Mariano de Rivero's Analyse des Wassers vom Rio Vinagre (Essigfluß), mit physikalischen Erläuterungen über einige Erscheinungen, welche der Schwefel, der Schwefelwasserstoff und das Wasser in den Vulkanen darbieten, von Alx. von Humboldt. Aus den Ann. de Chimie etc. 1824. T. XXVII. p. 113 ff. im Auszuge übers. vom Dr. Fr. W. Schweigger-Seidel. Gleich nach seiner Rückkehr aus Amerika hatte v. Humboldt das Vorhandenseyn der Schwefel- und Salzsäure im Wasser des Rio Vinagre (von den Eingebornen Pusambio genannt) angezeigt; da ihn jedoch der Mangel an Barytsalzen von einer genauern Untersuchung abgehalten hatte, so veranlaßte er Rivero und Boussingault, bei ihrer Abreise nach Bogota, diese Thatsache außer Zweifel zu setzen. Folgender Auszug eines Briefes von dem Erstern enthält die Resultate seiner Untersuchungen. Vues des Cordilleres et Monumens des peuples de l'Amerique Vol. II. p. 166. Nivellement barometrique des Andes No. 126. Vgl. auch Caldas, Semanario del Nuevo Reyno de Granada. T. I. p. 265. Am 8. Oct. 1823. "Dem Wunsche des Hrn. v. Humboldt gemäß, habe ich mir Wasser vom Rio Vinagre verschafft. Es wurde mir von Hrn. Torres übersandt, welcher sich für Alles interessirt, was wissenschaftliche Nachforschungen fördern kann. Dieß Wasser gab mir in einem Litre: Schwefelsäure " " " 1,080 Wahrscheinlich, meint Gay-Lussac, seyen damit Grammentheile gemeint. Die Schwefelsäure verräth sich in diesem Verhältnisse noch ganz deutlich dem Geschmak. Salzsäure " " " 0,184 Thonerde " " " 0,240 Kalk " " " " 0,160 und einige Spuren von Eisen. "Das Vorhandenseyn der Salzsäure bestätigt die Beobachtungen, welche über die Dämpfe und die steinigen Producte des Vesuv und mehrerer anderer Vulkane gemacht worden sind." Rivero. Dieser Fluß entspringt auf dem Vulkan Purace, berichtet v. Humboldt (nach seinem zum großen Theil noch ungedruckten Reisetagebuche) in einer Höhe von beinahe 1700 Toisen an einem sehr unzugänglichen Orte, und bildet bei dem, auf einer kleinen Ebene (Llano del Corazon) in einer Höhe von 1356 Toisen, am Rande zweier Schluchten von außerordentlicher Tiefe, erbauten und von armen indianischen Ackerbauern bewohnten, Dorfe Purace, drei schöne Wasserfälle (choreras). Sein Wasser ist von saurem Geschmack, daher der Name Rio Vinagre, zuweilen auch Gran Vinagre, (großer Essigfluß) bei dem Volke, welches keine andere Säure, als den Essig kennt. Obgleich die Temperatur des Wassers der tiefer gelegenen Cascaden von der der umgebenden Luft wenig abweicht, so ist es darum doch nicht weniger gewiß, (und es wurde dieß auch von den Eingebornen und dem Missionär des Dorfes bestätigt,) daß die Quellen des Rio Pusambio sehr heiß sind. Als ich den Gipfel des Vulkans bestieg, sah ich eine Rauchsäule an dem Orte sich erheben, wo die sauren Gewässer zu Tage kommen. Ich habe den zweiten Fall des Vinagre gezeichnet; die Wasser, welche sich mitten durch eine Höhle ihren Weg öffnen, stürzen in eine Tiefe von mehr als 60 Toisen hinab. Er macht eine sehr mahlerische Wirkung; aber die Einwohner von Popayan wünschten, daß dieser Strom, anstatt in den Rio Cauca zu fallen, sich in irgend einer Felsenspalte verlieren möchte; denn so empfindlich sind die Thiere, welche durch Kiemen athmen und den im Wasser aufgelösten Sauerstoff absorbiren, daß der Cauca in einer Strecke von vier franz. Meilen von allen Fischen entblößt ist, in Folge der Vermischung seines Wassers mit dem des Rio Vinagre. Sie erscheinen erst da wieder, wo die Zuströmung vom Pindamon und Palace die Wassermasse vermehrt. Hält man sich lange auf der Felswand auf, welche sich in der Nähe der Cascade befindet, so fühlt man ein Prickeln in den Augen, von den in der Luft zersprengten und darin schwebenden Wassertröpfchen. Dieser befindet sich nebst dem nahe liegenden Vulkan Sotara in der mittleren Andenkette von Neu-Granada. Beide sind fast erlöscht und bieten nur die Erscheinungen der Solfataren. An ihrem Fuße, in dem schönen Thale des Rio Cauca, liegt die Stadt Popayan, auf dem Wege von Bogota nach Quito. Vues des Cordilleres, planche XXX. Caldas hat sogar dieser Mischung, ohne Zweifel mit wenig gutem Grunde, die Abwesenheit der Kröpfe im Caucathale zugeschrieben (Semanario T. I. p. 255). Man sehe hierüber mein Memoire sur les Goeitres dans les Cordilleres (Magendie, Journ. de Physiol. T. IV. p. 109.) Journ. de Physique. T. LXII. p. 61. Etwas nördlich von den Quellen des Pusambio entspringen zwei andere kleine Bäche, welche gleichfalls mit freier Schwefelsäure geschwängert sind, und welche das Volk die kleinen Essigflüsse (los dos Vinagres chicos) nennt; sie ergießen sich in den Rio de San Francisco, welcher selbst wiederum dem Gran Vinagre zufließt. Während meiner Anwesenheit zu Popayan glaubte man allgemein, daß diese Wässer Eisen, in einer großen Menge Kohlensäure aufgelöst, enthielten, eine Meinung, welche man augenblicklich hätte verlassen sollen, sobald man sich nur daran erinnerte, daß die Quellen des Vinagre sehr heiß sind. Ich ließ das an der Cascade geschöpfte Wasser kochen, und fand auch nachher den nämlichen sauren Geruch und dieselben Niederschläge, wie bei dem nicht gekochten Wasser. Ich hatte damals nur noch wenige Reagentien. Das salpetersaure Silber gab einen weißen milchigen Niederschlag, die Gegenwart salzsaurer Verbindungen anzeigend; die des Eisens kündigte sich durch den blausauren Kalk und die des Kalkes durch das kleesaure Kali an. Das specifische Gewicht ergab sich = 1,0015. Man muß mit diesem Wasser, von welchem Rivero die erste Analyse gegeben hat, nicht jenes verwechseln, welches in zwei unterirdischen Tümpeln (lagunes souterraines) enthalten ist, die wir (v. Humboldt und Bonpland ) in der Nähe des Vulkangipfels, den einen in einer Höhe von 2245, den andern in einer von 2420 Toisen, fanden. Das gleichzeitige Vorkommen der Schwefel- und Salzsäure hat auch Vauquelin in dem Wasser erkannt, welches Leschenault aus dem Kratersee des Mont- Idienne auf Java geschöpft hatte. (Ebendas. T. LXV. p. 406.) Der Purace bildet eine Kuppel von halb verglastem Trachyt, von graublauer Farbe und muschligem Bruche, welche auf ihrem äußersten Gipfel nicht einen großen Krater, sondern mehrere kleine Mündungen darbietet. Er weicht sehr ab von dem benachbarten kegelförmigen Vulkan Sotara, welcher eine große Menge Obsidiane ausgeworfen hat. Diese zeigen alle möglichen Farben und Nüancirungen, vom tiefsten Schwarz bis zur völligen Farblosigkeit des künstlichen Glases (ohne dabei blasig zu seyn), wie ich dieß noch nirgends auf beiden Hemispheren beobachtet habe. Sie bedecken in Kugel- oder Tropfen-Form, mit zuweilen knotiger Oberfläche, die Ebene von Julumito, und sind gemischt mit Emailfragmenten, welche dem Reaumerschen Porcellan gleichen, und denen der Schmelzung entgangene Feldspathmassen anhängen. Wie in den Anden von Quito, in Mexiko und auf den canarischen Inseln, bleiben auch hier die Basaltfelsen von dem Trachyten entfernt; hier gehören sie dem linken Ufer des Cauca an, und erheben sich mitten aus Uebergangsporphyren, welche, frei von Pyroxen, eine geringe Menge Amphibol, sehr wenige, kleine, eingesprengte Quarzkrystalle und einen Feldspath enthalten, welcher vom gemeinen in den glasigen übergeht. In der Nähe von Los Serillos ist dieser Porphyr von einem grau-schwärzlichen Kalkstein bedeckt, und es setzen Gänge von kohlensaurem Kalk hindurch, welcher dermaßen mit Kohlenstoff überladen ist, daß er an einigen Stellen die Finger befleckt, wie Thonschiefer oder wie der Lydische Stein von Steeben im Fichtelgebirge. Die Trachytkuppel des Purace, aus welcher der kleine schwefelsaure Strom entspringt, erhebt sich aus Porphyr und gemeinen Feldspath haltigem Syenit, welcher seinerseits auf einem an Glimmer reichen Uebergangs-Granit ruhet. Es zeigten sich Lagen von geschmolzenen Steinmassen, wie dieß bei den meisten großen Vulkanen der Anden der Fall ist, nicht wirkliche Lavaströme. Körnige Kalksteinmassen, wahrscheinlich Bitterspath, ähnlich denen des Fosso Grande des Vesuv, welche ich in einer Höhe von 2000 Toisen gefunden habe, schienen aus Spalten geschleudert worden zu seyn, welche sich nachher wieder geschlossen haben mögen. Vauquelin hat neuerlich durch eine directe Analyse die Gegenwart des Kohlenstoffs in den reinsten Lydischen Steinen außer allen Zweifel gesetzt. In einer Reihe von Untersuchungen über die galvanischen Erreger im Jahre 1798 hatte ich bereits entdeckt, daß der Lydische Stein der Uebergangsschiefer-Formation zu Steeben, in Verbindung mit Zink, die nämliche Wirkung hervorbringe, als der Graphit oder gekohltes Eisen. Ich machte von der Zeit an Versuche, die Gegenwart des Kohlenstoffs in mehreren Arten des Lydischen Steins chemisch nachzuweisen. (Man sehe meine Versuche über die Nerven- und Muskelfaser B. II. S. 163.) Ueber das Ganze dieser Phänomene der Vulkane von Popayan sehe man meinen Essay sur le gisement des roches, 1823. p. 129, 139, 340. Nur bis zu den Cascaden des Rio Vinagre kann man zu Pferde gelangen, von da aus brauchten wir 8 Stunden, um zu Fuß zum Gipfel des Berges auf- und von da wieder herabzusteigen. Das Wetter war gräßlich; Schnee und Hagel fielen herab; nur mit vieler Mühe konnte ich den Schwamm an der Spitze des Conductors des Voltaischen Elektrometers entzünden. Die Hollundermarkkügelchen wichen auf 5 -- 6 Linien von einander, und die Elektricität zeigte sich bald positiv bald negativ, ohne ein Ungewitter anzudeuten; denn Blitz und Donner sind (nach meiner Erfahrung) in einer Höhe von 2000 --2200 Toisen überhaupt sehr selten. Der Hagel war weiß; die Körner hielten 5--7 Lin. im Durchmesser und bestanden aus einzelnen Lagen von verschiedener Durchsichtigkeit. Sie waren nach ihren Polen zu nicht allein abgeplattet, sondern in ihrer Aequatorialzone auch dermaßen aufgeblasen, daß sich hier, bei dem geringsten Stoße, kleine Eisringe ablösten. Ich habe diese Erscheinung schon zweimal beobachtet und beschrieben: in den Bergen Bareuths und in der Nähe von Krakau, bei einer Reise in Polen. Kann man annehmen, daß die nachfolgenden Lagen, welche sich um einen Centralkern anlegten, noch in einem solchen Zustande der Flüssigkeit sich befanden, daß die rotatorische Bewegung jene Abplattung der Sphäroiden verursachen konnte? Ich habe anderwärts in dieser Zeitschrift daran erinnert (Ann. de Chimie T. XIV. p. 42), daß man auf dem Paramo de Guancas, wo der Weg von Bogota nach Popayan die Höhe von 2300 Toisen erreicht, nicht rothen Schnee, aber rothen Hagel hat fallen sehen. Schloß dieser die nämliche Keime einer vegetabilischen Organisation ein, welche jenseits des Polarzirkels entdeckt worden sind? -- (Vgl. d. vor. H. dies. Jahrb. S. 452.) Als der Barometer anzeigte, daß wir uns der ewigen Schneegränze sehr nahe befänden, sahen wir die in dem unvollkommen säulenförmigen Trachytfelsen eingesprengten Schwefelmassen an Menge zunehmen. Diese Erscheinung setzte mich um so mehr in Erstaunen, je mehr ich wußte, wie selten der Schwefel brennenden Vulkanen zur Seite ist: eine gelbliche Rauchsäule und ein furchtbares Getöse kündigte uns die Nachbarschaft einer der Mündungen (bocas) des Vulkans an. Nur mit Mühe konnten wir uns ihrem Rande nähern; der Abhang des Felsens war hier sehr steil, und die Spalten nur von einer Schwefelrinde bedeckt, deren Dicke uns unbekannt war. Wir glaubten die Ausdehnung der oft vom Felsen unterbrochenen Schwefeldecke auf mehr als 12000 # F. anschlagen zu dürfen. Die kleinen hervorragenden Felsenspitzen wirkten stark auf die Magnetnadel. So weit als möglich von ihnen entfernt, bestimmte ich die Inclination der Magnetnadel hier (in einer Höhe von 2274 T.) auf 20°,85 (Centesimaltheilung) beim Dorfe Purace (1356 T. Höhe) hatte ich sie 21°,81 und in der Stadt Popayan (911 T. Höhe) 23°,05 gefunden. Die Intensität der magnetischen Kraft fand ich hier nicht sonderlich abweichend von jenen Orten, und die geringere Inclination ist gewiß nicht eine Wirkung der Höhe, sondern localer Anziehungen, welche von gewissen Centralpunkten der Thätigkeit in den Trachyten abhängen. Diese Mündung des Purace bildet eine senkrechte Spalte, deren sichtbare Oeffnung nur 6 Fuß lang und 3 Fuß breit ist und, in Form eines Gewölbes, von einer 18 Zoll dicken, an der nördlichen Seite durch die Kraft elastischer Dämpfe zerspaltenen, Lage sehr reinen Schwefels bedeckt wird. In einer Entfernung von 12 Fuß empfanden wir eine sehr angenehme Wärme, und der 100theil. Thermometer, welcher sich bisher auf 6°2 Grad erhalten hatte (eine bei einem Hagelwetter und in einer Höhe von 2245 T. sehr unbeträchtliche Kälte) stieg auf 15°. Das fürchterliche Getöse ist hier fast immer von gleicher Stärke, und gleicht dem, wenn man aus mehreren Dampfmaschinen zu gleicher Zeit die zusammengepreßten Wasserdämpfe auf einmal entweichen läßt. Hinabgeworfene Steine belehrten uns, daß die Oeffnung mit einem Becken kochenden Wassers communicire. Der erstickende Geruch der mit so großer Heftigkeit hervorbrechenden Dämpfe kündigte diese als schwefelige Säure an, und das Wasser jenes unterirdischen Tümpels ist, wie wir bald sehen werden, mit Schwefelwasserstoffgas gesättigt; aber der Geruch davon war auf dem Gipfel nicht zu erkennen, weil er von dem viel stärkern Geruche der schwefeligsauren Dünste versteckt wurde. Es fehlte an Mitteln, die Temperatur dieser Dünste, welche im Innern des Vulkans einen außerordentlichen Druck zu erleiden schienen, zu bestimmen. Mittelst einer langen Stange unterhalb des Gewölbes, mit der Vorsicht eingeführte, Papierstreifen, daß sie das Wasser nicht berührten, wurden geröthet aber nicht entzündet wieder herausgezogen, obgleich die Indianer vorgaben, daß diese Oeffnung zu mehreren Höhlungen führe, welche kein Wasser enthalten, und daß das Getöse, welches man zuweilen aus dem Innern der Schlucht her vernehme, einen flammenden Ausbruch verkünde. Mit Hülfe einer, an einer acht Fuß langen Stange befestigten, Tutuma (Frucht der Crescentia Cujete) gelang es uns, nach mehreren vergeblichen Versuchen, Wasser aus jener Spalte zu schöpfen, welches, ohne einen sauern Geschmack zu verrathen, einen starken Schwefelwasserstoffgeruch verbreitete, und durch leichte Niederschläge mit dem salpetersauren Silber die Anwesenheit von Salzsäure zu erkennen gab. Die Schwefelrinde, welche sich über der Mündung bildet, entsteht ohne Zweifel aus der gegenseitigen Berührung der schwefeligen Säure und des Schwefelwasserstoffs; der Tümpel selbst ist von einer Schwefelhaut überzogen. Nur die Gegenwart von Salzsäure oder deren Verbindungen in diesem Wasser ist als eine sehr geringe Analogie mit dem des Rio Vinagre zu betrachten; dieses, welches viel tiefer am Abhange des Vulkans quillt, enthält Schwefelsäure, jenes, welches man auf dem Gipfel findet, Schwefelwasserstoff. Da die oberen Mündungen sich in sehr bedeutender Höhe über der Meeresfläche befinden, so darf man vermuthen, daß das Wasser hier von geschmolzenem Schnee herrühre. Der Rio Vinagre erhält seine Säure aus dem Innern des Vulkans, welcher überreich an Schwefel ist und dessen Temperatur außerordentlich groß zu seyn scheint, obgleich man seit Jahrhunderten kein leuchtendes Phänomen auf seinem Gipfel bemerkt hat. Der gute Pfarrer des Dorfes Purace, in der Meinung, seinen Pfarrkindern durch die Reinigung der Rauchfänge des Vulkans (cheminees du volcan), wie er sich ausdrückte, einen großen Dienst zu erweisen, ließ die Schwefelkruste, welche zuweilen in weniger als zwei Jahren bis auf 4 Fuß Dicke anwachsen soll, durch die Indianer wegräumen. Ohne Zweifel verengt sie die Oeffnung, aus welcher die schwefeligen Dünste emporsteigen, doch würden diese, durch ihre elastische Kraft, die auf Augenblicke völlig verstopfte Mündung viel eher durch Zersprengung des Gewölbes wieder öffnen, als Erschütterungen der felsigen Wände des Vulkans hervorbringen. Seit mehreren Jahren scheinen diese Tümpel, welche im Kleinen die Kraterseen (craters-lacs) unserer ausgebrannten Vulkane darstellen, sich immer auf demselben Wasserstande zu erhalten, was auf das Gleichgewicht der Verdunstung und der Ansammlung des Schnee- und Regenwassers deutet. Nicht immer war dieses Gleichgewicht vorhanden; um das Jahr 1790 verursachte die boca grande theilweise Ueberschwemmungen. Dieß wirft einiges Licht auf die Wasser- und Schlammausbrüche der Vulkane, welche bisher noch nicht genügend untersucht worden sind. Auf dem Vesuv (z. B. der durch eine Inschrift zu Portici verewigte fabelhafte Wasserausbruch im J. 1631) ist es nur eine rein meteorologische Erscheinung. Eine ungemeine elektrische Spannung giebt sich in der Atmosphäre kund, welche den speienden Gipfel des Vulkans umgiebt; Blitze durchkreuzen die Luft, die wässerigen, aus dem Krater emporgetriebenen, Dämpfe erkalten, dichte Wolken umhüllen den Gipfel; während der Dauer dieses, nur auf einen kleinen Raum beschränkten, Ungewitters stürzt das Wasser in Strömen herab und schlemmt große Tuffmassen mit sich hinweg. Schon de la Condamine (Mem. de l'acad. 1754. p . 18) hatte sehr treffende Ansichten über die Ursache dieser Phänomene. Man vergleiche hiermit Storia dell incendio del 1737. Große Verwüstungen durch solche Wasserströme habe ich bei meiner letzten Reise in Neapel (im December 1822) am Fuße des Vesuv gesehen. Man sehe hierüber die ausgezeichnete Beschreibung dieser Phänomene von Monticelli und Covelli (Storia del Vesuvio degli anni 1821--23, p. 91--98). Durch eine Mischung des Regens mit der vulkanischen Asche bilden sich in der Luft (a. a. O. p. 94) eine Art kleiner Erbsensteine (Pisolithes), welche ich auch auf dem Plateau von Hambato, unter den alten Auswurfsmassen des Carguairazo, gefunden habe. Die Bewohner der Provinz Quito nennen diese Erbsensteine auf eine sehr naive Weise Erdschloßen (grelons de terre). Anders verhält es sich bei den Vulkanen der Anden, welche die Grenze des ewigen Schnees überragen. Schneebänke von ungeheurer Dicke sammeln sich auf deren colossalen Gipfeln an, da ihre Ausbrüche nur in großen Zwischenräumen (alle 30--40 Jahre und noch seltener) erfolgen; und nicht blos beim Ausbruche selbst, sondern bisweilen mehrere Tage vorher schmelzen diese Schneemassen , ohne Zweifel durch eine unzählige Menge kleiner Rauchlöcher (fumaroles) in den gespaltenen Felsen des Kegels, aus welchen sich heiße Dämpfe entwickeln; denn es ist nicht wahrscheinlich, daß die dicken Felsenwände selbst sich so gleichförmig und plötzlich erhitzen sollten. Diese Dämpfe sind nach meinen Beobachtungen, in den Kratern des Vesuv, des Pic de Teneriffa und des Vulkans Jorullo in Mexiko, am häufigsten reines Wasser, ein anderesmal enthalten sie Salzsäure. Die künstliche Quelle, welche Gimbernat auf eine sehr geniale Weise durch die Verdichtung der Wasserdämpfe in einer Glasröhre auf dem Gipfel des Vesuv gebildet hat, zeigte diese Veränderlichkeit bisweilen; sie beweist entweder einen Wechsel der chemischen Thätigkeiten oder die zufällige Eröffnung neuer Verbindungswege im Innern des Vulkans. In einer einzigen Nacht verlor der Cotopaxi einen großen Theil seines Schnees und zeigte, zum Schrecken der Einwohner der Provinz Quito, die schwarze Farbe seiner verbrannten Felsenmassen, wie ich im Febr. 1803, während meines Aufenthalts in Guayaquil beobachtete. Hieher gehören die verwüstenden Ueberschwemmungen in den Anden von Quito, wie in Island und die Ausbrüche des Aetna am 23. März 1536 und am 6. März 1755 ( Ferrara Campi Flegrei, 1810. p. 165. -- Id. Descriz. dell' Etna, 1818, p. 89, 118--120.) In anderen Fällen häuft sich das Schneewasser durch allmählige Infiltration in den seitlichen Höhlungen des Vulkans an; heftige Erderschütterung, welche nicht immer mit den Ausbrüchen zusammentreffen, öffnen diese Höhlen, und lang verhaltene Gewässer, welche kleine Fische aus dem Geschlechte Pimelodes ernähren, schwemmen zerbröckelten Trachyt, Bimsteine, Tuff und andere unzusammenhängende Stoffe mit sich fort. Diese flüssigen Auswürfe verbreiten auf Jahrhunderte Unfruchtbarkeit über die Felder. Thoniger Schlamm (boues argileuses, lodazales) überzog einen Raum von mehr als 4 franz. Quadratmeilen, als der Pic von Carguairazo, dessen Höhe gegenwärtig noch über 2450 Toisen beträgt, in der Nacht des 19. Juni 1698 krachend zusammenstürzte. Die Schwefelwasser-Tümpel auf dem Gipfel des Purace erklären den stinkenden Geruch der Gewässer, welche bisweilen (wie die Bewohner von Quito aussagen) bei großen Ausbrüchen von den Seiten des Vulkans herabströmen. Während der Eruption des Aetna im J. 1792 eröffnete sich am Abhange des Vulkans, in einer Entfernung von 3 Meilen vom Crater, eine Schlucht, aus welcher sich mehrere Wochen lang Wasser, mit Asche, Schlacken und Thonerde gemischt, ergoß. Diese flüssigen Auswürfe, die man nicht mit den Erscheinungen der Salsen oder Luftvulkane verwechseln darf, sind sehr consistent. Man begreift leicht, daß in der Aequinoktial-Zone selbst sehr niedrige Berge furchtbare Ueberschwemmungen verursachen können, sobald sie durch Erdbeben erschüttert werden; ja, diese Erscheinungen wiederholen sich selbst von Zeit zu Zeit in den secundären Gebirgsmassen des Mittelpunkts von Europa, in weiter Entfernung von Vulkanen. Traurige Beispiele haben in unseren Tagen bewiesen, daß in den Alpen der Schweiz, wo sich keine Erderschütterung spüren läßt, ein einfacher hydrostatischer Druck gewaltsame Felsenbänke empordrängt, zerschmettert und sie, als geschähe es durch elastische Kräfte, große Strecken weit fortschleudert. Aufmerksam gemacht von der Neuheit dieser Erscheinungen haben die spanischen Conquistadores seit dem 16. Jahrhunderte Feuer- und Wasser-Vulkane (volcanes de fuego y de agua) unterschieden. Die letztere Benennung wurde besonders auf die Gebürge von Guatemala und der Philippinen angewendet. (Vgl. Juarros Compendio de la historia de Guatemala, 1809. T. I. p. 72. T. II. p. 351. -- Remesal Hist. de la Provincia de San Vincente lib. IV. cap. 6. -- Memoire sur la Dynastie regnante des Djogouns 1820. p. 182.) Ferrara Descr. dell' Etna. p. 132. Nur der Kothstrom (fiume di fango) von Santa Maria-Nascemi (am 18. März 1790) im Val di Noto scheint mir der Thätigkeit der Salsen anzugehören. Die Trachytfelsen des Purace enthalten Schwefel, wie die vom Mont-Dore in der Auvergne, vom Budoshegy in Siebenbürgen, der Insel Montserrat (eine der kleinen Antillen) und des Antisana in der Provinz Quito. Noch täglich bildet er sich in den Spalten und Schlünden des Purace, sey es durch eine ganz allmählige Sublimation, sey es durch die gegenseitige Berührung der schwefeligsauren und Schwefelwasserstoff haltigen Dünste. Der Vulkan arbeitet in seinem Innern wie eine Solfatare; aber in seiner Form bietet er nichts dar, wodurch er den Orten ähnlich würde, welche man mit jenem Namen belegt. Wenn man vag jeden Ort Solfatare nennen will, wo sich Schwefel bildet oder absetzt, so gehört hieher auch ein Boden, wie ich ihn in den Anden von Quindiu, zwischen den Bassins des Cauca- und des Magdalena-Flusses, (4°30' --4°45' nördl. Breite) gefunden habe. Eine ungeheure, schichtweis mit einander abwechselnde, Gneis- und Glimmerschiefer-Formation ruht hier unmittelbar auf altem Granit. Nun sind in diesem primitiven Glimmerschiefer, in einer Höhe von 1065 Toisen über dem Meere, in der Quebrada del Azufral, sehr klüftige, faule Gänge (filons pourris), welche mit Schwefel angefüllt sind und einen schwefeligen Dunst aushauchen, dessen Temperatur auf 47°8' C. stieg, während die umgebende Luft 20°2' zeigte. Die Nutzung dieses Schwefels unterhält eine Familie, welche sich in der Schlucht des Azufral niedergelassen hat. So zeigen sich hier im Kleinen in den Klüften eines primitiven Gesteins die Phänomene der trachytischen Solfatare von Budoshegy, welche Boue neuerlich untersucht hat. Mitten aus dem Granitfelsen von Quindiu erheben sich die Trachytfelsen des Vulkans Tolima, der durch seine abgestumpfte Kegelform an den Cotopaxi erinnert, und den höchsten Gipfel der Anden in der nördlichen Hemisphäre bildet (2865 T. 4°46' nördl. Breite). Ein Bach, welcher einen starken Schwefelwassergeruch verbreitet, fällt von dessen Spitze herab, und beweist, daß diese Trachytfelsen gleichfalls Schwefel enthalten. Neuerlich haben Rivero und Boussingault diese Solfatare im Glimmerschiefer von Quindiu besucht und dem Cabinet der Ecole des Mines kleine Stufen eingesandt, welche die vollständigsten und lehrreichsten geognostischen Reihenfolgen enthalten. Der berühmte Schwefelberg Ticsan (2°10' südl. Br. 1250 T. über der Meeresfläche), zwischen Quito und Cuenca, von den Indianern Quello genannt, besteht weder aus Trachyt, noch Kalkstein oder Gyps, sondern ganz aus primitivem Glimmerschiefer, welcher nicht einmal anthracitisch ist, wie die Uebergangsarten dieses Gesteins. In den tiefen Schluchten zwischen Ticsan und Alausi sieht man denselben auf Gneis ruhen. Der Schwefel ist in einer mehr als 1200 Fuß dicken Quarzschicht eingeschlossen; diese hat eine ziemlich regelmäßige Richtung nach Nord 18° Ost und wie der Glimmerschiefer eine Neigung von 70--80° nach Nordwest zu. Der Abhang des Cerro-Quello, auf welchem schon seit Jahrhunderten das Bergwerk eröffnet worden ist, liegt nach Süd-Süd-Ost und das freiliegende Quarzlager scheint sich nach Nord-Nord-West, nach der Küste des stillen Meeres hin, zu erstrecken. In einer Entfernung von 2000 Toisen von Ticsan, wo alles mit einer dichten Vegetation bedeckt ist, versichert man jedoch, nie Schwefel an der Oberfläche des Bodens gefunden zu haben. Gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts förderte man noch Schwefelmassen von 2--3 Fuß Durchmesser zu Tage; die Quarzlager, welche man jetzt bearbeitet, sind viel weniger reich, die eingesprengten Schwefelnieren sind nur 3--4 Zoll dick. Mit der Tiefe sieht man die Menge des Schwefels zunehmen; jedoch sind die Arbeiten so unzweckmäßig eingeleitet, daß den tiefer gelegenen Schichten fast nicht beizukommen ist. Der Quarz, in welchem der Schwefel keine Gänge bildet, sondern nur in Gestalt kleiner abgesonderter Massen eingesprengt ist, hat weder Spalten noch Höhlungen oder Drusen; er setzt durch den Glimmerschiefer hiedurch parallel mit dessen Schichten. Schwefel in Krystallen konnte ich nicht auffinden. Die Spalten, durch welche einst jene Massen vielleicht zusammengehängt haben, sind nicht mehr sichtbar; aber der ganze Quarz scheint eine ungewöhnliche Veränderung erlitten zu haben. Er hat ein mattes Ansehen, ist oft zerreiblich und zerbricht an einigen Stellen bei dem geringsten Stoße, was auf eine, wenn gleich für das Gesicht nicht erkennbare, Spaltung hindeutet. Die Temperatur des Felsens weicht von der umgebenden Luft kaum ab. Die Einwohner pflegen den Grund der gewaltigen Erdbeben, welchen das Land einigemal ausgesetzt war, in Höhlungen zu suchen, die sich nach ihrer Meinung unter dem Schwefelberge befinden. Ist diese Hypothese richtig, so kann die Wirkung derselben nur immer local gewesen seyn. Bei der großen Katastrophe des 4. Febr. 1797, welche so vielen tausend Indianern in der Provinz Quito den Tod brachte, fanden auf denjenigen Punkten, wo sich der meiste Schwefel befindet, am Cerro-Quello, am Azufral de Cuesca, in der Nähe der Villa d'Ibarra und am Machay de St. Simon, in der Nähe des Vulkans Antisana, nur sehr schwache Erschütterungen Statt; aber in einer viel frühern Zeit entstand in dem Quarzlager selbst, welches den Schwefel bei Ticsan einschließt, eine Explosion, wie von einer Mine. Man sieht in den Ruinen der Kirche des Pueblo Viejo noch Spuren des Dorfes Ticsan auf einem kleinen, dem Cerro Quello gegenüberliegenden, Plateau. Die umherliegenden Hügel sanken durch ein ganz locales Erdbeben zusammen, ein Theil des Dorfes stürzte ein, ein anderer wurde in die Luft gesprengt, wie zu Riobamba, wo ich die Gebeine der unglücklichen Einwohner auf dem Cerro de la Culca, bis zu einer Höhe von mehreren hundert Fußen, hinaufgeschleudert fand. Es ist möglich, daß das Zusammentreffen dieser Explosionen und das Vorhandenseyn eines Stoffes im Boden, der sich leicht in elastische Dämpfe umwandelt, nur zufällig ist; aber möglich ist es auch, daß alte Verbindungswege mit dem Innern des Erdballs, dieselben, mittelst welcher sich jener ungeheure Schwefelabsatz durch Sublimation gebildet hat, von Zeit zu Zeit sich wieder eröffnen und den vulkanischen Kräften gestatten die Oberfläche des Erdreichs zu erschüttern. Der große Ueberfluß des Schwefels in den primitiven Gebilden des Erdreichs ist eine wichtige geologische Thatsache; bisher kannte man das Vorkommen des Schwefels nur in den secundären Gebilden desselben. Längst hätte die Aufmerksamkeit durch das Vorkommen kleiner zerstreuter Massen gediegenen Schwefels in einigen Erzgängen der Granitfelsen, z. B. des Schwarzwaldes bei Riepoldsau, erregt werden sollen. Neuerlich hat man auch in Brasilien Schwefel entdeckt in der Chlorit haltigen Quarz-Formation (Itacolumit), welche in der Capitania de Minas Geraes auf primitivem Thonschiefer ruht, und v. Eschwege fand in einem Schiefer von dem nämlichen Alter, in der Nähe von Villarica, eine Kalksteinbank eingeschlossen, durchschnitten von Quarzgängen, welche sich mit Nieren pulverigen Schwefels angefüllt zeigten. Das Interesse dieser Erscheinung wird noch größer, wenn man in Erwägung zieht, daß dieser gelehrte Geologe in Uebereinstimmung mit einem andern deutschen Reisenden, Pohl, zu der Meinung hinneigen, das Gold, der Eisenglimmer, die Diamanten, die Euklase, das Platin und Palladium, welche dem angeschwemmten Erdreiche Brasiliens eigenthümlich sind, seyen von der Zerstörung der großen Chlorit haltigen Quarzformation oder einer eisenhaltigen Schicht (Itabarit) abzuleiten, welche jene Formation bedeckt.