Ueber den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in den verſchiedenen Erdſtrichen . (Geleſen in der öffentlichen Verſammlung der kön. Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin am 24. Januar 1823.) Aus A. v. Humboldt’s „Anſichten der Natur“, 2r Band., Stuttgart und Tübingen 1826. Wenn man den Einfluß betrachtet, den ſeit Jahrhunderten die erweiterte Erdkunde und wiſſenſchaftliche Reiſen in entfernte Regionen auf das Studium der Natur ausgeübt haben, ſo erkennt man bald, wie verſchiedenartig derſelbe geweſen iſt, je nachdem die Unterſuchung auf die Formen der organiſchen Welt oder auf das todte Erdgebilde, auf die Kenntniß der Felsarten, ihr relatives Alter und ihre Entſtehung gerichtet war. Andere Geſtalten von Pflanzen und Thieren beleben die Erde in jeglicher Zone, ſei es wo in der meergleichen Ebene die Wärme des Luftkreiſes nach der geographiſchen Breite und den mannigfaltigen Krümmungen der iſothermen Linien, oder wo ſie faſt ſcheitelrecht, an dem ſteilen Abhange der Gebirgsketten, wechſelt. Die organiſche Natur giebt jedem Erdſtrich ſeinen eigenen phyſionomiſchen Charakter; nicht ſo die unorganiſche, da wo die feſte Rinde des Erdkörpers von der Pflanzendecke entblößt iſt. Dieſelben Gebirgsarten, gruppenweiſe ſich anziehend und abſtoßend, erſcheinen in beiden Hemiſphären vom Aequator an bis zu den Polen hin. In einem fernen Eilande, von fremdartigen Gewächſen umgeben, unter einem Himmel, wo nicht mehr die alten Sterne leuchten, erkennt oft der Seefahrer, freudig erſtaunt, den heimiſchen Thonſchiefer, die wohlbekannte Gebirgsart des Vaterlandes. Dieſe Unabhängigkeit der geognoſtiſchen Verhältniſſe von der gegenwärtigen Conſtitution der Klimate mindert nicht den wohlthätigen Einfluß, welchen zahlreiche, in fremden Weltgegenden angeſtellte Beobachtungen auf die Fortſchritte der Gebirgskunde und der phyſikaliſchen Geognoſie ausüben; ſie giebt derſelben nur eine eigenthümliche Richtung. Jede Expedition bereichert die Naturkunde mit neuen Pflanzen und Thiergattungen. Bald ſind es organiſche Formen, die ſich an längſt bekannte Typen anreihen, und uns das regelmäßig gewebte, oft ſcheinbar unterbrochene Netz belebter Naturbildungen in ſeiner urſprünglichen Vollkommenheit darſtellen. Bald ſind es Bildungen, die iſolirt auftreten, als entkommene Reſte untergegangener Geſchlechter, oder als unbekannte, Erwartung erregende Glieder noch zu entdeckender Gruppen. Eine ſolche Mannigfaltigkeit gewährt freilich nicht die Unterſuchung der feſten Erdrinde. Sie offenbart uns vielmehr eine Uebereinſtimmung in den Gemengtheilen, in der Auflagerung verſchiedenartiger Maſſen und in ihrer periodiſchen Wiederkehr, welche die Bewunderung des Geognoſten erregt. In der Andeskette, wie in dem Centralgebirge Europa’s, ſcheint eine Formation gleichſam die andere herbeizurufen. Gleichnamige Maſſen geſtalten ſich zu ähnlichen Formen: in Zwillingsberge, Baſalt und Dolorit; als prallige Felswände, Dolomit, Quaderſandſtein und Porphyr; zu Glocken oder hochgewölbten Domen der glaſige, feldſpathreiche Trachyt. In den entfernteſten Zonen, ſondern ſich gleichartig, wie durch innere Entwickelung, größere Kryſtalle aus dem dichten Gewebe der Grundmaſſen ab, umhüllen einander, treten in untergeordnete Lager zuſammen, und verkündigen oft, als ſolche, die Nähe einer neuen unabhängigen Formation. So ſpiegelt ſich, mehr oder minder klar, in jedem Gebirge von beträchtlicher Ausdehnung die ganze unorganiſche Welt; doch um die wichtigen Erſcheinungen der Zuſammenſetzung, des relativen Alters und der Entſtehung der Gebirgsarten vollſtändig zu erkennen, müſſen Beobachtungen aus den verſchiedenſten Erdſtrichen mit einander verglichen werden. Probleme, die dem Geognoſten lange in ſeiner nordiſchen Heimath räthſelhaft geſchienen, finden ihre Löſung nahe am Aequator. Wenn die fernen Zonen, wie ſchon oben bemerkt ward, uns nicht neue Gebirgsarten liefern, das heißt unbekannte Gruppirungen einfacher Stoffe, ſo lehren ſie uns dagegen die großen, überall gleichen Geſetze enthüllen, nach denen die Schichten der Erdrinde ſich wechſelſeitig tragen, ſich gangartig durchbrechen, oder mittelſt elaſtiſcher Kräfte gehoben werden. Bei dem ſo eben geſchilderten Nutzen, den unſer geognoſtiſches Wiſſen aus Unterſuchungen zieht, welche große Länderſtrecken umfaſſen, darf es uns nicht befremden, daß eine Claſſe von Erſcheinungen, mit der ich dieſe Verſammlung vorzugsweiſe zu unterhalten wage, lange um ſo einſeitiger betrachtet worden iſt, als die Vergleichungspuncte ſchwieriger, man könnte faſt ſagen, mühevoller aufzufinden ſind. Was man bis gegen das Ende des verfloſſenen Jahrhunderts von der Geſtalt der Vulkane und dem Wirken ihrer unterirdiſchen Kräfte zu wiſſen glaubte, war von zwei Bergen des ſüdlichen Italiens, dem Veſuv und dem Aetna hergenommen. Da der erſte zugänglicher iſt, und (wie alle niedrigen Vulkane) häuſiger auswirft, ſo hat ein Hügel gleichſam zum Typus gedient, nach welchem man ſich eine ganze ferne Welt, die mächtigen an einander gereihten Vulkane von Mexiko, Süd-Amerika, und den aſiatiſchen Inſeln gebildet dachte. Ein ſolches Verfahren mußte mit Recht an Virgil’s Hirten erinnern, der in ſeiner engen Hütte das Vorbild der ewigen Stadt, des königlichen Roms, zu ſehen wähnte. Allerdings hätte eine ſorgfältigere Unterſuchung des ganzen Mittelmeeres, beſonders der öſtlichen Inſeln und Küſtenländer, wo die Menſchheit zuerſt zu geiſtiger Cultur und edleren Gefühlen erwachte, eine ſo einſeitige Naturanſicht vernichten können. Aus dem tiefen Meeresgrunde haben ſich hier, unter den Sporaden, Trachytfelſen zu Inſeln erhoben, dem azoriſchen Eilande ähnlich, das in drei Jahrhunderten dreimal, faſt in gleichen Zeitabſtänden, periodiſch erſchienen iſt. Zwiſchen Epidaurus und Trözene bei Methone hat der Peloponnes einen Monte nuovo, den Strabo beſchrieben, und Dodwell wieder geſehen hat, höher als der Monte nuovo der phlegräiſchen Felder bei Bajae, vielleicht ſelbſt höher als der neue Vulkan von Xorullo in den mexikaniſchen Ebenen, den ich von mehreren Tauſend kleinen, aus der Erde herausgeſchobenen, noch gegenwärtig rauchenden Baſaltkegeln umringt gefunden habe. Auch im Becken des Mittelmeeres bricht das vulkaniſche Feuer nicht blos aus permanenten Cratern, aus iſolirten Bergen aus, die eine dauernde Verbindung mit dem Innern der Erde haben, wie Stromboli, der Veſuv und der Aetna. Auf Iſchia, am Epomäus und wie es nach den Berichten der Alten ſcheint, auch in der lelantiſchen Ebene bei Chalcis ſind Laven aus Erdſpalten gefloſſen, die ſich plötzlich geöffnet haben. Neben dieſen Erſcheinungen, die in die hiſtoriſche Zeit, in das enge Gebiet ſicherer Traditionen fallen, und welche Ritter in ſeiner meiſterhaften Erdkunde ſammeln und erläutern wird, enthalten die Küſten des Mittelmeeres noch mannigfaltige Reſte älterer Feuerwirkungen. Das ſüdliche Frankreich zeigt uns in Auvergne ein eigenes geſchloſſenes Syſtem an einander gereiheter Vulkane, Trachytglocken, abwechſelnd mit Auswurfskegeln, aus denen Lavaſtröme bandförmig ſich ergießen. Die lombardiſche ſeegleiche Ebene, welche den innerſten Buſen des adriatiſchen Meeres bildet, umſchließt den Trachyt der euganeiſchen Hügel, wo Dome von körnigem Trachyt, von Obſidian und Perlſtein ſich erheben, drei auseinander ſich entwickelnde Maſſen, die den feuerſteinhaltigen Jurakalk durchbrechen, aber nie in ſchmalen Strömen gefloſſen ſind. Aehnliche Zeugen alter Erdrevolutionen findet man in vielen Theilen des griechiſchen Continents und in Vorder-Aſien, Länder, die den Geognoſten einſt reichen Stoff zu Unterſuchungen darbieten werden, wenn das Licht dahin zurückkehrt, von wo es zuerſt über die weſtliche Welt geſtrahlt, wenn die gequälte Menſchheit nicht mehr unter der wilden Barbarei der Osmanen erliegt. Ich erinnere an die geographiſche Nähe ſo mannigfaltiger Erſcheinungen, um zu bewähren, daß der Keſſel des Mittelmeeres mit ſeinen Inſelreihen dem aufmerkſamen Beobachter alles hätte darbieten können, was neuerlichſt unter mannigfaltigen Formen und Bildungen in Süd-Amerika, auf Teneriffa, oder in den Aleuten, der Polargegend nahe, entdeckt worden iſt. Die Gegenſtände der Beobachtung fanden ſich zuſammengedrängt, aber Reiſen in ferne Klimate, Vergleichungen großer Länderſtriche in und außerhalb Europa waren nöthig, um das Gemeinſame der vulkaniſchen Erſcheinungen und ihre Abhängigkeit von einander klar zu erkennen. Der Sprachgebrauch, welcher oft den erſten irrigen Anſichten der Dinge Dauer und Anſehen giebt, oft aber auch inſtinctmäßig das Wahre bezeichnet, der Sprachgebrauch nennt vulkaniſch alle Ausbrüche unterirdiſchen Feuers und geſchmolzener Materien: Rauch- und Dampfſäulen, die ſporadiſch aus den Felſen aufſteigen, wie bei Colares nach dem großen Erdbeben von Liſſabon; Salze oder feuchten Koth, Asphalt und Hydrogen auswerfende Lettenkegel, wie bei Girgenti in Sicilien und bei Turbaco in Süd-Amerika, heiße Geiſer-Quellen, die von elaſtiſchen Dämpfen gedrückt, ſich erheben, ja im Allgemeinen alle Wirkungen wilder Naturkräfte, die ihren Sitz tief im Innern unſeres Planeten haben. In Mittel-Amerika (Guatemala) und in den philippiniſchen Inſeln unterſcheiden die Eingebornen ſogar förmlich zwiſchen Waſſer- und Feuer- Vulkanen, Volcanes de agua y de fuego. Mit dem erſten Namen bezeichnen ſie Berge, aus welchen bei heftigen Erdſtößen und mit dumpfen Krachen von Zeit zu Zeit unterirdiſche Waſſer ausbrechen. Ohne den Zuſammenhang der ſo eben genannten Phänomene zu läugnen, ſcheint es doch rathſam, dem phyſiſchen wie dem oryktognoſtiſchen Theile der Geognoſie eine beſtimmtere Sprache zu geben, und mit dem Worte Vulkan nicht bald einen Berg zu bezeichnen, der ſich in einen permanenten Feuerſchlund endigt, bald jegliche unterirdiſche Urſache vulkaniſcher Erſcheinungen. Im gegenwärtigen Zuſtande der Erde iſt freilich in allen Welttheilen die Form iſolirter Kegelberge (die des Veſuvs, des Aetna, des Pic’s von Teneriffa, des Tunguragua und Cotopaxi) die gewöhnlichſte Form der Vulkane; ich habe ſie von dem niedrigſten Hügel bis zu 17,700 Fuß über der Meeresfläche anwachſen ſehen; aber neben dieſen Kegelbergen findet man auch permanente Feuerſchlünde, bleibende Communicationen mit dem Innern der Erde auf langgedehnten zackigen Rücken und zwar nicht einmal immer in der Mitte ihrer mauerartigen Gipfel, ſondern am Ende derſelben gegen den Abfall hin. So der Pichincha, der ſich zwiſchen der Südſee und der Stadt Quito erhebt, und den Bouguer’s früheſte Barometerformeln berühmt gemacht haben; ſo die Vulkane, die in der 10,000 Fuß hohen Steppe de los Paſtos ſich erheben. Alle dieſe Gipfel von mannigfaltigen Geſtalten beſtehen aus Trachyt, ſonſt Trapp- Porphyr genannt, einem körnigen, riſſig zerklüfteten Geſteine von glaſigem Feldſpath und Hornblende, welchem Augit, Glimmer, blättriger Feldſpath und Quarz nicht ganz fremd ſind. Wo die Zeugen des erſten Ausbruches, ich möchte ſagen, das alte Gerüſte ſich vollſtändig erhalten hat, da umgiebt die iſolirten Kegelberge circusartig eine hohe Felsmauer, ein Mantel aus aufgelagerten Schichten zuſammengeſetzt. Solche Mauern oder ringförmige Umgebungen heißen Erhebungs-Crater, eine große wichtige Erſcheinung, über welche der erſte Geognoſt unſerer Zeit, Leopold von Buch, aus deſſen Schriften ich auch in dieſer Abhandlung mehrere Anſichten entlehne, unſerer Akademie vor 5 Jahren eine denkwürdige Abhandlung vorgelegt hat. Mit dem Luftkreiſe durch Feuerſchlünde communicirende Vulkane, koniſche Baſalthügel und glockenförmige, craterloſe Trachytberge, letztere bald niedrig wie der Sarcouy, bald hoch wie der Chimborazo, bilden mannigfaltige Gruppen. Hier zeigt uns die vergleichende Erdkunde kleine Archipele, gleichſam geſchloſſene Bergſyſteme, mit Crater und Lavaſtrömen in den canariſchen Inſeln und den Azoren; ohne Crater und ohne eigentliche Lavaſtröme in den Euganeen und dem Siebengebirge bei Bonn: dort beſchreibt ſie uns Vulkane, in einfachen oder doppelten Ketten an einander gereiht, viele hundert Meilen lange Züge, bald der Hauptrichtung der Gebirge parallel, wie in Guatemala, Peru und Java, bald die Axe der Gebirge ſenkrecht durchſchneidend, wie im Lande der Azteken, wo feuerſpeiende Trachytberge allein die hohe Schneegrenze erreichen, und wahrſcheinlich auf einer Kluft ausgebrochen ſind, die in einer Länge von 105 geographiſchen Meilen den ganzen Continent, vom ſtillen Meer bis zum atlantiſchen Ocean durchſchneidet. Dieſes Zuſammendrängen der Vulkane bald in einzelne rundliche Gruppen, bald in doppelte Züge, liefert den entſcheidenſten Beweis, daß die vulkaniſchen Wirkungen nicht von kleinlichen, der Oberfläche nahen Urſachen, abhängen, ſondern große tiefbegründete Erſcheinungen ſind. Der ganze öſtliche, an Metallen arme Theil des amerikaniſchen Feſtlandes, iſt in ſeinem gegenwärtigen Zuſtande ohne Feuerſchlünde, ohne Trachytmaſſen, wahrſcheinlich ſelbſt ohne Baſalte mit Olivin. Alle amerikaniſchen Vulkane ſind, in dem Aſien gegenüber liegenden Theile vereinigt, in der meridianartig ausgedehnten, 1800 geographiſche Meilen langen Andes-Kette. Auch iſt das ganze Hochland von Quito, deſſen Gipfel Pichincha, Cotopari und Tunguragua bilden, ein einziger vulkaniſcher Heerd. Das unterirdiſche Feuer bricht bald aus der einen, bald aus der andern dieſer Oeffnungen aus, die man ſich als abgeſonderte Vulkane zu betrachten gewöhnt hat. Die fortſchreitende Bewegung des Feuers iſt hier ſeit drei Jahrhunderten von Norden gegen Süden gerichtet. Selbſt die Erdbeben, welche ſo furchtbar dieſen Welttheil heimſuchen, liefern merkwürdige Beweiſe von der Exiſtenz unterirdiſcher Verbindungen, nicht blos zwiſchen vulkanloſen Ländern, was längſt bekannt iſt, ſondern auch zwiſchen Feuerſchlünden, die weit von einander entfernt ſind. So ſtieß der Vulkan von Paſto öſtlich vom Fluße Guaytara drei Monate lang im Jahr 1797 ununterbrochen eine hohe Rauchſäule aus. Dieſe Säule verſchwand in demſelben Augenblick, als 60 Meilen davon das große Erdbeben von Riobamba und der Schlammausbruch der Moya dreißig bis vierzigtauſend Indianer tödteten. Die plötzliche Erſcheinung der azoriſchen Inſel Sabrina, am 30. Januar 1811, war der Vorbote der fürchterlichen Erdſtöße, welche weiter weſtlich vom Monat Mai 1811, bis zum Junius 1813 faſt unaufhörlich, erſt die Antillen, dann die Ebenen des Ohio und Miſſiſippi und zuletzt die gegenüberſtehenden Küſten von Venezuela erſchütterten. Dreißig Tage nach der gänzlichen Zerſtörung der Stadt Caraccas erfolgte der Ausbruch des Vulkans von Sanct Vincent in den nahen Antillen. In demſelben Augenblick als dieſe Exploſion erfolgte, am 30. April 1811, wurde ein Schrecken erregendes, unterirdiſches Getöſe in allen Theilen einer Landſtrecke von 2200 geogr. Quadratmeilen vernommen. Die Anwohner des Apure, beim Einfluß des Rio Nula, verglichen dies Getöſe eben ſo, als die fernſten Küſtenbewohner, mit der Wirkung ſchweren Geſchützes. Nun werden aber von dem Einfluß des Rio Nula in den Apure, durch welchen ich in den Orinoco gekommen bin, bis zum Vulkan von Sanct Vincent, in gerader Richtung 157 geogr. Meilen gezählt. Dies Getöſe, welches ſich gewiß nicht durch die Lüfte fortpflanzte, muß eine tiefe unterirdiſche Urſache gehabt haben. Seine Intenſität war kaum größer an den Küſten des antilliſchen Meeres, dem ausbrechenden Vulkan näher, als in dem Innern des Landes. Es würde zwecklos ſein, die Zahl dieſer Beiſpiele zu vermehren, aber um an eine Erſcheinung zu erinnern, die für Europa hiſtoriſch wichtiger geworden iſt, gedente ich nur noch des bekannten Erdbebens von Liſſabon. Gleichzeitig mit demſelben, am 1. Nov. 1755, wurden nicht nur die ſchweizer Seen und das Meer an den ſchwediſchen Küſten heftig bewegt; ſelbſt in den öſtlichen Antillen, um Martinique, Antigua, und Barbados, wo die Fluth nie über 28 Zoll erreicht, ſtieg ſie plötzlich 20 Fuß hoch. Alle dieſe Phänomene beweiſen, daß die unterirdiſchen Kräfte entweder dynamiſch, ſpannend und erſchütternd im Erdbeben, oder producirend und chemiſch verändernd in den Vulkanen ſich äußern. Sie beweiſen auch, daß dieſe Kräfte nicht oberflächlich, aus der dünnen Erdrinde, ſondern tief aus dem Innern unſeres Planeten durch Klüfte und unausgefüllte Gänge nach den entfernteſten Punkten der Erdfläche gleichzeitig hinwirken. Je mannigfaltiger der Bau der Vulkane, das heißt der Erhebungen iſt, welche den Kanal umſchließen, durch welchen die geſchmolzenen Maſſen des innern Erdkörpers an die Oberfläche gelangen, deſto wichtiger iſt es, dieſen Bau mittelſt genauer Meſſungen zu ergründen. Das Intereſſe dieſer Meſſungen, die in einem andern Welttheile ein beſonderer Gegenſtand meiner Unterſuchungen geweſen ſind, wird durch die Betrachtung erhöht, daß das zu meſſende an vielen Punkten eine veränderliche Größe iſt. Die philoſophiſche Naturkunde iſt bemüht, in dem Wechſel der Erſcheinungen die Gegenwart an die Vergangenheit anzureihen. Um eine periodiſche Wiederkehr, oder überhaupt die Geſetze fortſchreitender Naturveränderungen zu ergründen, bedarf es gewiſſer feſter Punkte, ſorgfältig angeſtellter Beobachtungen, die an beſtimmte Epochen gebunden, zu numeriſchen Vergleichungen dienen können. Hätte auch nur von tauſend zu tauſend Jahren die mittlere Temperatur des Luftkreiſes und der Erde in verſchiedenen Breiten, oder die mittlere Höhe des Barometers an der Meeresfläche beſtimmt werden können, ſo würden wir wiſſen, in welchem Verhältniß die Wärme der Klimate zu- oder abgenommen, ob die Höhe der Atmoſphäre Veränderungen erlitten hat. Eben dieſer Vergleichungspunkte bedarf man für die Neigung und Abweichung der Magnetnadel, wie für die Intenſität der magnetiſch-elektriſchen Kräfte, über welche im Kreiſe dieſer Akademie zwei treffliche Phyſiker, Seebeck und Erman, ein ſo großes Licht verbreitet haben. Wenn es ein rühmliches Geſchäft gelehrter Geſellſchaften iſt, den kosmiſchen Veränderungen der Wärme, des Luftdrucks, der magnetiſchen Richtung und Ladung beharrlich nachzuſpüren, ſo iſt es dagegen die Pflicht des reiſenden Geognoſten bei Beſtimmung der Unebenheiten der Erdoberfläche hauptſächlich auf die veränderliche Höhe der Vulkane Rückſicht zu nehmen. Was ich vormals in den mexikaniſchen Gebirgen, am Toluca, Nauhcampatepetl und Xorullo, in den Anden von Quito am Pichincha verſucht, habe ich Gelegenheit gehabt, ſeit meiner Rückkehr nach Europa, zu verſchiedenen Epochen am Veſuv zu wiederholen. Sauſſure hatte dieſen Berg im Jahr 1773 in einer Zeit gemeſſen, wo beide Ränder des Craters, der nordweſtliche und ſüdöſtliche, ihm gleich hoch ſchienen. Er fand ihre Höhe über der Meeresfläche 609 Toiſen. Die Eruption von 1794 verurſachte einen Abſturz gegen Süden, eine Ungleichheit der Crater-Ränder, welche das ungeübteſte Auge ſelbſt in großer Entfernung unterſcheidet. Wir maßen, Herr von Buch, Gay-Luſſac und ich, im Jahr 1805 den Veſuv dreimal und fanden den nördlichen Rand, der der Somma gegenüber ſteht, la Rocca del Palo, genau wie Sauſſure; den ſüdlichen Rand aber 75 Toiſen niedriger als 1773. Die ganze Höhe des Vulkans hatte gegen Torre del Greco hin (nach einer Seite, gegen welche ſeit 30 Jahren das Feuer gleichſam vorzugsweiſe hinwirkt) um ⅛ abgenommen. Der Aſchenkegel verhält ſich zur ganzen Höhe des Berges am Veſuv wie 1 zu 3, am Pichincha wie 1 zu 10, am Pic von Teneriffa wie 1 zu 22. Der Veſuv hat alſo verhältnißmäßig den höchſten Aſchenkegel, wahrſcheinlich ſchon darum, weil er, als ein niedriger Vulkan, am meiſten durch ſeinen Gipfel gewirkt hat. Vor wenigen Monaten iſt es mir geglückt, nicht blos meine früheren Barometer-Meſſungen am Veſuv zu wiederholen, ſondern auch, bei dreimaliger Beſteigung des Berges, eine vollſtändigere Beſtimmung aller Crater-Ränder zu unternehmen. Dieſe Arbeit verdient vielleicht darum einiges Intereſſe, weil ſie die Epoche großer Eruptionen von 1805 bis 1822 umfaßt, und vielleicht die einzige in allen ihren Theilen vergleichbare Meſſung iſt, welche man bisher von irgend einem Vulkan bekannt gemacht hat. Sie beweiſt, daß die Ränder der Crater, nicht blos da, wo ſie (wie am Pic von Teneriffa und an allen Vulkanen der Andeskette) ſichtbar aus Trachyt beſtehen, ſondern überall ein weit beſtändigeres Phänomen ſind, als man bisher nach flüchtig angeſtellten Beobachtungen geglaubt hat. Einfache Höhenwinkel aus denſelben Punkten beſtimmt, eignen ſich zu dieſen Unterſuchungen noch mehr, als vollſtändige trigonometriſche und barometriſche Meſſungen. Nach meinen letzten Beſtimmungen hat ſich der nordweſtliche Rand des Veſuvs ſeit Sauſſure, alſo ſeit 49 Jahren, vielleicht gar nicht, der ſüdliche Rand, gegen Boſche Tre Caſe hin, welcher 1794 um 400 Fuß niedriger ward, kaum um 10 Toiſen verändert. Wenn man in öffentlichen Blättern, bei der Beſchreibung großer Auswürfe, ſo oft der gänzlich veränderten Geſtalt des Veſuvs erwähnt findet, wenn man dieſe Behauptungen durch die pittoresken Anſichten bewährt glaubt, welche in Neapel von dem Berge entworfen werden, ſo liegt die Urſache des Irrthums darin, daß man die Umriſſe der Crater-Ränder mit den Umriſſen der Auswurfskegel verwechſelt, welche zufällig in der Mitte des Craters auf dem durch Dämpfe gehobenen Boden des Feuerſchlundes ſich bilden. Ein ſolcher Auswurfskegel, von Rapilli und Schlacken locker aufgethümt, war in den Jahren 1816 und 1818 allmählig über dem ſüdöſtlichen Craterrand ſichtbar geworden. Die Eruption vom Monat Februar 1822 hatte ihn dergeſtalt vergrößert, daß er ſelbſt 100 bis 110 Fuß höher, als der nordweſtliche Craterrand (die Rocca del Palo) geworden war. Dieſer merkwürdige Kegel nun, den man ſich in Neapel als den eigentlichen Gipfel des Veſuvs zu betrachten gewöhnt hatte, iſt bei dem letzten Auswurf, in der Nacht vom 22. October, mit furchtbarem Krachen eingeſtürzt, ſo, daß der Boden des Craters, der ſeit 1811 ununterbrochen zugänglich war, gegenwärtig 750 Fuß tiefer liegt, als der nördliche, 200 Fuß tiefer, als der ſüdliche Rand des Vulkans. Die veränderliche Geſtalt und relative Lage der Auswurfskegel, deren Oeffnungen man ja nicht, wie ſo oft geſchieht, mit dem Crater des Vulkans verwechſeln muß, giebt dem Veſuv zu verſchiedenen Epochen eine eigenthümliche Phyſionomie, und der Hiſtoriograph des Vulkans könnte aus dem Umriß des Berggipfels, nach dem bloßen Anblicke der Hackert’ſchen Landſchaften im Pallaſte von Portici, je nachdem die nördliche oder ſüdliche Seite des Berges höher angedeutet iſt, das Jahr errathen, in welchem der Künſtler die Skizze zu ſeinem Gemälde entworfen hat. Einen Tag nach dem Einſturz des 400 Fuß hohen Schlakkenkegels, als bereits die kleinen, aber zahlreichen Lavaſtröme abgefloſſen waren, in der Nacht vom 23. zum 24. October, begann der feurige Ausbruch der Aſche und der Rapilli. Er dauerte ununterbrochen 12 Tage fort, doch war er in den erſten 4 Tagen am größten. Während dieſer Zeit wurden die Detonationen im Innern des Vulkans ſo ſtark, daß die bloße Erſchütterung der Luft (von Erdſtößen hat man durchaus nichts verſpürt) die Decken der Zimmer im Pallaſte von Portici ſprengten. In den nahe gelegenen Dörfern Reſina, Torre del Greco, Torre dell’ Annunziata und Boſche Tre Caſe zeigte ſich eine merkwürdige Erſcheinung. Die Atmoſphäre war dermaßen mit Aſche erfüllt, daß die ganze Gegend, in der Mitte des Tages, mehrere Stunden lang in das tiefſte Dunkel gehüllt blieb. Man ging mit Laternen in den Straßen, wie es ſo oft in Quito, bei den Ausbrüchen des Pichincha, geſchieht. Nie war die Flucht der Einwohner allgemeiner geweſen. Man fürchtet Lavaſtröme weniger als einen Aſchenauswurf, ein Phänomen, das in ſolcher Stärke hier unbekannt iſt, und durch die dunkle Sage von der Zerſtörungsweiſe von Herculanum, Pompeji und Stabiä die Einbildungskraft der Menſchen mit Schreckbildern erfüllt. Der heiße Waſſerdampf, welcher während der Eruption aus dem Crater aufſtieg und ſich in die Atmoſphäre ergoß, bildete beim Erkalten ein dickes Gewölk um die neun tauſend Fuß hohe Aſchen- und Feuerſäule. Eine ſo plötzliche Condenſation der Dämpfe und, wie Gay-Luſſac gezeigt hat, die Bildung des Gewölkes ſelbſt vermehrten die elektriſche Spannung. Blitze fuhren ſchlängelnd nach allen Richtungen aus der Aſchenſäule umher und man unterſchied deutlich den rollenden Donner von dem innern Krachen des Vulkan’s. Bei keinem andern Ausbruche war das Spiel der elektriſchen Schläge ſo auffallend geweſen. Am Morgen des 26. Octobers verbreitete ſich die ſonderbare Nachricht: ein Strom ſiedenden Waſſers ergieße ſich aus dem Crater und ſtürze den Aſchenkegel herab. Monticelli, der eifrige und gelehrte Beobachter des Vulkans, erkannte bald, daß eine optiſche Täuſchung dies irrige Gerücht veranlaßt habe. Der vorgebliche Strom war eine große Menge trockener Aſche, die aus einer Kluft in dem oberſten Rande des Craters, wie Triebſand, hervorſchoß. Nachdem eine die Felder verödende Dürre dem Ausbruch des Veſuvs vorangegangen war, erregte, gegen das Ende deſſelben, das ſo eben beſchriebene vulkaniſche Gewitter einen wolkenbruchartigen, aber lang anhaltenden Regen. Solch’ eine Erſcheinung charakteriſirt, unter allen Zonen, das Ende einer Eruption. Da während derſelben gewöhnlich der Aſchenkegel in Wolken gehüllt iſt und da in ſeiner Nähe die Regengüſſe am ſtärkſten ſind, ſo ſieht man Schlammſtröme von allen Seiten herabfließen. Der erſchrockene Landmann hält dieſelben für Waſſer, die aus dem Innern des Vulkans aufſteigen und ſich durch den Crater ergießen; der getäuſchte Geognoſt glaubt in ihnen Meerwaſſer zu erkennen oder kothartige Erzeugniſſe des Vulkans, ſogenannte eruptions boueuses, oder wie die alten franzöſiſchen Syſtematiker ſagten, Producte einer feurig-wäſſrigen Liquefaction. Wenn die Gipfel der Vulkane (wie dies meiſt in der Andeskette der Fall iſt) über die Schneeregion hinausreichen, oder gar bis zur zwiefachen Höhe des Aetna anwachſen, ſo werden, des geſchmolzenen und einſinternden Schnees wegen, die ſo eben beſchriebenen Inundationen überaus häufig und verwüſtend. Es ſind Erſcheinungen, die mit den Eruptionen der Vulkane meteorologiſch zuſammenhängen, und durch die Höhe der Berge, den Umfang ihrer ſtets beſchneiten Gipfel und die Erwärmung der Wände der Aſchenkegel vielfach modificirt werden: aber als eigentliche vulkaniſche Erſcheinungen dürfen ſie nicht betrachtet merden. In weiten Höhlen, bald am Abhange, bald am Fuß der Vulkane entſtehen unterirdiſche Seen, die mit den Alpenbächen vielfach communiciren. Wenn Erdſtöße, die allen Feuerausbrüchen der Andeskette vorhergehen, die ganze Maſſe des Vulkans mächtig erſchüttern, ſo öffnen ſich die unterirdiſchen Gewölbe und es entſtürzen ihnen zugleich Waſſer, Fiſche und tuffartiger Schlamm. Dies iſt die ſonderbare Erſcheinung, welche der Wels der Cyclopen (Pimelodes Cyclopum) gewährt, den die Bewohner des Hochlandes von Quito Preñadilla nennen und den ich kurz, nach meiner Rückkunft, beſchrieben habe. Als nördlich vom Chimborazo in der Nacht vom 19. zum 20. Junius 1698 der Gipfel des 18000 Fuß hohen Berges Carguairazo einſtürzte, da bedeckten Schlamm und Fiſche, auf faſt zwei Quadratmeilen, alle Felder umher. Eben ſo wurden, ſieben Jahr früher, die Faulfieber der Stadt Ibarra einem ähnlichen Fiſchauswurfe des Vulkans Imbaburu zugeſchrieben. Ich erinnere an dieſe Thatſachen, weil ſie über den Unterſchied zwiſchen dem Auswurf trockener Aſche und ſchlammartiger, Holz, Kohle und Muſcheln umwickelnder Anſchwemmungen von Tuff und Traß einiges Licht verbreiten. Die Aſchenmenge, welche der Veſuv neuerlichſt ausgeworfen, iſt, wie alles, was mit den Vulkanen und andern großen, ſchreckenerregenden Naturerſcheinungen zuſammenhängt, in öffentlichen Blättern übermäßig vergrößert worden, ja zwei neapolitaniſche Chemiker, Vicenzo Pepe und Giuſeppe di Nobili, ſchrieben ſogar, trotz der Widerſprüche von Monticelli und Govelli, der Aſche Silber- und Gold-Gehalt zu. Nach meinen Unterſuchungen hat die in 12 Tagen gefallene Aſchenſchicht gegen Boſche Tre Caſe hin, am Abhange des Conus, da wo Rapilli beigemengt waren, nur drei Fuß, in der Ebene höchſtens 15 bis 18 Zoll Dicke erreicht. Meſſungen dieſer Art müſſen nicht an ſolchen Stellen geſchehen, wo die Aſche, wie Schnee oder Sand, vom Winde zuſammengeweht, oder durch Waſſer breiartig angeſchwemmt iſt. Die Zeiten ſind vorüber, wo man, ganz nach Art der Alten, in den vulkaniſchen Erſcheinungen nur das Wunderbare ſuchte, wo man, wie Kteſias, die Aſche des Aetna bis nach der indiſchen Halbinſel fliegen ließ. Ein Theil der mexikaniſchen Gold- und Silber-Gänge findet ſich freilich in trachytartigem Porphyr: aber in der Veſuvaſche, die ich mitgebracht und die ein vortrefflicher Chemiker, Herr Heinrich Roſe, auf meine Bitte unterſucht hat, iſt keine Spur von Gold oder Silber zu erkennen. So entfernt auch die Reſultate, die ich hier entwickele und welche Monticelli’s genauern Beobachtungen entſprechen, von denen ſind, die man in den letzten Monaten verbreitet hat, ſo bleibt doch der Aſchenauswurf des Veſuvs vom 24. zum 28. October der denkwürdigſte, von dem man, ſeit des älteren Plinius Tode, eine ſichere Nachricht hat. Die Menge iſt vielleicht dreimal größer geweſen, als alle Aſche, welche man hat fallen ſehen, ſo lange vulkaniſche Erſcheinungen mit Aufmerkſamkeit beobachtet werden. Eine Schicht von 15 bis 18 Zoll ſcheint, auf den erſten Anblick, unwichtig gegen die Maſſe, mit der wir Pompeji bedeckt finden; aber ohne auch der Regengüſſe und Anſchwemmungen zu gedenken, die freilich wohl dieſe Maſſe, ſeit Jahrhunderten, vermehrt haben mögen, ohne den lebhaften Streit wieder aufzuregen, der jenſeit der Alpen über die Zerſtörungsurſachen der campaniſchen Städte mit vielem Skepticismus geführt worden iſt, darf man wohl hier in Erinnerung bringen, daß die Ausbrüche eines Vulkans, in weit von einander entfernten Zeitepochen, ihrer Intenſität nach, keinesweges mit einander zu vergleichen ſind. Alle auf Analogieen geſtützte Schlüſſe ſind unzureichend, wenn ſie ſich auf quantitative Verhältniſſe, auf Menge der Lava und Aſche, auf Höhe der Rauchſäulen, auf Stärke der Detonationen beziehen. Aus der geographiſchen Beſchreibung des Strabo und einem Urtheil des Bitruvius über den vulkaniſchen Urſprung des Bimſteins, erſieht man, daß bis zu Vespaſian’s Todesjahre, das heißt bis zum Ausbruch, der Pompeji bedeckte, der Veſuv mehr einem ausgebrannten Vulkan, als einer Solfatara ähnlich ſah. Wenn plötzlich nach langer Ruhe die unterirdiſchen Kräfte ſich neue Wege eröffneten, wenn ſie Schichten von uranfänglichem Geſtein und Trachyt wiederum durchbrachen, ſo mußten Wirkungen ſich äußern, für welche die ſpäter erfolgten kein Maß abgeben können. Aus dem bekannten Briefe, in welchem der jüngere Plinius den Tod ſeines Oheims dem Tacitus berichtet, erſieht man deutlich, daß die Erneuerung der Ausbrüche, man könnte ſagen die Wiederbelebung des ſchlummernden Vulkans mit Eruption der Aſche anſing. Eben dies wurde bei Xorullo bemerkt, als der neue Vulkan im September 1759, Syenit- und Trachytſchichten durchbrechend, ſich plötzlich in der Ebene erhob. Die Landleute flohen, weil ſie auf ihren Hüten Aſche fanden, welche aus der überall geborſtenen Erde hervorgeſchleudert ward. Bei den gewöhnlichen periodiſchen Wirkungen der Vulkane endigt dagegen der Aſchenregen jede partielle Eruption. Ueberdies enthält der Brief des jüngeren Plinius eine Stelle, welche deutlich anzeigt, daß gleich anfangs, ohne Einfluß der Anſchwemmungen, die aus der Luft gefallene trockene Aſche eine Höhe von 4 bis 5 Fuß erreichte. „Der Hof, heißt es im Verfolg der Erzählung, durch den man in das Zimmer trat, in welchem Plinius Mittagsruhe hielt, war ſo mit Aſche und Bimſtein angefüllt, daß wenn der Schlafende länger gezögert hätte, er den Ausgang würde verſperrt gefunden haben.“ In dem geſchloſſenen Raume eines Hoſes kann die Wirkung Aſche zuſammenwehender Winde wohl eben nicht beträchtlich geweſen ſein. Ich habe es gewagt, meine vergleichende Ueberſicht der Vulkane durch einzelne, am Veſuv angeſtellte Beobachtungen zu unterbrechen, theils des großen Intereſſes wegen, welches der letzte Ausbruch erregt hat, theils aber auch weil jeder ſtarke Aſchenregen uns faſt unwillkührlich an den klaſſiſchen Boden von Pompeji und Herculanum erinnert. In einer Beilage, deren Leſung für dieſe Verſammlung nicht geeignet iſt, habe ich alle Elemente der Barometermeſſungen und Notizen über die geognoſtiſche Sammlung zuſammengedrängt, welche ich am Ende des letztverfloſſenen Jahres am Veſuv, und in den phlegräiſchen Feldern bei Puzzoli zu machen Gelegenheit gehabt habe. Dieſe kleine Sammlung, ſo wie die Gebirgsarten, welche ich aus den Euganeen und aus dem von Hr. v. Buch früher und gründlicher unterſuchten Fleimſerthale, zwiſchen Cavaleſe und Predazzo (im ſüdlichen Tyrol) mitgebracht habe, werden dem königlichen Muſeum einverleibt werden, eine Anſtalt, die durch ihre Gemeinnützigkeit ganz den edlen Abſichten des Monarchen entſpricht und deren geognoſtiſcher Theil, die fernſten Erdſtriche umfaſſend, ſchon in dieſer Hinſicht alle ähnlichen Sammlungen übertrifft. Wir haben bisher die Geſtalt und die Wirkungen derjenigen Vulkane betrachtet, die durch einen Crater in einer dauernden Verbindung mit dem Inneren der Erde ſtehen. Ihre Gipfel ſind gehobene, durch Gänge mannigfaltig durchſchnittene Maſſen von Trachyt und Laven. Die Permanenz ihrer Wirkungen läßt auf eine ſehr zuſammengeſetzte Structur ſchließen. Sie haben, ſo zu ſagen, einen mehr individuellen Charakter, der in langen Perioden ſich gleich bleibt. Nahe gelegene Berge geben meiſt ganz verſchiedene Producte, Leucit- und Feldſpathlaven; Obſidian mit Bimſtein und olivinhaltige, baſaltartige Maſſen. Sie gehören zu den neueren Erſcheinungen der Erde, durchbrechen meiſt alle Schichten des Flözgebirges, und ihre Auswürfe und Lavaſtröme ſind ſpäteren Urſprungs, als unſere Thäler. Ihr Leben, wenn man ſich dieſes figürlichen Ausdrucks bedienen dürfte, hängt von der Art und Dauer ihrer Verbindung mit dem Innern des Erdkörpers ab. Sie ruhen oft Jahrhunderte lang, entzünden ſich plötzlich wieder und enden als Waſſerdampf, Gasarten und Säuren ausſtoßende Solfataren. Bisweilen, wie an dem Pic von Teneriffa, iſt ihr Gipfel bereits eine ſolche Werkſtatt regenerirten Schwefels geworden, und doch entfließen noch mächtige Lavaſtröme den Seiten des Berges, baſaltartig in der Tiefe, obſidianartig mit Bimſtein nach oben hin, wo der Druck geringer iſt. Unabhängig von dieſen mit permanenten Cratern verſehenen Vulkanen, giebt es eine andere Art vulkaniſcher Erſcheinungen, die ſeltener beobachtet werden, aber vorzugsweiſe belehrend für die Geognoſie, an die Urwelt, das heißt an die früheſten Revolutionen unſers Erdkörpers erinnern. Trachytberge öffnen ſich plötzlich, werfen Lava und Aſche aus und ſchließen ſich wieder, vielleicht auf immer. So der mächtige Antiſana in der Andeskette, ſo der Epomäus auf Iſchia im Jahre 1302. Bisweilen geſchieht ein ſolcher Ausbruch ſelbſt in der Ebene, wie im Hochlande von Quito, in Island fern vom Hecla, und in Euboca in den lelantiſchen Gefilden. Viele der gehobenen Inſeln gehören zu dieſen vorübergehenden Erſcheinungen. Die Verbindung mit dem inneren Erdkörper iſt dann nicht permanent, die Wirkung hört auf, ſobald die Kluft, der communicirende Kanal, wiederum geſchloſſen iſt. Gänge von Baſalt, Dolerit und Porphyr, welche in verſchiedenen Erdſtrichen faſt alle Formationen durchſchneiden, Syenit, Augitporphyr und Mandelſteinmaſſen, welche die neueſten Schichten des Uebergangsgebirges und die älteſte Schicht des Flözgebirges charakteriſiren, ſind wahrſcheinlich auf eine ähnliche Weiſe gebildet worden. In dem Jugendalter unſeres Planeten drangen die flüſſig gebliebenen Stoffe des Innern durch die überall geborſtene Erdrinde hervor; bald erſtarrend als körniges Ganggeſtein, bald ſich überlagernd und ſchichtweiſe verbreitend. Was die Urwelt von ausſchließlich ſogenannten vulkaniſchen Gebirgsarten uns überliefert hat, iſt nicht bandartig, wie die Laven unſerer iſolirten Kegelberge, gefloſſen. Die Gemenge von Augit, Titaneiſen, glaſigem Feldſpath und Hornblende mögen zu verſchiedenen Epochen dieſelben geweſen ſein, bald dem Baſalt, bald dem Trachyt näher: die chemiſchen Stoffe mögen ſich (wie es Herr Mitſcherlich’s neue wichtige Arbeiten und die Analogie künſtlicher Feuerproducte uns lehren) in beſtimmten Miſchungsverhältniſſen kryſtalliniſch an einander gereiht haben; immer erkennen wir, daß ähnlich zuſammengeſetzte Stoffe auf ſehr verſchiedenen Wegen an die Oberfläche der Erde gekommen ſind, entweder bloß gehoben, oder mittelſt temporärer Spalten durch ältere Gebirgsſchichten, das heißt durch die früher oxydirte Erdrinde hervorbrechend, oder aus Kegelbergen, die einen permanenten Crater haben, als Lavaſtröme ergoſſen. Die Verwechſelung dieſer ſo verſchiedenartigen Erſcheinungen führt die Geognoſie der Vulkane in das Dunkel zurück, dem eine große Zahl vergleichender Erfahrungen ſie allmählig zu entreißen angefangen hat. Es iſt oft die Frage aufgeworfen worden, was in den Vulkanen brenne, was die Wärme errege, bei der Erde und Metalle ſchmelzend ſich miſchen. Die neuere Chemie antwortet: was da brennt, ſind die Erden, die Metalle, die Alkalien ſelbſt, das heißt die Metalloide dieſer Stoffe. Die feſte, bereits oxydirte Erdrinde ſcheidet das umgebende ſauerſtoffhaltige Luftmeer von den brennbaren unoxydirten Stoffen im Innern unſeres Planeten. Die Erfahrungen, die man unter allen Zonen in Bergwerken und Höhlen gemacht und die ich mit Herrn Arago in einer eigenen Abhandlung zuſammengeſtellt, beweiſen, daß ſchon in geringer Tiefe die Wärme des Erdkörpers um vieles höher, als an demſelben Orte die mittlere Temperatur des Luftkreiſes iſt. Eine ſo merkwürdige und faſt allgemein bewährte Thatſache ſteht in Verbindung mit dem, was die vulkaniſchen Erſcheinungen uns lehren. Laplace hat ſogar ſchon die Tiefe zu berechnen verſucht, in welcher man den Erdkörper als eine geſchmolzene Maſſe betrachten könne. Welche Zweifel man auch, trotz der gerechten Verehrung, die einem ſo großen Namen gebührt, gegen die numeriſche Gewißheit einer ſolchen Rechnung erheben kann, ſo bleibt es doch wahrſcheinlich, daß alle vulkaniſchen Erſcheinungen aus einer ſehr einfachen Urſache, aus einer ſteten oder vorübergehenden Verbindung zwiſchen dem Innern und Aeußern unſeren Planeten entſtehen. Elaſtiſche Dämpfe drücken die geſchmolzenen, ſich oxydirenden Stoffe durch tiefe Spalten aufwärts. Vulkane ſind, ſo zu ſagen, intermittirende Erdquellen; die flüſſigen Gemenge von Metallen, Alkalien und Erden, die zu Lavaſtrömen erſtarren, fließen ſanft und ſtille, wenn ſie, gehoben, irgendwo einen Ausgang finden. Auf ähnliche Weiſe ſtellten ſich die Alten (nach Platon’s Phädon) alle vulkaniſchen Feuerſtröme als Ausflüſſe des Pyriphlegethon vor. Dieſen Betrachtungen ſei es mir erlaubt, eine andere noch gewagtere anzuſchließen. Vielleicht liegt auch in der innern Wärme des Erdkörpers, auf welche Thermometerverſuche und Beobachtungen über die Vulkane hindeuten, die Urſache eines der wunderbarſten Phänomene, welche die Petrefactenkunde uns darbietet. Tropiſche Thiergeſtalten, baumartige Farrenkräuter, Palmen und Bambusgewächſe liegen vergraben im kalten Norden. Ueberall zeigt uns die Urwelt eine Vertheilung organiſcher Bildungen, mit der die dermalige Beſchaffenheit der Klimate im Widerſpruch ſteht. Zur Löſung eines ſo wichtigen Problems hat man mehrerlei Hypotheſen erſonnen, Annäherung eines Kometen, veränderte Schiefe der Ekliptik, vermehrte Intenſität des Sonnenlichtes. Keine derſelben hat den Aſtronomen, den Phyſiker und den Geognoſten zugleich befriedigen können. Ich meines Theils laſſe gern unverändert die Axe der Erde, oder das Licht der Sonnenſcheibe, aus deren Flecken ein berühmter Sternkundiger Fruchtbarkeit und Mißwachs der Felder erklärt hat, aber ich glaube zu erkennen, daß in jeglichem Planeten, unabhängig von ſeinen Verhältniſſen zu einem Centralkörper und von ſeinem aſtronomiſchen Stande, mannigfaltige Urſachen der Wärmeentbindung liegen, durch Oxydationsproceſſe, Niederſchläge und chemiſch veränderte Capacität der Körper, durch Zunahme elektriſch-magnetiſcher Ladung, durch geöffnete Communication zwiſchen den inneren und äußeren Theilen. Wo in der Vorwelt die tiefgeſpaltene Erdrinde aus ihren Klüften Wärme ausſtrahlte, da konnten vielleicht Jahrhunderte lang, in ganzen Länderſtrecken, Palmen und baumartige Farrenkräuter und alle Thiere der heißen Zone gedeihen. Nach dieſer Anſicht der Dinge, die ich in einem eben erſchienenen Werke: „Geognoſtiſcher Verſuch über die Lagerung der Gebirgsarten in beiden Hemiſphären“ bereits angedeutet habe, wäre die Temperatur der Vulkane die des inneren Erdkörpers ſelbſt, und dieſelbe Urſache, welche jetzt ſo ſchauervolle Verwüſtungen anrichtet, hätte einſt, auf der neu oxydirten Erdrinde, auf den tiefzerklüfteten Felsſchichten, unter jeglicher Zone den üppigſten Pflanzenwuchs hervorrufen können. Iſt man geneigt anzunehmen, um die wunderbare Vertheilung der Tropenbildungen in ihren alten Grabſtätten zu erklären, daß langbehaarte elephantenartige Thiere, jetzt von Eisſchollen umſchloſſen, einſt den nördlichen Klimaten urſprünglich eigen waren und daß ähnliche, demſelben Haupttypus zugehörige Bildungen, wie Löwen und Luchſe, zugleich in ganz verſchiedenen Klimaten leben konnten, ſo würde eine ſolche Erklärungsweiſe ſich doch wohl nicht auf die Pflanzenproducte ausdehnen laſſen. Aus Gründen, welche die Phyſiologie der Gewächſe entwickelt, können Palmen, Piſanggewächſe und baumartige Monokotyledonen nicht die nordiſche Kälte ertragen und in dem geognoſtiſchen Problem, das wir hier berühren, ſcheint es mir ſchwer, Pflanzen- und Thierbildungen von einander zu trennen. Dieſelbe Erklärungsart muß beide Bildungen umfaſſen. Ich habe am Schluß dieſer Abhandlung den Thatſachen, die in den verſchiedenſten Weltgegenden geſammelt worden ſind, unſichere hypothetiſche Vermuthungen angereiht. Die philoſophiſche Naturkunde erhebt ſich über die Bedürfniſſe einer bloßen Naturbeſchreibung. Sie beſteht nicht in einer ſterilen Anhäufung iſolirter Beobachtungen. Dem neugierig regſamen Geiſte des Menſchen ſei es bisweilen erlaubt, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüberzuſchweifen, zu ahnen, was noch nicht klar erkannt werden kann, und ſich an den alten, unter vielerlei Formen wiederkehrenden Mythen der Geognoſie zu ergötzen.