorgniß über den französischen Feldzug nach Spanien; er verlangt Antwort auf die feindlichen Absichten, welche er dem Minister des Duc de Cazes gegen die Freiheit von Paraguay zuschreibt. Er giebt vor, Herr Bonpland sei mit Briefen eines indischen Chefs in der Provincia des Missiones (Francia's ärgstem Feinde) auf dem westlichen Ufer des Rio Parana gesehen worden, um den Plan von Jtapua aufzunehmen; er wisse nicht, selbst in der Voraussetzung, daß auch meine Reise wissenschaftliche Zwecke habe, wie das französische Jnstitut oder irgend eine politische Macht in Europa sich berechtigt glauben könne, jemand nach Paraguay zu schicken, da allgemein bekannt sei, daß das Land keinem Fremden geöffnet werden könne. Sie sehen aus diesen bedenklichen Fragen, daß der Diktator die Angelegenheiten des alten Kontinents genau zu kennen glaubt. Jch habe geantwortet, meine Reise habe schlechterdings keinen Bezug auf politische Ereignisse. Jch habe Paraguay durchreisen wollen, um auf den Punkt zu gelangen, wo durch den Rio Jauru- und den Madeira-Strom eine Verbindung zwischen dem Amazonen-Flusse und Rio de la Plata möglich sei. Dieser Zweck meiner Reise werde von dem Kaiser von Brasilien, der mir Empfehlungen nach der Provinz Mato Grosso gegeben, ganz besonders begünstigt. Jch fügte hinzu, daß ich der spanischen Sprache nicht mächtig, auf die mir, von dem Majordomo von Jtapua vorgelegten politischen Fragen schriftlich nicht zu antworten wage, daß ich aber dem Doktor Francia mündlich alle Auskunft geben würde. Es ist sehr wahrscheinlich, daß ich das Schicksal des armen Bonpland theilen werde; doch bin ich es der Wahrheit schuldig, zu sagen, daß nach allem, was ich hier sehe, seit 22 Jahren die Einwohner von Paraguay unter einer guten Administration, der glücklichsten Ruhe genießen. Der Kontrast mit den Ländern, die ich bis hieher durchstrichen, ist überaus auffallend. Man reiset in Paraguay ohne alle Waffen, die Thüren der Häuser sind kaum verschlossen, denn jeder Diebstahl wird mit dem Tode bestraft, ja der Eigenthümer des Hauses oder der Gemeinde, in welcher der Raub geschehen ist, werden zum Ersatz gezwungen. Bettler sieht man gar nicht, alle Menschen arbeiten. Jtapua hat 2000 Seelen, finden sich Dürftige darunter, so wenden sie sich an den Diktator, der die Kinder dann auf Kosten des Staats erziehen läßt. Die Erziehung ist ganz militärisch; statt der Glocke werden die Zöglinge durch Trommelschlag in die Klasse berufen; fast alle Einwohner können lesen und schreiben und die Alkalden, welche jährlich von dem Volke gewählt werden, bestimmen, wie lange die jungen Leute die Schule besuchen sollen. Der Doktor Francia wird mir als ein gebildeter Mann geschildert, der der französischen Sprache mächtig ist. Er ist 62 Jahr alt, aber noch immer überaus thätig, sorgsam für die Eleganz seiner Kleidung. Dieses herrliche Land kann einst für den europäischen Handel sehr wichtig werden, jetzt aber ist es bloß den Einwohnern von Brasilien zugänglich. Zwölf bis funfzehn Kaufleute dieser Nation unterhalten allein den Verkehr mit der Provinz Mato Grosso. Der Diktator ist sehr gereitzt über allen Tadel, welchen das Gouvernement von Buenos-Ayres in europäischen Zeitungen über ihn (wie er behauptet) verbreiten läßt. Jch habe gestern Gelegenheit gehabt, einen Landmann zu sehen, welcher Bonplands nächster Nachbar ist und ihn täglich sieht. Er versichert, daß es ihm wohlgehe, daß er Ländereien besitze, die ihm der Doktor Francia gegeben, er die Arzneikunst ausübe, sich mit der Distillation von Brandwein aus Honig beschäftige, und daß er noch immer, wie seine täglich zunehmenden Sammlungen bezeugen, leidenschaftlich Pflanzen sammle und beschreibe. Es ist mir nicht erlaubt worden, Briefe an ihn gelangen zu lassen. Er ist nicht in S. Anna bei Corrientes, sondern in S. Anna unfern Candelaria aufgehoben worden. Das Klima ist hier überaus angenehm, ja bisweilen so kalt, daß es diese Nacht gefroren hat...... (Jch finde nach der schönen Manuskript-Karte von Lastarria, daß Jtapua unter 27° 22' südlicher Breite an dem westlichen Ufer des Rio Parana liegt, fast Candelaria gegenüber. Was Herr Grandsire von der Kanalverbindung zwischen dem Amazonen- und Plata-Strome sagt, bezieht sich auf die Nähe der drei großen Flüsse Topayos, Madeira und Paraguay, südwestlich von dem niedrigen Gebirge Parecis. Der Guavere oder Jtenes fließt in den Madeira, der Jauru in den Paraguay-Strom. Südlich von Santa Barbara nahet sich der Aguapehi so sehr dem Rio Alegre, daß der Jsthmus nur 5322 portugalische Bracas breit ist. Auf diesem Punkte wollte man, unter der Staatsverwaltung des Grafen von Barca, einen Kanal graben. Die Stadt Villabella, diesem Jsthmus nahe, auf dem rechten Ufer des Guapore, oder Jtenes, etwas oberhalb der Einmündung des Sarare, kann einst für das Verkehr der Völker im Jnnern von Amerika von großer Wichtigkeit werden. Wenn man bedenkt, daß der Amazonenstrom mit dem Orinoko durch den Cassiquiare zusammenhängt, so ersicht man, daß das Durchgraben des Jsthmus von Villabella eine Flußverbindung zwischen dem Delta des Orinoko (der Jnsel Trinidad gegenüber) und Buenos-Ayres oder der Mündung des Rio de la Plata bewirken würde. Auf diese Weise könnte in mehr als tausend Meilen Länge ganz Südamerika durchschifft werden, wenn nicht mannigfaltige Katarakten (Saltos) den Handelsverkehr erschwerten. Die Lokalverhältnisse um Villabella kenne ich aus der Manuskript-Karte von Brasilien, die Herr Silva Pontes Leme 1804 in Rio Janeiro aus 76 Spezial-Karten zusammengetragen hat). Curitiba d. 20. Nov. 1824. Der Name des Orts erinnert, nach Herrn Auguste de Saint- Hilaire, an die nahen Gebüsche von Auraucaris und ist zusammengesetzt von curii und tiba. Er bedeutet: Gruppe von Nadelholz. Der Diktator von Paraguay hat mir nicht erlauben wollen, durch sein Land zu reisen; ich habe den 14. Sept. Jtapua verlassen nach einem Aufenthalt von 3 Wochen. Von San Borja aus (an dem östlichen Ufer des Uruguay) habe ich von neuem an den Doktor Francia geschrieben, und ihm auf das lebhafteste die Gründe entwickelt, aus denen Herrn Bonpland's Befreiung seiner eigenen Politik nützlich sein wüde. Jch habe nicht gewagt, ihm Jhren Brief zu schicken, weil bei seiner großen Reitzbarkeit zu befürchten ist, daß jede fremde Einmischung ihm verdächtig werde. Jch lebe noch immer der Hoffnung, Jhrem theuren Reisegefährten, der nie den Diktator selbst hat sehen können, doch noch nützlich zu sein. Jch denke bis Nueva Coimbra in der Provinz Cuyaba vorzudringen. Wenn ich von den Quellen des Madeira-Stroms zurückkomme, so wird vielleicht auf diesem Wege, von Norden her, der Doktor Francia kein Bedenken tragen, mich zu sich zu lassen, da ihm nicht die Brasilianer, aber alle verhaßt sind, welche den Weg über Buenos-Ayres und Corrientes nehmen. Jch habe auf dem Wege hieher durch fast undurchdringliche Wälder viel gelitten, vielleicht so viel als Sie selbst in den Wäldern des Orinoko. Die Bücher, welche ich in Jhrem Namen dem Doktor Francia schenken sollte, habe ich in San Borja dem Gouverneur der Provincia de las Missiones verehrt, einem Manne, der sich beeifert, jedem wissenschaftlichen Reisenden angenehm zu sein. Hätte ich diese Bücher länger behalten, so würden sie bei der Nässe, der ich täglich ausgesetzt bin, unfehlbar verrotten. Jn den hiesigen Wäldern von Curitiba spricht man überall von der weißen China-Rinde, Quinquina blanca . -- Nach Herrn Auguste de Saint-Hilaire ein Solanum. Jch füge diesen Briefen aus Paraguay einen Auszug aus dem Argus bei, einem politischen Journale, welches in Buenos-Ayres gedruckt wird. Corrientes d. 9. Febr. 1822. Jm November v. J. haben wir bereits unsere Zweifel geäußert über die Frage: ob Herr Bonpland statt gegen Norden nach Corrientes zu gehen, nicht nützlichere Untersuchungen für die Naturkunde machen würde, wenn er die bisher so unbekannten patagonischen Länder im Süden, jenseits des Rio Salado gegen Rio Colrado et Rio Negro hin, zwischen dem 36 und 40° südl. Breite durchreiste. Dort hätte er Sicherheit und Ruhe gefunden, statt des blutigen Zwistes, des Mißtrauens und des menschlichen Elendes, von dem jetzt noch die Landesstrecke zwischen dem Uruguay und Parana bedrängt ist: Unsere Besorgnisse sind, wie die Erfahrung gelehrt, leider nur zu rechtmäßig gewesen. Am 8. Dezember ist auf Befehl des Doktors Francia, des mächtigen Herrn (Gran Sennor) von Paraguay, ein Haufen Paraguayos (Einwohner der ehemaligen Jesuitermissionen) in das indische Dorf Santa Anna eingefallen, um Herrn Bonpland gesangen zu nehmen, seine Pflanzungen von Mate (Yerba del Paraguay) zu zerstören und das Vieh nebst den Menschen über den Parana hinüber zu setzen. Man kann keine andere Ursache dieses schrecklichen Vorfalls errathen, als daß der Gran Sennor de Paraguay gefürchtet hat, die Stadt Corrientes (die zur Republik Buenos-Ayres gehört) werde durch Herrn Bonpland's rühmliche Bemühung einst an den Handel mit inländischem Thee Theil nehmen. Da die Versuche, welche von Brasilien aus zu Herrn Bonpland's Befreiung gemacht worden sind, bisher keinen glücklichen Erfolg gehabt haben, so ist jetzt alle meine Hoffnung auf die edeln Bemühungen des engländischen Gouverneurs gegründet. Der Staatsminister George Canning hat mir wiederholende Nachricht von den Schritten mitgetheilt, die der engländische Geschäftsträger bei der Republik Buenos- Ayres, Herr Parish, versucht hat. Es ist diesem Geschäftsträger bereits geglückt, die engländischen Unterthanen in Freiheit zu setzen. Er dringt jetzt, in Briefen an den Diktator, auf die Auslieferung meines Freundes, der sich, wie er schreibt, in Santa Rosa (südlich von dem Rio Tibiquari etwa 40 Seemeilen von der Hauptstadt Asuncion) aufhält. Herr Parish ist überzeugt, daß Bonpland's Gefangennehmung keinen andern Grund gehabt habe, als die glückliche Anlage von Pflanzungen des Paraguay-Thee's (Arvore do Mate oder da congonha). Der Strauch ist nach Auguste de S. Hilaire's Untersuchung, Ilex Mate, von Cossine Peragua des Linne gänzlich verschieden. Man dörrt die steifen Blätter und jungen Zweige am Feuer und zerstampft sie zu Pulver, daher der Aufguß (um das Pulver von der Flüssigkeit zu trennen) durch kleine silberne Röhren, die in eine Kugel mit vielen kleinen Oeffnungen endigen, eingeschlürft wird. So habe ich den Gebrauch des Mate in Peru verbreitet gefunden, und die Länder an der Südseeküste sind, bei dem strengen Verbot der Ausfuhr aus Paraguay, sehr verlegen, sich dieses Bedürfniß des Luxus, welches ihnen überaus nothwendig geworden ist, zu verschaffen. Paris d. 28. Jun. 1825. Alexander v. Humboldt.