Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „Bau und Wirkungsart der Vulkane“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1823-Ueber_den_Bau-09-neu> [abgerufen am 25.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1823-Ueber_den_Bau-09-neu
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Bau und Wirkungsart der Vulkane
Jahr 1847
Ort Zürich
Nachweis
in: Karl Mager, Lesebuch zur Encyklopädie enthaltend 250 Abhandlungen und Bruchstücke aus 174 Schriften von 129 Autoren über Gegenstände aus allen Gebieten der Wissenschaft, Zürich: Meyer und Zeller 1847, S. 71–79.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua; Spaltensatz; Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.37
Dateiname: 1823-Ueber_den_Bau-09-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 9
Spaltenanzahl: 18
Zeichenanzahl: 41357

Weitere Fassungen
Über den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen (Erfurt; Weimar; Leipzig, 1823, Deutsch)
On the Constitution and Mode of Action of Volcanoes, in different Parts of the Earth (London, 1823, Englisch)
On the Constitution and Mode of Action of Volcanoes, in different parts of the Earth (New York City, New York, 1823, Englisch)
Ueber den Bau und die Wirksamkeit der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen (Frankfurt am Main, 1824, Deutsch)
Über den Bau und die Wirkungsart der Vulcane in verschiedenen Erdstrichen. (Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 24. Januar 1823) (Berlin, 1825, Deutsch)
O budowie i sposobie działania Wulkanów w róźnych częściach ziemi (Warschau, 1828, Polnisch)
Essay on the Structure and Action of Volcanoes in different regions of the Earth (Edinburgh, 1828, Englisch)
Ueber den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in den verschiedenen Erdstrichen. (Gelesen in der öffentlichen Versammlung der kön. Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 24. Januar 1823) (Leipzig, 1839, Deutsch)
Bau und Wirkungsart der Vulkane (Zürich, 1847, Deutsch)
Liquid Fire in the Interior of the Earth (Manchester, 1849, Englisch)
Facts respecting Volcanos (London, 1850, Englisch)
Facts Respecting Volcanos (Canterbury, 1850, Englisch)
Phenomena connected with an Eruption of Vesuvius (London, 1850, Englisch)
Устройство и дѣятельность вулканов. (Изъ новаго изданiя « Гумбольдтовыхъ картинъ природы [sic].) [Ustrojstvo i dějatelʹnostʹ vulkanov. (Iz novago izdanija Gumbolʹdtovych kartin prirody.)] (Sankt Petersburg, 1852, Russisch)
|71|

Bau und Wirkungsart der Vulkane.

(A. v. Humboldt, Ansichten der Natur [1826] II. S. 126 — 178.)

|Spaltenumbruch| Wenn man den Einfluß betrachtet, den seitJahrhunderten die erweiterte Erdkunde und wis-senschaftliche Reisen in entfernte Regionen aufdas Studium der Natur ausgeübt haben, so er-kennt man bald, wie verschiedenartig derselbegewesen ist, je nachdem die Untersuchung aufdie Formen der organischen Welt oder auf dastodte Erdgebilde, auf die Kenntniß der Felsarten,ihr relatives Alter und ihre Entstehung gerichtetwar. Andere Gestalten von Pflanzen und Thierenbeleben die Erde in jeglicher Zone, sei es, woin der meergleichen Ebene die Wärme des Luft-kreises nach der geographischen Breite und denmannigfaltigen Krümmungen der isothermen Li-nien, oder wo sie fast scheitelrecht, an dem |Spaltenumbruch| steilen Abhange der Gebirgsketten, wechselt. Dieorganische Natur gibt jedem Erdstrich seinen ei-genen physiognomischen Charakter; nicht so dieunorganische, da wo die feste Rinde des Erdkör-pers von der Pflanzendecke entblößt ist. DieselbenGebirgsarten, gruppenweise sich anziehend undabstoßend, erscheinen in beiden Hemisphären vomAequator an bis zu den Polen hin. In einemfernen Eilande, von fremdartigen Gewächsen um-geben, unter einem Himmel, wo nicht mehr diealten Sterne leuchten, erkennt oft der Seefahrer,freudig erstaunt, den heimischen Thonschiefer, diewohlbekannte Gebirgsart des Vaterlandes. Die Unabhängigkeit der geognostischen Ver-hältnisse von der gegenwärtigen Constitution der |72| |Spaltenumbruch| Klimate mindert nicht den wohlthätigen Einfluß,welchen zahlreiche, in fremden Weltgegenden an-gestellte Beobachtungen auf die Fortschritte derGebirgskunde und der physikalischen Geognosieausüben; sie gibt derselben nur eine eigenthüm-liche Richtung. Jede Expedition bereichert dieNaturkunde mit neuen Pflanzen- und Thiergat-tungen. Bald sind es organische Formen, die sichan längst bekannte Typen anreihen, und uns dasregelmäßig gewebte, oft scheinbar unterbrocheneNetz belebter Naturbildungen in seiner ursprüng-lichen Vollkommenheit darstellen. Bald sind esBildungen, die isolirt auftreten, als entkommeneReste untergegangener Geschlechter, oder als un-bekannte, Erwartung erregende Glieder noch zuentdeckender Gruppen. Eine solche Mannigfaltig-keit gewährt freilich nicht die Untersuchung derfesten Erdrinde. Sie offenbart uns vielmehr eineUebereinstimmung in den Gemengtheilen, in derAuflagerung verschiedenartiger Massen und inihrer periodischen Wiederkehr, welche die Be-wunderung des Geognosten erregt. In der Andes-kette, wie in dem Centralgebirge Europa’s scheinteine Formation gleichsam die andere herbeizu-rufen. Gleichnamige Massen gestalten sich zuähnlichen Formen: in Zwillingsberge, Basalt undDolorit; als prallige Felswände, Dolomit, Quader-sandstein und Porphyr; zu Glocken oder hochge-wölbten Domen der glasige, feldspathreiche Tra-chyt. In den entferntesten Zonen sondern sichgleichartig, wie durch innere Entwickelung, grö-ßere Krystalle aus dem dichten Gewebe der Grund-masse ab, umhüllen einander, treten in unter-geordnete Lager zusammen, und verkündigenoft, als solche, die Nähe einer neuen unabhängi-gen Formation. So spiegelt sich, mehr oder min-der klar, in jedem Gebirge von beträchtlicherAusdehnung die ganze unorganische Welt; dochum die wichtigen Erscheinungen der Zusammen-setzung, des relativen Alters und der Entstehungder Gebirgsarten vollständig zu erkennen, müssenBeobachtungen aus den verschiedensten Erdstri-chen mit einander verglichen werden. Probleme,die dem Geognosten lange in seiner nordischenHeimath räthselhaft erschienen, finden ihre Lö-sung nahe am Aequator. Wenn die fernen Zonen,wie schon oben bemerkt ward, uns nicht neueGebirgsarten liefern, das heißt unbekannte Grup-pirungen einfacher Stoffe, so lehren sie uns da-gegen die großen, überall gleichen Gesetze ent-hüllen, nach denen die Schichten der Erdrindesich wechselseitig tragen, sich gangartig durch-brechen, oder mittelst elastischer Kräfte gehobenwerden. |Spaltenumbruch| Bei dem so eben geschilderten Nutzen, denunser geognostisches Wissen aus Untersuchungenzieht, welche große Länderstrecken umfassen, darfes uns nicht befremden, daß eine Classe von Er-scheinungen lange um so einseitiger betrachtetworden ist, als die Vergleichungspuncte schwie-riger, man könnte fast sagen, mühevoller aufzu-finden sind. Was man bis gegen das Ende desverflossenen Jahrhunderts von der Gestalt derVulkane und dem Wirken ihrer unterirdischenKräfte zu wissen glaubte, war von zwei Bergendes südlichen Italiens, dem Vesuv und dem Aetnahergenommen. Da der erste zugänglicher ist, und(wie alle niedrige Vulkane) häufiger auswirft, sohat ein Hügel gleichsam zum Typus gedient, nachwelchem man sich eine ganze ferne Welt, diemächtigen an einander gereihten Vulkane vonMexiko, Süd-Amerika, und den asiatischen Inselngebildet dachte. Ein solches Verfahren mußte mitRecht an Virgil’s Hirten erinnern, der in seinerengen Hütte das Vorbild der ewigen Stadt, desköniglichen Roms, zu sehen wähnte. Allerdings hätte eine sorgfältigere Untersuchungdes ganzen Mittelmeeres, besonders der östlichenInseln und Küstenländer, wo die Menschheit zu-erst zu geistiger Cultur und edlern Gefühlen er-wachte, eine so einseitige Naturansicht vernichtenkönnen. Aus dem tiefen Meeresgrunde haben sichhier, unter den Sporaden, Trachytfelsen zu Inselnerhoben, dem azorischen Eilande ähnlich, das indrei Jahrhunderten dreimal, fast in gleichen Zeit-abständen, periodisch erschienen ist. ZwischenEpidaurus und Trözene bei Methone hat der Pe-loponnes einen Monte nuovo, den Strabo be-schrieben, und Dodwell wieder gesehen hat,höher als der Monte nuovo der phlegräischen Fel-der bei Bajä, vielleicht selbst höher als der neueVulkan von Xorullo in den mexikanischen Ebe-nen, den ich von mehreren tausend kleinen, ausder Erde herausgeschobenen, noch gegenwärtigrauchenden Basaltkegeln umringt gefunden habe.Auch im Becken des Mittelmeeres bricht das vul-kanische Feuer nicht bloß aus permanenten Kra-tern, aus isolirten Bergen aus, die eine dauerndeVerbindung mit dem Innern der Erde haben, wieStromboli, der Vesuv und der Aetna. Auf Ischia,am Epomäus, und, wie es nach den Berichtender Alten scheint, auch in der Lelantischen Ebenebei Chalcis sind Laven aus Erdspalten geflossen,die sich plötzlich geöffnet haben. Neben diesenErscheinungen, die in die historische Zeit, in dasenge Gebiet sicherer Traditionen fallen, und wel-che Ritter in seiner meisterhaften Erdkundesammeln und erläutern wird, enthalten die Küsten |73| |Spaltenumbruch| des Mittelmeeres noch mannigfaltige Reste ältererFeuerwirkungen. Das südliche Frankreich zeigtuns in Auvergne ein eigenes geschlossenes System aneinander gereiheter Vulkane, Trachytglocken, ab-wechselnd mit Auswurfskegeln, aus denen Lava-ströme bandförmig sich ergießen. Die lombardi-sche seegleiche Ebene, welche den innersten Busendes adriatischen Meeres bildet, umschließt denTrachyt der Euganeischen Hügel, wo Dome vonkörnigem Trachyt, von Obsidian und Perlsteinsich erheben, drei aus einander sich entwickelndeMassen, die den feuersteinhaltigen Jurakalk durch-brechen, aber nie in schmalen Strömen geflossensind. Aehnliche Zeugen alter Erdrevolutionenfindet man in vielen Theilen des griechischenContinents und in Vorder-Asien, Länder, die demGeognosten einst reichen Stoff zu Untersuchungendarbieten werden, wenn das Licht dahin zurück-kehrt, von wo es zuerst über die westliche Weltgestrahlt, wenn die gequälte Menschheit nichtmehr unter der wilden Barbarei der Osmanenerliegt. Ich erinnere an die geographische Nähe somannigfaltiger Erscheinungen, um zu bewähren,daß der Kessel des Mittelmeeres mit seinen Insel-reihen dem aufmerksamen Beobachter Alles hättedarbieten können, was neuerlichst unter mannig-faltigen Formen und Bildungen in Süd-Amerika,auf Teneriffa, oder in den Aleuten, der Polar-gegend nahe, entdeckt worden ist. Die Gegen-stände der Beobachtung fanden sich zusammen-gedrängt; aber Reisen in ferne Klimate, Verglei-chungen großer Länderstriche in und außerhalbEuropa waren nöthig, um das Gemeinsame dervulkanischen Erscheinungen und ihre Abhängig-keit von einander klar zu erkennen. Der Sprachgebrauch, welcher oft den erstenirrigen Ansichten der Dinge Dauer und Ansehengibt, oft aber auch instinctmäßig das Wahre be-zeichnet, der Sprachgebrauch nennt vulkanisch alle Ausbrüche unterirdischen Feuers und ge-schmolzener Materien; Rauch- und Dampfsäulen,die sporadisch aus den Felsen aufsteigen, wie bei Colares nach dem großen Erdbeben von Lissa-bon; Salse, oder feuchten Koth, Asphalt undHydrogen auswerfende Lettenkegel, wie bei Gir-genti in Sicilien, und bei Turbaco in Süd-Amerika,heiße Geiser-Quellen, die von elastischen Dämpfengedrückt, sich erheben, ja im Allgemeinen alleWirkungen wilder Naturkräfte, die ihren Sitz tiefim Innern unseres Planeten haben. In Mittel-Amerika (Guatemala) und in den PhilippinischenInseln unterscheiden die Eingebornen sogar förm-lich zwischen Wasser- und Feuervulkanen, |Spaltenumbruch| Volcanes de agua y de fuego. Mit dem erstenNamen bezeichnen sie Berge, aus welchen beiheftigen Erdstößen und mit dumpfem Krachen, vonZeit zu Zeit, unterirdische Wasser ausbrechen. Ohne den Zusammenhang der so eben genanntenPhänomene zu leugnen, scheint es doch rathsam,dem physischen wie dem oryktognostischen Theileder Geognosie eine bestimmtere Sprache zu geben,und mit dem Worte Vulkan nicht bald einen Bergzu bezeichnen, der sich in einen permanentenFeuerschlund endigt, bald jegliche unterirdischeUrsache vulkanischer Erscheinungen. Im gegen-wärtigen Zustande der Erde ist freilich in allenWelttheilen die Form isolirter Kegelberge (die desVesuvs, des Aetna, des Pics von Teneriffa, desTunguragua und Cotopaxi) die gewöhnlichste Formder Vulkane; ich habe sie von dem niedrigstenHügel bis zu 17,700 Fuß über der Meeresflächeanwachsen sehen; aber neben diesen Kegelbergenfindet man auch permanente Feuerschlünde, blei-bende Communicationen mit dem Innern der Erdeauf langgedehnten zackigen Rücken und zwar nichteinmal immer in der Mitte ihrer mauerartigenGipfel, sondern am Ende derselben, gegen denAbfall hin. So der Pichincha, der sich zwischender Südsee und der Stadt Quito erhebt, und denBouguer’s früheste Barometerformeln berühmt ge-macht haben; so die Vulkane, die in der 10,000Fuß hohen Steppe de los Pastos sich erheben.Alle diese Gipfel von mannigfaltigen Gestalten be-stehen aus Trachyt, sonst Trapp-Porphyr genannt,einem körnigen, rissig zerklüfteten Gesteine vonglasigem Feldspath und Hornblende, welchemAugit, Glimmer, blättriger Feldspath und Quarznicht ganz fremd sind. Wo die Zeugen des erstenAusbruches, ich möchte sagen, das alte Gerüstesich vollständig erhalten hat, da umgibt die iso-lirten Kegelberge circusartig eine hohe Felsmauer,ein Mantel, aus aufgelagerten Schichten zusam-mengesetzt. Solche Mauern oder ringförmige Um-gebungen heißen Erhebungs-Krater, einegroße, wichtige Erscheinung, über welche dererste Geognost unserer Zeit, Leopold v. Buch, aus dessen Schriften ich auch in dieser Abhand-lung mehrere Ansichten entlehne, unserer (derBerliner) Akademie vor fünf Jahren eine denk-würdige Abhandlung vorgelegt hat. Mit dem Luftkreise durch Feuerschlünde com-municirende Vulkane, konische Basalthügel undglockenförmige, kraterlose Trachytberge, letzterebald niedrig wie der Sarcouy, bald hoch wie derChimborazo, bilden mannigfaltige Gruppen. Hierzeigt uns die vergleichende Erdkunde kleineArchipele, gleichsam geschlossene Bergsysteme, |74| |Spaltenumbruch| mit Krater und Lavaströmen in den KanarischenInseln und den Azoren; ohne Krater und ohneeigentliche Lavaströme in den Euganeen und demSiebengebirge bei Bonn: dort beschreibt sie unsVulkane, in einfachen oder doppelten Ketten aneinander gereiht, viele hundert Meilen lange Züge,bald der Hauptrichtung der Gebirge parallel, wiein Guatemala, Peru und Java, bald die Achse derGebirge senkrecht durchschneidend, wie im Landeder Azteken, wo feuerspeiende Trachytberge alleindie hohe Schneegrenze erreichen, und wahrschein-lich auf einer Kluft ausgebrochen sind, die in ei-ner Länge von 105 geographischen Meilen denganzen Continent, vom stillen Meer bis zum at-lantischen Ocean durchschneidet. Dieses Zusammendrängen der Vulkane bald ineinzelne rundliche Gruppen, bald in doppelte Züge,liefert den entscheidendsten Beweis, daß die vul-kanischen Wirkungen nicht von kleinlichen, derOberfläche nahen Ursachen, abhängen, sonderngroße tiefbegründete Erscheinungen sind. Derganze östliche, an Metallen arme Theil des ame-rikanischen Festlandes, ist in seinem gegenwär-tigen Zustande ohne Feuerschlünde, ohne Tra-chytmassen, wahrscheinlich selbst ohne Basaltemit Olivin. Alle amerikanischen Vulkane sind, indem Asien gegenüber liegenden Theile vereinigt,in der meridianartig ausgedehnten, 1800 geographi-schen Meilen langen Andeskette. Auch ist dasganze Hochland von Quito, dessen Gipfel Pi-chincha, Cotopaxi und Tunguragua bilden, eineinziger vulkanischer Heerd. Das unterirdischeFeuer bricht bald aus der einen, bald aus der an-dern dieser Oeffnungen aus, die man sich als ab-gesonderte Vulkane zu betrachten gewöhnt hat.Die fortschreitende Bewegung des Feuers ist hierseit drei Jahrhunderten von Norden gegen Südengerichtet. Selbst die Erdbeben, welche so furcht-bar diesen Welttheil heimsuchen, liefern merk-würdige Beweise von der Existenz unterirdischerVerbindungen, nicht bloß zwischen vulkanlosenLändern, was längst bekannt ist, sondern auchzwischen Feuerschlünden, die weit von einanderentfernt sind. So stieß der Vulkan von Pasto öst-lich vom Flusse Guaytara, 3 Monate lang im Jahr1797 ununterbrochen eine hohe Rauchsäule aus.Diese Säule verschwand in demselben Augenblick,als 60 Meilen davon das große Erdbeben von Rio-bamba und der Schlammausbruch der Moya drei-ßig- bis vierzigtausend Indianer tödteten. Dieplötzliche Erscheinung der azorischen Insel Sa-brina, am 30sten Januar 1811, war der Vorbote derfürchterlichen Erdstöße, welche weiter westlichvom Monat Mai 1811 bis zum Junius 1813 fast un- |Spaltenumbruch| aufhörlich, erst die Antillen, dann die Ebenen desOhio und Missisipi und zuletzt die gegenüberste-henden Küsten von Venezuela erschütterten. Drei-ßig Tage nach der gänzlichen Zerstörung der StadtCaraccas erfolgte der Ausbruch des Vulkans vonSanct Vincent in den nahen Antillen. In demselbenAugenblick, als diese Explosion erfolgte, am 30stenApril 1811, wurde ein Schrecken erregendes unter-irdisches Getöse in allen Theilen einer Landstreckevon 2200 geographischen Quadratmeilen vernommen.Die Anwohner des Apure, beim Einfluß des RioNula, verglichen dies Getöse ebenso, als die fern-sten Küstenbewohner, mit der Wirkung schwerenGeschützes. Nun werden aber von dem Einflußdes Rio Nula in den Apure, durch welchen ichin den Orinoco gekommen bin, bis zum Vulkanvon Sanct Vincent, in gerader Richtung 157 geogr.Meilen gezählt. Dies Getöse, welches sich gewißnicht durch die Lüfte fortpflanzte, muß eine tiefeunterirdische Ursache gehabt haben. Seine Inten-sität war kaum größer an den Küsten des Antil-lischen Meeres, dem ausbrechenden Vulkan näher,als in dem Innern des Landes. Es würde zwecklos sein, die Zahl dieser Beispielezu vermehren, ich gedenke nur noch des bekanntenErdbebens zu Lissabon. Gleichzeitig mit demsel-ben, am 1sten November 1755, wurden nicht nurdie Schweizer Seen, und das Meer an den Schwe-dischen Küsten heftig bewegt, selbst in den öst-lichen Antillen, um Martinique, Antigua und Bar-bados, wo die Fluth nie über 28 Zoll erreicht,stieg sie plötzlich 20 Fuß hoch. Alle diese Phä-nomene beweisen, daß die unterirdischen Kräfteentweder dynamisch, spannend und erschütterndim Erdbeben, oder producirend und chemisch ver-ändernd in den Vulkanen sich äußern. Sie bewei-sen auch, daß diese Kräfte nicht oberflächlich,aus der dünnen Erdrinde, sondern tief aus demInnern unseres Planeten durch Klüfte und unaus-gefüllte Gänge nach den entferntesten Punkten derErdfläche gleichzeitig hinwirken. Je mannigfaltiger der Bau der Vulkane, dasheist der Erhebungen ist, welche den Canal um-schließen, durch welchen die geschmolzenen Mas-sen des innern Erdkörpers an die Oberfläche ge-langen, desto wichtiger ist es, diesen Bau mittelstgenauer Messungen zu ergründen. Das Interessedieser Messungen, die in einem andern Welttheileein besonderer Gegenstand meiner Untersuchungengewesen sind, wird durch die Betrachtung erhöht,daß das zu Messende an vielen Punkten eine ver-änderliche Größe ist. Die philosophische Natur-kunde ist bemüht, in dem Wechsel der Erschei-nungen die Gegenwart an die Vergangenheit an- |75| |Spaltenumbruch| zureihen. Um eine periodische Wiederkehr, oderüberhaupt die Gesetze fortschreitender Naturver-änderungen zu ergründen, bedarf es gewisser fe-ster Puncte, sorgfältig angestellter Beobachtungen,die, an bestimmte Epochen gebunden, zu nu-merischen Vergleichungen dienen können. Hätteauch nur von tausend zu tausend Jahren die mitt-lere Temperatur des Luftkreises und der Erde inverschiedenen Breiten, oder die mittlere Höhe desBarometers an der Meeresfläche bestimmt werdenkönnen, so würden wir wissen, in welchem Ver-hältniß die Wärme der Klimate zu- oder abgenom-men, ob die Höhe der Atmosphäre Veränderun-gen erlitten hat. Eben dieser Vergleichungspunktebedarf man für die Neigung und Abweichung derMagnetnadel, wie für die Intensität der magne-tisch-elektrischen Kräfte, über welche zwei treff-liche Physiker, Seebeck und Erman, ein sogroßes Licht verbreitet haben. Wenn es ein rühm-liches Geschäft gelehrter Gesellschaften ist, denkosmischen Veränderungen der Wärme, des Luft-druckes, der magnetischen Richtung und Ladungbeharrlich nachzuspüren, so ist es dagegen diePflicht des reisenden Geognosten bei Bestimmungder Unebenheiten der Erdoberfläche hauptsächlichauf die veränderliche Höhe der Vulkane Rücksichtzu nehmen. Was ich vormals in den mexikani-schen Gebirgen, am Toluca, Nauhcampatepetl undXorullo, in den Anden von Quito am Pichinchaversucht, habe ich Gelegenheit gehabt, seit mei-ner Rückkehr nach Europa zu verschiedenen Epo-chen am Vesuv zu wiederholen. Saussure hattediesen Berg im Jahr 1773 in einer Zeit gemessen,wo beide Ränder des Kraters, der nordwestlicheund südöstliche, ihm gleich hoch schienen. Erfand ihre Höhe über der Meeresfläche 609 Toisen.Die Eruption von 1794 verursachte einen Absturzgegen Süden, eine Ungleichheit der Krater-Rän-der, welche das ungeübteste Auge selbst in gro-ßer Entfernung unterscheidet. Wir maßen, Herr v. Buch, Gay-Lussac und ich, im Jahre 1805 den Vesuv dreimal undfanden den nördlichen Rand, der der Somma ge-genüber steht, la Rocca del Palo, genau wie Saus-sure; den südlichen Rand aber 75 Toisen nied-riger, als 1773. Die ganze Höhe des Vulkan’shatte gegen Torre del Greco hin, (nach einer Seite,gegen welche seit 30 Jahren das Feuer gleichsamvorzugsweise hinwirkt,) um ⅛ abgenommen. DerAschenkegel verhält sich zur ganzen Höhe desBerges am Vesuv wie 1 zu 3, am Pichincha wie1 zu 10, am Pic von Teneriffa wie 1 zu 22. DerVesuv hat also verhältnißmäßig den höchstenAschenkegel, wahrscheinlich schon darum, weil |Spaltenumbruch| er, als ein niedriger Vulkan, am meisten durchseinen Gipfel gewirkt hat. Vor wenigen Monatenist es mir geglückt, nicht bloß meine früheren Ba-rometer-Messungen am Vesuv zu wiederholen,sondern auch, bei dreimaliger Besteigung des Ber-ges, eine vollständigere Bestimmung aller Krater-Ränder zu unternehmen. Diese Arbeit verdientvielleicht darum einiges Interesse, weil sie dieEpoche großer Eruptionen von 1805—1822 um-faßt, und vielleicht die einzige in allen ihren Thei-len vergleichbare Messung ist, welche man bishervon irgend einem Vulkane bekannt gemacht hat.Sie beweist, daß die Ränder der Krater, nichtbloß da, wo sie, (wie am Pic von Teneriffa undan allen Vulkanen der Andeskette) sichtbar ausTrachyt bestehen, sondern überall ein weit be-ständigeres Phänomen sind, als man bisher nachflüchtig angestellten Beobachtungen geglaubt hat.Einfache Höhenwinkel aus denselben Punkten be-stimmt, eignen sich zu diesen Untersuchungennoch mehr, als vollständige trigonometrische undbarometrische Messungen. Nach meinen letztenBestimmungen hat sich der nordwestliche Randdes Vesuv’s seit Saussure, also seit 49 Jahren,vielleicht gar nicht, der südöstliche Rand, gegenBosche Tre Case hin, welcher 1794 um 400 Fußniedriger ward, kaum um 10 Toisen verändert. Wenn man in öffentlichen Blättern, bei derBeschreibung großer Auswürfe, so oft der gänz-lich veränderten Gestalt des Vesuvs erwähnt fin-det, wenn man diese Behauptungen durch die pi-toresken Ansichten bewährt glaubt, welche inNeapel von dem Berge entworfen werden, so liegtdie Ursache des Irrthums darin, daß man die Um-risse der Kraterränder mit den Umrissen der Aus-wurfskegel verwechselt, welche zufällig in derMitte des Kraters auf dem, durch Dämpfe geho-benen Boden des Feuerschlundes sich bilden. Einsolcher Auswurfskegel, von Rapilli und Schlackenlocker aufgethürmt, war in den Jahren 1816 und1818 allmählig über dem südöstlichen Kraterrandsichtbar geworden. Die Eruption vom Monat Fe-bruar 1822 hatte ihn dergestalt vergrößert, daß erselbst 100 bis 110 Fuß höher, als der nordwest-liche Kraterrand, (die Rocca del Palo) gewordenwar. Dieser merkwürdige Kegel nun, den mansich in Neapel als den eigentlichen Gipfel des Ve-suvs zu betrachten gewöhnt hatte, ist bei demletzten Auswurf, in der Nacht vom 22sten October,mit furchtbarem Krachen eingestürzt, so daß derBoden des Kraters, der seit 1811 ununterbrochenzugänglich war, gegenwärtig 750 Fuß tiefer liegtals der nördliche, 200 Fuß tiefer, als der süd-liche Rand des Vulkans. Die veränderliche Gestalt |76| |Spaltenumbruch| und relative Lage der Auswurfskegel, deren Oeff-nungen man ja nicht, wie so oft geschieht, mitdem Krater des Vulkan’s verwechseln muß, gibtdem Vesuv zu verschiedenen Epochen eine eigen-thümliche Physiognomie, und der Historiographdes Vulkans könnte aus dem Umriß des Berg-gipfels, nach dem bloßen Anblicke der Hackert-scheu Landschaften im Palaste von Portici, jenachdem die nördliche oder südliche Seite desBerges höher angedeutet ist, das Jahr errathen,in welchem der Künstler die Skizze zu seinemGemälde entworfen hat. Einen Tag nach dem Einsturz des 400 Fußhohen Schlackenkegels, als bereits die kleinen,aber zahlreichen Lavaströme abgeflossen waren,in der Nacht vom 23sten zum 24sten October, be-gann der feurige Ausbruch der Asche und derRapilli. Er dauerte ununterbrochen 12 Tage fort,doch war er in den ersten 4 Tagen am größten.Während dieser Zeit wurden die Detonationen imInnern des Vulkans so stark, daß die bloße Er-schütterung der Luft (von Erdstößen hat mandurchaus nichts verspürt) die Decken der Zimmerim Palaste von Portici sprengten. In den nahegelegenen Dörfern Resina, Torre del Greco, Torredell’ Annunziata und Bosche Tre Case zeigte sicheine merkwürdige Erscheinung. Die Atmosphärewar dermaßen mit Asche erfüllt, daß die ganzeGegend, in der Mitte des Tages, mehrere Stun-den lang in das tiefste Dunkel gehüllt blieb. Mangieng mit Laternen in den Straßen, wie es so oftin Quito, bei den Ausbrüchen des Pichincha, ge-schieht. Nie war die Flucht der Einwohner all-gemeiner gewesen. Man fürchtet Lavaströme we-niger als einen Aschenauswurf, ein Phänomen,das in solcher Stärke hier unbekannt ist, unddurch die dunkle Sage von der Zerstörungsweisevon Herculanum, Pompeji und Stabiä die Einbil-dungskraft der Menschen mit Schreckbildern er-füllt. Der heiße Wasserdampf, welcher während derEruption aus dem Krater aufstieg und sich in dieAtmosphäre ergoß, bildete beim Erkalten eindickes Gewölk um die neuntausend Fuß hoheAschen- und Feuersäule. Eine so plötzliche Con-densation der Dämpfe und, wie Gay-Lussac gezeigt hat, die Bildung des Gewölkes selbst ver-mehrten die elektrische Spannung. Blitze fuhrenschlängelnd nach allen Richtungen aus der Aschen-säule umher und man unterschied deutlich denrollenden Donner von dem innern Krachen desVulkans. Bei keinem andern Ausbruche war dasSpiel der elektrischen Schläge so auffallend ge-wesen. |Spaltenumbruch| Am Morgen des 26sten Octobers verbreitete sichdie sonderbare Nachricht: ein Strom siedendenWassers ergieße sich aus dem Krater und stürzeden Aschenkegel herab. Monticelli, der eifrigeund gelehrte Beobachter des Vulkans, erkanntebald, daß eine optische Täuschung dies irrige Ge-rücht veranlaßt habe. Der vorgebliche Strom wareine große Menge trockener Asche, die aus einerKluft in dem obersten Rande des Kraters, wieTriebsand, hervorschoß. Nachdem eine, die Fel-der verödende Dürre dem Ausbruch des Vesuvsvorangegangen war, erregte, gegen das Ende des-selben, das so eben beschriebene vulkanischeGewitter einen wolkenbruchartigen, aber langanhaltenden Regen. Solch eine Erscheinung cha-rakterisirt, unter allen Zonen, das Ende einerEruption. Da während derselben gewöhnlich derAschenkegel in Wolken gehüllt ist und da in sei-ner Nähe die Regengüsse am stärksten sind, sosieht man Schlammströme von allen Seiten herab-fließen. Der erschrockene Landmann hält diesel-ben für Wasser, die aus dem Innern des Vulkansaufsteigen und sich durch den Krater ergießen;der getäuschte Geognost glaubt in ihnen Meer-wasser zu erkennen oder kothartige Erzeugnissedes Vulkans, sogenannte eruptions boueuses, oder,wie die alten französischen Systematiker sagten,Producte einer feurig-wässrigen Liquefaction. Wenn die Gipfel der Vulkane (wie dies meistin der Andeskette der Fall ist) über die Schnee-region hinausreichen, oder gar bis zur zwiefachenHöhe des Aetna anwachsen, so werden, des ge-schmolzenen einsinternden Schnees wegen, die soeben beschriebenen Inundationen überaus häufigund verwüstend. Es sind Erscheinungen, die mitden Eruptionen der Vulkane meteorologisch zu-sammenhängen, und durch die Höhe der Berge,den Umfang ihrer stets beschneieten Gipfel unddie Erwärmung der Wände der Aschenkegel viel-fach modificirt werden: aber als eigentliche vul-kanische Erscheinungen dürfen sie nicht betrachtetwerden. In weiten Höhlen, bald am Abhange,bald am Fuß der Vulkane entstehen unterirdischeSeen, die mit den Alpenbächen vielfach commu-niciren. Wenn Erdstöße, die allen Feuerausbrü-chen der Andeskette vorhergehen, die ganze Massedes Vulkans mächtig erschüttern, so öffnen sichdie unterirdischen Gewölbe und es entstürzen ihnenzugleich Wasser, Fische und tuffartiger Schlamm.Dies ist die sonderbare Erscheinung, welche derWels der Cyklopen (Pime lodes Cyclopum) gewährt,den die Bewohner des Hochlandes von QuitoPrenadilla nennen und den ich kurz nach mei-ner Rückkunft beschrieben habe. Als nördlich |77| |Spaltenumbruch| vom Chimborazo in der Nacht vom 19ten zum20sten Junius 1698 der Gipfel des 18000 Fuß ho-hen Berges Carguairazo einstürzte, da bedecktenSchlamm und Fische, auf fast zwei Quadratmei-len, alle Felder umher. Ebenso wurden, siebenJahre früher, die Faulfieber der Stadt Ibarra ei-nem ähnlichen Fischauswurfe des Vulkans Imbam-buru zugeschrieben. Ich erinnere an diese Thatsachen, weil sie überden Unterschied zwischen dem Auswurf trockenerAsche und schlammartiger, Holz, Kohle und Mu-scheln umwickelnder Anschwemmungen von Tuffund Traß einiges Licht verbreiten. Die Aschen-menge, welche der Vesuv neuerlichst ausgewor-fen, ist, wie alles, was mit den Vulkanen undandern großen, schreckenerregenden Naturerschei-nungen zusammenhängt, in öffentlichen Blätternübermäßig vergrößert worden, ja zwei neapolita-nische Chemiker, Vicenze Pepe und Giuseppedi Nobilli, schrieben sogar, trotz der Wider-sprüche von Monticelli und Covelli, derAsche Silber- und Goldgehalt zu. Nach meinenUntersuchungen hat die in zwölf Tagen gefalleneAschenschicht gegen Bosche Tre Case hin, amAbhange des Konus, da wo Rapilli beigemengtwaren, nur 3 Fuß, in der Ebne höchstens 15 bis18 Zoll Dicke erreicht. Messungen dieser Artmüssen nicht an solchen Stellen geschehen, wodie Asche, wie Schnee oder Sand, vom Windezusammengeweht, oder durch Wasser breiartigangeschwemmt ist. Die Zeiten sind vorüber, woman, ganz nach Art der Alten, in den vulkani-schen Erscheinungen nur das Wunderbare suchte,wo man, wie Ktesias, die Asche des Aetna bisnach der indischen Halbinsel fliegen ließ. EinTheil der mexikanischen Gold- und Silbergängefindet sich freilich in trachytartigem Porphyr; aberin der Vesuv-Asche ist keine Spur von Goldoder Silber zu erkennen. So entfernt auch die Resultate, die ich hierentwickele und welche Monticelli’s genauernBeobachtungen entsprechen, von denen sind, dieman in den letzten Monaten verbreitet hat, sobleibt doch der Aschenauswurf des Vesuvs vom24sten zum 28sten October der denkwürdigste, vondem man, seit des ältern Plinius Tode, eine si-chere Nachricht hat. Die Menge ist vielleichtdreimal größer gewesen, als alle Asche, welcheman hat fallen sehen, so lange vulkanische Er-scheinungen mit Aufmerksamkeit beobachtet wer-den. Eine Schicht von 15 bis 18 Zoll scheint,auf den ersten Anblick, unwichtig gegen die Masse,mit der wir Pompeji bedeckt finden; aber ohneauch der Regengüsse und Anschwemmungen zu |Spaltenumbruch| gedenken, die freilich wohl diese Masse, seit Jahr-hunderten, vermehrt haben mögen, ohne den leb-haften Streit wieder aufzuregen, der, jenseits derAlpen, über die Zerstörungsursachen der campa-nischen Städte mit vielem Skepticismus geführtworden ist, darf man wohl hier in Erinnerungbringen, daß die Ausbrüche eines Vulkans, inweit von einander entfernten Zeitepochen, ihrerIntensität nach, keinesweges mit einander zu ver-gleichen sind. Alle auf Analogieen gestützteSchlüsse sind unzureichend, wenn sie sich aufquantitative Verhältnisse, auf Menge der Lavaund Asche, auf Höhe der Rauchsäulen, auf Stärkeder Detonationen beziehen. Aus der geographischen Beschreibung desStrabo und einem Urtheil des Vitruvius über denvulkanischen Ursprung des Bimsteins ersieht man,daß bis zu Vespasian’s Todesjahre, d. h. bis zumAusbruch, der Pompeji bedeckte, der Vesuv mehreinem ausgebrannten Vulkan, als einer Solfataraähnlich sah. Wenn plötzlich nach langer Ruhedie unterirdischen Kräfte sich neue Wege eröff-neten, wenn sie Schichten von uranfänglichem Ge-stein und Trachyt wiederum durchbrachen, somußten Wirkungen sich äußern, für welche diespäter erfolgten kein Maaß abgeben können. Ausdem bekannten Briefe, in welchem der jüngerePlinius den Tod seines Oheims dem Tacitus be-richtet, ersieht man deutlich, daß die Erneuerungder Ausbrüche, man könnte sagen, die Wieder-belebung des schlummernden Vulkans mit Eruptionder Asche anfieng. Eben dieses wurde bei Xo-rullo bemerkt, als der neue Vulkan im Septem-ber 1759, Syenit- und Trachytschichten durch-brechend, sich plötzlich in der Ebene erhob. DieLandleute flohen, weil sie auf ihren Hüten Aschefanden, welche aus der überall geborstenen Erdehervorgeschleudert ward. Bei den gewöhnlichenperiodischen Wirkungen der Vulkane endigt da-gegen der Aschenregen jede partielle Eruption.Ueberdies enthält der Brief des jüngern Pliniuseine Stelle, welche deutlich anzeigt, daß gleichAnfangs, ohne Einfluß der Anschwemmungen, dieaus der Luft gefallene trockene Asche eine Höhevon 4 bis 5 Fuß erreichte. »Der Hof,« heißt esim Verfolg der Erzählung, »durch den man indas Zimmer trat, in welchem Plinius Mittagsruhehielt, war so mit Asche und Bimstein angefüllt,daß wenn der Schlafende länger gezögert hätte,er den Ausgang würde versperrt gefunden haben.«In dem geschlossenen Raume eines Hofes kanndie Wirkung Asche zusammenwehender Windewohl eben nicht beträchtlich gewesen sein. Ich habe es gewagt, meine vergleichende |78| |Spaltenumbruch| Uebersicht der Vulkane durch einzelne, am Ve-suv angestellte Beobachtungen zu unterbrechen,theils des großen Interesses wegen, welches derletzte Ausbruch erregt hat, theils aber auch, weiljeder starke Aschenregen uns fast unwillkührlichan den classischen Boden von Pompeji und Her-culanum erinnert. Wir haben bisher die Gestalt und die Wir-kungen derjenigen Vulkane betrachtet, die durcheinen Krater in einer dauernden Verbindung mitdem Innern der Erde stehen. Ihre Gipfel sindgehobene, durch Gänge mannigfaltig durchschnit-tene Massen von Trachyt und Laven. Die Per-manenz ihrer Wirkungen läßt auf eine sehr zu-sammengesetzte Structur schließen. Sie haben,so zu sagen, einen mehr individuellen Charakter,der in langen Perioden sich gleich bleibt. Nahegelegene Berge geben meist ganz verschiedeneProducte, Leucit- und Feldspathlaven; Obsidianmit Bimstein und olivenhaltige, basaltartige Mas-sen. Sie gehören zu den neuern Erscheinungender Erde, durchbrechen meist alle Schichten desFlötzgebirges, und ihre Auswürfe und Lavaströmesind spätern Ursprungs, als unsere Thäler. IhrLeben, wenn man sich dieses figürlichen Ausdrucksbedienen dürfte, hängt von der Art und Dauerihrer Verbindung mit dem Innern des Erdkörpersab. Sie ruhen oft Jahrhunderte lang, entzündensich plötzlich wieder und enden als Wasserdampf,Gasarten und Säuren ausstoßende Solfataren. Bis-weilen, wie an dem Pic von Teneriffa, ist ihrGipfel bereits eine solche Werkstatt regenerirtenSchwefels geworden, und doch entfließen nochmächtige Lavaströme den Seiten des Berges, ba-saltartig in der Tiefe, obsidianartig mit Bimsteinnach oben hin, wo der Druck geringer ist. Unabhängig von diesen mit permanenten Kra-tern versehenen Vulkanen, gibt es eine andereArt vulkanischer Erscheinungen, die seltener be-obachtet werden, aber, vorzugsweise belehrendfür die Geognosie, an die Urwelt, d. h. an diefrühesten Revolutionen unseres Erdkörpers erin-nern. Trachytberge öffnen sich plötzlich, werfenLava und Asche aus und schließen sich wieder,vielleicht auf immer. So der mächtige Antisanain der Andeskette, so der Epomäus auf Ischia imJahre 1302. Bisweilen geschieht ein solcher Aus-bruch selbst in der Ebene, wie im Hochlande vonQuito, in Island fern von Hecla, und in Euböa inden lelantischen Gefilden. Viele der gehobenenInseln gehören zu diesen vorübergehenden Erschei-nungen. Die Verbindung mit dem innern Erd-körper ist dann nicht permanent: die Wirkunghört auf, sobald die Kluft, der communicirende |Spaltenumbruch| Canal, wiederum geschlossen ist. Gänge von Ba-salt, Dolorit und Porphyr, welche in verschiede-nen Erdstrichen fast alle Formationen durchschnei-den, Syenit, Augitporphyr und Mandelsteinmas-sen, welche die neuesten Schichten des Uebergangs-gebirges und die älteste Schicht des Flötzgebirgescharakterisiren, sind wahrscheinlich auf eine ähn-liche Weise gebildet worden. In dem Jugendalterunseres Planeten drangen die flüssig gebliebenenStoffe des Innern durch die überall geborsteneErdrinde hervor; bald erstarrend als körnigesGanggestein, bald sich überlagernd und schichten-weise verbreitend. Was die Urwelt von aus-schließlich sogenannten vulkanischen Gebirgsartenuns überliefert hat, ist nicht bandartig, wie dieLaven unserer isolirten Kegelberge, geflossen.Die Gemenge von Augit, Titaneisen, glasigemFeldspath und Hornblende mögen zu verschiede-nen Epochen dieselben gewesen sein, bald demBasalt, bald dem Trachyt näher; die chemischenStoffe mögen sich (wie es Herrn Mitscherlich’s neue wichtige Arbeiten und die Analogie künst-licher Feuerproducte uns lehren) in bestimmtenMischungsverhältnissen krystallinisch an einandergereiht haben; immer erkennen wir, daß ähnlichzusammengesetzte Stoffe auf sehr verschiedenenWegen an die Oberfläche der Erde gekommensind, entweder bloß gehoben, oder mittelst tem-porärer Spalten durch ältere Gebirgsschichten,d. h. durch die früher oxydirte Erdrinde, hervor-brechen, oder aus Kegelbergen, die einen perma-nenten Krater haben, als Lavaströme ergossen.Die Verwechselung dieser so verschiedenartigenErscheinungen führt die Geognosie der Vulkanein das Dunkel zurück, dem eine große Zahl ver-gleichender Erfahrungen sie allmählig zu entreißenangefangen hat. Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, wasin den Vulkanen brenne, was die Wärme errege,bei welcher Erde und Metalle sich schmelzendmischen. Die neuere Chemie antwortet: was dabrennt, sind die Erden, die Metalle, die Alkalienselbst, d. h. die Metalloide dieser Stoffe. Diefeste, bereits oxydirte Erdrinde scheidet das um-gebende sauerstoffhaltige Luftmeer von den brenn-baren unoxydirten Stoffen im Innern unseres Pla-neten. Die Erfahrungen, die man unter allen Zo-nen in Bergwerken und Höhlen gemacht und dieich mit Herrn Arago in einer eigenen Abhand-lung zusammengestellt, beweisen, daß schon ingeringer Tiefe die Wärme des Erdkörpers um vie-les höher, als an demselben Orte die mittlere Tem-peratur des Luftkreises ist. Eine so merkwürdigeund fast allgemein bewährte Thatsache steht in |79| |Spaltenumbruch| Verbindung mit dem, was die vulkanischen Er-scheinungen uns lehren. Laplace hat sogar dieTiefe zu berechnen versucht, in welcher man denErdkörper als eine geschmolzene Masse betrach-ten könne. Welche Zweifel man auch, trotz dergerechten Verehrung, die einem so großen Namengebührt, gegen die numerische Gewißheit einersolchen Rechnung erheben kann, so bleibt es dochwahrscheinlich, daß alle vulkanischen Erscheinun-gen aus einer sehr einfachen Ursache, aus einersteten oder vorübergehenden Verbindung zwischendem Innern und Aeußern unseres Planeten entste-hen. Elastische Dämpfe drücken die geschmolze-nen, sich oxydirenden Stoffe durch tiefe Spaltenaufwärts. Vulkane sind, so zu sagen, intermit-tirende Erdquellen; die flüssigen Gemenge vonMetallen, Alkalien und Erden, die zu Lavaströ-men erstarren, fließen sanft und stille, wenn sie,gehoben, irgendwo einen Ausgang finden. Aufähnliche Weise stellten sich die Alten (nach Pla-ton’s Phädon) alle vulkanischen Feuerströme, alsAusflüsse des Pyriphlegethon vor. Diesen Betrachtungen sei es mir erlaubt, eineandere noch gewagtere anzuschließen. Vielleichtliegt auch in der innern Wärme des Erdkörpers,auf welche Thermometer-Versuche und Beobach-tungen über die Vulkane hindeuten, die Ursacheeines der wunderbarsten Phänomene, welche diePetrefactenkunde uns darbietet. Tropische Thier-gestalten, baumartige Farrenkräuter, Palmen undBambus-Gewächse liegen vergraben im kaltenNorden. Ueberall zeigt uns die Urwelt eine Ver-theilung organischer Bildungen, mit der die der-malige Beschaffenheit der Klimate im Widerspruchsteht. Zur Lösung eines so wichtigen Problemshat man mehrerlei Hypothesen ersonnen, Annä-herung eines Kometen, veränderte Schiefe derEkliptik, vermehrte Intensität des Sonnenlichtes.Keine derselben hat den Astronomen, den Phy-siker und den Geognosten zugleich befriedigenkönnen. Ich meines Theils lasse gern unverän-dert die Achse der Erde, oder das Licht der Son-nenscheibe, aus deren Flecken ein berühmterSternkundiger Fruchtbarkeit und Mißwachs derFelder erklärt hat, aber ich glaube zu erkennen,daß in jeglichem Planeten, unabhängig von seinenVerhältnissen zu einem Centralkörper und von sei-nem astronomischen Stande, mannigfaltige Ursa-chen der Wärmeentbindung liegen, durch Oxy-dationsprocesse, Niederschläge und chemisch verän- |Spaltenumbruch| derte Capacität der Körper, durch Zunahme ele-ktrisch-magnetischer Ladung, durch geöffnete Com-munication zwischen den innern und äußern Theilen. Wo in der Vorwelt die tief gespaltete Erdrindeaus ihren Klüften Wärme ausstrahlte, da konntenvielleicht Jahrhunderte lang, in ganzen Länder-strecken, Palmen und baumartige Farrenkräuterund alle Thiere der heißen Zone gedeihen. Nachdieser Ansicht der Dinge, die ich in meinem Werke»Geognostischer Versuch über die Lagerung derGebirgsarten in beiden Hemisphären« bereits an-gedeutet habe, wäre die Temperatur der Vulkanedie des innern Erdkörpers selbst, und dieselbeUrsache, welche jetzt so schauervolle Verwüstun-gen anrichtet, hätte einst, auf der neu oxydirtenErdrinde, auf den tiefzerklüfteten Felsschichten,unter jeglicher Zone, den üppigsten Pflanzenwuchshervorrufen können. Ist man geneigt anzunehmen, um die wunder-bare Vertheilung der Tropenbildungen in ihrenalten Grabstätten zu erklären, daß langbehaarteelephantenartige Thiere, jetzt von Eisschollen um-schlossen, einst den nördlichen Klimaten ursprüng-lich eigen waren und daß ähnliche, demselbenHaupttypus zugehörige Bildungen, wie Löwen undLuchse, zugleich in ganz verschiedenen Klimatenleben konnten, so würde eine solche Erklärungs-weise sich doch wohl nicht auf die Pflanzenpro-ducte ausdehnen lassen. Aus Gründen, welchedie Physiologie der Gewächse entwickelt, könnenPalmen, Pisang-Gewächse und baumartige Mo-nokotyledonen nicht die nordische Kälte ertragen,und in dem geognostischen Problem, das wir hierberühren, scheint es mir schwer, Pflanzen- undThierbildungen von einander zu trennen. DieselbeErklärungsart muß beide Bildungen umfassen. Ich habe am Schluß dieser Abhandlung denThatsachen, die in den verschiedensten Weltge-genden gesammelt worden sind, unsichere hypo-thetische Vermuthungen angereiht. Die philoso-phische Naturkunde erhebt sich über die Bedürf-nisse einer bloßen Naturbeschreibung. Sie bestehtnicht in einer sterilen Anhäufung isolirter Beob-achtungen. Dem neugierig regsamen Geiste desMenschen sei es bisweilen erlaubt, aus der Ge-genwart in die Vorzeit hinüberzuschweifen, zuahnen, was noch nicht klar erkannt werden kann,und sich an den alten, unter vielerlei Formenwiederkehrenden Mythen der Geognosie zuergötzen. [1823.]