Bau und Wirkungsart der Vulkane. (A. v. Humboldt, Ansichten der Natur [1826] II. S. 126 — 178.) Wenn man den Einfluß betrachtet, den seit Jahrhunderten die erweiterte Erdkunde und wissenschaftliche Reisen in entfernte Regionen auf das Studium der Natur ausgeübt haben, so erkennt man bald, wie verschiedenartig derselbe gewesen ist, je nachdem die Untersuchung auf die Formen der organischen Welt oder auf das todte Erdgebilde, auf die Kenntniß der Felsarten, ihr relatives Alter und ihre Entstehung gerichtet war. Andere Gestalten von Pflanzen und Thieren beleben die Erde in jeglicher Zone, sei es, wo in der meergleichen Ebene die Wärme des Luftkreises nach der geographischen Breite und den mannigfaltigen Krümmungen der isothermen Linien, oder wo sie fast scheitelrecht, an dem steilen Abhange der Gebirgsketten, wechselt. Die organische Natur gibt jedem Erdstrich seinen eigenen physiognomischen Charakter; nicht so die unorganische, da wo die feste Rinde des Erdkörpers von der Pflanzendecke entblößt ist. Dieselben Gebirgsarten, gruppenweise sich anziehend und abstoßend, erscheinen in beiden Hemisphären vom Aequator an bis zu den Polen hin. In einem fernen Eilande, von fremdartigen Gewächsen umgeben, unter einem Himmel, wo nicht mehr die alten Sterne leuchten, erkennt oft der Seefahrer, freudig erstaunt, den heimischen Thonschiefer, die wohlbekannte Gebirgsart des Vaterlandes. Die Unabhängigkeit der geognostischen Verhältnisse von der gegenwärtigen Constitution der Klimate mindert nicht den wohlthätigen Einfluß, welchen zahlreiche, in fremden Weltgegenden angestellte Beobachtungen auf die Fortschritte der Gebirgskunde und der physikalischen Geognosie ausüben; sie gibt derselben nur eine eigenthümliche Richtung. Jede Expedition bereichert die Naturkunde mit neuen Pflanzen- und Thiergattungen. Bald sind es organische Formen, die sich an längst bekannte Typen anreihen, und uns das regelmäßig gewebte, oft scheinbar unterbrochene Netz belebter Naturbildungen in seiner ursprünglichen Vollkommenheit darstellen. Bald sind es Bildungen, die isolirt auftreten, als entkommene Reste untergegangener Geschlechter, oder als unbekannte, Erwartung erregende Glieder noch zu entdeckender Gruppen. Eine solche Mannigfaltigkeit gewährt freilich nicht die Untersuchung der festen Erdrinde. Sie offenbart uns vielmehr eine Uebereinstimmung in den Gemengtheilen, in der Auflagerung verschiedenartiger Massen und in ihrer periodischen Wiederkehr, welche die Bewunderung des Geognosten erregt. In der Andeskette, wie in dem Centralgebirge Europa’s scheint eine Formation gleichsam die andere herbeizurufen. Gleichnamige Massen gestalten sich zu ähnlichen Formen: in Zwillingsberge, Basalt und Dolorit; als prallige Felswände, Dolomit, Quadersandstein und Porphyr; zu Glocken oder hochgewölbten Domen der glasige, feldspathreiche Trachyt. In den entferntesten Zonen sondern sich gleichartig, wie durch innere Entwickelung, größere Krystalle aus dem dichten Gewebe der Grundmasse ab, umhüllen einander, treten in untergeordnete Lager zusammen, und verkündigen oft, als solche, die Nähe einer neuen unabhängigen Formation. So spiegelt sich, mehr oder minder klar, in jedem Gebirge von beträchtlicher Ausdehnung die ganze unorganische Welt; doch um die wichtigen Erscheinungen der Zusammensetzung, des relativen Alters und der Entstehung der Gebirgsarten vollständig zu erkennen, müssen Beobachtungen aus den verschiedensten Erdstrichen mit einander verglichen werden. Probleme, die dem Geognosten lange in seiner nordischen Heimath räthselhaft erschienen, finden ihre Lösung nahe am Aequator. Wenn die fernen Zonen, wie schon oben bemerkt ward, uns nicht neue Gebirgsarten liefern, das heißt unbekannte Gruppirungen einfacher Stoffe, so lehren sie uns dagegen die großen, überall gleichen Gesetze enthüllen, nach denen die Schichten der Erdrinde sich wechselseitig tragen, sich gangartig durchbrechen, oder mittelst elastischer Kräfte gehoben werden. Bei dem so eben geschilderten Nutzen, den unser geognostisches Wissen aus Untersuchungen zieht, welche große Länderstrecken umfassen, darf es uns nicht befremden, daß eine Classe von Erscheinungen lange um so einseitiger betrachtet worden ist, als die Vergleichungspuncte schwieriger, man könnte fast sagen, mühevoller aufzufinden sind. Was man bis gegen das Ende des verflossenen Jahrhunderts von der Gestalt der Vulkane und dem Wirken ihrer unterirdischen Kräfte zu wissen glaubte, war von zwei Bergen des südlichen Italiens, dem Vesuv und dem Aetna hergenommen. Da der erste zugänglicher ist, und (wie alle niedrige Vulkane) häufiger auswirft, so hat ein Hügel gleichsam zum Typus gedient, nach welchem man sich eine ganze ferne Welt, die mächtigen an einander gereihten Vulkane von Mexiko, Süd-Amerika, und den asiatischen Inseln gebildet dachte. Ein solches Verfahren mußte mit Recht an Virgil’s Hirten erinnern, der in seiner engen Hütte das Vorbild der ewigen Stadt, des königlichen Roms, zu sehen wähnte. Allerdings hätte eine sorgfältigere Untersuchung des ganzen Mittelmeeres, besonders der östlichen Inseln und Küstenländer, wo die Menschheit zuerst zu geistiger Cultur und edlern Gefühlen erwachte, eine so einseitige Naturansicht vernichten können. Aus dem tiefen Meeresgrunde haben sich hier, unter den Sporaden, Trachytfelsen zu Inseln erhoben, dem azorischen Eilande ähnlich, das in drei Jahrhunderten dreimal, fast in gleichen Zeitabständen, periodisch erschienen ist. Zwischen Epidaurus und Trözene bei Methone hat der Peloponnes einen Monte nuovo, den Strabo beschrieben, und Dodwell wieder gesehen hat, höher als der Monte nuovo der phlegräischen Felder bei Bajä, vielleicht selbst höher als der neue Vulkan von Xorullo in den mexikanischen Ebenen, den ich von mehreren tausend kleinen, aus der Erde herausgeschobenen, noch gegenwärtig rauchenden Basaltkegeln umringt gefunden habe. Auch im Becken des Mittelmeeres bricht das vulkanische Feuer nicht bloß aus permanenten Kratern, aus isolirten Bergen aus, die eine dauernde Verbindung mit dem Innern der Erde haben, wie Stromboli, der Vesuv und der Aetna. Auf Ischia, am Epomäus, und, wie es nach den Berichten der Alten scheint, auch in der Lelantischen Ebene bei Chalcis sind Laven aus Erdspalten geflossen, die sich plötzlich geöffnet haben. Neben diesen Erscheinungen, die in die historische Zeit, in das enge Gebiet sicherer Traditionen fallen, und welche Ritter in seiner meisterhaften Erdkunde sammeln und erläutern wird, enthalten die Küsten des Mittelmeeres noch mannigfaltige Reste älterer Feuerwirkungen. Das südliche Frankreich zeigt uns in Auvergne ein eigenes geschlossenes System an einander gereiheter Vulkane, Trachytglocken, abwechselnd mit Auswurfskegeln, aus denen Lavaströme bandförmig sich ergießen. Die lombardische seegleiche Ebene, welche den innersten Busen des adriatischen Meeres bildet, umschließt den Trachyt der Euganeischen Hügel, wo Dome von körnigem Trachyt, von Obsidian und Perlstein sich erheben, drei aus einander sich entwickelnde Massen, die den feuersteinhaltigen Jurakalk durchbrechen, aber nie in schmalen Strömen geflossen sind. Aehnliche Zeugen alter Erdrevolutionen findet man in vielen Theilen des griechischen Continents und in Vorder-Asien, Länder, die dem Geognosten einst reichen Stoff zu Untersuchungen darbieten werden, wenn das Licht dahin zurückkehrt, von wo es zuerst über die westliche Welt gestrahlt, wenn die gequälte Menschheit nicht mehr unter der wilden Barbarei der Osmanen erliegt. Ich erinnere an die geographische Nähe so mannigfaltiger Erscheinungen, um zu bewähren, daß der Kessel des Mittelmeeres mit seinen Inselreihen dem aufmerksamen Beobachter Alles hätte darbieten können, was neuerlichst unter mannigfaltigen Formen und Bildungen in Süd-Amerika, auf Teneriffa, oder in den Aleuten, der Polargegend nahe, entdeckt worden ist. Die Gegenstände der Beobachtung fanden sich zusammengedrängt; aber Reisen in ferne Klimate, Vergleichungen großer Länderstriche in und außerhalb Europa waren nöthig, um das Gemeinsame der vulkanischen Erscheinungen und ihre Abhängigkeit von einander klar zu erkennen. Der Sprachgebrauch, welcher oft den ersten irrigen Ansichten der Dinge Dauer und Ansehen gibt, oft aber auch instinctmäßig das Wahre bezeichnet, der Sprachgebrauch nennt vulkanisch alle Ausbrüche unterirdischen Feuers und geschmolzener Materien; Rauch- und Dampfsäulen, die sporadisch aus den Felsen aufsteigen, wie bei Colares nach dem großen Erdbeben von Lissabon; Salse, oder feuchten Koth, Asphalt und Hydrogen auswerfende Lettenkegel, wie bei Girgenti in Sicilien, und bei Turbaco in Süd-Amerika, heiße Geiser-Quellen, die von elastischen Dämpfen gedrückt, sich erheben, ja im Allgemeinen alle Wirkungen wilder Naturkräfte, die ihren Sitz tief im Innern unseres Planeten haben. In Mittel- Amerika (Guatemala) und in den Philippinischen Inseln unterscheiden die Eingebornen sogar förmlich zwischen Wasser- und Feuervulkanen, Volcanes de agua y de fuego. Mit dem ersten Namen bezeichnen sie Berge, aus welchen bei heftigen Erdstößen und mit dumpfem Krachen, von Zeit zu Zeit, unterirdische Wasser ausbrechen. Ohne den Zusammenhang der so eben genannten Phänomene zu leugnen, scheint es doch rathsam, dem physischen wie dem oryktognostischen Theile der Geognosie eine bestimmtere Sprache zu geben, und mit dem Worte Vulkan nicht bald einen Berg zu bezeichnen, der sich in einen permanenten Feuerschlund endigt, bald jegliche unterirdische Ursache vulkanischer Erscheinungen. Im gegenwärtigen Zustande der Erde ist freilich in allen Welttheilen die Form isolirter Kegelberge (die des Vesuvs, des Aetna, des Pics von Teneriffa, des Tunguragua und Cotopaxi) die gewöhnlichste Form der Vulkane; ich habe sie von dem niedrigsten Hügel bis zu 17,700 Fuß über der Meeresfläche anwachsen sehen; aber neben diesen Kegelbergen findet man auch permanente Feuerschlünde, bleibende Communicationen mit dem Innern der Erde auf langgedehnten zackigen Rücken und zwar nicht einmal immer in der Mitte ihrer mauerartigen Gipfel, sondern am Ende derselben, gegen den Abfall hin. So der Pichincha, der sich zwischen der Südsee und der Stadt Quito erhebt, und den Bouguer’s früheste Barometerformeln berühmt gemacht haben; so die Vulkane, die in der 10,000 Fuß hohen Steppe de los Pastos sich erheben. Alle diese Gipfel von mannigfaltigen Gestalten bestehen aus Trachyt, sonst Trapp-Porphyr genannt, einem körnigen, rissig zerklüfteten Gesteine von glasigem Feldspath und Hornblende, welchem Augit, Glimmer, blättriger Feldspath und Quarz nicht ganz fremd sind. Wo die Zeugen des ersten Ausbruches, ich möchte sagen, das alte Gerüste sich vollständig erhalten hat, da umgibt die isolirten Kegelberge circusartig eine hohe Felsmauer, ein Mantel, aus aufgelagerten Schichten zusammengesetzt. Solche Mauern oder ringförmige Umgebungen heißen Erhebungs-Krater, eine große, wichtige Erscheinung, über welche der erste Geognost unserer Zeit, Leopold v. Buch, aus dessen Schriften ich auch in dieser Abhandlung mehrere Ansichten entlehne, unserer (der Berliner) Akademie vor fünf Jahren eine denkwürdige Abhandlung vorgelegt hat. Mit dem Luftkreise durch Feuerschlünde communicirende Vulkane, konische Basalthügel und glockenförmige, kraterlose Trachytberge, letztere bald niedrig wie der Sarcouy, bald hoch wie der Chimborazo, bilden mannigfaltige Gruppen. Hier zeigt uns die vergleichende Erdkunde kleine Archipele, gleichsam geschlossene Bergsysteme, mit Krater und Lavaströmen in den Kanarischen Inseln und den Azoren; ohne Krater und ohne eigentliche Lavaströme in den Euganeen und dem Siebengebirge bei Bonn: dort beschreibt sie uns Vulkane, in einfachen oder doppelten Ketten an einander gereiht, viele hundert Meilen lange Züge, bald der Hauptrichtung der Gebirge parallel, wie in Guatemala, Peru und Java, bald die Achse der Gebirge senkrecht durchschneidend, wie im Lande der Azteken, wo feuerspeiende Trachytberge allein die hohe Schneegrenze erreichen, und wahrscheinlich auf einer Kluft ausgebrochen sind, die in einer Länge von 105 geographischen Meilen den ganzen Continent, vom stillen Meer bis zum atlantischen Ocean durchschneidet. Dieses Zusammendrängen der Vulkane bald in einzelne rundliche Gruppen, bald in doppelte Züge, liefert den entscheidendsten Beweis, daß die vulkanischen Wirkungen nicht von kleinlichen, der Oberfläche nahen Ursachen, abhängen, sondern große tiefbegründete Erscheinungen sind. Der ganze östliche, an Metallen arme Theil des amerikanischen Festlandes, ist in seinem gegenwärtigen Zustande ohne Feuerschlünde, ohne Trachytmassen, wahrscheinlich selbst ohne Basalte mit Olivin. Alle amerikanischen Vulkane sind, in dem Asien gegenüber liegenden Theile vereinigt, in der meridianartig ausgedehnten, 1800 geographischen Meilen langen Andeskette. Auch ist das ganze Hochland von Quito, dessen Gipfel Pichincha, Cotopaxi und Tunguragua bilden, ein einziger vulkanischer Heerd. Das unterirdische Feuer bricht bald aus der einen, bald aus der andern dieser Oeffnungen aus, die man sich als abgesonderte Vulkane zu betrachten gewöhnt hat. Die fortschreitende Bewegung des Feuers ist hier seit drei Jahrhunderten von Norden gegen Süden gerichtet. Selbst die Erdbeben, welche so furchtbar diesen Welttheil heimsuchen, liefern merkwürdige Beweise von der Existenz unterirdischer Verbindungen, nicht bloß zwischen vulkanlosen Ländern, was längst bekannt ist, sondern auch zwischen Feuerschlünden, die weit von einander entfernt sind. So stieß der Vulkan von Pasto östlich vom Flusse Guaytara, 3 Monate lang im Jahr 1797 ununterbrochen eine hohe Rauchsäule aus. Diese Säule verschwand in demselben Augenblick, als 60 Meilen davon das große Erdbeben von Riobamba und der Schlammausbruch der Moya dreißig- bis vierzigtausend Indianer tödteten. Die plötzliche Erscheinung der azorischen Insel Sabrina, am 30sten Januar 1811, war der Vorbote der fürchterlichen Erdstöße, welche weiter westlich vom Monat Mai 1811 bis zum Junius 1813 fast unaufhörlich, erst die Antillen, dann die Ebenen des Ohio und Missisipi und zuletzt die gegenüberstehenden Küsten von Venezuela erschütterten. Dreißig Tage nach der gänzlichen Zerstörung der Stadt Caraccas erfolgte der Ausbruch des Vulkans von Sanct Vincent in den nahen Antillen. In demselben Augenblick, als diese Explosion erfolgte, am 30sten April 1811, wurde ein Schrecken erregendes unterirdisches Getöse in allen Theilen einer Landstrecke von 2200 geographischen Quadratmeilen vernommen. Die Anwohner des Apure, beim Einfluß des Rio Nula, verglichen dies Getöse ebenso, als die fernsten Küstenbewohner, mit der Wirkung schweren Geschützes. Nun werden aber von dem Einfluß des Rio Nula in den Apure, durch welchen ich in den Orinoco gekommen bin, bis zum Vulkan von Sanct Vincent, in gerader Richtung 157 geogr. Meilen gezählt. Dies Getöse, welches sich gewiß nicht durch die Lüfte fortpflanzte, muß eine tiefe unterirdische Ursache gehabt haben. Seine Intensität war kaum größer an den Küsten des Antillischen Meeres, dem ausbrechenden Vulkan näher, als in dem Innern des Landes. Es würde zwecklos sein, die Zahl dieser Beispiele zu vermehren, ich gedenke nur noch des bekannten Erdbebens zu Lissabon. Gleichzeitig mit demselben, am 1sten November 1755, wurden nicht nur die Schweizer Seen, und das Meer an den Schwedischen Küsten heftig bewegt, selbst in den östlichen Antillen, um Martinique, Antigua und Barbados, wo die Fluth nie über 28 Zoll erreicht, stieg sie plötzlich 20 Fuß hoch. Alle diese Phänomene beweisen, daß die unterirdischen Kräfte entweder dynamisch, spannend und erschütternd im Erdbeben, oder producirend und chemisch verändernd in den Vulkanen sich äußern. Sie beweisen auch, daß diese Kräfte nicht oberflächlich, aus der dünnen Erdrinde, sondern tief aus dem Innern unseres Planeten durch Klüfte und unausgefüllte Gänge nach den entferntesten Punkten der Erdfläche gleichzeitig hinwirken. Je mannigfaltiger der Bau der Vulkane, das heist der Erhebungen ist, welche den Canal umschließen, durch welchen die geschmolzenen Massen des innern Erdkörpers an die Oberfläche gelangen, desto wichtiger ist es, diesen Bau mittelst genauer Messungen zu ergründen. Das Interesse dieser Messungen, die in einem andern Welttheile ein besonderer Gegenstand meiner Untersuchungen gewesen sind, wird durch die Betrachtung erhöht, daß das zu Messende an vielen Punkten eine veränderliche Größe ist. Die philosophische Naturkunde ist bemüht, in dem Wechsel der Erscheinungen die Gegenwart an die Vergangenheit anzureihen. Um eine periodische Wiederkehr, oder überhaupt die Gesetze fortschreitender Naturveränderungen zu ergründen, bedarf es gewisser fester Puncte, sorgfältig angestellter Beobachtungen, die, an bestimmte Epochen gebunden, zu numerischen Vergleichungen dienen können. Hätte auch nur von tausend zu tausend Jahren die mittlere Temperatur des Luftkreises und der Erde in verschiedenen Breiten, oder die mittlere Höhe des Barometers an der Meeresfläche bestimmt werden können, so würden wir wissen, in welchem Verhältniß die Wärme der Klimate zu- oder abgenommen, ob die Höhe der Atmosphäre Veränderungen erlitten hat. Eben dieser Vergleichungspunkte bedarf man für die Neigung und Abweichung der Magnetnadel, wie für die Intensität der magnetisch-elektrischen Kräfte, über welche zwei treffliche Physiker, Seebeck und Erman, ein so großes Licht verbreitet haben. Wenn es ein rühmliches Geschäft gelehrter Gesellschaften ist, den kosmischen Veränderungen der Wärme, des Luftdruckes, der magnetischen Richtung und Ladung beharrlich nachzuspüren, so ist es dagegen die Pflicht des reisenden Geognosten bei Bestimmung der Unebenheiten der Erdoberfläche hauptsächlich auf die veränderliche Höhe der Vulkane Rücksicht zu nehmen. Was ich vormals in den mexikanischen Gebirgen, am Toluca, Nauhcampatepetl und Xorullo, in den Anden von Quito am Pichincha versucht, habe ich Gelegenheit gehabt, seit meiner Rückkehr nach Europa zu verschiedenen Epochen am Vesuv zu wiederholen. Saussure hatte diesen Berg im Jahr 1773 in einer Zeit gemessen, wo beide Ränder des Kraters, der nordwestliche und südöstliche, ihm gleich hoch schienen. Er fand ihre Höhe über der Meeresfläche 609 Toisen. Die Eruption von 1794 verursachte einen Absturz gegen Süden, eine Ungleichheit der Krater-Ränder, welche das ungeübteste Auge selbst in großer Entfernung unterscheidet. Wir maßen, Herr v. Buch, Gay-Lussac und ich, im Jahre 1805 den Vesuv dreimal und fanden den nördlichen Rand, der der Somma gegenüber steht, la Rocca del Palo, genau wie Saussure; den südlichen Rand aber 75 Toisen niedriger, als 1773. Die ganze Höhe des Vulkan’s hatte gegen Torre del Greco hin, (nach einer Seite, gegen welche seit 30 Jahren das Feuer gleichsam vorzugsweise hinwirkt,) um ⅛ abgenommen. Der Aschenkegel verhält sich zur ganzen Höhe des Berges am Vesuv wie 1 zu 3, am Pichincha wie 1 zu 10, am Pic von Teneriffa wie 1 zu 22. Der Vesuv hat also verhältnißmäßig den höchsten Aschenkegel, wahrscheinlich schon darum, weil er, als ein niedriger Vulkan, am meisten durch seinen Gipfel gewirkt hat. Vor wenigen Monaten ist es mir geglückt, nicht bloß meine früheren Barometer-Messungen am Vesuv zu wiederholen, sondern auch, bei dreimaliger Besteigung des Berges, eine vollständigere Bestimmung aller Krater- Ränder zu unternehmen. Diese Arbeit verdient vielleicht darum einiges Interesse, weil sie die Epoche großer Eruptionen von 1805—1822 umfaßt, und vielleicht die einzige in allen ihren Theilen vergleichbare Messung ist, welche man bisher von irgend einem Vulkane bekannt gemacht hat. Sie beweist, daß die Ränder der Krater, nicht bloß da, wo sie, (wie am Pic von Teneriffa und an allen Vulkanen der Andeskette) sichtbar aus Trachyt bestehen, sondern überall ein weit beständigeres Phänomen sind, als man bisher nach flüchtig angestellten Beobachtungen geglaubt hat. Einfache Höhenwinkel aus denselben Punkten bestimmt, eignen sich zu diesen Untersuchungen noch mehr, als vollständige trigonometrische und barometrische Messungen. Nach meinen letzten Bestimmungen hat sich der nordwestliche Rand des Vesuv’s seit Saussure, also seit 49 Jahren, vielleicht gar nicht, der südöstliche Rand, gegen Bosche Tre Case hin, welcher 1794 um 400 Fuß niedriger ward, kaum um 10 Toisen verändert. Wenn man in öffentlichen Blättern, bei der Beschreibung großer Auswürfe, so oft der gänzlich veränderten Gestalt des Vesuvs erwähnt findet, wenn man diese Behauptungen durch die pitoresken Ansichten bewährt glaubt, welche in Neapel von dem Berge entworfen werden, so liegt die Ursache des Irrthums darin, daß man die Umrisse der Kraterränder mit den Umrissen der Auswurfskegel verwechselt, welche zufällig in der Mitte des Kraters auf dem, durch Dämpfe gehobenen Boden des Feuerschlundes sich bilden. Ein solcher Auswurfskegel, von Rapilli und Schlacken locker aufgethürmt, war in den Jahren 1816 und 1818 allmählig über dem südöstlichen Kraterrand sichtbar geworden. Die Eruption vom Monat Februar 1822 hatte ihn dergestalt vergrößert, daß er selbst 100 bis 110 Fuß höher, als der nordwestliche Kraterrand, (die Rocca del Palo) geworden war. Dieser merkwürdige Kegel nun, den man sich in Neapel als den eigentlichen Gipfel des Vesuvs zu betrachten gewöhnt hatte, ist bei dem letzten Auswurf, in der Nacht vom 22sten October, mit furchtbarem Krachen eingestürzt, so daß der Boden des Kraters, der seit 1811 ununterbrochen zugänglich war, gegenwärtig 750 Fuß tiefer liegt als der nördliche, 200 Fuß tiefer, als der südliche Rand des Vulkans. Die veränderliche Gestalt und relative Lage der Auswurfskegel, deren Oeffnungen man ja nicht, wie so oft geschieht, mit dem Krater des Vulkan’s verwechseln muß, gibt dem Vesuv zu verschiedenen Epochen eine eigenthümliche Physiognomie, und der Historiograph des Vulkans könnte aus dem Umriß des Berggipfels, nach dem bloßen Anblicke der Hackertscheu Landschaften im Palaste von Portici, je nachdem die nördliche oder südliche Seite des Berges höher angedeutet ist, das Jahr errathen, in welchem der Künstler die Skizze zu seinem Gemälde entworfen hat. Einen Tag nach dem Einsturz des 400 Fuß hohen Schlackenkegels, als bereits die kleinen, aber zahlreichen Lavaströme abgeflossen waren, in der Nacht vom 23sten zum 24sten October, begann der feurige Ausbruch der Asche und der Rapilli. Er dauerte ununterbrochen 12 Tage fort, doch war er in den ersten 4 Tagen am größten. Während dieser Zeit wurden die Detonationen im Innern des Vulkans so stark, daß die bloße Erschütterung der Luft (von Erdstößen hat man durchaus nichts verspürt) die Decken der Zimmer im Palaste von Portici sprengten. In den nahe gelegenen Dörfern Resina, Torre del Greco, Torre dell’ Annunziata und Bosche Tre Case zeigte sich eine merkwürdige Erscheinung. Die Atmosphäre war dermaßen mit Asche erfüllt, daß die ganze Gegend, in der Mitte des Tages, mehrere Stunden lang in das tiefste Dunkel gehüllt blieb. Man gieng mit Laternen in den Straßen, wie es so oft in Quito, bei den Ausbrüchen des Pichincha, geschieht. Nie war die Flucht der Einwohner allgemeiner gewesen. Man fürchtet Lavaströme weniger als einen Aschenauswurf, ein Phänomen, das in solcher Stärke hier unbekannt ist, und durch die dunkle Sage von der Zerstörungsweise von Herculanum, Pompeji und Stabiä die Einbildungskraft der Menschen mit Schreckbildern erfüllt. Der heiße Wasserdampf, welcher während der Eruption aus dem Krater aufstieg und sich in die Atmosphäre ergoß, bildete beim Erkalten ein dickes Gewölk um die neuntausend Fuß hohe Aschen- und Feuersäule. Eine so plötzliche Condensation der Dämpfe und, wie Gay-Lussac gezeigt hat, die Bildung des Gewölkes selbst vermehrten die elektrische Spannung. Blitze fuhren schlängelnd nach allen Richtungen aus der Aschensäule umher und man unterschied deutlich den rollenden Donner von dem innern Krachen des Vulkans. Bei keinem andern Ausbruche war das Spiel der elektrischen Schläge so auffallend gewesen. Am Morgen des 26sten Octobers verbreitete sich die sonderbare Nachricht: ein Strom siedenden Wassers ergieße sich aus dem Krater und stürze den Aschenkegel herab. Monticelli, der eifrige und gelehrte Beobachter des Vulkans, erkannte bald, daß eine optische Täuschung dies irrige Gerücht veranlaßt habe. Der vorgebliche Strom war eine große Menge trockener Asche, die aus einer Kluft in dem obersten Rande des Kraters, wie Triebsand, hervorschoß. Nachdem eine, die Felder verödende Dürre dem Ausbruch des Vesuvs vorangegangen war, erregte, gegen das Ende desselben, das so eben beschriebene vulkanische Gewitter einen wolkenbruchartigen, aber lang anhaltenden Regen. Solch eine Erscheinung charakterisirt, unter allen Zonen, das Ende einer Eruption. Da während derselben gewöhnlich der Aschenkegel in Wolken gehüllt ist und da in seiner Nähe die Regengüsse am stärksten sind, so sieht man Schlammströme von allen Seiten herabfließen. Der erschrockene Landmann hält dieselben für Wasser, die aus dem Innern des Vulkans aufsteigen und sich durch den Krater ergießen; der getäuschte Geognost glaubt in ihnen Meerwasser zu erkennen oder kothartige Erzeugnisse des Vulkans, sogenannte eruptions boueuses, oder, wie die alten französischen Systematiker sagten, Producte einer feurig-wässrigen Liquefaction. Wenn die Gipfel der Vulkane (wie dies meist in der Andeskette der Fall ist) über die Schneeregion hinausreichen, oder gar bis zur zwiefachen Höhe des Aetna anwachsen, so werden, des geschmolzenen einsinternden Schnees wegen, die so eben beschriebenen Inundationen überaus häufig und verwüstend. Es sind Erscheinungen, die mit den Eruptionen der Vulkane meteorologisch zusammenhängen, und durch die Höhe der Berge, den Umfang ihrer stets beschneieten Gipfel und die Erwärmung der Wände der Aschenkegel vielfach modificirt werden: aber als eigentliche vulkanische Erscheinungen dürfen sie nicht betrachtet werden. In weiten Höhlen, bald am Abhange, bald am Fuß der Vulkane entstehen unterirdische Seen, die mit den Alpenbächen vielfach communiciren. Wenn Erdstöße, die allen Feuerausbrüchen der Andeskette vorhergehen, die ganze Masse des Vulkans mächtig erschüttern, so öffnen sich die unterirdischen Gewölbe und es entstürzen ihnen zugleich Wasser, Fische und tuffartiger Schlamm. Dies ist die sonderbare Erscheinung, welche der Wels der Cyklopen (Pime lodes Cyclopum) gewährt, den die Bewohner des Hochlandes von Quito Prenadilla nennen und den ich kurz nach meiner Rückkunft beschrieben habe. Als nördlich vom Chimborazo in der Nacht vom 19ten zum 20sten Junius 1698 der Gipfel des 18000 Fuß hohen Berges Carguairazo einstürzte, da bedeckten Schlamm und Fische, auf fast zwei Quadratmeilen, alle Felder umher. Ebenso wurden, sieben Jahre früher, die Faulfieber der Stadt Ibarra einem ähnlichen Fischauswurfe des Vulkans Imbamburu zugeschrieben. Ich erinnere an diese Thatsachen, weil sie über den Unterschied zwischen dem Auswurf trockener Asche und schlammartiger, Holz, Kohle und Muscheln umwickelnder Anschwemmungen von Tuff und Traß einiges Licht verbreiten. Die Aschenmenge, welche der Vesuv neuerlichst ausgeworfen, ist, wie alles, was mit den Vulkanen und andern großen, schreckenerregenden Naturerscheinungen zusammenhängt, in öffentlichen Blättern übermäßig vergrößert worden, ja zwei neapolitanische Chemiker, Vicenze Pepe und Giuseppe di Nobilli, schrieben sogar, trotz der Widersprüche von Monticelli und Covelli, der Asche Silber- und Goldgehalt zu. Nach meinen Untersuchungen hat die in zwölf Tagen gefallene Aschenschicht gegen Bosche Tre Case hin, am Abhange des Konus, da wo Rapilli beigemengt waren, nur 3 Fuß, in der Ebne höchstens 15 bis 18 Zoll Dicke erreicht. Messungen dieser Art müssen nicht an solchen Stellen geschehen, wo die Asche, wie Schnee oder Sand, vom Winde zusammengeweht, oder durch Wasser breiartig angeschwemmt ist. Die Zeiten sind vorüber, wo man, ganz nach Art der Alten, in den vulkanischen Erscheinungen nur das Wunderbare suchte, wo man, wie Ktesias, die Asche des Aetna bis nach der indischen Halbinsel fliegen ließ. Ein Theil der mexikanischen Gold- und Silbergänge findet sich freilich in trachytartigem Porphyr; aber in der Vesuv-Asche ist keine Spur von Gold oder Silber zu erkennen. So entfernt auch die Resultate, die ich hier entwickele und welche Monticelli’s genauern Beobachtungen entsprechen, von denen sind, die man in den letzten Monaten verbreitet hat, so bleibt doch der Aschenauswurf des Vesuvs vom 24sten zum 28sten October der denkwürdigste, von dem man, seit des ältern Plinius Tode, eine sichere Nachricht hat. Die Menge ist vielleicht dreimal größer gewesen, als alle Asche, welche man hat fallen sehen, so lange vulkanische Erscheinungen mit Aufmerksamkeit beobachtet werden. Eine Schicht von 15 bis 18 Zoll scheint, auf den ersten Anblick, unwichtig gegen die Masse, mit der wir Pompeji bedeckt finden; aber ohne auch der Regengüsse und Anschwemmungen zu gedenken, die freilich wohl diese Masse, seit Jahrhunderten, vermehrt haben mögen, ohne den lebhaften Streit wieder aufzuregen, der, jenseits der Alpen, über die Zerstörungsursachen der campanischen Städte mit vielem Skepticismus geführt worden ist, darf man wohl hier in Erinnerung bringen, daß die Ausbrüche eines Vulkans, in weit von einander entfernten Zeitepochen, ihrer Intensität nach, keinesweges mit einander zu vergleichen sind. Alle auf Analogieen gestützte Schlüsse sind unzureichend, wenn sie sich auf quantitative Verhältnisse, auf Menge der Lava und Asche, auf Höhe der Rauchsäulen, auf Stärke der Detonationen beziehen. Aus der geographischen Beschreibung des Strabo und einem Urtheil des Vitruvius über den vulkanischen Ursprung des Bimsteins ersieht man, daß bis zu Vespasian’s Todesjahre, d. h. bis zum Ausbruch, der Pompeji bedeckte, der Vesuv mehr einem ausgebrannten Vulkan, als einer Solfatara ähnlich sah. Wenn plötzlich nach langer Ruhe die unterirdischen Kräfte sich neue Wege eröffneten, wenn sie Schichten von uranfänglichem Gestein und Trachyt wiederum durchbrachen, so mußten Wirkungen sich äußern, für welche die später erfolgten kein Maaß abgeben können. Aus dem bekannten Briefe, in welchem der jüngere Plinius den Tod seines Oheims dem Tacitus berichtet, ersieht man deutlich, daß die Erneuerung der Ausbrüche, man könnte sagen, die Wiederbelebung des schlummernden Vulkans mit Eruption der Asche anfieng. Eben dieses wurde bei Xorullo bemerkt, als der neue Vulkan im September 1759, Syenit- und Trachytschichten durchbrechend, sich plötzlich in der Ebene erhob. Die Landleute flohen, weil sie auf ihren Hüten Asche fanden, welche aus der überall geborstenen Erde hervorgeschleudert ward. Bei den gewöhnlichen periodischen Wirkungen der Vulkane endigt dagegen der Aschenregen jede partielle Eruption. Ueberdies enthält der Brief des jüngern Plinius eine Stelle, welche deutlich anzeigt, daß gleich Anfangs, ohne Einfluß der Anschwemmungen, die aus der Luft gefallene trockene Asche eine Höhe von 4 bis 5 Fuß erreichte. »Der Hof,« heißt es im Verfolg der Erzählung, »durch den man in das Zimmer trat, in welchem Plinius Mittagsruhe hielt, war so mit Asche und Bimstein angefüllt, daß wenn der Schlafende länger gezögert hätte, er den Ausgang würde versperrt gefunden haben. In dem geschlossenen Raume eines Hofes kann die Wirkung Asche zusammenwehender Winde wohl eben nicht beträchtlich gewesen sein. Ich habe es gewagt, meine vergleichende Uebersicht der Vulkane durch einzelne, am Vesuv angestellte Beobachtungen zu unterbrechen, theils des großen Interesses wegen, welches der letzte Ausbruch erregt hat, theils aber auch, weil jeder starke Aschenregen uns fast unwillkührlich an den classischen Boden von Pompeji und Herculanum erinnert. Wir haben bisher die Gestalt und die Wirkungen derjenigen Vulkane betrachtet, die durch einen Krater in einer dauernden Verbindung mit dem Innern der Erde stehen. Ihre Gipfel sind gehobene, durch Gänge mannigfaltig durchschnittene Massen von Trachyt und Laven. Die Permanenz ihrer Wirkungen läßt auf eine sehr zusammengesetzte Structur schließen. Sie haben, so zu sagen, einen mehr individuellen Charakter, der in langen Perioden sich gleich bleibt. Nahe gelegene Berge geben meist ganz verschiedene Producte, Leucit- und Feldspathlaven; Obsidian mit Bimstein und olivenhaltige, basaltartige Massen. Sie gehören zu den neuern Erscheinungen der Erde, durchbrechen meist alle Schichten des Flötzgebirges, und ihre Auswürfe und Lavaströme sind spätern Ursprungs, als unsere Thäler. Ihr Leben, wenn man sich dieses figürlichen Ausdrucks bedienen dürfte, hängt von der Art und Dauer ihrer Verbindung mit dem Innern des Erdkörpers ab. Sie ruhen oft Jahrhunderte lang, entzünden sich plötzlich wieder und enden als Wasserdampf, Gasarten und Säuren ausstoßende Solfataren. Bisweilen, wie an dem Pic von Teneriffa, ist ihr Gipfel bereits eine solche Werkstatt regenerirten Schwefels geworden, und doch entfließen noch mächtige Lavaströme den Seiten des Berges, basaltartig in der Tiefe, obsidianartig mit Bimstein nach oben hin, wo der Druck geringer ist. Unabhängig von diesen mit permanenten Kratern versehenen Vulkanen, gibt es eine andere Art vulkanischer Erscheinungen, die seltener beobachtet werden, aber, vorzugsweise belehrend für die Geognosie, an die Urwelt, d. h. an die frühesten Revolutionen unseres Erdkörpers erinnern. Trachytberge öffnen sich plötzlich, werfen Lava und Asche aus und schließen sich wieder, vielleicht auf immer. So der mächtige Antisana in der Andeskette, so der Epomäus auf Ischia im Jahre 1302. Bisweilen geschieht ein solcher Ausbruch selbst in der Ebene, wie im Hochlande von Quito, in Island fern von Hecla, und in Euböa in den lelantischen Gefilden. Viele der gehobenen Inseln gehören zu diesen vorübergehenden Erscheinungen. Die Verbindung mit dem innern Erdkörper ist dann nicht permanent: die Wirkung hört auf, sobald die Kluft, der communicirende Canal, wiederum geschlossen ist. Gänge von Basalt, Dolorit und Porphyr, welche in verschiedenen Erdstrichen fast alle Formationen durchschneiden, Syenit, Augitporphyr und Mandelsteinmassen, welche die neuesten Schichten des Uebergangsgebirges und die älteste Schicht des Flötzgebirges charakterisiren, sind wahrscheinlich auf eine ähnliche Weise gebildet worden. In dem Jugendalter unseres Planeten drangen die flüssig gebliebenen Stoffe des Innern durch die überall geborstene Erdrinde hervor; bald erstarrend als körniges Ganggestein, bald sich überlagernd und schichtenweise verbreitend. Was die Urwelt von ausschließlich sogenannten vulkanischen Gebirgsarten uns überliefert hat, ist nicht bandartig, wie die Laven unserer isolirten Kegelberge, geflossen. Die Gemenge von Augit, Titaneisen, glasigem Feldspath und Hornblende mögen zu verschiedenen Epochen dieselben gewesen sein, bald dem Basalt, bald dem Trachyt näher; die chemischen Stoffe mögen sich (wie es Herrn Mitscherlich’s neue wichtige Arbeiten und die Analogie künstlicher Feuerproducte uns lehren) in bestimmten Mischungsverhältnissen krystallinisch an einander gereiht haben; immer erkennen wir, daß ähnlich zusammengesetzte Stoffe auf sehr verschiedenen Wegen an die Oberfläche der Erde gekommen sind, entweder bloß gehoben, oder mittelst temporärer Spalten durch ältere Gebirgsschichten, d. h. durch die früher oxydirte Erdrinde, hervorbrechen, oder aus Kegelbergen, die einen permanenten Krater haben, als Lavaströme ergossen. Die Verwechselung dieser so verschiedenartigen Erscheinungen führt die Geognosie der Vulkane in das Dunkel zurück, dem eine große Zahl vergleichender Erfahrungen sie allmählig zu entreißen angefangen hat. Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, was in den Vulkanen brenne, was die Wärme errege, bei welcher Erde und Metalle sich schmelzend mischen. Die neuere Chemie antwortet: was da brennt, sind die Erden, die Metalle, die Alkalien selbst, d. h. die Metalloide dieser Stoffe. Die feste, bereits oxydirte Erdrinde scheidet das umgebende sauerstoffhaltige Luftmeer von den brennbaren unoxydirten Stoffen im Innern unseres Planeten. Die Erfahrungen, die man unter allen Zonen in Bergwerken und Höhlen gemacht und die ich mit Herrn Arago in einer eigenen Abhandlung zusammengestellt, beweisen, daß schon in geringer Tiefe die Wärme des Erdkörpers um vieles höher, als an demselben Orte die mittlere Temperatur des Luftkreises ist. Eine so merkwürdige und fast allgemein bewährte Thatsache steht in Verbindung mit dem, was die vulkanischen Erscheinungen uns lehren. Laplace hat sogar die Tiefe zu berechnen versucht, in welcher man den Erdkörper als eine geschmolzene Masse betrachten könne. Welche Zweifel man auch, trotz der gerechten Verehrung, die einem so großen Namen gebührt, gegen die numerische Gewißheit einer solchen Rechnung erheben kann, so bleibt es doch wahrscheinlich, daß alle vulkanischen Erscheinungen aus einer sehr einfachen Ursache, aus einer steten oder vorübergehenden Verbindung zwischen dem Innern und Aeußern unseres Planeten entstehen. Elastische Dämpfe drücken die geschmolzenen, sich oxydirenden Stoffe durch tiefe Spalten aufwärts. Vulkane sind, so zu sagen, intermittirende Erdquellen; die flüssigen Gemenge von Metallen, Alkalien und Erden, die zu Lavaströmen erstarren, fließen sanft und stille, wenn sie, gehoben, irgendwo einen Ausgang finden. Auf ähnliche Weise stellten sich die Alten (nach Platon’s Phädon) alle vulkanischen Feuerströme, als Ausflüsse des Pyriphlegethon vor. Diesen Betrachtungen sei es mir erlaubt, eine andere noch gewagtere anzuschließen. Vielleicht liegt auch in der innern Wärme des Erdkörpers, auf welche Thermometer-Versuche und Beobachtungen über die Vulkane hindeuten, die Ursache eines der wunderbarsten Phänomene, welche die Petrefactenkunde uns darbietet. Tropische Thiergestalten, baumartige Farrenkräuter, Palmen und Bambus-Gewächse liegen vergraben im kalten Norden. Ueberall zeigt uns die Urwelt eine Vertheilung organischer Bildungen, mit der die dermalige Beschaffenheit der Klimate im Widerspruch steht. Zur Lösung eines so wichtigen Problems hat man mehrerlei Hypothesen ersonnen, Annäherung eines Kometen, veränderte Schiefe der Ekliptik, vermehrte Intensität des Sonnenlichtes. Keine derselben hat den Astronomen, den Physiker und den Geognosten zugleich befriedigen können. Ich meines Theils lasse gern unverändert die Achse der Erde, oder das Licht der Sonnenscheibe, aus deren Flecken ein berühmter Sternkundiger Fruchtbarkeit und Mißwachs der Felder erklärt hat, aber ich glaube zu erkennen, daß in jeglichem Planeten, unabhängig von seinen Verhältnissen zu einem Centralkörper und von seinem astronomischen Stande, mannigfaltige Ursachen der Wärmeentbindung liegen, durch Oxydationsprocesse, Niederschläge und chemisch veränderte Capacität der Körper, durch Zunahme elektrisch-magnetischer Ladung, durch geöffnete Communication zwischen den innern und äußern Theilen. Wo in der Vorwelt die tief gespaltete Erdrinde aus ihren Klüften Wärme ausstrahlte, da konnten vielleicht Jahrhunderte lang, in ganzen Länderstrecken, Palmen und baumartige Farrenkräuter und alle Thiere der heißen Zone gedeihen. Nach dieser Ansicht der Dinge, die ich in meinem Werke »Geognostischer Versuch über die Lagerung der Gebirgsarten in beiden Hemisphären« bereits angedeutet habe, wäre die Temperatur der Vulkane die des innern Erdkörpers selbst, und dieselbe Ursache, welche jetzt so schauervolle Verwüstungen anrichtet, hätte einst, auf der neu oxydirten Erdrinde, auf den tiefzerklüfteten Felsschichten, unter jeglicher Zone, den üppigsten Pflanzenwuchs hervorrufen können. Ist man geneigt anzunehmen, um die wunderbare Vertheilung der Tropenbildungen in ihren alten Grabstätten zu erklären, daß langbehaarte elephantenartige Thiere, jetzt von Eisschollen umschlossen, einst den nördlichen Klimaten ursprünglich eigen waren und daß ähnliche, demselben Haupttypus zugehörige Bildungen, wie Löwen und Luchse, zugleich in ganz verschiedenen Klimaten leben konnten, so würde eine solche Erklärungsweise sich doch wohl nicht auf die Pflanzenproducte ausdehnen lassen. Aus Gründen, welche die Physiologie der Gewächse entwickelt, können Palmen, Pisang-Gewächse und baumartige Monokotyledonen nicht die nordische Kälte ertragen, und in dem geognostischen Problem, das wir hier berühren, scheint es mir schwer, Pflanzen- und Thierbildungen von einander zu trennen. Dieselbe Erklärungsart muß beide Bildungen umfassen. Ich habe am Schluß dieser Abhandlung den Thatsachen, die in den verschiedensten Weltgegenden gesammelt worden sind, unsichere hypothetische Vermuthungen angereiht. Die philosophische Naturkunde erhebt sich über die Bedürfnisse einer bloßen Naturbeschreibung. Sie besteht nicht in einer sterilen Anhäufung isolirter Beobachtungen. Dem neugierig regsamen Geiste des Menschen sei es bisweilen erlaubt, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüberzuschweifen, zu ahnen, was noch nicht klar erkannt werden kann, und sich an den alten, unter vielerlei Formen wiederkehrenden Mythen der Geognosie zu ergötzen. [1823.]