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Alexander von Humboldt: „Paraguay“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1825-xxx_Briefe_aus_Paraguay-2> [abgerufen am 04.10.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1825-xxx_Briefe_aus_Paraguay-2
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Titel Paraguay
Jahr 1825
Ort Augsburg
Nachweis
in: Allgemeine Zeitung 320 (16. November 1825 ), Beilage, S. 1278–1279.
Postumer Nachdruck
Unter dem Titel „Ein Manuskript von Alexander v. Humboldt aus Paraguay“, in: Dr. A. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt 81 (1935), S. 97.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.59
Dateiname: 1825-xxx_Briefe_aus_Paraguay-2
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Spaltenanzahl: 4
Zeichenanzahl: 10210

Weitere Fassungen
[Briefe aus Paraguay] (Wien, 1825, Deutsch)
Paraguay (Augsburg, 1825, Deutsch)
Paraguay (Kopenhagen, 1825, Dänisch)
Briefe aus Paraguay (Stuttgart; Tübingen, 1825, Deutsch)
|1278||Spaltenumbruch| Das jezige Paraguay, (bemerkt Hr. v. Humboldt ineiner Einleitung zu Hrn. Grandſire’s Briefen aus Pa-raguay, oder wie man in Buenos-ayres ſagt, Ober- (Alto-)Paraguay,) iſt gegen Oſten vom Parana, gegen Weſten vomParaguay, gegen Norden von den Fluͤſſen Yvineima und Mbo-tetey begraͤnzt. Nach der ſchoͤnen Manuſcript-Karte des Mi-guel de Laſtarria von 1804 (Carta orografica del Vireynatode las Provincias del Rio de la Plata), die ich benuze, findeich fuͤr den Flaͤcheninhalt des Landes an 7500 Quadratmeilen,|Spaltenumbruch| deren 20 auf einen Grad gehen. Das Land iſt demnach ſogroß als England und Schottland zuſammen genommen, aberdie ganze noͤrdliche Haͤlfte von Paraguay jenſeits des RioIpanes und der Berge von Maracayu iſt ohne Anbau, ſelbſtohne Verſuch von Miſſions-Anſtalten. Das ſpaniſche Gou-vernement und Dr. Francia, der in die Rechte deſſelbengetreten iſt, rechnet als Graͤnz-Fluͤſſe gegen Mato-Groſſo undCuyaba hin die Einmuͤndungen des Ivineima in den Parana(Br. 20° 25′) und des Mbotetey in Paraguay (Br. 19° 33);dort liegen Nova Coimbra, das ſuͤdlichſte, 1775 gegruͤndetePraͤſidio (Br. 19° 55′) der Braſilianer und die Ruinen derzerſtoͤrten Stadt Xerez. Nach portugieſiſchen Karten, die miraus Rio de Janeiro zugeſchikt worden ſind, behaupten dieBraſilianer, daß ihr Beſiz ſich bis zum Fluß Chichuy (Xexuy)bei der alten Miſſion Belem (Br. 23° 32′) erſtreke. Dasbekannte Paraguay der Jeſuiten umfaßte mehr oͤſtliche Laͤnderam linken Ufer des Parana, und zwiſchen dem Parana, Uru-guay und Ibicuy. Die Landeseinwohner bezeichnen dieſe durchArtigas verwuͤſtete Gegend mit dem Namen Unter- (Baſſo-)Paraguay, und die Ausdehnung deſſelben Namens gegen dieCapitania San Paulo und Montevideo hin, hat in unſernKarten und Erdbeſchreibungen zu vielen Verwirrungen Anlaßgegeben. Vor dem Kriege der Unabhaͤngigkeit und der Tren-nung der ſpaniſchen Kolonien von dem Mutterlande nannteman offiziell: 1. Gobierno de Montevideo das Kuͤſtenland biszum Piratiny und Rio Negro; 2. Gobierno del Uruguay dasLand zwiſchen dem Rio Negro und dem Uruguay-Fluſſe; 3. Go-bierno de Corrientes y de Miſſiones das Land zwiſchen demUruguay, Curitiba oder Yguazu, Parana (von der Einmuͤn-dung des Curitiba bis zu der verkehrreichen Stadt Corrien-tes) und Rio Paraguay (abwaͤrts von Corrientes bei Buenos-ayres); 4. Gobierno del Paraguay das Meſopotamien zwiſchendem oͤſtlichen Ufer des Paraguay und dem weſtlichen des Pa-rana. Die neuern politiſchen Ereigniſſe haben Graͤnzen undNomenklatur zugleich veraͤndert. Es iſt hinlaͤnglich hier zuerinnern, daß Entre Rios das mit Buenos-ayres konfoͤderirtgebliebene Gobierno de Corrientes genannt wird, in deſſennoͤrdlichem Theile die, unter den Jeſuiten ſo beruͤhmten, jeztverheerten Miſſionen, Candelaria, Lotete und Santos Apo-ſtolos liegen; daß Provincia de Miſſiones jezt das Land oͤſtlichvom Uruguay, zwiſchen dem Ibicuy, der Berggruppe S. Xa-vier und der Miſſion San Angel heißt, wie Provincia Cis-platina die Streke zwiſchen der Muͤndung des Plataſtromes,dem Uruguay, dem Ibicuy und der Capitania de Rio Grande.Dieſen portugieſiſchen oder vielmehr braſiliſchen Beſiz der Pro-vincia de Miſſiones und Provincia Cisplatina erkennt die Re-publik Buenos-ayres keineswegs als rechtmaͤßig an. Offiziellbezeichnen die ſpaniſchen Amerikaner das ihnen entriſſene Landmit dem Namen: La Banda oriental. Das ehemalige Vice-Koͤnigreich des la Plataſtromes, aus dem die Republik Buenos-ayres ſich allmaͤhlig als Bundesſtaat geſtaltet hat, nach mei-nen neueſten Berechnungen 126,770 Quadrat-Seemeilen (zu20 auf den Grad *). Es iſt demnach nur um ⅙tel kleiner als
* Eine geographiſche Quadratmeile (zu 15 auf den Grad)hat 1\( \frac{77}{100} \) Quadrat-Seemeilen. Die leztern ſind imſpaniſchen Amerika die gebraͤuchlichſten.
|1279| |Spaltenumbruch| das europaͤiſche Rußland, zaͤhlt aber bis jezt nur noch 2,300,000Einwohner, waͤhrend daß in dem europaͤiſchen Rußland (mitPolen und Finnland) uͤber 52 Millionen leben. Ich unter-ſcheide in dem neu ſich bildenden Bundesſtaate drei Landes-ſtreken: Noͤrdliche Region, das ehemalige Alto-Peru, von demTequieri und Mamori bis zum Pilcomayo, zwiſchen 13° und 21°ſuͤdlicher Breite, zum Theil (damals) noch von den koͤniglich ſpa-niſchen Truppen unter Olaneta’s Befehl beſezt, 37,020 Qua-dratmeilen. Weſtliche Region, zwiſchen dem Pilcomayo, laPlata, Rio Negro und dem oͤſtlichen Abfall der Andeskette(mit den Staͤdten Tarija, Salta, Cordova, Santa Fe, SanLuis de la Punta und Mendoza), 66,518 Quadratmeilen. Oeſt-liche Region, das heißt das Land oͤſtlich von Paraguay undParana (1. zwiſchen Uruguay und Pareana oder Entre Rios6848; 2. zwiſchen dem Uruguay und der Meereskuͤſte, derProvincia Cisplatina 8960; 3. zwiſchen dem Rio Paraguayund Parana, das eigentliche Paraguay von Dr. Francia be-herrſcht, 7424), 23,232 Quadratmeilen. Das alte Vice-Koͤ-nigreich des la Plataſtromes oder Buenos-ayres 126,770 Qua-dratmeilen. Ueber die Bevoͤlkerung von Paraguay, welche inneuern Zeiten betraͤchtlich zugenommen hat, fehlt es ganz angenauen Nachrichten. Brackenridge in ſeinem treflichen Werke(Voyage to South America 1820 T. II. p. 47) gab ſie zu140,000 an, aber nach den Dokumenten, welche Hr. Rodney,der Kommiſſaͤr der nordamerikaniſchen vereinigten Staaten anden Praͤſidenten nach Washington geſandt hat (Message fromthe President of the session of the fifteenth Congress. p.20. 41) war dieſe Schaͤzung ſelbſt fuͤr das Jahr 1818 zu gering.Die Zahl der Weißen und Meſtizen iſt ſehr betraͤchtlich inParaguay. Die Bevoͤlkerung der Stadt Aſuncion (Br. 25° 20′)und 40′ oͤſtlich vom Meridian von Buenos-ayres * wird zu 12,000Einwohnern angegeben; in der Candelaria (Provinz Entre Rios)zaͤhlte man im Jahre 1817 an 5000 Seelen, in Buenos-ayres60,000. Die in Rede ſtehenden Briefe, welche uͤber den jezigenZuſtand von Paraguay einiges Licht verbreiten, ſind von einemunternehmenden Manne, Hrn. Granſire, geſchrieben. Die-ſer wurde mir im Jahre 1823 von dem gelehrten Botaniker,|Spaltenumbruch| Hrn. Mirbel, (der unter der Staatsyerwaltung des Duc deCazes eine wichtige Stelle im Staatsminiſterium bekleidete)als ein Reiſender vorgeſtellt, der den Entſchluß gefaßt haͤtte,nach Paraguay uͤber Corrientes vorzudringen, um meinemFreunde, Hrn. Bonpland, den er ehemals in Buenos-ayresſehr genau gekannt, zu ſeiner endlichen Befreiung nuͤzlich zuſeyn. Eine ſolche Gelegenheit war nicht zu vernachlaͤßigen,und ſo wenig Hofnung ich auch hatte, daß dieſer Verſuch ge-lingen wuͤrde, ſo bot ich doch alles auf, was Hrn. Grandſire’sruͤhmliches Unternehmen beguͤnſtigen konnte. Ich verſchafteihm, gemeinſchaftlich mit Hrn. Cuvier, Briefe des Inſtituts,welche den Wunſch fuͤr Bonpland Ruͤkkunft aufs lebhafteſteausdruͤkten. Der damalige Miniſter der auswaͤrtigen Ange-legenheiten, Vicomte de Chateaubriand, empfahl auf meineBitte Hrn. Grandſire an den franzoͤſiſchen General-Konſul inRio-Janeiro. Ich ſchrieb ſelbſt einen langen ſpaniſchen Briefan den Diktator, Doktor Francia. Hr. Grandſire meldetemir ſeine Ankunft in Braſilien im Maͤrz 1824. Es hat ge-wiß nicht an ſeinem guten Willen und an ſeiner Thaͤtigkeitgelegen, wenn ſein Wunſch, Bonpland zu befreien, unerfuͤlltgeblieben.
Die Briefe des Hrn. Grandſire ſind aus Itapua vom18 Aug. und 10 Sept. 1834 und aus Curitiba vom 20 Nov.1824. — Hr. v. Humboldt fuͤgt am Schluß noch Folgendes hinzu:»Da die Verſuche, welche von Braſilien aus zu Hrn. Bon-plands Befreiung gemacht worden ſind, bisher keinen gluͤkli-chen Erfolg gehabt haben, ſo iſt jezt alle meine Hofnung aufdie edlen Bemuͤhungen des engliſchen Gouvernements gegruͤndet.Der Staatsminiſter, George Canning, hat mir wiederholteNachricht von den Schritten mitgetheilt, die der engliſche Ge-ſchaͤftstraͤger bei der Republik Buenos-ayres, Hr. Pariſh, ver-ſucht hat. Es iſt dieſem Geſchaͤftstraͤger bereits gegluͤkt, die eng-liſchen Unterthanen in Freiheit zu ſezen. Er dringt jezt, in Brie-fen an den Diktator, auf die Auslieferung meines Freundes, derſich, wie er ſchreibt, in Santa Roſa (ſuͤdlich von dem RioTibiquari, etwa 40 Seemeilen von der Hauptſtadt Aſuncion)aufhaͤlt. Hr. Pariſh iſt uͤberzeugt, daß Bonplands Gefangen-nehmung keinen andern Grund gehabt habe, als die gluͤklicheAnlegung von Pflanzungen des Paraguay-Thee’s (Arvore doMate oder da congonha). Der Strauch iſt nach Auguſte deS. Hilaire’s Unterſuchung, Ilex Mate, von Cossine Paraguades Linne’ gaͤnzlich verſchieden. Man doͤrrt die ſteifen Blaͤtterund jungen Zweige am Feuer, und zerſtampft ſie zu Pulver,daher der Aufguß (um das Pulver von der Fluͤſſigkeit zu tren-nen) durch kleine ſilberne Roͤhren, die in eine Kugel mitvielen kleinen Oefnungen endigen, eingeſchluͤrft wird. So habeich den Gebrauch des Mate in Peru verbreitet gefunden, unddie Laͤnder an der Seekuͤſte ſind, bei dem ſtrengen Verbot derAusfuhr aus Paraguay, ſehr verlegen, ſich dieſes Beduͤrfnißdes Luxus, welches ihnen uͤberaus nothwendig geworden iſt,zu verſchaffen.

Alexander v. Hum-boldt.«



* Buenos-ayres iſt nicht durch abſolute Himmels-Beobach-tungen beſtimmt, ſondern nur chronometriſch durch Ueber-tragung der Zeit von Montevideo. Der Meridian-Un-terſchied von Buenos-ayres und Montevideo wurde durchMalaspina’s Expedition zu 2° 10′ (Espinosa, Memoriasde los Navigentes Espanoles T. I. Costas de Americap. 3. 6. 140.); durch ſpaͤtere ſpaniſche Seekarten zu 2° 16′angegeben. Triesnecker fand fuͤr Montevideo aus demMerkur-Durchgange des 5 Nov. 1789 Laͤnge: 58° 32′ 30″weſtlich von Paris, aus einer Sternbedekung 58° 37′ 11″.Die wahre Laͤnge ſcheint in der That zwiſchen beiden An-gaben zu liegen, denn ganz neuerlichſt hat nach Manu-ſcript-Nachrichten, welche mir der Kontre-Admiral, Hr.de Roſſel, mitgetheilt, der Kommandant der franzoͤſiſchenKorvette l’Aigrette (Hr. Fouquet) durch vortrefliche Chro-nometer den Meridian-Unterſchied von Montevideo undder Inſel Anhatomirim zu 7° 34′ 18″ beſtimmt. DieſeInſel iſt aber nach Rouſſin’s Expedition, der ſicherſtePunkt der braſiliſchen Kuͤſte, und wird zu 51° 1′ 18″ an-genommen, woraus fuͤr Montevideo 58° 35′ 36″, fuͤrBuenos-ayres 60° 52′ 12″ folgen wuͤrde. (Das Depositohidografico de Madrid nahm ehemals als abſolute Laͤnge60° 43′ an!)