A. v. Humboldt : Ueber vormalige Tropenwärme in nördlichen Breiten, isothermische Linien etc.; aus einem Briefe an den Herausgeber. Hr. v. Humboldt bezieht sich in dem Nachstehenden auf den Inhalt meines "Hds. der Meteorologie (Erlangen 1823. 8.);" da einige meiner Freunde mir den Vorwurf gemacht haben, als hätte ich im bemerkten für Freunde der Naturwissenschaft bestimmten Hdb. den Begriff der Meteorologie zu weit ausgedehnt, so sey es mir erlaubt, folgende Stellen des oben gedachten Briefes hier mitzutheilen; daß darin v. H. (so wie auch Oken; in der Isis 1823. 10tes H. ) meine auf die Bearb. des Hdbs verwandte Mühe und dazu benutzten (wie ich gern und aufrichtig gestehe, gar sehr der Vervollständigung bedürftigen) Kenntnisse, weit überschätzt und überhaupt den nachsichtsvollen Gönner und nicht den Recensenten sprechen läßt, bedarf wohl kaum dieser Vorausbemerkung. -- "Sie haben den Meteorismus in solcher Größe und Allgemeinheit aufgefaßt, zu der Ausführung eine so ungeheure Fülle von Materialien angewandt, daß das Studium dieser Schrift, bei meinem eigenen, dem Ihrigen so verwandten Treiben mir den größten Nutzen gewährt hat. Ihre Meteorologie enthält den ganzen physikalischen Theil der Geognosie, und bei dem ewigen Wechselwirken des Luftkreises mit der festen und flüssigen Erdrinde ist eine solche Ausdehnung des Gebiets Ihrer Wissenschaft gewiß nicht zu tadeln;" etc. K. -- Was Sie an mehreren Stellen Ihrer Meteorologie (S. 25. 47. 145.) über die Ursachen der vormaligen Tropenwärme in nördlichen Breiten (Farnkräuter und Rhinoceros in Sibirien etc.) sagen, hat meinen Freund Gay-Lussac und mich besonders interessirt, indem Ihre Erklärung unabhängig von der häufig beliebten Annahme einer gewaltsamen Veränderung der Neigung der Erdaxe zu seyn scheint. Sie schreiben "die hohe Temperatur z. B. des alten Meeres, dem großen Luftdrucke, der Dichtigkeit des vormaligen Luftkreises und der großen Stralenbrechung zu." Da aber die Verdichtung und Verdünnung der Luft, während des Acts der Druckveränderung nur eine vorübergehende Temperaturveränderung hervorbringt, und da in der verdichteten Luft auch die Intensität jenes Lichts, welches die Wärme der alten Erde hervorbringen soll, abnimmt, so ist uns die eigentliche Ursache der alten nordischen Tropenwärme (an der ich sonst keinesweges zweifle) nicht ganz klar geworden. Es würde uns freuen, wenn Sie einige Augenblicke der Muße, einer ausführlicheren Erläuterung Ihrer Ansicht widmen wollten; der Gegenstand ist in der That von unendlicher Wichtigkeit etc. Indem ich an einer neuen Ausgabe der isothermischen Linien arbeite, wünsche ich zur Tabelle der mittleren Wärme recht sehr für Deutschland, Pohlen etc. einige Correctionen und neue Beiträge, blos numerisch (blos die 5 Resultate: mittlere Wärme des ganzen Jahres, des Winters, Frühlings, Sommers und Herbstes betreffend) zu erhalten. Nachschrift vom Herausgeber. Es handelt sich (aus denen S. 197 ff. m. Meteorologie angeführten Gründen) bei Erklärung der alten nordischen Tropenwärme nicht sowohl von allgemeinen und allmählig, sondern von plötzlich wirkenden Ursachen der klimatischen Aenderung der älteren Erdoberfläche. Als allmählig wirkende Ursachen führe ich a. a. O. unter andern minder bedeutenden auf: 1) eine periodische Wärmedehnung des Erdkerns (vergl. a. a. O. S. 137. §. 46 u. S. 194. §. 52.) muthmaaßlich entsprechend der großen Periode des Erdmagnetismus (a. a. O. S. 261. Bemerk. d); 2) eine periodisch-veränderte Wärmeverbreitung innerhalb der Erdrinde, mittelst des mit dem Erdmagnetismus wechselnden Elektricismus der Erde (a. a. O. S. 259.) und des Erdgalvanismus (a. a. O. S. 262. Bem. e.; 262. Bem. f.; S. 82. Bem. 11.); 3) das allmählige Erkalten vulkanisch geschmolzener Massen, des durch Dämpfe emporgetriebenen (basaltbildenden) Schlammes der vorzeitigen Vulkane, und überhaupt der zahlreichen erloschenen Vulkane der Vorzeit (S. 204 -- 205 ff.); 4) die auf nassem Wege zu Stande gekommene Krystallisation vieler Felsmassen. Während in der Richtung des einen Krystallstammes oder einiger Gebirgskerne die Krystallisation sich fortsetzte, wurde an andern Orten schon Krystallisirtes wieder aufgelöst; an ersterem Orte wurde Wärme frei, am letzteren Wärme gebunden. Erfolgte die Krystallisation innerhalb des Innenwassers (d. i. in Erdhölen eingeschlossenen Wassers) zu einer Zeit, während welcher an der Aussenseite desselben Erdrindentheils Schon-Krystallisirtes wieder aufgelöst wurde, oder umgekehrt, so gab dieses zu allmähligen Veränderungen des Innern der Erde, und damit auch der Wärmeleitung der Erdrinde Veranlassung; a. a. O. S. 70 -- 74; 45. Bem. 5. 5) die auf gleichem Wege annoch fortdauernden Süß- und Seewasserbildungen (Landansatz, Korallenriffe etc.; S. 91 -- 92; 109 -- 119.) -- Jedes werdende Korallenriff muß für diese Orte Wärme-spendend wirken; 6) die in Folge der vulkanischen Erhebungen und Senkungen, Felskrystallisationen und Felsverwitterungen, Landabsetzungen und Landzerspühlungen etc. eintretenden Aenderungen der Richtung der Meeresströme, Winde etc.; 7) die aus der Kultur des Bodens erwachsenen Temperatur-Veränderungen der obersten Erdrinde und 8) die Wirkungen der Ebbe und Fluth, zumal der des frei beweglichen Innenwassers der Erde; a. a. O. S. 73. Bem. 9. Zu den plötzlich wirkenden Ursachen zähle ich hauptsächlich: 1) das Versinken des größeren Theil des ehemaligen Oceans in vulkanisch geöffnete (zuvor entweder durch die bei ihrer Erzeugung vorhandene Hitze sehr ausgedehnte und mithin sehr verdünnte Gase erfüllte, oder fast leere) viele Cubikmeilen betragende Erdhöhlungen. Dadurch, das das Wasser den größeren Theil der mehr oder weniger krystallinischen Aussenrinde der Erde, d. i. den gebirgigen (ehemals allein bewohnten) Theil derselben verließ um in zuvor fast leere Räume zu dringen, ward mehr Raum für die das Wasser sonst bedeckende Luft, und diese nun im gleichem Verhältniß beträchtlich verdünnt. Mit der Verdünnung der Luft minderte sich die Brechbarkeit des Lichtes durch dieselbe, und Gegenden die das schief einfallende Sonnenlicht sonst noch gemäß der starken Lichtbrechung zum größeren Theil bekommen hatten, erhielten nun beträchtlich geringere Lichtantheile. Als späterhin mittelst der durch die Luftverdünnung entstandenen Verdunstung hervorgegangenen heftigen Kälte die Luft dieser (Polar-) Gegenden wieder mehr zusammengezogen (verdichtet) wurde, nahm die Lichtbrechung derselben wieder zu, und dem plötzlichen Ertödten einer früheren Tropenvegetation etc. folgte nun wieder das Erwachen einer neuen, geringe Wärme bedürfenden und damit der langsameren und sparsameren Entwicklung unterworfenen Pflanzen- und Thierwelt. Der theilweise Einsturz des Uroceans in die Erdhöhlen der Urzeit gab der Innenerde jenes Wasser, welches zunächst die Erhebung des Basaltschlamms bewirkte, dann aber auch das Entstehen der jetzigen Vulkane, der heißen Quellen, der Erdbeben etc. veranlaßte und noch jetzt bedingt. Das durch jene Luftverdünnung in Gas (Dampf) verwandelte Wasser ließ hervorgehen die Hauptbedingung zur Erzeugung der Gewitter. Vergl. a. a. O. S. 138. 145. Bem. 8; 182 (vergl. mit S. 45. Bem. 6.) 185, 194 §. 52, 196 ff., 206 ff., 217. Bemerk. 16; 2) sich sehr weit erstreckende vulkanische Erhebungen z. B. der Azoren, kleinen Antillen etc. (a. a. O. S. 79. Bem. 9.); und 3) Knallgas-Verbrennungen im Innern der Erde a. a. O. S. 68. §. 38 ff. Wahrscheinlich wird dieses Gas nicht lediglich durch Compression (a. a. O. S. 68--69.) Verbrennung leichter Metalle (ebendas.) und elektrische Funken (a. a. O. S. 69--70.), sondern auch durch Gasverschluckung solcher Materien zu Wege gebracht, die hier wirken wie Platin (Kohle etc.) in Döbereiner's Versuch; vgl. dies. Arch. H. 1. S. 68 u. ff.