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Alexander von Humboldt: „Von einigen physischen und geologischen Phänomenen, welche die Cordillera de los Andes bei Quito und der westliche Theil des Himalih-Gebirges darbieten. (Eine Denkschrift, welche der Akademie der Wissenschaften von Hrn. Alex. v. Humboldt in den Sitzungen vom 7ten und 14ten März 1825 vorgetragen ist)“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1825-De_quelques_phenomenes-3> [abgerufen am 23.04.2024].

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Titel Von einigen physischen und geologischen Phänomenen, welche die Cordillera de los Andes bei Quito und der westliche Theil des Himalih-Gebirges darbieten. (Eine Denkschrift, welche der Akademie der Wissenschaften von Hrn. Alex. v. Humboldt in den Sitzungen vom 7ten und 14ten März 1825 vorgetragen ist)
Jahr 1825
Ort Weimar
Nachweis
in: Neue Allgemeine Geographische und Statistische Ephemeriden 16:1 (1825), S. 1–21; 16:2 (1825) S. 33–48, Tafel.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung; Fußnoten mit Asterisken; Tabellensatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.50
Dateiname: 1825-De_quelques_phenomenes-3
Statistiken
Seitenanzahl: 37
Spaltenanzahl: 6
Zeichenanzahl: 54363

Weitere Fassungen
De quelques phénomènes physiques et géologiques qu’offrent les Cordillères des Andes de Quito et la partie occidentale de l’Himalaya (Lu à l’Académie des Sciences, séances des 7 et 14 mars 1825) (Paris, 1825, Französisch)
Hauteur des montagnes d’Himalaya (Paris, 1825, Französisch)
Von einigen physischen und geologischen Phänomenen, welche die Cordillera de los Andes bei Quito und der westliche Theil des Himalih-Gebirges darbieten. (Eine Denkschrift, welche der Akademie der Wissenschaften von Hrn. Alex. v. Humboldt in den Sitzungen vom 7ten und 14ten März 1825 vorgetragen ist) (Weimar, 1825, Deutsch)
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Von einigen physischen und geologischenPhänomenen, welche die Cordillera delos Andes bei Quito und der westlicheTheil des Himalih-Gebirges darbieten. (Eine Denkschrift, welche der Akademie der Wissenschaf-ten von Hrn. Alex. v. Humboldt in den Sitzungen vom 7ten und 14ten März 1825 vorgetragen ist.)

Erster Theil.

In der letzten Denkschrift, welche ich die Ehrehatte der Akademie vorzulegen, habe ich die geo-metrischen Verfahrungsweisen dargelegt, nach de-nen man die verticalen Schnitte, welche einegroße Strecke Landes vorstellen, zeichnet. Icherinnerte daran, daß, wenn man die relative Stel-lung der Punkte, deren verschiedene Systeme dievielseitige Form der Erdoberfläche bestimmen, durch |2| Projektion ausdrückt, man diese Punkte entwederauf einer und der nämlichen Fläche entwerfen, oderauch dieselben in mehrere einzelne Profile ver-theilen kann, welche nach dem Laufe der Wege,die ein Reisender verfolgt hat, orientirt wer-den. Diese graphischen Methoden, diese verticalenDurchschnitte eines Landes sehr großem Um-fange, wovon ich, in meinem Atlas von Mexiko ,das erste Beispiel gegeben zu haben glaube, er-gänzen die Vorstellungen, welche man sich durchdie geometrischen Abbildungen des Erdbodens bereitsfrüher erworben hatte. Auf eine höchst einfacheVerfahrungsweise gegründet, erfordern sie zu glei-cher Zeit die Kenntniß von den Krümmungen desNiveau’s, und die Anwendung von Instrumen-ten, die geeignet sind, die Durchschnitte derpartialen Profile, welche als Rotations-Achsen die-nen, astronomisch, nach Länge und Breite, zu be-stimmen, und welche eben so viele Punkte ange-ben, in denen die Richtung des zurückgelegtenWeges verändert worden. Ich habe eine Reihe von verticalen Schnit-ten bekannt gemacht, welche, da sie in demGeiste der nämlichen Methode entworfen sind,nothwendig auch die nämliche Gleichförmigkeitder Ansicht (Aspekts) haben, welche die aus-schließlich sogenannten geographischen Chartendarbieten, diejenigen nämlich, welche die respek-tive Lage der auf einer wagerechten Fläche be-zeichneten Gegenden abbilden. Auf diesen letzte-ren ist das Verhältniß zwischen den Maaßstäbender Breite und Länge, zwischen den Theilungen |3| der Meridiane und der Parallelen, durch die Na-tur der Projektion, die man gewählt, unveränder-lich bestimmt. Bei den geographischen Schnittenoder vertikalen Sektionen dagegen ist das Verhält-niß der Maaßstäbe von Entfernung und Höhe ver-änderlich. Die Dimensionen, an welche die Zeich-nung gebunden ist, erlauben selten zweien Maaß-stäben die nämliche Geltung zu geben, und dieNeigungen der Abdachungen, wie sie in der Natursind, darzustellen. Die meisten Profile entstellendie Umrisse, aber sie entstellen dieselben in allenihren Theilen auf eine gleichförmige Weise, einVorzug, welchen die Projektion Mercator’s auf dengeographischen Charten nicht darbietet. Indem dieSchnitte das Verhältniß der Maaßstäbe von Höhe undAbstand nach Zahlen anzeigen, bieten sie uns be-stimmte Größen dar, nach denen man die wirk-liche Neigung der Abdachungen berechnen kann.Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß dasmehr oder weniger angenehme Ansehen, welchesdie Bildung des verticalen Schnittes von einemsehr großen Lande zeigt, ganz und gar von demVerhältniß zwischen den beiden Maaßstäben derHöhe und Entfernung abhängt. In der Einleitung zu dieser Denkschrift glaubteich die vornehmsten Grundlagen einer graphischenMethode in Erinnerung bringen zu müssen, wel-che, nach dem Beispiele meiner MexikanischenProfile und des Gemäldes von der Geographieder Aequinoxial-Pflanzen, von den Herren Par-rot und Engelhardt auf die Kette des Kaukasus,vom Herrn Wahlenberg auf die Alpen in der Schweiz und auf die Karpathen, von den Herren |4| Schübler und Hofmann auf Deutschland’s Gebirge,von den Herren v. Oeynhausen und Decken aufdie Gebirge Frankreich’s, von dem Herrn v. Esch-wege auf das Gebirge der Capitania Minas Geraes,und von den Ingenieur-Officieren, welche dervon dem Major Lambton geleiteten Trianguli-rung in Indien beigesellt sind, auf die Hoch-ebene von Mysore und die Gats von Malabar nachund nach angewendet ist *). Die Elemente dieser graphischen Methode sinddie Resultate eines barometrischen oder geodätischenNivellements, die genaue Kenntniß der Entfernun-
*) Dieser Durchschnitt der Bergebene von Mysore, wo-von der gelehrte Naturforscher, Herr Leschenault ,eine handschriftliche Kopie zurückgebracht hat, er-streckt sich von der Mündung des Palaurflusses durch Velore, die Gats von Coromandel , Mysore (südlich von Seringapatam), bis an die Gats vonMalabar und an das Dily-Gebirge durch die Pa-rallelen von 12° 1′ bis 12° 50′ der Breite und 72° 53′bis 77° 9′ der Länge östlich von Paris. Die Berg-ebene von Mysore hat eine mittlere Höhe von 420 bis460 Toisen über die Fläche des Meeres, und ist folg-lich fast 100 Toisen höher als die Bergebene in Spa-nien zwischen Almanza und Astorga ; aber die Längeder letzteren ist zweimal größer. Damit man sich ei-nen genauen Begriff von der mittlern Höhe der Eu-ropäischen Festlande bilden könne, trage ich hier fol-gende data ein: die niedrigen Ebenen von dem In-nern Frankreich’s und der Lombardei, 80 Toisen; dieBergebene von dem mittlern Rußland um Moskau,145 Toisen; von Schwaben, 150 Toisen; von Auvergne,174 Toisen; von der Schweiz, 220 Toisen; von Baiern,260 Toisen; von Tyrol (das Becken von Inspruck),307 Toisen; von Spanien 350 Toisen.
|5| gen, die astronomische Bestimmung der Durch-schnittspunkte oder Rotations-Achsen der einzel-nen Profile, endlich die Richtung der schneiden-den Flächen (plans sécans), das heißt der Win-kel, den jede Fläche der Projektion mit dem Me-ridian bildet. So wie die eigentlich sogenanntentopographischen Charten eine größere oder kleinereOberfläche in horizontaler Projektion umfassen kön-nen, eben so bietet auch das Abbilden des Bodensim Profil ein allgemeines oder besonderes physischesBild dar. Zu dieser letzteren Klasse gehört die Ar-beit, welche ich die Ehre habe der Akademievorzulegen, und wovon diese Denkschrift nur einesehr kurz gefaßte Analyse ist.
In dem westlichsten Theil von Südamerika,zwischen den Parallelen von 1°—2° östlicher Breite,erheben sich die höchsten Gipfel der Anden. DieBergebenen von Quito und Hambato, welche mandas Tibet der neuen Welt nennen kann, undwelche von zahllosen Heerden der Llamas, dieman ehemals peruanische Schaafe nannte, bedecktsind, erstrecken sich von Norden nach Süden zwi-schen dem Knoten der Affuay-Gebirge und demKnoten von Chisinche . Diese Bergebenen habeneine Höhe von mehr als drei tausend Meter überdie Fläche des Oceans. Von den beiden Ketten-gliedern, welche dieselben begränzen, nenne ichdas östliche den Ring von Cotopaxi , das westli-che den Ring von Chimborazo . Der verticaleSchnitt zeigt in ihren wahren und richtigen Di-mensionen, die Bergebene von Hambato und Calpi,die Lage einiger Alpen-Seen und das ganze west- |6| liche Kettenglied bis an die Küste des Südmeeres.Nicht von der Vorstellung eines ganzen Landes,wie in meinem Profil der Spanischen Halbinsel ,sondern von der geometrischen Abbildung einer Ge-gend von wenigem Umfange ist hier die Rede; eineVorstellung, die mit meinem idealen Schnitt von Amerika unter dem Aequator, den ich in der Folgemeiner Geographie der Pflanzen von 1805 her-ausgab, nichts als die Identität der graphischenMethode gemein hat. Die Specialcharten und diephysischen Gemälde einer einzigen Provinz ha-ben den Vorzug, daß sie die Begriffe genauer be-stimmen, und die Phänomene so vorstellen, wiedieselben durch die Ortsbeschaffenheiten modificirtwerden. Ehe man sich zu allgemeinen Ansichtenerhebt, muß man, in allen Zweigen der Wissen-schaften, eine große Anzahl einzelner Thatsachensammeln, und dieselben in ihren individuellestenVerhältnissen betrachten. Die auf dem Profil ein-gezeichneten Pflanzen sind nicht diejenigen, wel-che in der ganzen, Aequinoxial-Region der Anden wachsen; es sind die der Flora von Quito eigenenPflanzen, welche Herr Bonpland und ich, in demZeitraum von zehn Monaten, von der Fläche des Südmeeres bis zu der Höhe von 5,600 Meters ge-sammelt haben. Die bloße Ansicht des Profilsreicht hin, um zu gleicher Zeit die astronomischeStellung der Gegenden, die Gestalt des Bodens,die Vertheilung der Gewächse nach der Verschie-denheit der natürlichen Familien, die Schnee-gränze, die Abnahme des Wärmestoffes, die Ver-minderung des Druckes der Atmosphäre, endlichdie Vergleichung der höchsten Gipfel der Anden |7| mit den Gipfeln des Himalih-Gebirges in Erinne-rung zu bringen. Der große Vorzug der graphi-schen Methoden, bei ihrer Anwendung auf die ver-schiedenen Gegenstände der Naturphilosophie, be-steht darin, daß dieselben dem Geiste jene inner-liche Ueberzeugung gewähren, welche immer dieVorstellungen begleiten, die wir unmittelbar durchdie Sinne empfangen. Nach dem Ganzen dieser Betrachtungen würdees überflüssig seyn, hier das näher zu entwickeln,was die bloße Ansicht meiner Zeichnung hinrei-chend kennen lehrt: ich werde mich daher aufeine kleine Anzahl Bemerkungen beschränken,die auf Gegenstände, welche noch nicht genugerörtert sind, Bezug nehmen. Die verticalenSchnitte eines Landes, eben so wie die Char-ten in horizontaler Projektion, können nur in sofern Zutrauen einflößen, als sie von einer Beweis-schrift begleitet sind.

Vergleichung der Gipfellinie der Anden und des Himalih-Gebirges.

Niemand zweifelt heutiges Tages mehr daran,daß der zwischen den Flüssen Gundhuk und dem Sutledge sich hinziehende Theil von der Kette desHimalih nicht bedeutend höher sey, als die höch-sten Spitzen der Cordillera-Anden. Schon die er-sten Messungen des Obristen Crawford, des Lieu-tenant Webb und des Ingenieur en chef Herrn Co-lebrook, der ein Bruder von dem berühmten Orien-talisten dieses Namens ist, hatten diese Thatsachesehr wahrscheinlich gemacht: aber noch fünfJahre nach meiner Rückkehr von Quito, glaubte |8| man, in dem eilften Bande der asiatic researches bei dem einfachen Schlusse stehen bleiben zumüssen, „daß einige Gipfel des Himalih dem Chimborazo an Höhe wenigstens gleich kämen.“Man entbehrte um jenen Zeitpunkt einer genauen ba-rometrischen Messung, die geeignet gewesen wäre,die Erhöhung der Bergebene (plateau) zu bestim-men, auf welcher die Basis und die Winkelgemessen waren; man fürchtete vor allem denveränderlichen Einfluß der Erd-Refraktionen aufdie Höhe-Winkel von 2° bis 3°. Diese Zweifelwurden in Europa von Personen, die mit derTheorie der geodätischen Messungen keineswe-ges vertraut waren, ungemein vergrößert. Ichhabe in zwei Denkschriften über die GebirgeIndien’s *) die Gränzen der Irrthümer, welchedie ersten Messungen des Herrn Webb betroffen ha-ben können, untersucht, und bewiesen, daß, um zuglauben, die Maxima der Gipfellinie des Hima-lih seyen niedriger als die höchsten Punkte der Cordillera-Anden, der Coefficient der Refraktion \( \frac{3}{10} \), fast \( \frac{1}{3} \) hätte seyn müssen, statt \( \frac{1}{12} \) und \( \frac{1}{18} \), wel-che für so mittägliche Breiten und für so hoheBergebenen aus dem sehr genauen Verfahren desObristen Lambton herauskommen. — Seit dem Jahre 1815, in welchem die Landschaft Nepaul zu der Britischen Herrschaftin Indien kam, haben der Hauptmann Hodg-son und der Lieutenant Herbert eine Trian-gulirung vorgenommen, welche die ganze west-
*) Siehe Annales de Chemie et Physique, tom. 3, pag.297 et tom. 14. pag. 5.
|9| liche Seite des Himalih-Gebirges umfaßt: dieRefraktions-Coefficienten sind durch wechselsei-tige Beobachtungen bestimmt, die Höhe-Win-kel sind zu verschiedenen Stunden des Tages ge-messen, und die Erhöhung der Grundlinien(bases) über die Meeresfläche ist ausgemittelt,indem man sich mehrerer mit einander vergli-chenen Barometer bediente, und eine große An-zahl zusammenstimmender Beobachtungen, diein den nämlichen Stunden zu Calcutta und zu Seharampoor gemacht wurden, benutzte. AlleZweifel über die erstaunenswürdige Höhe der Ge-birge Indien’s sind dergestalt gehoben; aber, nachden verschiedenen, zu Calcutta und in England erschienenen Denkschriften, nach den widerspre-chenden Angaben der neuesten Charten, ohne die-jenige davon auszunehmen, welche unter Anfüh-rung des Obristen Blacker , General-Direktors dergeodätischen Operationen in Hindostan, neu-lich bekannt gemacht worden, blieb man noch un-gewiß über folgende Fragen: welcher ist derGipfel des Himalih, der das Maximum von Höheerreicht? Welchen Namen soll man diesem Gip-fel geben? Ist unter den Bergspitzen, welchein den Meridianen von Benares und von Almora den ersten Rang einnehmen, die höchste mitder nämlichen Genauigkeit, als die unmittelbardarauf folgende, gemessen? Diese zweifelhaftenFragen beziehen sich nicht auf wenig bedeutendeGrößen, sondern auf mehr als 1,200 Meter derHöhe. Dazu kommt noch, daß die in England, Frankreich und Deutschland erscheinenden Char-ten und Zeitschriften die Verwirrung der Zahler- |10| gebnisse täglich vermehren. Die Beobachter ha-ben, zu verschiedenen Zeitpunkten, dem nämlichenGebirge verschiedene Höhen gegeben. Oft hatman die Erhöhungen über die Bergebene von Goruk-poor für die Erhöhungen über die Fläche des Mee-res genommen; oft hat man sich, bei der Reduk-tion der Englischen Maaße in Französische, geirrt;endlich hat man Berge, die nur durch Nummern,oder, was noch schlimmer ist, durch den Namender Stationen, von wo aus ihr Azimuth bestimmtwurde, bezeichnet waren, mit einander verwech-selt. Durch die graphische Methode, die ich beider bildlichen Vorstellung des Bodens anwende,genöthigt, mich nur an genaue Data zu halten,habe ich alle Materialien, die sich auf die Mes-sung der verschiedenen Theile des Himalih, vondem Hindu-Khu bis an das Thal von Bramaputra beziehen, gesammelt. Ich habe diese Messungenunter sich verglichen, und über die Ergebnissedieser Vergleichungen einen berühmten Gelehrten,den sein Aufenthalt in Indien, seine geodätischenArbeiten und seine umfassende Gelehrsamkeit inder ältern und neuern Geographie Asien’s mit demGegenstand, den ich behandeln wollte, am meistenvertraut gemacht haben, um Rath gefragt. Fol-gendes sind die zuverlässigsten Data, bei denen ich,zugleich mit dem Herrn Colebrook , in eine Denk-schrift, welche ich für die Asiatische Gesellschaftausarbeite, stehen geblieben bin.
Man muß unterscheiden zwischen den Gipfeln,deren Höhe durch trigonometrische Operationen,die nichts zu wünschen übrig lassen, bestimmt |11| ist, und einigen noch höhern Spitzen, derenMessung sich nur auf Höhen-Winkel gründet,und zwischen Aufnahmen, die in Gegenden, de-ren astronomische Lage und folglich auch dieVerschiedenheit der Breite und der Länge hinrei-chend bekannt zu seyn schienen, vorgenommenwurden *). Zu der ersten Klasse gehört der Jawahir , ge-legen 30° 22′ 19″ der Breite, südwestlich von demheiligen See Manassarowar; zu der zweiten Klasse,der Dhawalagiri oder weiße Berg (denn dhawala bedeutet im Sanskrit weiß, und giri Berg), süd-östlich von dem heiligen See, 28° 40′ der Breite.Der Jawahir hat 7,840 Meter (4,026 Toisen), der Dhawalagiri 8,556 Meter (4,390 Toisen) an Höhe.Nimmt man das Ergebniß meiner Messung vom Chimborazo (6,530 Meter) an, so findet man, daßder Gipfel des Himalih, mit der größten Genauig-keit gemessen, 1,318 Meter; der Gipfel, durchAnnäherung gemessen, 2,026 Meter, also höher alsder Chimborazo ist. Bei der Messung des Jawahir (welches die Kuppe A. No. 2 ist, aufgenommen vondem platten Dache des Tempels zu Surkandra,und die Kuppe No. 14 auf der Höhentabelle des
*) Die Herren Herbert und Hodgson drücken sich überdiesen Unterschied zwischen der Gewißheit der Mes-sungen vom Jawahir und vom Dhawalagiri mit großerGenauigkeit aus: „Man kennt, sagen sie, keine Höhevon Bergspitzen, die sich südöstlicher von 29° 49′ 43″Breite und von 81° 2′ Länge östlich von Greenwich befinden.“ ( Asiat. Res. tom. 14, p. 189.) Diese ge-schickten Beobachter schließen folglich diejenigen
|12| Hauptmanns Webb ) *) würden die von den Herren Hodgson und Herbert erhaltenen Resultate nurnoch um 136 Meter wechseln, wenn die Refrak-tion in den äußersten Gränzen von \( \frac{1}{11} \) und \( \frac{1}{12} \) os-cillirte, während direkte Beobachtungen bewährthaben, daß, unter dieser Zone und auf dieserHöhe, sie sich zwischen \( \frac{1}{16} \) bis \( \frac{1}{18} \) ziemlich allge-mein behaupten. Die Höhe-Bestimmung des Dha-walagiri hängt von einer größern Anzahl ungewis-ser Elemente, von der astronomischen Lage derGegenden nach Länge und Breite, von den Azi-
trigonometrischen Messungen aus, die nicht auf direktgemessenen Grundlinien (Bases) gegründet sind.*) Der Hauptmann Webb giebt dieser Kuppe No. 14 dieHöhe von 25,669 Englische Fuß, indem er dieselbeunter 30° 21′ 51′ der Breite und 79° 48′ 31″ der Längeöstlich von Greenwich stellt. ( Asiat. Res., vol. 13pag. 306.) Die Herren Herbert und Hodgson weisen ihrunter Breite 30° 22′ 19″, Länge 79° 57′ 22″ ihre Stellean. Erst schrieb man ihr die Höhe von 25,589 Eng-lischen Fuß zu ( Asiat. Res. tom. 14, p. 311—316),und nachher 25,749 Englische Fuß = 4,026 Toisen,weil die Höhe der Bergebene von Belville anfänglichzu 853 Fuß, und durch genauere barometrische Beob-achtungen zu 1,013 Fuß über die Fläche des Meeresangenommen wurde. Es giebt drei Kuppen von einerungeheuern Höhe, welche in der Richtung von Süd-west nach Nordost auf einander folgen, und welcheman von dem Plattdach (plate-forme) des Tempelsvon Surkandra wahrnehmen kann. Diese Kuppen sind,auf der Charte des Herrn Herbert , durch die Namen Jawahir-peaks A No 1, A No. 2 und A No. 3 oder Pbezeichnet. Die mittlere Kuppe ist die höchste vonallen. Mehr nach Nordwesten sieht man die kolosa-len Gebirge Kedarnath und Jamnautri.
|13| muthen und der Refraktion ab: dennoch geben zweiauf einander folgende Messungen des Hauptmann Webb und des Hauptmann Blake kaum eine Dif-ferenz von 150 Meter.
Der Dhawalagiri , auch, durch Verdrehungdes Namens, Dhulagir oder Gasakoti genannt,giebt, auf seiner südlichen Abdachung, dem Flusse Ghandaki seine Entstehung *). Es ist an den Uferndieses Flusses, wo man, in einem Uebergangs-lager, die berüchtigten Ammonshörner (Salagra-na) sammelt, welche die Gläubigen unter denHindostanern als Bilder der Fleischwerdung Wisch-nu’s während der Fluth der großen Gewässer an-sehen. Wenn man den Puy-de-Dôme auf den Chimborazo stellt, so hat man die Höhe vom Ja-wahir ; stellt man den Sanct-Gotthard auf den Chimborazo, so hat man die Höhe vom Dhawala-gari . Wenn wir von der Tiefe der Ebenen undder Furchen, welche unsere Anpflanzungen bedek-ken, aus, die höchsten Gipfel der Alpen und der Anden betrachten, so gerathen wir sogleich überdie ungeheuere Verschiedenheit, welche die Höheder Gebirge darbietet, in Erstaunen; wir verges-sen, daß ein Nachbar-Planet, von welchem mandie Messung der Höhenunterschiede auf der Ober-fläche (nivellement) an der ganzen, den Be-wohnern der Erde sichtbaren Seite vorgenommen
*) Asiat. Res., vol. 12, p. 266. — Journ. of the RoyalInst., vol. 11, pag. 240. Die Länge des Dhawalagiri ist 83° 20′ östlich von Greenwich; seine Höhe ist28,077 Englische Fuß = 8,556 Meter = 4,390 Toisen.Die ersten Aufnehmungen hatten, bei den ungünstig-sten Voraussetzungen von Abstand und Refraktion, ein Minimum von 26,872 Englische Fuß gegeben.
|14| hat, dieselben Wunder und noch größere, dar-bietet. Auf Analogien, die nur scheinbar sind,gestützt, bilden wir uns eine unbestimmte Vor-stellung von dem Maximum der Höhe, welchedie Berggipfel unserer Erdkugel erreichen kön-nen, als ob es uns möglich wäre, die elastischenKräfte, welche die oxidirte Rinde unseres Pla-neten erhoben, zu messen; als ob die Thätig-keit, welche jene Felsenmauern, die wir Alpen und Pyrenäen nennen, über Klüften hervorgebracht,den Kräften, welche unter der Kette der Anden und des Himalih, unter dem Mauna Roa und dem Pik von Teneriffa wirksam waren, Gränzen ge-setzt hätte. Warum sollte man nicht eines Tagesnördlich vom Himalih, zwischen dieser Kette undder Kette von dem Zungling, oder zwischen derKette vom Zungling und der Kette von Thianschan oder den Himmelgebirgen, Felsengipfel entdecken,die höher wären, als der Dhawalagiri, wie dieserden Chimborazo und der Chimborazo den Mont-Blanc an Höhe übertrifft? Selbst die organisirtenWesen bieten uns diese erstaunenswürdige Ver-schiedenheit der Größe dar. Als ich die Blumeder Aristolochia cordiflora, deren Diameter 18 Zollist, für die größte aller Blumen hielt, so ver-muthete man noch nicht das Daseyn der Raffle-sia, deren Blume drei Fuß an Oeffnung hat. Inden Augen des Geologen, der die Massen und dieallgemeine Gestaltung der Erd-Sphäroide nicht ausden Augen verliert, ist die Höhe der Gebirge einwenig bedeutendes Phänomen: er sieht in dem Maximum der Gipfel von den Pyrenäen, Alpen, Cor-dilleren und dem Himalih nur eine wachsendeZahlreihe, wie die Zahlen 1, 1\( \frac{1}{2} \), 2 und 2\( \frac{1}{2} \).
|15| Ich bleibe bei den höchsten Punkten eines je-den Systems stehen, denn die mittlere Höhe derGipfellinien, durch die Mittelhöhe der Engpässe(cols) und Durchgänge bestimmt, ist ein abgezo-gener, und auch ziemlich unbestimmter Begriff,sobald eine Gruppirung von Gebirgen und nichteine fortlaufende Kette da ist. Herr Ramond , derin allen Zweigen der Naturwissenschaften, die erbehandelt hat, sich zu allgemeinen Ansichten er-hoben, hatte schon bemerkt, daß der Gipfel derPyrenäen fast nicht niedriger ist, als die mittlereHöhe der Alpen, und daß, was diese letztere Berg-kette besonders auszeichnet, die relativ große Er-höhung ihrer Spitzen ist, das heißt das Verhältnißderselben zu der mittlern Höhe der Gipfellinie.Nach meinen Untersuchungen, kommt diese mitt-lere Größe auf den Anden den höchsten Punktender Pyrenäen, auf dem Himalih, den höchstenPunkten der Alpen, gleich. Die Geognosie hat ihre Zahlenelemente ebenso, wie alle diejenigen Wissenschaften, welche vonder Gestalt und Ausdehnung der Bergketten undBecken, von der Vertheilung der organisirten Wesenund von den Ursachen, welche die Veränderun-gen der Isothermlinien modificiren, handeln. Ineiner geologischen Denkschrift, welche ich balddie Ehre haben werde der Akademie zu überreichen,werde ich einige merkwürdige Eigenschaften dieserZahlenelemente darlegen, welche sich auf die höch-sten Punkte und auf den Flächenumfang (l’aire) derHorizontal-Schnitte der Ketten beziehen. Es ist genughier anzuzeigen, daß das Verhältniß der mittlernHöhe der Bergrücken sich zu der Höhe der höchsten |16| Gipfel auf den Pyrenäen wie 1:1\( \frac{1}{2} \), auf den Alpen = 1:2, auf den Anden und dem Himalih = 1:1\( \frac{8}{10} \) verhält. In Amerika vereinigt ein einziges Berg-system, das Andische, in einem schmalen und dreiTausend Lieues langen Gürtel, alle Gipfel, welcheüber 2,700 Meter hoch sind, während man in Europa,auch wenn man (nach einigen systematischen An-sichten) die Alpen und Pyrenäen als eine einzigeGipfellinie betrachtet, noch einzeln sehr weit vondieser Linie oder diesem Hauptrand (in der Sierra-Nevada von Granada, in Sicilien, Griechenland,auf den Apenninen, vielleicht auch in Portugal),Gipfel von 1,900 und 3,500 Meter an Höhe findet.Diese ungleiche Vertheilung der Kulminations-Punkte, die bald mitten in den Becken der Meereund auf den Ebenen der Festlande vereinzelt undzerstreut, bald in Gruppen vereinigt oder in gera-den Reihen gereihet vorgefunden werden, steht inVerbindung mit der Form und Masse der Festlan-de, die (wenn man sie mit dem Meergrunde ver-gleicht) selbst nur ungeheure Bergebenen sind. Wenn die Höhe der Bergkuppen dem Geologenwenig Interesse gewährt, so verhält es sich andersmit den Schätzungen des Volums der Gebirgsrük-ken (arêtes), verglichen mit dem Umfange derOberfläche der niedern Regionen. Dieser Theilder Orographie, auf den meine verticalenSchnitte einiges Licht werfen, ist sogar von gro-ßer Wichtigkeit in den Untersuchungen überden Mechanismus des Himmels. Herr de Laplace hat neulich nachgewiesen: „daß die Harmonie,welche die mittelst des Pendels gemachten Ver- |17| suche mit der, durch die Messungen der Erdgrade unddie Ungleichheiten des Mondes, gegebenen Abplattungan den Tag legen, beweise, daß die Oberfläche beinaheganz gleichförmig (celle de l’équilibre) seyn würde,wenn diese Oberfläche in einen flüssigen Zustand ge-riethe. Aus dieser Uebereinstimmung der Ergebnissefolge, daß die kleine mittlere Tiefe der Meere nachden nämlichen Gesetzen als die mittlere Höhe derFestlande und Inseln gebildet seyn müsse *). Nunhängt aber diese mittlere Höhe weit weniger von denKettengliedern oder den in die Länge laufenden Berg-rücken von geringer Breite, von jenen höchsten Punk-ten oder Kuppen, welche die Neugierde der Mengeanziehen, als von der allgemeinen Gestalt der Berg-ebenen ab, von diesen sanft sich erhebenden Ebe-nen mit abwechselnden Abdachungen, welche,durch die Größe ihrer Masse, auf die Stellung ei-ner mittlern Oberfläche wirken, das heißt auf dieHöhe einer so gestellten Fläche, daß die Summeder positiven Ordinaten der Summe der negativenOrdinaten gleich sey. Die physische Geographie,eben so wie die Meteorologie und die Kenntnißder Klimate, kann nur in dem Maaße Fortschrittemachen, als man die Phänomene in ihrem Zusam-menhange betrachtet, und sich abgewöhnt, entwe-der auf jene höchsten Punkte, welche auf einerGipfellinie einzeln angetroffen werden, oder aufjene Extreme der Temperatur, welche der Wär-memesser an einem einzigen Tage im Jahre er-reicht, zu viel Gewicht zu legen.

*) Mecanique celeste Tom V, p. 14.
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Zweiter Theil.

Ich habe in dem ersten Theil dieser Denk-schrift die Vortheile gezeigt, welche die graphischeMethode der vertikalen Schnitte darbietet, wennman dieselbe auf einen großen Länderumfang an-wendet; ich habe in Erinnerung gebracht, daß nurdiese Art von Projektion, die nur zu lange vernach-lässigt ist, eine genaue Kenntniß von der mitt-lern Höhe der Festlande und Inseln gewähren kann,ein Element, das für den Mechanismus des Him-mels nicht ohne Interesse ist, und welches die mit-telst des Pendels gemachten Beobachtungen mit derKenntniß von dem Maximum der Meerestiefe inVerbindung zu setzen scheinen. Ich habe zu glei-cher Zeit gezeigt: 1) daß diese mittlere Höhe der Festlande, denUntersuchungen gemäß, welche ich bis jetzt habeanstellen können, als Gränzzahlen 120 und 160Meter hat; 2) daß die auf der Bergebene von Seharam-poor angestellten geodätischen Operationen unzwei-felhaft erhärten, daß eine von den Spitzen derGipfellinie des Himalih (die Kuppe Jawahir), westlichvom See Manassarowar gelegen, den höchsten Punktder Anden um 676 Toisen übersteigt; 3) daß es auf der nämlichen Kette des Hima-lih, aber südöstlich vom See Manassarowar, einenandern Gipfel giebt, von den Eingebornen das weißeGebirg (Dhawalagiri) genannt, der noch höher alsder Jawahir ist; 4) daß zwei Messungen dieses Mont-Blanc Indien’s , die an verschiedenen Standörtern und zu |19| verschiedenen Zeitpunkten geschahen, bis auf denUnterschied von 12 Toisen, die nämliche ungeheureHöhe von 4,390 Toisen gegeben haben; daß aber,dieser ohne Zweifel zufälligen Uebereinstimmungungeachtet, der Dhawalagiri nicht mit der nämli-chen Genauigkeit, wie der Jawahir, gemessen ist,indem die Länge der Basis, auf welche sich dieWinkel stützen, nur durch astronomische Mittelbestimmt wurde. 5) daß, um zu glauben, daß der Jawahir den Chimborazo an Höhe nicht übersteige, man ge-zwungen wird einen Coefficienten der Erd-Refrak-tion anzunehmen, den man sich nicht ein Mal im Nor-den von Europa ohne Ungereimtheit denken kann; 6) daß, in mehreren Theilen von Indien, derWerth des Refraktions-Coefficienten, durch wech-selseitige Beobachtungen, bestimmt worden sey; daßdieser Coefficient, in den niedrigen Breitegradenund auf den Bergebenen von Nepaul im Allgemei-nen von \( \frac{1}{15} \) bis \( \frac{1}{18} \) ist, und daß, indem man dieäußersten Gränzen von \( \frac{1}{12} \) und von \( \frac{1}{20} \) annähme, dieHöhe der Bergkuppe von Jawahir sich dennoch nurum 136 Meter verändern würde, das heißt um \( \frac{1}{70} \) der ganzen Höhe; eine Abweichung, die man nichtals sehr erheblich betrachten kann, wenn man sicherinnert, daß Operationen, die, zu verschiedenenZeitpunkten und in verschiedenen Entfernungenvon, mit Recht berühmten, Astronomen unter-nommen sind, um die Höhe des Monte-Rosa zubestimmen, \( \frac{1}{35} \) von der gemessenen Höhe abwei-chen, und also, der Geschicklichkeit der Beobach-ter zum Trotz, sehr weit von der großen Ueber-einstimmung, die man neulich, hinsichtlich des |20| Mont-Blanc, zwischen den Beobachtungen der Hrn. Tralles, Carlini, Coraboeuf und L’Ostende gefun-den, entfernt sind; 7) daß, da jede geodätische Messung einer imInnern eines Festlandes gelegenen Bergkette, ihrerNatur nach, theils geometrisch, theils barometrischist, es wichtig ist das Verhältniß dieser beiden Ele-mente, welches mit der Kleinheit der Höhenwinkelgewöhnlich sich ändert, zu kennen; daß aber, bei derBestimmung der höchsten Spitzen des Himalih, diebarometrische Messung, auf die gleichzeitige An-wendung von sechs Barometern und einer großenAnzahl zusammenstimmender Beobachtungen (zu Seharanpoor und zu Calcutta) gegründet, sich nurauf eine Höhe von 300 Meter erstreckt; 8) daß die höchsten Punkte oder die Gipfel-linien von den vornehmsten Bergketten in Europa, Amerika und Asien, sich wie die Zahlen 10, 14,18, 24, zu einander verhalten; daß aber auf densieben Ketten der Alpen, der Anden, des Himalih,des Kaukasus, der Alleghanen und von Venezuela,das Verhältniß der Kämme (crêtes) zu den Spitzen,das heißt das Verhältniß zwischen der mittlern Höheder Gipfel und den Kulminationspunkten, sich sehrregelmäßig wie 1 zu 1\( \frac{8}{10} \) oder wie ein zu zwei verhält. Die Masse der Hochpyrenäen ist im Allgemei-nen höher als die Masse der Hochalpen, obgleich dieHöhe der Kuppen, wovon die Pyrenäen beherrschtwerden, viel geringer ist. Indem ich die mittlereHöhe von drei und zwanzig, mit großer Genauigkeit,gemessenen Pässe (passages) berechnete, fand ich für |21| die Pyrenäen 1,217 Toisen, für die Alpen nur 1,168Toisen, oder 49 Toisen weniger. Die Pässe (passa-ges oder cols auf den Pyrenäen, ports oder hourques genannt), sind schwache Einschnitte oder örtli-che Niederdrückungen der Gipfel. Sie gebeneine Gränzzahl, ein Minimum der Gipfelhöhe;während die Linie des ewigen Schnee’s, welche diemittlere Höhe des Kamms nicht erreicht, eineandere Gränzzahl für das Maximum giebt. Diemittlere Höhe der Gipfel ist folglich zwischen die-sen beiden Extremen enthalten. Nun sind aber dieSpitzen der Pyrenäen so wenig erhaben, daß dasVerhältniß der Kämme zu diesen höchsten Punk-ten daselbst nur von 1 zu 1\( \frac{1}{2} \), statt von 1 zu 2,steht, wie es sechs andere Hauptketten der beidenFestlande geben. Es ist fast überflüssig hinzuzu-setzen, daß die eben angegebenen Zahlenverhältnissenicht mehr die nämlichen bleiben würden, wenndas Niveau der Meere sich änderte, oder, wennman die höchsten Punkte der Krummlinien (courbes)mit dem Mittelpunkte der Erde vergliche. Nach-dem ich diese allgemeinen Resultate, die für diephysische Geographie nicht ohne Interesse sind, wie-derholt habe, werde ich zu dem zweiten Theil die-ser Denkschrift übergehen, welche als eine Recht-fertigungsschrift für die neue Charte in vertica-len Sektionen, die ich der Akademie, bei ihrerletzten Sitzung, zu überreichen die Ehre hatte, an-gesehen werden kann. (Schluß folgt.)

|33|

Von einigen physischen und geologischenPhänomenen, welche die Cordillera delos Andes bei Quito und der westlicheTheil des Himalih-Gebirges darbieten. (Fortsetzung und Schluß.)

Geognostische Beschaffenheit.

Auf der Kette des Himalih-Gebirges, ist derHauptmann Gerard zu der nämlichen Höhe em-porgestiegen (zu nahe an 5,900 Metern), zu wel-cher die Herren Bonpland, Carlos Montufar und ich auf dem Abhang des Chimborazo ge-kommen sind; sie besteht, so weit man es bisjetzt hat untersuchen können, nicht aus Porphyr-felsen, wie der Kaukasus, sondern aus Granit,Gneiß, Glimmerschiefer mit Cyanit und aus jenenAmphiboliten, welche man gemeiniglich unterdem Namen des Urgrünsteins (Diorites) bezeich-net. Die Messungen der Gebirge Indien’s, von |34| denen die genauesten erst von dem Jahre 1816 da-tiren, haben folglich wieder nachgewiesen, daßdie Kulminationspunkte der Erdoberfläche dem Ge-biete der Urbildungen angehören, und diejenigenunter den Geognosten, welche die Cordilleras alsmittels elastischer Kräfte, durch die in mehr oderweniger Verzweigungen geöffneten Risse oder Fur-chen, in die Höhe gehoben betrachten, glaubenin der erstaunlichen Höhe der Gebirge Indien’s einen Beweis der Behauptung zu finden, daß dieersten oder ältesten Erhebungen der oxydirten Kru-ste unseres Planeten auch die bedeutendsten und hef-tigsten gewesen. Wenn man die geognostische Zu-sammensetzung des Himalih, zwischen den Meri-dianen von dem See Manassarowar und dem Eis-gebirge, wo der Ganges entspringt, untersucht, soist man über die vollkommene Aehnlichkeit er-staunt, welche dieselbe mit der geognostischen Be-schaffenheit der Alpen, um den St. Gotthard her-um, darbietet. Dagegen ist der Theil der Andenvon Quito, wovon ich den vertikalen Schnitt ge-zeichnet, fast ganz von Trapp-Porphyr zusammenge-setzt. Es ist ein Ausbruch von Trapp-Porphyren,welcher, auf der westlichen Abdachung der Anden,mitten durch Formationen von Glimmerschieferund Gneiß, die talkartig geworden, eine Dickevon mehr als 6,500 Meter erreicht. Indem ich die Positions-Winkel auf eine inder Ebene von Riobamba-Nuevo gemessene Ba-sis stützte, bestimmte ich mit Sorgfalt den Um-fang des Chimborazo, und fand den Durchmesserder Trappporphyrkuppel da, wo der ewige Schneeanfängt, 6,700 Meter, und in der großen Höhe von |35| 5,900 Metern, folglich nahe an der höchsten Spitze,noch 1,300 Meter betragend. Es wäre zu wün-schen, daß man, auf eine ähnliche Weise, denUmfang des Mont-Blanc und einiger Kuppendes Himalih bestimmt hätte. Wenn man von denWäldern Cinchona’s, welche bis an die Stadt Loxa reichen, gegen Norden vorrückt, so übersteigt manzuerst den Knoten der Assuay-Gebirge, eine GruppeTrapp-Porphyrfelsen, welche einen häufig betrete-nen Uebergang über die Anden darbietet. Ichfand den Kulminationspunkt des Passes 2,428 Toi-sen erhoben: es ist eine Einhöhlung, eine Nie-derdrückung des Anden-Gipfels, deren Tiefe derGipfel-Höhe des Mont-Blanc fast gleich kommt.Auf diesen Knoten folgt jener Paß der Cordillera-Kette, der, durch die Arbeiten der FranzösischenAkademiker, die bald auf dem einen, bald auf demandern der zwei Kettenglieder ihre Signale stell-ten, berühmt wurde. Das westliche ist das Ket-tenglied von dem Chimborazo, dem Carguairazo und Iliniza; das östliche, das Kettenglied von demfeuerspeienden Berg Sangay, dem Collanes unddem Tungurahua. Letzterer ist durch den RioPastara (Pastara-Fluß) durchbrochen; denn, trotzder veralteten Lehren der Geographen, öffnen diehöchsten Gebirge der Welt, der Himalih und die Anden, Flüssen ihre Durchgänge. Das Becken,welches die Kettenglieder des Chimborazo und des Tungurahua begränzen, ist gegen Norden durchden Knoten der Chisinche-Gebirge geschlossen; erbildet eine Art Damm von Trapp-Porphyr, von ge-ringer Höhe, der die Gewässer zwischen dem At-lantischen Oceane und dem Australoceane teilt. |36| In dieser Region ist das System der Trapppor-phyr-Felsen von dem Systeme der Basaltfelsen ganzgeschieden. Dieses ist in der Provinz Quito sehrselten, und nur in deren nördlichsten Theil, an-zutreffen; es ist durch das Vorhandenseyn desOlivins ausgezeichnet, welcher in den Trapppor-phyr der Anden, die zugleich an länglichtenund vielgespaltenen Krystallen von glasigem Feld-spath und an Hornblende und Pyroxen reich sind,ganz fehlt. Der Trappporphyr ist oft sehr re-gelmäßig geschichtet, zum Beispiel auf dem Chim-borazo und dem Assuay, aber er wechselt grup-penweise in der Richtung und Neigung seiner La-gen, eben so, wie die Phonoliten des Basalt-Sy-stems. Am häufigsten kommt der säulenartige Baudes Trappporphyrs auf der östlichen Abdachung des Chimborazo vor; ich habe da, auf der Höhe von2,180 Toisen, fünfseitige und siebenseitige Pris-men von außerordentlich dünnen grau-grünlichenTrappporphyr von 50 Fuß Länge gesehen. DieserTrappporphyr gab sehr merkbare Zeichen vonPolarität, indem die magnetische Achse senkrechtzu der in die Länge gehenden Achse der Prismenläuft. Auf den Anden, wie auf dem alten Festlande,bietet jeder Trappporphyrkegel, seiner Zusammen-setzung nach verschiedenartige Felsen dar, je nach-dem der eine oder der andere Grundstoff vorherrscht.Der schwarze Glimmer kömmt in dem Trapppor-phyr des Cotopaxi, welcher zugleich auch an halbglasartigen Massen und Obsidian großen Ueberflußhat, am gewöhnlichsten vor: die Hornblende hat |37| in dem Trappporphyr des Antisana die Oberhand; derPyroxen in der mittlern und niedern Region des Chim-borazo. Der Trappporphyr dieses letzteren Gebir-ges enthält zu gleicher Zeit Eisenkies, ein wenigQuarz, zwei Arten Feldspath, den glasigen undden gewöhnlichen und, was sehr merkwürdig ist,Granaten. Ich sammelte von diesen Granaten nahean der Seitenöffnung des Yanaurcu; dieß ist einHügel, den ich auf meinem Profil dargestellt habe,und der, nach einer in der Gegend unter denBergbewohnern von Indischer Abstammung, sehrverbreiteten Sage, durch den Fall eines Aerolitheneinst in Brand gerathen ist. Herr Beudant hatebenfalls Granaten gefunden, aber nicht in demTrappporphyr, sondern mitten unter den Trapppor-phyrbreccien in Ungarn. Eine Felsart, in welchemder kompakte Feldspath das Maximum seiner Ent-wickelung, den Phonolith, erreicht, befindet sichmitten unter den Trappporphyr des Chimborazo:denn es giebt Trappporphyr-Phonolithen, so wiees Basalt Phonolithen giebt. Die letztern bilden diegrößten Massen auf den beiden Kontinenten, undsie sind immer über die Basalt-Schichten gelagert. Ein Theil des Kettengliedes, welches demTrappporphyr-Gliede des Chimborazo gegenübersteht, zeigt eine Formation von Gneiß-Glim-merschiefer, reich mit Rothgültig- und Glanzerzdurchzogen. Indem ich den immer brennen-den Vulkan Tungurahua bestieg, traf ich sogarschwarze und halbglasartige Trappporphyre an,oder über, einem grünlichen Glimmerschiefermit einer gestreiften und seidenartigen Oberfläche |38| welche Granaten enthielten. Dieser Glimmer-schiefer ruht auf einem specksteinartigen Granit,der aus blättrigem, grünlichem und grobkör-nigem Feldspath, etwas weißem Quarz, sechsei-tigen Tafeln von schwarzem Glimmer und aus ei-nigen dünnen und länglichten Hornblende Krystal-len, besteht. Nur auf diesem Punkte sieht manTrappporphyr die gewöhnlich so genannten Urfelsendurchschießen.

Abnahme des Wärmestoffes. Temperatur der verschiede-nen über einander liegenden Zonen.

Der klimatische Stufenleiter, der links an demProfil der Anden von Quito gestellt ist, weichtvon dem, welchen das physische Gemälde, das den Versuch über die Geographie der Pflanzen begleitet, darbietet, ganz ab. Er gründet sichauf die sämmtlichen Beobachtungen, welche ichauf verschiedenen Höhepunkten *) von den Küstendes Südmeeres bis zu der Höhe von 2,550 Toisenangestellt habe. Ich habe die mittlern Temperatu-ren und die Veränderungen der Temperatur amTage und des Nachts angegeben. Diese Tafel be- weist, wie es Herr Oriani schon vor langer Zeitvermuthet hatte, daß, in dem mittlern Stand derAtmosphäre, die Temperatur nicht gleichförmig in
*) Mittlere Temperatur: in gleicher Ebene mit der Flächedes Südmeeres 27°,5 Therm. hund.; bei 500 Toisen Höhe21°,8; bei 1,000 Toisen 18°; bei 1,500 Toisen 14°,3;bei 2,000 Toisen 7°; bei 2,500 Toisen 1°,5. Dieß letz-tere Resultat gründet sich nur auf eine kleinere An-zahl Beobachtungen.
|39| arithmetischer Progression abnimmt. Ich habe aneinem andern Orte (in der Denkschrift über dieIsotherm-Linien) gezeigt, daß das Abnehmen derWärme (diese Thatsache verdient Aufmerksamkeit)zwischen 1,000 und 3,000 Metern, besonders zwi-schen 1,000 und 2,500 Metern der Höhe, wo dieerste Wolkenlage sich befindet, langsamer von Stat-ten geht, und daß es sich nachher wieder beschleu-nigt. Herr Doctor Young hat neuerlich die Wir-kungen dieser Beschleunigung auf die Refraktio-nen der Atmosphäre untersucht *). Leider sindalle Beobachtungen über die Temperatur, welcheman in dieser Art Berechnung anwenden kann,auf der Abdachung der Anden oder des Himalih selbst, und nicht in Luftschiffen, angestellt wor-den. Sie sind örtlich, durch die Wirkungen derStrahlenwerfung des Bodens, deren Einfluß schwerzu bestimmen ist, modificirt.

Astronomische Standpunkte, geeignet die äußersten Grän-zen der vertikalen Sektion zu bestimmen.

Diese äußersten Gränzlinien sind das IndischeDorf Calpi und die Insel Puna **) auf den Küsten
*) Journ. of the Royal Instit., vol. XI., p. 360.**) Die Lage dieser Insel ist, nach den Charten des Deposito hidrographico de Madrid, 82° 35′ 0″; nachmeinem Chronometer (Rec. d’obs. astr., tom. II.,pag. 439), 82° 37′ 44″; nach der Angabe des Haupt-manns Basil Hall ( Extracts from a Journal writtenon the coasts of Chili, Peru etc., tom II. pag. 379),82° 34′ 48″ westlich von dem Pariser Meridian (Maxi-mum der Differenzen 12″ in Zeit).
|40| des Südmeeres bei Guayaquil. Ich habe Calpi mit derStadt Quito (deren Länge, vor meiner Reise, auf allenCharten und auf allen Tabellen über geographischeOrtsbestimmungen fast um einen Grad zu weit nachOsten angegeben war), durch Uebertragung der Zeitin Verbindung gebracht. Die Ortsbestimmung von Guayaquil gründet sich auf zwei Sternbedeckungen,und auf meine Beobachtung des Merkurs Durch-gangs durch die Sonnenscheibe, die ich in demHaven von Lima (Callao) anstellte, indem ich dieDifferenz der Länge zwischen Callao und der In-sel Santa-Clara (im S.S.O. vom Haven der Stadt Guayaquil) so annahm, wie sie durch die Expedi-tion des Malaspina, durch mich und neulich durchCapt. Basil Hall chronometrisch bestimmt worden.Eine Tabelle von Ortsbestimmungen, welche dieserSeefahrer seiner interessanten Reise an den Kü-sten von Chile und Mexiko beigefügt hat, schienvon neuem einige Zweifel über die Längengradevon Callao und Valparaiso zu werfen. Diese Zwei-fel mußten um so mehr die Aufmerksamkeit derGeographen festhalten, da Herr Givry , Ingenieur-Hydrograph bei der königlichen Seemacht, in ei-ner lichtvollen Abhandlung, welche in die Schrift:Connaissance des temps pour l’année 1827“ ein-gerückt ist, das Resultat meiner Beobachtung vonMerkurs Durchgang, durch zahlreiche Reihen vonMonddistanzen, bestätigt, und Valparaiso, Arica unddie Hauptpunkte der Küste des stillen Oceans aufdie Länge von Callao reducirt *)......

*) Das Ganze dieser östlichen und westlichen Monddi-stanzen, genommen von dem Herrn Lartigue, Schiffs-
|41| (Der Verfasser hat geglaubt, die fernern Aus-einandersetzungen hier unterdrücken zu dürfen,weil sie nur für eine sehr kleine Anzahl LeserInteresse gehabt haben würden). Die astronomische Erdbeschreibung von einemgroßen Theil der Südamerikanischen Küsten istgegenwärtig so weit fortgeschritten (die Gränzender Abweichungen betragen unter 4 bis 5 Minuten),daß sie in den wichtigsten Punkten, durch chro-nometrische Bestimmungen, oder durch Monddistan-zen mit Instrumenten von kleinen Dimensionen ge-nommen, nur unbedeutend vervollkommnet wer-den kann; um aber nicht stille stehen zu bleiben,bedarf sie zahlreicher Beobachtungen von Sternbe-deckungen, Sonnenfinsternissen, Planetendurchgän-gen und von den Ein- und Austritten der zwei er-sten Trabanten des Jupiter.

Wachsthum der Pflanzen in der Landschaft Quito.

Der Schnitt, wovon ich eine kurz gefaßte Be-schreibung gebe, bietet eine Skizze der Geogra-phie der Pflanzen auf den Anden von Quito, vondem Aequator bis 4 Grade östlicher Breite, dar.Es ist eine Specialcharte, worauf ich die bemer-kenswürdigsten Gattungen, nach der Höhe, aufwelcher Herr Bonpland und ich sie sammelten,eingeschrieben habe. Wir konnten nur in dentemperirten und kalten Theilen dieser Gegend der
Fähndrich, giebt Callao 79° 29′; mein Durchgang desMerkur, 79° 34′ 30″. ( Conn. des temps pour 1827,p. 257.)
|42| Sonnenwende mit Genauigkeit botanisiren. Seitden mühsamen Nachsuchungen des Herrn von Saint-Hilaire in Brasilien, enthalten unsere Herbaria viel-leicht nicht die größte Anzahl Aequinoxial-Gattun-gen, die man nach Europa gebracht; aber die un-ermeßliche Arbeit des Herrn Kunth , die jetzt voll-kommen beendigt ist, und sieben Bände Nova Ge-nera bildet, bietet nicht allein die größte Massevon tropischen Pflanzen dar, die man je bekanntgemacht, oder durch die Zergliederung der Fruk-tifikations-Theile erläutert hat; sondern diesesWerk ist auch das einzige, worin die Geographieder Pflanzen, durch genaue Messungen in Bezugauf den Stand von viertausend fünfhundert Gat-tungen Phanerogamen, bestimmt worden ist.
In meiner Abhandlung de Distributione geo-graphicâ plantarum, secundum coeli temperiemet altitudinem montium, habe ich mich nur an-nähernder Resultate bedienen können: erst jetzt,nachdem Herr Kunth seine Nova Genera mit je-ner Geistesüberlegenheit, wovon ihm die großenMeister der Kunst die ehrenvollsten Zeugnisse ge-geben, beendigt hat, haben wir den Plan fassenkönnen, eine so große Menge ganz neuer Materia-lien zu benutzen, um die Zahlen-Coefficienten *) einer jeden Gruppe zu finden, um die Pflanzen
*) Herr v. Humboldt hat dieß sonderbare Phänomen dessich Gleichbleibens der Zahlenverhältnisse, in einer,in den achtzehnten Band des Dictionnaire des Sciencesnaturelles eingerückten Denkschrift, unter dem Ti-tel: „Neue Untersuchungen über die Gesetze, wel-che man in der Vertheilung der Gewächsformen wahr-
|43| nach Floren, welche gleichsam durch Stockwerkeauf einander folgen, einzutheilen, um dieselbenauf Specialcharten einzutragen, und um ein allge- meines Werk über die Geographie der Pflanzen
nimmt “, entwickelt. „Die Formen der organisirtenWesen, sagt er, befinden sich in einer gegenseitigenAbhängigkeit. So groß ist die Einheit der Natur,daß sich die Formen, nach feststehenden und unver-änderlichen Gesetzen, gegenseitig begränzt haben. So-bald man, auf irgend einem Punkte der Erdkugel, dieZahl der Gattungen, die eine große Familie (z. B. dieFamilien der Glumaceae, der Compositae oder der Leguminosae) darbietet, kennt, so kann man sowohl dieganze Summe der Phanerogamen, als die Zahl der Gat-tungen, welche die übrigen Familien des Gewächsreichsbilden, mit großer Wahrscheinlichkeit schätzen.Wenn man also, unter der temperirten Zone, dieZahl der Cyperaceae oder der Compositae kennt, sokann man auf die Zahl der Gramineae oder der Le-guminosae schließen. Diese Schätzungen zeigen uns,in welchen Pflanzenordnungen die Flora eines Lan-des noch unvollständig ist: sie sind um so viel we-niger unsicher, als man es vermeidet, die Quotien-ten, welche verschiedenen Gewächs-Systemen ange-hören, mit einander zu verwechseln. Die Arbeit,welche ich über die Pflanzen versucht habe, wirdohne Zweifel einmal mit Erfolg auf die verschie-denen Klassen der Thiere mit Wirbelbeinen ange-wandt werden. In den temperirten Zonen z. B. giebtes fünf Mal so viele Vögel als Säugethiere, und dieAnzahl dieser nimmt, wenn man sich dem Aequatornähert, weit weniger, als die Zahl der Vögel undder kriechenden Thiere, zu. Wir begreifen, wie, aufeinem gegebenen Raum, die zu verschiedenen Thier-und Pflanzenordnungen gehörenden Individuen sich, der Zahl nach, wechselseitig beschränken können; wie,nach einem hartnäckigen Kampf, und nach langen
|44| auf den beiden Festlanden , in dem Laufe diesesJahres, gemeinschaftlich herauszugeben. DieserSchrift wird mein „Versuch über die Klimate,nach ihren Verhältnissen zu den Inflexionen derIsotherm-Linien betrachtet “, vorangehen. DieGeographie der Pflanzen ist, so zu sagen, einegemischte Wissenschaft. Auf der Gränze der be-schreibenden Botanik und der Lehre von den Kli-maten gestellt, entlehnt sie von beiden Zweigendieser physikalischen Wissenschaften ihre Hülfs-mittel.
Die Gränzen dieser Denkschrift erlauben mirnicht, in die Einzelnheiten der Betrachtungen,welche die Beschreibung der Gewächse auf demwestlichen Abhang der Cordilleren von Quito ver-anlaßt, tiefer einzudringen. Es mag hinreichen,hier zu erinnern, daß der ewige Schnee daselbstauf der Höhe des Mont-Blanc, d. h. zu einer Höhevon 2,460 Toisen, anfängt, während auf dem nörd-lichen Abhang des Himalih, unter 30° bis 31° derBreite, er 140 Toisen höher gefunden wird. DieserUmstand macht ungeheuere Landstrecken, welche,ohne die wohlthätige Wirkung der Wärme-Strah-lung auf den Bergebenen Asien’s, unter einer dik-
Schwankungen, ein Zustand des Gleichgewichts, durchdie Bedürfnisse der Nahrung und durch Lebensgewohn-heiten erzeugt, sich bildet; aber die Ursachen, welchedie Formen begränzt haben, sind unter dem undurch-dringlichen Schleier verborgen, der unsern Blickenalles, was mit dem Ursprung der Dinge, der erstenEntwickelung des organischen Lebens zusammenhängt,entrückt.“
|45| ken Lage von Schnee und Eis begraben seyn wür-den, für eine Menge Mongolischer und TartarischerVölkerschaften bewohnbar. Herr Colebrooke hat,seit sehr kurzer Zeit, neue geodätische Messungenaus Indien erhalten, welche das, was ich an einemandern Orte dargethan über die Verschiedenheit derHöhe, worauf sich der Schnee auf den südlichenund nördlichen Abdachungen des Himalih erhält,bestätigen.
Obgleich man auf der Bergebene der Cordil-leren von Quito die nämliche jährliche Temperaturals unter den hohen Breiten findet, so darf mandoch diese Analogien zwischen den temperirtenKlimaten der Gebirge unter und um den Aequatorund den Klimaten der niedern Regionen um diePole nicht gar zu sehr generalisiren. DieseAnalogien werden durch den Einfluß der partia-len Wärmevertheilung in den verschiedenen Thei-len des Jahres modificirt. In Masse angesehen ha-ben die Formen der Alpenpflanzen auf dem Chim-borazo und Antisana eine Physiognomie, die manEuropäisch nennen könnte. Ich will nur die Gat-tungen Plantago, Geranium, Arenaria, Ranun-culus und die Saxifragae als Beispiel anführen.Die Malvaceae, Rubiaceae und Labiatae nehmenab, während die Compositae, Umbelliferae undCruciferae an Zahl zunehmen. Auf den Andenvon Neu-Grenada und Quito erkennt das Volk dieNähe der Region des ewigen Schnee’s durch ein-zelne Büschel zweier Pflanzen mit flockigen Blät-tern aus der Familie der Compositae. Es ist Fraylejon, zu den beiden Gattungen der Cul- |46| citium und Espeletia gehörig. Dem Schnee ganznahe wachsen Stereocaulon botryoides, Bryumargenteum, Polytrichum juniperinum, Eudemarupestris, Gentiana rupestris, Culcitium nivale,Culcitium rufescens, Lysipomia reniformis, Ra-nunculus Gusmanni, Geranium acaule, Sida pio-hinchensis, Eudema nubigena, Cenomyce vermi-cularis, Stellaria serpyllifolia, Festuca dasyantha,Deyeuxia rigida, etc. Unter den Pflanzen, diewir in der kalten Region des Vulkans Antisana gesammelt, hat Herr Kunth die Montia fontana,die man in dem ganzen temperirten Europa fin-det, erkannt. Die Zeichnung, welche ich die Ehre habe derAkademie zu übergeben, enthält eine Vereinigungder physischen Phänomene mit den Erzeugnissendes Pflanzenreichs. Die Ursachen und Wirkun-gen sind so innig mit einander verbunden, daßkein einziges Phänomen für sich allein betrach-tet werden darf. Das allgemeine Gleichgewicht,welches mitten unter den Störungen und einerscheinbaren Verwirrung herrscht, ist das Resultateiner unzähligen Menge mechanischer Kräfte undchemischer Anziehungen, welche einander dasGegengewicht halten *), und, wenn es von Nut-zen ist, jede Reihe von Thatsachen einzeln inBetrachtung zu ziehen, um darin ein besonde-res Gesetz zu erkennen, so kann das Studium derNatur, das die große Aufgabe der allgemeinenPhysik ist, nur durch die Vereinigung aller derje-
*) Humboldt et Bonpland, Essay sur la Geographie desPlantes équinoxiales, 1807, p. 43.
|47| nigen Kenntnisse, die auf die Modifikationen derMaterie Bezug haben, zu höherer Vollkommenheitgebracht werden.

Da der Schnitt des westlichen Theiles der An-den von Quito, welcher diese Denkschrift be-gleitet, nicht in ein kleines Format gebrachtwerden konnte, so hat man sich hier darauf be-schränkt, der Arbeit des Herrn von Humboldt dievertikale Sektion, welche das Verhältniß der Berg-rücken zu den höchsten Spitzen auf den Pyrenäen, Alpen, Anden und auf dem Himalih zeigt, beizu-fügen. Hier unten folgen die Zahlengrößen, wor-auf sich die Zeichnung des Herrn von Humboldt gründet. |Spaltenumbruch|
Pyrenäen.
Pässe. Toisen.
Port de Rat .. 1,169
Col de la Couillade 1,016
Port de la Vieillat . 1,286
Port de la Picade . 1,243
Port de Benasque . 1,235
Port de la Glere . 1,192
Port de Plan .. 1,151
Port de Vieil .. 1,314
Port de Pinède .. 1,280
Col de Piméné .. 1,291
Port de Gavarnie . 1,190
Port de Campbiel . 1,333
Col de Tourmalet . 1,126
Mittlere Höhe derPässe ... 1,217
Kulminationspunkt (m) 1,787
Rücken (n) .. 1,250
n : m =1 : 1, 4.
|Spaltenumbruch|
Alpen.
Pässe. Toisen.
Col de Seigne . 1,263
Col de Terret .. 1,191
Mont Cenis .. 1,060
Kleiner St. Bernhard 1,125
Großer St. Bernhard 1,246
Simplon .., 1,129
St. Gotthard .. 1,065
Col de la Fourche . 1,250
Grimsel ... 1,314
Julier-Pass .. 1,138
Mittlere Höhe derPässe ... 1,178
Kulminationspunkt(m) 2,462
Rücken (n) .. 1,200
n : m :: 1 : 2.
|48| |Spaltenumbruch|
Anden.
Pässe. Toisen.
Quindiu ... 1,798
Guanacas ... 2,300
Guamani ... 1,713
Micuipampa .. 1,817
Montan ... 1,780
Von Mendoza nach Val-paraiso ... 1,987
Mittlere Höhe (ohne Guanacas) .. 1,819
Kulminationspunkt(m) 3,350
Rücken (n) .. 1,850
n : m = 1: 1, 8.
|Spaltenumbruch|
Himalih.
Pässe. Toisen.
Bamsaru ... 2,416
Nitce Gbaut .. 2,629
Rol-Ghati .. 2,345
Gunass ... 2,413
Baspa ... 2,360
Mittlere Höhe derPässe ... 2,432
Kulminationspunkt? 4,390
Rücken ... 2,432
n : m=1 : 1, 8.
|Spaltenumbruch|
Die Kette von Ve-nezuela.
Toisen.
Maximum: Silla de Ca-racas ... 1,350
Rücken ... 750
n : m = 1 : 1, 8.
Kaukasus.
Maximum: Elburz 2,783
Rücken ... 1,330
n : m = 1 : 2.
|Spaltenumbruch|
Alleghanis.
Toisen.
Maximum:
Mt. Washington . 1,040
Rücken ... 560
n : m = 1 : 1, 8.
Pyrenäen .. 1:1, 4
Alpen ... 1:2,
Anden ... 1:1, 8
Venezuela .. 1:1, 8
Alleghanis .. 1:1, 8
Kaukasus .. 1:2
Himalih ... 1:1, 8
Pyrenäen. Alpen. Anden. Himalih.
Gipfel 1,0 1,4 1,8 2,4
Mittel 1 1\( \frac{1}{2} \) 2 2\( \frac{1}{2} \)

Man vergleiche die anliegende Steindrucktafel.

Abbildungen