Ueber die "Flora Brasiliae meridionalis; autore Augusto de Saint-Hilaire; accedunt tabulae delineatae a Turpinio, aerique incisae: Regiae Majestati consecratum. hat Hr. Alexander v. Humboldt sich folgendermaßen ausgesprochen: "Der Verfasser nimmt unter den großen Botanikern unsers Jahrhunderts eine der ersten Stellen ein. Er hatte bis jetzt nur einzelne Fragmente der unermeßlichen Arbeit bekannt gemacht, welcher er sich während seines sechsjährigen Aufenthaltes in Brasilien unter einem Clima gewidmet hatte, wo der Boden in seiner wilden Fruchtbarkeit dem Reisenden mit jedem Schritte die schönsten und die außerordentlichsten Erzeugnisse darbietet. Das Werk, welches ich jetzt analysiren will, soll den ganzen Umfang der Beobachtungen des Herrn von Saint-Hilaire enthalten. Es ist eins der größten Denkmäler, welche der Botanik errichtet worden sind, nicht aber der Wissenschaft, die sich auf eine sterile Nomenclatur beschränkt, sondern derjenigen, welche die Beziehungen und die Verwandtschaften der verschiedenen Pflanzenfamilien auffaßt, jedem Organe seinen Werth und den Charakteren der Familien, der Gattungen und der Arten die Gränzen anweist, innerhalb welcher sie zu Grundlagen natürlicher Eintheilungen dienen können. Herr August de Saint-Hilaire hat aus dem südlichen Brasilien 6 -- 7000 Pflanzenarten mitgebracht -- wahrscheinlich die größte Pflanzenerndte in Brasilien, welche jemals ein Reisender gemacht hat; aber er hat sich nicht damit begnügt, Materialien zu sammeln und aufzuhäufen, sondern er hat die Pflanzen an Ort und Stelle studirt; er hat alle Nachweisungen gesammelt, welche einiges Licht auf ihre fortschreitende Entwickelung, auf ihren Standort oder die geographischen Vertheilungsverhältnisse, auf ihre Benutzung für die Nahrung des Menschen, für die Künste und für die Medizin werfen konnten. Die Pflanzen, welche in der brasilianischen Flora beschrieben werden, sind in sehr verschiedenen Höhen und Climaten gesammelt worden, z. B. in den Provinzen Santo Spirito, Rio-Janeiro, Minas-Geraes, Goyas, Santo-Paulo, Santa-Catherina, Rio-Grande, Cisplatina und in der Provinz der Missionen. Der Verfasser hat eingesehen, daß vollständige Beschreibungen aller Pflanzenorgane allein im Stande wären, sein Werk mit dem gegenwärtigen Zustande der Wissenschaft in Einklang zu bringen. Die Gattungscharaktere und die Beschreibungen der Arten sind in lateinischer Sprache abgefaßt, in französischer dagegen die eben so wichtigen Anmerkungen zu den Familien, Gattungen und Arten. Er hat dies in der Absicht gethan, um seine nützliche Arbeit einem größern Theil des Publikums der beiden Festländer zugänglich zu machen. Herr v. Saint-Hilaire beginnt nicht seine Flora mit den Monocotyledonen, sondern mit den Pflanzen, deren Organisation am zusammengesetztesten ist, nämlich mit den Ranunculaceae, Dilleniaceae und Magnoliaceae. Die 3 Hefte, welche bis jetzt erschienen sind, enthalten 10 Familien und 24 Kupfertafeln, welche der Sorgfalt des Herrn Turpin anvertraut sind, der das doppelte Talent des Botanikers und des Zeichners mit einander verbindet. Die typographische Ausführung dieses großen Werks ist der Regierung würdig, unter deren Auspicien dasselbe erscheint. Wirft man einen allgemeinen Blick auf die Reisen, welche seit einem Jahrhundert für die Fortschritte der Naturwissenschaften gemacht worden, so muß man das schmerzliche Bekenntniß ablegen, daß das Publikum um den größern Theil der Beobachtungen gebracht worden ist, welche die Resultate dieser weiten Expeditionen gewesen sind. Sammlungen von Pflanzen und Thieren sind aufgehäuft geblieben, ohne beschrieben zu werden. Sehr häufig haben sich die Regierungen darauf beschränkt, nur eine Auswahl der gesammelten Gegenstände bekannt zu machen; und dies ist noch immer der glücklichste Fall. Außer dem Muth, die Entbehrungen in unbewohnten Ländern zu ertragen, bedarf es auch noch eines andern Muthes, um die Bekanntmachungen fortzusetzen, die vermöge ihrer Beschaffenheit mehr Zeit kosten, als die Reise selbst. Dieser Muth besteht in einer langen Geduld. Herr Auguste de Saint-Hilaire besitzt sie; er vergißt nicht, daß der Nationalruhm Frankreichs bei der Vollendung eines Werkes interessirt ist, für welches er so edle und so große Opfer gebracht hat.