Ueber den Ban und die Wirksamkeit der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen. Von Herrn Alexander v. Humboldt. (Eine Vorlesung, gehalten in der Königl. Akad. der Wissenschaften zu Berlin den 24. Januar 1823 ). Diese, in so vielfacher Beziehung interessante und wichtige Arbeit ist, meines Wissens, nicht Gegenstand des Buchhandels geworden; der verehrte Verfasser möge darum deren Aufnahme in diesen Blättern nicht mißdeuten. d. H. Wenn man den Einfluß betrachtet, den seit Jahrhunderten die erweiterte Erdkunde und wissenschaftliche Reisen in entfernte Regionen auf das Studium der Natur ausgeübt haben, so erkennt man bald, wie verschiedenartig derselbe gewesen ist, je nachdem die Untersuchung auf die Formen der organischen Welt oder auf das todte Erdgebilde, auf die Kenntniß der Felsarten, ihr relatives Alter und ihre Entstehung gerichtet war. Andere Gestalten von Pflanzen und Thieren beleben die Erde in jeglicher Zone, sey es, wo in der meergleichen Ebene die Wärme des Luftkreises nach der geographischen Breite und den mannichfaltigen Krümmungen der isothermen Linien, oder wo sie fast scheitelrecht, an dem steilen Abhange der Gebirgsketten, wechselt. Die organische Natur gibt jedem Erdstrich seinen eigenen physiognomischen Charakter; nicht so die unorganische, da, wo die feste Rinde des Erdkörpers von der Pflanzendecke entblößt ist. Dieselben Gebirgsarten, gruppenweise sich anziehend und abstoßend, erscheinen in beiden Hemisphären vom Aequator an bis zu den Polen hin. In einem fernen Eilande, von fremdartigen Gewächsen umgeben, unter einem Himmel, wo nicht mehr die alten Sterne leuchten, erkennt oft der Seefahrer freudig erstaunt den heimischen Thonschiefer, die wohlbekannte Gebirgsart des Vaterlandes. Diese Unabhängigkeit der geognostischen Verhältnisse von der gegenwärtigen Konstituzion der Klimate mindert nicht den wohlthätigen Einfluß, welchen zahlreiche, in fremden Weltgegenden angestellte Beobachtungen auf die Fortschritte der Gebirgskunde und der physikalischen Geognosie ausüben, sie gibt derselben nur eine eigenthümliche Richtung. Jede Expedizion bereichert die Naturkunde mit neuen Pflanzen und Thiergattungen. Bald sind es organische Formen, die sich an längst bekannte Typen anreihen, und uns das regelmäßig gewebte, oft scheinbar unterbrochene Nez belebter Natur- Bildungen in seiner ursprünglichen Vollkommenheit darstellen. Bald sind es Bildungen, die isolirt auftreten, als entkommene Reste untergegangener Geschlechter, oder als unbekannte, Erwartung erregende Glieder noch zu entdekkender Gruppen. Eine solche Mannichfaltigkeit gewährt freilich nicht die Untersuchung der festen Erdrinde. Sie offenbart uns vielmehr eine Uebereinstimmung in den Gemengtheilen, in der Auflagerung verschiedenartiger Massen und in ihrer periodischen Wiederkehr, welche die Bewunderung des Geognosten erregt. In der Andeskette, wie in dem Zentral-Gebirge Europa’s, scheint eine Formazion gleichsam die andere herbeizurufen. Gleichnamige Massen gestalten sich zu ähnlichen Formen: in Zwillingsberge, Basalte und Dolerit; als prallige Felswände, Dolomit, Quadersandstein und Porphyr; zu Glocken oder hochgewölbten Domen der glasige, feldspathreiche Trachyt. In den entferntesten Zonen sondern sich gleichartig, wie durch innere Entwickelung, größere Krystalle aus dem dichten Gewebe der Grundmassen ab, umhüllen einander, treten in untergeordnete Lager zusammen, und verkündigen oft, als solche, die Nähe einer neuen unabhängigen Formazion. So spiegelt sich mehr oder minder klar, in jedem Gebirge von beträchtlicher Ausdehnung die ganze unorganische Welt; doch um die wichtigen Erscheinungen der Zusammensezzung, des relativen Alters und der Entstehung der Gebirgsarten vollständig zu erkennen, müssen Beobachtungen aus den verschiedensten Erdstrichen mit einander verglichen werden. Probleme, die dem Geognosten lange in seiner nordischen Heimath räthselhaft geschienen, finden ihre Lösung nahe am Aequator. Wenn die fernen Zonen, wie schon oben bemerkt ward, uns nicht neue Gebirgsarten liefern, das heißt unbekannte Gruppirungen einfacher Stoffe; so lehren sie uns dagegen die großen, überall gleichen Gesezze enthüllen, nach denen die Schichten der Erdrinde sich wechselseitig tragen, sich gangartig durchbrechen, oder mittelst elastischer Kräfte gehoben werden. Bei dem so eben geschilderten Nuzzen, den unser geognostisches Wissen aus Untersuchungen zieht, welche große Länderstrecken umfassen, darf es uns nicht befremden, daß eine Klasse von Erscheinungen, mit der ich diese Versammlung vorzugsweise zu unterhalten wage, lange um so einseitiger betrachtet worden ist, als die Vergleichungspunkte schwieriger, man könnte fast sagen, mühevoller aufzufinden sind. Was man bis gegen das Ende des verflossenen Jahrhunderts von der Gestalt der Vulkane und dem Wirken ihrer unterirdischen Kräfte zu wissen glaubte, war von zwei Bergen des südlichen Italiens, dem Vesuv und dem Aetna hergenommen. Da der erste zugänglicher ist, und (wie alle niedrigen Vulkane) häufiger auswirft, so hat ein Hügel gleichsam zum Typus gedient, nach welchem man sich eine ganze ferne Welt, die mächtigen an einander gereihten Vulkane von Mexiko, Südamerika und den Asiatischen Inseln gebildet dachte. Ein solches Verfahren mußte mit Recht an Virgil’s Hirten erinnern, der in seiner engen Hütte das Vorbild der ewigen Stadt, des königlichen Rom’s, zu sehen wähnte. Allerdings hätte eine sorgfältigere Untersuchung des ganzen Mittelmeeres, besonders der östlichen Inseln und Küstenländer, wo die Menschheit zuerst zu geistiger Kultur und edleren Gefühlen erwachte, eine so einseitige Natur- Ansicht vernichten können. Aus dem tiefen Meeresgrunde haben sich hier, unter den Sporaden, Trachytfelsen zu Inseln erhoben, dem Azorischen Eilande ähnlich, das in drei Jahrhunderten dreimal, fast in gleichen Zeit-Abständen, periodisch erschienen ist. Zwischen Epidaurus und Trözene bei Methone hat der Peloponnes einen Monte nuovo, den Strabo beschrieben, und Dodwell wiedergesehen hat, höher als der Monte nuovo der Phlegräischen Felder bei Bajae, vielleicht selbst höher als der neue Vulkan von Jorullo in den Mexikanischen Ebenen, den ich von mehreren tausend kleinen, aus der Erde herausgeschobenen, noch gegenwärtig rauchenden Basaltkegeln umringt gefunden habe. Auch im Bassin des Mittelmeeres bricht das vulkanische Feuer nicht blos aus permanenten Kratern, aus isolirten Bergen aus, die eine dauernde Verbindung mit dem Innern der Erde haben, wie Stromboli, der Vesuv und der Aetna. Auf Ischia, am Epomäus und wie es nach den Berichten der Alten scheint, auch in der Lelantischen Ebene bei Chalcis sind Laven aus Erdspalten geflossen, die sich plözlich geöffnet haben. Neben diesen Erscheinungen, die in die historische Zeit, in das enge Gebiet sicherer Tradizionen fallen, und welche Ritter in seiner meisterhaften Erdkunde sammeln und erläutern wird, enthalten die Küsten des Mittelmeeres noch mannichfaltige Reste älterer Feuerwirkungen. Das südliche Frankreich zeigt uns in Auvergne ein eigenes geschlossenes System an einander gereiheter Vulkane, Trachytglocken, abwechselnd mit Auswurfskegeln, aus denen Lavaströme bandförmig sich ergießen. Die Lombardische seegleiche Ebene, welche den innersten Busen des Adriatischen Meeres bildet, umschließt den Trachyt der Euganeischen Hügel, wo Dome von körnigem Trachyt, von Obsidian und Perlstein sich erheben; drei aus einander sich entwickelnden Massen, die den feuersteinhaltigen Jurakalk durchbrechen, aber nie in schmalen Strömen geflossen sind. Aehnliche Zeugen alter Erdrevoluzionen findet man in vielen Theilen des Griechischen Kontinents und in Vorderasien, Länder die dem Geognosten einst reichen Stoff zu Untersuchungen darbieten werden, wenn das Licht dahin zurückkehrt, von wo es zuerst über die westliche Welt gestrahlt, wenn die gequälte Menschheit nicht mehr unter der wilden Barbarei der Osmanen erliegt. Ich erinnere an die geographische Nähe so mannichfaltiger Erscheinungen, um zu bewähren, daß der Kessel des Mittelmeeres mit seinen Inselreihen dem aufmerksamen Beobachter Alles hätte darbieten können, was neuerlichst unter mannichfaltigen Formen und Bildungen in Südamerika, auf Teneriffa, oder in den Aleuten, der Polargegend nahe, entdeckt worden ist. Die Gegenstände der Beobachtung fanden sich zusammengedrängt, aber Reisen in ferne Klimate, Vergleichungen großer Länderstriche, in- und außerhalb Europa waren nöthig, um das Gemeinsame der vulkanischen Erscheinungen und ihre Abhängigkeit von einander klar zu erkennen. Der Sprachgebrauch, welcher oft den ersten irrigen Ansichten der Dinge Dauer und Ansehen gibt, oft aber auch instinktmäßig das Wahre bezeichnet, der Sprachgebrauch nennt vulkanisch alle Ausbrüche unterirdischen Feuers und geschmolzener Materien; Rauch- und Dampfsäulen, die sporadisch aus den Felsen aufsteigen, wie bei Colares nach dem großen Erdbeben von Lissabon; Salse oder feuchten Koth, Asphalt und Hydrogen auswerfende Lettenkegel, wie bei Girgenti in Sizilien, und bei Turbako in Südamerika, heiße Geißer-Quellen, die von elastischen Dämpfen gedrückt sich erheben, ja im Allgemeinen alle Wirkungen wilder Naturkräfte, die ihren Siz tief im Innern unseres Planeten haben. Im Spanischen Amerika und in den Philippinischen Inseln unterscheiden die Eingebornen sogar förmlich zwischen Wasser- und Feuer-Vulkanen, vulcanes de agua y de fuego. Mit dem ersten Namen bezeichnen sie Berge, aus welchen bei heftigen Erdstößen und mit dumpfem Krachen, von Zeit zu Zeit, unterirdische Wasser ausbrechen. Ohne den Zusammenhang der so eben genannten Phänomene zu leugnen, scheint es doch rathsam, dem physischen, wie dem oryktognostischen Theile der Geognosie eine bestimmtere Sprache zu geben, und mit dem Worte Vulkan nicht bald einen Berg zu bezeichnen, der sich mit einem permanenten Feuerschlunde endigt, bald jegliche unterirdische Ursache vulkanischer Erscheinungen. Im gegenwärtigen Zustande der Erde ist freilich in allen Welttheilen die Form isolirter Kegelberge (die des Vesuvs, des Aetna, des Piks von Teneriffa, des Tunguragua und Kotopaxi) die gewöhnlichste Form der Vulkane; ich habe sie von dem niedrigsten Hügel bis zu 17700 Fuß über der Meeresfläche anwachsen sehen; aber neben diesen Kegelbergen findet man auch permanente Feuerschlünde, bleibende Kommunikazionen mit dem Innern der Erde auf langgedehnten zackigen Rücken, und zwar nicht einmal immer in der Mitte ihrer mauerartigen Gipfel, sondern am Ende derselben, gegen den Abfall hin. So der Pichincha, der sich zwischen der Südsee und der Stadt Quito erhebt, und den Bouguer’s früheste Barometer-Formeln berühmt gemacht haben; so die Vulkane, die in der, 10000 Fuß hohen Steppe de los Pastos sich erheben. Alle diese Gipfel von mannichfaltigen Gestalten bestehen aus Trachyt sonst Trapp-Porphyr genannt, einem körnigen, rissig-zerklüfteten Gesteine von glasigem Feldspathe und Hornblende, welchem Augit, Glimmer, blätteriger Feldspath und Quarz keinesweges fremd sind. Wo die Zeugen des ersten Ausbruchs, ich möchte sagen, das alte Gerüste, sich vollständig erhalten hat, da umgibt die isolirten Kegelberge zirkusartig eine hohe Felsmauer, ein Mantel aus aufgelagerten Schichten zusammengesezt. Solche Mauern oder ringförmige Umgebungen heißen Erhebungs-Krater, eine große, wichtige Erscheinung, über welche der erste Geognost unserer Zeit, Leopold v. Buch, aus dessen Schriften ich auch in dieser Abhandlung mehrere Ansichten entlehne, unserer Akademie vor fünf Jahren eine denkwürdige Abhandlung vorgelegt hat. Mit dem Luftkreise durch Feuerschlünde kommunizirende Vulkane, konische Basalthügel und glockenförmige, kraterlose Trachytberge, leztere bald niedrig wie der Sarcouy, bald hoch wie der Chimborazo, bilden mannichfaltige Gruppen. Hier zeigt uns die vergleichende Erdkunde kleine Archipele, gleichsam geschlossene Berg-Systeme, mit Krater und Lavenströmen in den Kanarischen Inseln und den Azoren; ohne Krater und eigentliche Lavaströme in den Euganeen und dem Siebengebirge bei Bonn: dort beschreibt sie uns Vulkane, in einfachen oder doppelten Ketten an einander gereiht, viele hundert Meilen lange Züge, bald der Hauptrichtung der Gebirge parallel, wie in Guatimala, Peru und Java, bald die Axe der Gebirge senkrecht durchschneidend, wie im Lande der Azteken, wo feuerspeiende Trachytberge allein die hohe Schneegrenze erreichen, und wahrscheinlich auf einer Kluft ausgebrochen sind, die in einer Länge von 105 geographischen Meilen den ganzen Kontinent, vom stillen Meer bis zum Atlantischen Ozean durchschneidet. Dieses Zusammendrängen der Vulkane bald in einzelne rundliche Gruppen, bald in doppelte Züge, liefert den entscheidensten Beweis, daß die vulkanischen Wirkungen nicht von kleinlichen, der Oberfläche nahen Ursachen abhängen, sondern große tiefbegründete Erscheinungen sind. Der ganze östliche, an Metallen arme Theil des Amerikanischen Festlandes, ist in seinem gegenwärtigen Zustande ohne Feuerschlünde, ohne Trachytmassen, wahrscheinlich selbst ohne Basalte. Alle Vulkane sind, in dem, Asien gegenüber liegenden Theile vereinigt, in der meridianartig ausgedehnten, 1800 geographische Meilen langen Andeskette. Auch ist das ganze Hochland von Quito ein einziger vulkanischer Heerd, dessen Gipfel Pichincha, Kotopaxi und Tunguragua bilden. Das unterirdische Feuer bricht bald aus der einen, bald aus der andern dieser Oeffnungen aus, die man sich als abgesonderte Vulkane zu betrachten gewöhnt hat. Die fortschreitende Bewegung des Feuers ist hier seit drei Jahrhunderten von Norden gegen Süden gerichtet. Selbst die Erdbeben welche so furchtbar diesen Welttheil heimsuchen, liefern merkwürdige Beweise von der Existenz unterirdischer Verbindungen, nicht bloß zwischen vulkanlosen Ländern, was längst bekannt ist, sondern auch zwischen Feuerschlünden, die weit von einander entfernt sind. So stieß der Vulkan von Pasto östlich vom Flusse Guaytara, drei Monate lang im Jahre 1797 ununterbrochen eine hohe Rauchsäule aus. Diese Säule verschwand in demselben Augenblicke, als sechszig Meilen davon das große Erdbeben von Riobamba und der Schlammausbruch der Moya dreißig bis vierzig Tausend Indianer tödteten. Die plözliche Erscheinung der Azorischen Insel Sabrina, am 30. Januar 1811, war der Vorbote der fürchterlichen Erdstöße, welche weiter westlich vom Monat Mai 1811, bis zum Junius 1813 fast unaufhörlich, erst die Antillen, dann die Ebenen des Ohio und Missisippi und zulezt die gegenüberstehenden Küsten von Venezuela erschütterten. Dreißig Tage nach der gänzlichen Zerstörung der Stadt Karakas erfolgte der Ausbruch des Vulkans von Sankt Vinzent in den nahen Antillen. In demselben Augenblicke als diese Explosion erfolgte, am 30. April 1811, wurde ein Schrecken erregendes, unterirdisches Getöse in allen Theilen einer Landstrecke von 2200 geogr. Quadratmeilen vernommen. Die Anwohner des Apure, beim Einfluß des Rio Nula, verglichen dieß Getöse eben so, als die fernsten Küstenbewohner, mit der Wirkung schweren Geschüzzes. Von dem Einfluß des Rio Nula in den Apure, durch welchen ich in den Orinoko gekommen bin, bis zum Vulkan von Sankt Vinzent, zählt man in gerader Richtung 157 geogr. Meilen. Dieß Getöse, welches sich gewiß nicht durch die Lüfte fortpflanzte, muß eine tiefe unterirdische Ursache gehabt haben. Es war wenig stärker an den Küsten des Antillischen Meeres, dem ausbrechenden Vulkane näher, als in dem Innern des Landes. Es würde zwecklos seyn, die Zahl dieser Beispiele zu vermehren, aber um an eine Erscheinung zu erinnern, die für Europa historisch wichtiger geworden ist, gedenke ich nur noch des bekannten Erdbebens von Lissabon. Gleichzeitig mit demselben, am 1. Nov. 1755, wurden nicht nur die Schweizer Seen, und das Meer an den Schwedischen Küsten heftig bewegt, selbst in den östlichen Antillen, um Martinique, Antigua und Barbados, wo die Fluth nie über 28 Zoll erreicht, stieg sie plözlich 20 Fuß hoch. Alle diese Phänomene beweisen, daß die unterirdischen Kräfte entweder dynamisch, spannend und erschütternd im Erdbeben, oder produzirend und chemisch verändernd in den Vulkanen sich äußern. Sie beweisen auch, daß diese Kräfte nicht oberflächlich aus der äußern Erdrinde, sondern tief aus dem Innern unsers Planeten durch Klüfte und unausgefüllte Gänge nach den entferntesten Punkten der Erdfläche gleichzeitig hinwirken. Je mannichfaltiger der Bau der Vulkane, das heißt, der Erhebungen ist, welche den Kanal umschließen, durch welchen die geschmolzenen Massen des innern Erdkörpers an die Oberfläche gelangen, desto wichtiger ist es, diesen Bau mittelst genauer Messungen zu ergründen. Das Interesse dieser Messungen, die in einem andern Welttheile ein besonderer Gegenstand meiner Untersuchungen gewesen sind, wird durch die Betrachtung erhöht, daß das zu Messende an vielen Punkten eine veränderliche Größe ist. Die philosophische Naturkunde ist bemüht, in dem Wechsel der Erscheinungen die Gegenwart an die Vergangenheit anzureihen. Um eine periodische Wiederkehr, oder überhaupt die Gesezze fortschreitender Natur-Veränderungen zu ergründen, bedarf es gewisser fester Punkte, sorgfältig angestellter Beobachtungen, die an bestimmte Epochen gebunden, zu numerischen Vergleichungen dienen können. Hätte auch nur von tausend zu tausend Jahren die mittlere Temperatur des Luftkreises und der Erde in verschiedenen Breiten, oder die mittlere Höhe des Barometers an der Meeresfläche bestimmt werden können, so würden wir wissen, in welchem Verhältnisse die Wärme der Klimate zu- oder abgenommen, ob die Höhe der Atmosphäre Veränderungen erlitten hat. Eben dieser Vergleichungs-Punkte bedarf man für die Neigung und Abweichung der Magnetnadel, wie für die Intensität der magnetisch-elektrischen Kräfte, über welche im Kreise dieser Akademie zwei treffliche Physiker, Seebeck und Erman, ein so großes Licht verbreitet haben. Wenn es ein rühmliches Geschäft gelehrter Gesellschaften ist, den kosmischen Veränderungen der Wärme, des Luftdruckes, der magnetischen Richtung und Ladung beharrlich nachzuspüren, so ist es dagegen die Pflicht des reisenden Geognosten bei Bestimmung der Unebenheiten der Erdoberfläche hauptsächlich auf die veränderliche Höhe der Vulkane Rücksicht zu nehmen. Was ich vormals in den Mexikanischen Gebirgen, am Toluka Nauheampatepetl und Jorullo; in den Anden von Quito am Pichincha versucht, habe ich Gelegenheit gehabt, seit meiner Rückkehr nach Europa, zu verschiedenen Epochen am Vesuv zu wiederholen. Saussure hatte diesen Berg im Jahr 1773 in einer Zeit gemessen, wo beide Ränder des Kraters, der nordwestliche und südöstliche, ihm gleich hoch schienen. Er fand ihre Höhe über der Meeresfläche 609 Toisen. Die Erupzion von 1794 verursachte einen Absturz gegen Süden, eine Ungleichheit der Kraterränder, welche das ungeübteste Auge selbst in großer Entfernung unterscheidet. Wir maßen, Herr v. Buch, Gay-Lussac und ich, im Jahr 1805 den Vesuv dreimal und fanden den nördlichen Rand, welcher der Somma gegenüber steht, la Rocca del Palo, genau wie Saussure; den südlichen Rand aber 71 Toisen niedriger, als 1773. Die ganze Höhe des Vulkans hatte gegen Torre del Greco hin (nach einer Seite, gegen welche seit 30 Jahren das Feuer gleichsam vorzugsweise hinwirkt), um [Formel] abgenommen. Der Aschenkegel verhält sich zur ganzen Höhe des Berges am Vesuv wie 1 zu 3, am Pichincha wie 1 zu 10, am Pik von Teneriffa wie 1 zu 22. Der Vesuv hat also verhältnißmäßig den höchsten Aschenkegel, wahrscheinlich schon darum, weil er, als ein niedriger Vulkan, am meisten durch seinen Gipfel gewirkt hat. Vor wenigen Monaten ist es mir geglückt, nicht blos meine früheren Barometer-Messungen am Vesuv zu wiederholen, sondern auch, bei dreimaliger Besteigung des Berges, eine vollständigere Bestimmung aller Kraterränder zu unternehmen. Diese Arbeit verdient vielleicht darum einiges Interesse, weil sie die Epoche großer Erupzionen von 1805 bis 1822 umfaßt, und vielleicht die einzige in allen ihren Theilen vergleichbare Messung ist, welche man bisher von irgend einem Vulkan bekannt gemacht hat. Sie beweist, daß die Ränder der Krater, nicht blos da, wo sie (wie am Pik von Teneriffa und an allen Vulkanen der Andeskette), sichtbar aus Trachyt bestehen, sondern auch sonst überall ein weit beständigeres Phänomen sind, als man bisher geglaubt hat. Einfache Höhenwinkel aus denselben Punkten bestimmt, eignen sich zu diesen Untersuchungen noch mehr, als vollständige trigonometrische und barometrische Messungen. Nach meinen lezten Bestimmungen hat sich der nordwestliche Rand des Vesuv seit Saussure, also seit 49 Jahren, gar nicht, der südöstliche Rand, gegen Bosche tre Case hin, welcher 1794 um vierhundert Fuß niedriger ward, überaus wenig verändert. Wenn man in öffentlichen Blättern, bei der Beschreibung großer Auswürfe, so oft der gänzlich veränderten Gestalt des Vesuv erwähnt findet, wenn man diese Behauptungen durch die pittoresken Ansichten bewährt glaubt, welche in Neapel von dem Berge entworfen werden, so liegt die Ursache des Irrthums darin, daß man die Umrisse der Kraterränder mit den Umrissen der Auswurfskegel verwechselt, welche zufällig in der Mitte des Kraters auf dem, durch Dämpfe gehobenen Boden des Feuerschlundes sich bilden. Ein solcher Auswurfskegel, von Rapilli und Schlacken locker aufgethürmt, war in den Jahren 1816 und 1818 allmählich über dem südöstlichen Kraterrand sichtbar geworden. Die Erupzion vom Monat Februar 1822 hatte ihn dergestalt vergrößert, daß er selbst 70 bis 80 Fuß höher, als der nordwestliche Kraterrand (die Rocca del Palo), geworden war. Dieser merkwürdige Kegel nun, den man sich in Neapel als den eigentlichen Gipfel des Vesuv zu betrachten gewöhnt hatte, ist bei dem lezten Auswurf, in der Nacht vom 22. Oktober, mit furchtbarem Krachen eingestürzt, so, daß der Boden des Kraters, der seit 1811 ununterbrochen zugänglich war, gegenwärtig 750 Fuß tiefer liegt, als der nördliche; 200 Fuß tiefer, als der südliche Rand des Vulkans. Die veränderliche Gestalt und relative Lage der Auswurfskegel, deren Oeffnungen man ja nicht, wie so oft geschieht, mit dem Krater des Vulkans, verwechseln muß, gibt dem Vesuv zu verschiedenen Epochen eine eigenthümliche Physiognomie, und der Historiograph des Vulkans könnte dem Umriß des Berggipfels, nach dem bloßen Anblicke der Hackertschen Landschaften im Pallaste von Portici, je nachdem die nördliche oder südliche Seite des Berges höher angedeutet ist, das Jahr errathen, in welchem der Künstler die Skizze zu seinem Gemälde entworfen hat. Einen Tag nach dem Einsturz des 400 Fuß hohen Schlackenkegels, als bereits die kleinen, aber zahlreichen Lavaströme abgeflossen waren, in der Nacht vom 23. zum 24. Oktober, begann der feurige Ausbruch der Asche und der Rapilli. Er dauerte ununterbrochen 12 Tage fort; doch war er in den ersten 4 Tagen am größten. Während dieser Zeit wurden die Detonazionen im Innern des Vulkans so stark, daß die bloße Erschütterung der Luft (von Erdstößen hat man durchaus nichts gespürt) die Decken der Zimmer im Pallaste von Portici sprengten. In den nahe gelegenen Dörfern Resina, Torre del Greco, Torre dell’Anunziata, und Bosche tre Case zeigte sich eine merkwürdige Erscheinung. Die Atmosphäre war dermaßen mit Asche erfüllt, daß die ganze Gegend, in der Mitte des Tages, mehrere Stunden lang in das tiefste Dunkel gehüllt blieb. Man ging mit Laternen in den Straßen, wie es so oft in Quito, bei den Ausbrüchen des Pichincha, geschieht. Nie war die Flucht der Einwohner allgemeiner gewesen. Man fürchtet Lavaströme weniger als einen Aschenauswurf: ein Phänomen, das in solcher Stärke hier unbekannt ist, und durch die dunkle Sage von der Zerstörungsweise von Herkulanum, Pompeji und Stabiae die Einbildungskraft der Menschen mit Schreckbildern erfüllt. Der heiße Wasserdampf, welcher während der Erupzion aus dem Krater aufstieg, und sich in die Atmosphäre ergoß, bildete beim Erkalten ein dickes Gewölk um die, neun Tausend Fuß hohe Aschen- und Feuersäule. Eine so plözliche Kondensazion der Dämpfe und, wie Gay- Lussac gezeigt hat, die Bildung des Gewölkes selbst vermehrten die elektrische Spannung. Blizze fuhren schlängelnd nach allen Richtungen aus der Aschensäule umher, und man unterschied deutlich den rollenden Donner von dem innern Krachen des Vulkans. Bei keinem andern Ausbruche war das Spiel der elektrischen Schläge so auffallend gewesen. Am Morgen des 26. Oktobers verbreitete sich die sonderbare Nachricht: ein Strom siedenden Wassers ergieße sich aus dem Krater und stürze den Aschenkegel herab. Monticelli, der eifrige und gelehrte Beobachter des Vulkans, erkannte bald, daß eine optische Täuschung dieß irrige Gerücht veranlaßt habe. Der vorgebliche Strom war eine große Menge trockener Asche, die aus einer Kluft in dem obersten Rande des Kraters, wie Triebsand, hervor schoß. Nachdem ein, die Felder verödende Dürre dem Ausbruche des Vesuv vorhergegangen war, erregte, gegen das Ende desselben, das so eben beschriebene vulkanische Gewitter einen wolkenbruchartigen, aber lang anhaltenden Regen. Solch eine Erscheinung charakterisirt, unter allen Zonen, das Ende einer Erupzion. Da während derselben gewöhnlich der Aschenkegel in Wolken gehüllt ist, und da in seiner Nähe die Regengüsse am stärksten sind, so sieht man Schlammströme von allen Seiten herab fließen. Der erschrockene Landmann hält dieselben für Wasser, die aus dem Innern des Vulkans aufsteigen, und sich durch den Krater ergießen; der getäuschte Geognost glaubt in ihnen Meereswasser zu erkennen oder kothartige Erzeugnisse des Vulkans, sogenannte eruptions boueuses, oder, wie die alten Französischen Systematiker sagten, Produkte einer feuerig-wässerigen Liquefakzion. Wenn die Gipfel der Vulkane (wie dieß meist in der Andeskette der Fall ist) über die Schneeregion hinausreichen, oder gar bis zur zweifachen Höhe des Aetna anwachsen, so werden, des geschmolzenen und einsinternden Schnees wegen, die so eben beschriebenen Inundazionen überaus häufig und verwüstend. Es sind Erscheinungen, die mit den Erupzionen der Vulkane meteorologisch zusammenhängen, und durch die Höhe der Berge, den Umfang ihrer stets beschneiten Gipfel und die Erwärmung der Wände der Aschenkegel vielfach modifizirt werden: aber als eigentliche vulkanische Erscheinungen dürfen sie nicht betrachtet werden. In weiten Höhlen, bald am Abhange, bald am Fuße der Vulkane, entstehen unterirdische Seen, die mit den Alpenbächen vielfach kommuniziren. Wenn Erdstöße, die allen Feuerausbrüchen der Andeskette vorhergehen, die ganze Masse des Vulkans mächtig erschüttern, so öffnen sich die unterirdischen Gewölbe, und es entstürzen ihnen zugleich Wasser, Fische und tuffartiger Schlamm. Dieß ist die sonderbare Erscheinung, welche der Wels der Cyklopen (Pimelodes Cyclopum) gewährt, den die Bewohner des Hochlandes von Quito Prennadilla nennen, und den ich, kurz nach meiner Rückkunft, beschrieben habe. Als nördlich vom Chimborazo in der Nacht vom 19. zum 20. Junius 1698, der Gipfel des 18000 Fuß hohen Berges Karguairazo einstürzte, da bedeckten Schlamm und Fische, auf fast zwei Quadratmeilen, alle Felder umher. Eben so wurden sieben Jahr früher, die Faulfieber der Stadt Ibarra einem ähnlichen Fischauswurfe des Vulkans Imbaburu zugeschrieben. Ich erinnere an diese Thatsachen, weil sie über den Unterschied zwischen dem Auswurf trockener Asche und schlammartiger, Holz, Kohle und Muscheln umwickelnder Anschwemmungen von Tuff und Traß einiges Licht verbreiten. Die Aschenmenge, welche der Vesuv neuerlichst ausgeworfen, ist, wie Alles, was mit den Vulkanen und andern großen, schreckenerregenden Naturerscheinungen zusammenhängt, in öffentlichen Blättern übermäßig vergrößert worden, ja zwei Neapolitanische Chemiker Vicenzo Pepe und Giuseppe di Nobili, schrieben sogar, troz der Widersprüche von Monticelli und Covelli, der Asche Silber- und Goldgehalt zu. Nach meinen Untersuchungen, hat die in 12 Tagen gefallene Aschenschicht gegen Bosche tre Case hin, am Abhange des Conus, da, wo Rapilli beigemengt waren, nur drei Fuß, in der Ebene höchstens 15 bis 18 Zoll Dicke erreicht. Messungen dieser Art müssen nicht an solchen Stellen geschehen, wo die Asche, wie Schnee oder Sand, vom Winde zusammengeweht, oder durch Wasser breiartig angeschwemmt ist. Die Zeiten sind vorüber, wo man, ganz nach Art der Alten, in den vulkanischen Erscheinungen nur das Wunderbare suchte, wo man, wie Ctesias, die Asche des Aetna bis nach der Indischen Halbinsel fliegen ließ. Ein Theil der Mexikanischen Gold- und Silbergänge, findet sich freilich in trachytartigem Porphyr: aber in der Vesuv-Asche, die ich mitgebracht, und die ein vortrefflicher Chemiker, Hr. Heinrich Rose, auf meine Bitte untersucht hat, ist keine Spur von Gold oder Silber zu erkennen. So entfernt auch die Resultate, die ich hier entwickle, und welche Monticelli’s genauern Beobachtungen entsprechen, von denen sind, die man in den lezten Monaten verbreitet hat, so bleibt doch der Aschenauswurf des Vesuv vom 24. zum 28. Oktober der denkwürdigste, von dem man, seit des älteren Plinius Tode, eine sichere Nachricht hat. Die Menge ist vielleicht dreimal größer gewesen, als alle Asche, welche man hat fallen sehen, so lange vulkanische Erscheinungen mit Aufmerksamkeit beobachtet werden. Eine Schicht von 15 bis 18 Zoll scheint, auf den ersten Anblick, unwichtig gegen die Masse, mit der wir Pompeji bedeckt finden; aber ohne auch der Regengüsse und Anschwemmungen zu gedenken, die freilich wohl diese Masse, seit Jahrhunderten, vermehrt haben, mögen, ohne den lebhaften Streit wieder aufzuregen, der, jenseit der Alpen, über die Zerstörungs-Ursachen der Kampanischen Städte, mit vielem Skeptizismus geführt worden ist, darf man wohl hier in Erinnerung bringen, daß die Ausbrüche eines Vulkans, in weit von einander entfernten Zeitepochen, ihrer Intensität nach, keinesweges mit einander zu vergleichen sind. Alle auf Analogieen gestüzte Schlüsse sind unzureichend, wenn sie sich auf quantitative Verhältnisse, auf Menge der Lava und Asche, auf Höhe der Rauchsäulen, auf Stärke der Detonazionen beziehen. Aus der geographischen Beschreibung des Strabo und einem Urtheil des Vitruvius, über den vulkanischen Ursprung des Bimssteins, ersieht man, daß bis zu Vespasian’s Todesjahre, das heißt, bis zum Ausbruch, der Pompeji bedeckte, der Vesuv mehr einem ausgebrannten Vulkan, als einer Solfatara ähnlich sah. Wenn plözlich nach langer Ruhe die unterirdischen Kräfte sich neue Wege eröffneten, wenn die Schichten von uranfänglichem Gestein und Trachyt wiederum durchbrachen, so mußten Wirkungen sich äußern, für welche die später erfolgten kein Maaß abgeben könnten. Aus dem bekannten Briefe, in welchem der jüngere Plinius den Tod seines Oheims dem Tacitus berichtet, ersieht man deutlich, daß die Erneuerung der Ausbrüche, man könnte sagen, die Wiederbelebung des schlummernden Vulkans mit Erupzion der Asche anfing. Eben dieß wurde bei Jorullo bemerkt, als der neue Vulkan im September 1759, Syenit- und Trachyt-Schichten durchbrechend, sich plözlich in der Ebene erhob. Die Landleute flohen, weil sie auf ihren Hütten Asche fanden, welche aus der überall geborstenen Erde hervorgeschleudert ward. Bei den gewöhnlichen periodischen Wirkungen der Vulkane, endigt dagegen der Aschenregen jede parzielle Erupzion. Ueberdieß enthält der Brief des jüngeren Plinius eine Stelle, welche deutlich anzeigt, daß gleich Anfangs, ohne Einfluß der Anschwemmungen, die aus der Luft gefallene trockene Asche eine Höhe von 4 bis 5 Fuß erreichte. „Der Hof, heißt es im Verfolg der Erzählung, durch den man in das Zimmer trat, in welchem Plinius Mittagsruhe hielt, war so mit Asche und Bimsstein angefüllt, daß, wenn der Schlafende länger gezögert hätte, er den Ausgang würde versperrt gefunden haben.“ In dem geschlossenen Raume eines Hofes kann die Wirkung Asche zusammenwehender Winde wohl eben nicht beträchtlich gewesen seyn. Ich habe es gewagt, meine vergleichende Uebersicht der Vulkane durch einzelne, am Vesuv angestellte Beobachtungen zu unterbrechen, theils des großen Interesses wegen, welches der lezte Ausbruch erregt hat, theils aber auch, weil jeder starke Aschenregen uns fast unwillkürlich an den klassischen Boden von Pompeji und Herkulanum erinnert. In einer Beilage, deren Lesung für diese Versammlung nicht geeignet ist, habe ich alle Elemente der Barometer-Messungen und Notizen über die geognostische Sammlung zusammengedrängt, welche ich am Ende des leztverflossenen Jahres am Vesuv, und in den Phlegräischen Feldern bei Pozzuoli zu machen Gelegenheit gehabt habe. Diese kleine Sammlung, so wie die Gebirgsarten, welche ich aus den Euganeen und aus dem, von Hr. v. Buch früher und gründlichen untersuchten Fleimserthale, zwischen Cavalese und Predazzo (im südlichen Tyrol) mitgebracht habe, werden dem Königlichen Museum einverleibt werden, eine Anstalt, die durch ihre Gemeinnüzzigkeit ganz den edlen Absichten des Monarchen entspricht und deren geognostischer Theil, die fernsten Erdstriche umfassend, schon in dieser Hinsicht alle ähnlichen Sammlungen übertrifft. Wir haben bisher die Gestalt und die Wirkungen derjenigen Vulkane betrachtet, die durch einen Krater in einer dauernden Verbindung mit dem Innern der Erde stehen. Ihre Gipfel sind gehobene, durch Gänge mannichfaltig durchschnittene Massen von Trachyt und Laven. Die Permanenz ihrer Wirkungen läßt auf eine sehr zusammengesezte Struktur schließen. Sie haben, so zu sagen, einen mehr individuellen Charakter, der in langen Perioden sich gleich bleibt. Nahegelegene Berge geben meist ganz verschiedene Produkte, Leuzit- und Feldspath-Laven; Obsidian mit Bimsstein und olivinhaltige, basaltartige Massen. Sie gehören zu den neueren Erscheinungen der Erde, durchbrechen meist alle Schichten des Flözgebirges, und ihre Auswürfe und Lavaströme sind spätern Ursprungs, als unsere Thäler. Ihr Leben, wenn man sich dieses figürlichen Ausdrucks bedienen dürfte, hängt von der Art und Dauer ihrer Verbindung mit dem Innern des Erdkörpers ab. Sie ruhen oft Jahrhunderte lang, entzünden sich plözlich wieder, und enden als Wasserdampf, Gasarten und Säuren ausstoßende Solfataren. Bisweilen, wie an dem Pik von Teneriffa, ist ihr Gipfel bereits eine solche Werkstatt regenerirten Schwefels geworden, und doch entfließen noch mächtige Lavaströme den Seiten des Berges, basaltartig in der Tiefe, obsidianartig mit Bimsstein nach oben hin, wo der Druck geringer ist. Leopold v. Buch, über den Pik von Teneriffa, in den Abhandl. der Königl. Akademie zu Berlin, 1820 — 21; pag. 99. Unabhängig von diesen mit permanenten Kratern versehenen Vulkanen, gibt es eine andere Art vulkanischer Erscheinungen, die seltener beobachtet werden, aber vorzugsweise belehrend für die Geognosie, an die Urwelt, das heißt, an die frühesten Revoluzionen unsers Erdkörpers erinnern. Trachytberge öffnen sich plözlich, werfen Lava und Asche aus, und schließen sich wieder, vielleicht auf immer. So der mächtige Antisana in der Andeskette, so der Epomaeus auf Ischia im Jahre 1302. Bisweilen geschieht ein solcher Ausbruch selbst in der Ebene, wie im Hochlande von Quito, in Island, fern vom Hekla, und in Euboea in den Lelantischen Gefilden. Viele der gehobenen Inseln gehören zu diesen vorübergehenden Erscheinungen. Die Verbindung mit dem inneren Erdkörper ist dann nicht permanent: die Wirkung hört auf, sobald die Kluft, der kommunizirende Kanal, wiederum geschlossen ist. Gänge von Basalt, Dolerit und Porphyr, welche in verschiedenen Erdstrichen fast alle Formazionen durchschneiden, Syenit, Augit-Porphyr und Mandelstein- Massen, welche die neuesten Schichten des Uebergangs-Gebirges und die älteste Schicht des Flöz-Gebirges charakterisiren, sind wahrscheinlich auf eine ähnliche Weise gebildet worden. In dem Jugendalter unseres Planeten drangen die flüssig gebliebenen Stoffe des Innern durch die überall geborstene Erdrinde hervor; bald erstarrend als körniges Ganggestein, bald sich überlagernd und schichtenweise verbreitend. Was die Urwelt von ausschließlich sogenannten vulkanischen Gebirgsarten uns überliefert hat, ist nicht bandartig, wie die Laven unserer isolirten Kegelberge, geflossen. Die Gemenge von Augit, Titaneisen, glasigem Feldspath und Hornblende mögen zu verschiedenen Epochen dieselben gewesen seyn: bald dem Basalte, bald dem Trachyte näher: die chemischen Stoffe mögen sich (wie es Herr Mitscherlich’s neue wichtige Arbeiten und die Analogie künstlicher Feuerprodukte uns lehren) in bestimmten Mischungs-Verhältnissen krystallinisch an einander gereiht haben; immer erkennen wir, daß ähnlich zusammengesetzte Stoffe auf sehr verschiedenen Wegen an die Oberfläche der Erde gekommen sind, entweder blos gehoben, oder mittelst temporärer Spalten durch ältere Gebirgs-Schichten, das heißt, durch die früher oxydirte Erdrinde hervorbrechend, oder aus Kegelbergen, die einen permanenten Krater haben, als Lavaströme ergossen. Die Verwechselung dieser so verschiedenartigen Erscheinungen führt die Geognosie der Vulkane in das Dunkel zurück, dem eine große Zahl vergleichender Erfahrungen sie allmählich zu entreißen angefangen hat. Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, was in den Vulkanen brenne, was die Wärme errege, bei der Erde und Metalle schmelzend sich mischen. Die neuere Chemie antwortet: was da brennt, sind die Erden, die Metalle, die Alkalien selbst, das heißt, die Metalloide dieser Stoffe. Die feste, bereits oxydirte Erdrinde scheidet das umgebende sauerstoffhaltige Luftmeer von den brennbaren unoxydirten Stoffen im Innern unseres Planeten. Die Erfahrungen, die man unter allen Zonen in Bergwerken und Höhlen gemacht, und die ich mit Herrn Arago in einer eigenen Abhandlung zusammengestellt, beweisen, daß schon in geringer Tiefe die Wärme des Erdkörpers um Vieles höher, als an demselben Orte die mittlere Temperatur des Luftkreises ist. Eine so merkwürdige und fast allgemein bewährte Thatsache steht in Verbindung mit dem, was die vulkanischen Erscheinungen uns lehren. Laplace hat sogar schon die Tiefe zu berechnen versucht, in welcher man den Erdkörper als eine geschmolzene Masse betrachten könne. Welche Zweifel man auch, troz der gerechten Verehrung, die einem so großen Namen gebührt, gegen die numerische Gewißheit, einer solchen Rechnung erheben kann, so bleibt es doch wahrscheinlich, daß alle vulkanische Erscheinungen aus einer sehr einfachen Ursache, aus einer steten oder vorübergehenden Verbindung zwischen dem Innern und Aeußern unseres Planeten entstehen. Elastische Dämpfe drücken die geschmolzenen, sich oxydirenden Stoffe durch tiefe Spalten aufwärts. Vulkane sind, so zu sagen, intermittirende Erdquellen; die flüssigen Gemenge von Metallen, Alkalien und Erden, die zu Lavaströmen erstarren, fließen sanft und stille, wenn sie, gehoben, irgendwo einen Ausgang finden. Auf ähnliche Weise stellten sich die Alten (nach Platon’s Phaedon) alle vulkanischen Feuerströme, als Ausflüsse des Pyriphlegethon vor. Diesen Betrachtungen sey mir erlaubt, eine andere noch gewagtere anzuschließen. Vielleicht liegt auch in der innern Wärme des Erdkörpers, auf welche Thermometer-Versuche und Beobachtungen über die Vulkane hindeuten, die Ursache eines der wunderbarsten Phänomene, welche die Petrefakten-Kunde uns darbietet. Tropische Thier-Gestalten, baumartige Farrenkräuter, Palmen und Bambus-Gewächse liegen vergraben im kalten Norden. Ueberall zeigt uns die Urwelt eine Vertheilung organischer Bildungen, mit der die dermalige Beschaffenheit der Klimate im Widerspruch steht. Zur Lösung eines so wichtigen Problems hat man mehrerlei Hypothesen ersonnen, Annäherung eines Kometen, veränderte Schiefe der Ekliptik, vermehrte Intensität des Sonnenlichtes. Keine derselben hat den Astronomen, den Physiker und den Geognosten zugleich befriedigen können. Ich meines Theils lasse gern unverändert die Axe der Erde, oder das Licht der Sonnenscheibe, aus deren Flecken ein berühmter Sternkundiger Fruchtbarkeit und Mißwachs der Felder erklärt hat; aber ich glaube zu erkennen, daß in jeglichem Planeten, unabhängig von seinen Verhältnissen zu einem Zentralkörper und von seinem astronomischen Stande, mannichfaltige Ursachen der Wärme-Entbindung liegen, durch Oxydazions- Prozesse, Niederschläge und chemisch veränderte Kapazität der Körper, durch Zunahme elektrisch-magnetischer Ladung, durch geöffnete Kommunikazion zwischen den innern und äußern Theilen. Wo in der Vorwelt die tiefgespaltete Erdrinde aus ihren Klüften Wärme ausstrahlte, da konnten vielleicht Jahrhunderte lang, in ganzen Länderstrecken, Palmen und baumartige Farrenkräuter und alle Thiere der heißen Zone gedeihen. Nach dieser Ansicht der Dinge, die ich in einem eben erschienenen Werke: Geognostischer Versuch über die Lagerung der Gobirgsarten in beiden Hemisphären bereits angedeutet habe, wäre die Temperatur der Vulkane die des innern Erdkörpers selbst, und dieselbe Ursache, welche jezt so schauervolle Verwüstungen anrichtet, hätte einst, auf der neu oxydirten Erdrinde, auf den tief zerklüfteten Felsschichten, unter jeglicher Zone, den üppigsten Pflanzenwuchs hervorrufen können. Ist man geneigt anzunehmen, um die wunderbare Vertheilung der Tropen-Bildungen in ihren alten Grabstätten zu erklären, daß langbehaarte elephantenartige Thiere, jezt von Eisschollen umschlossen, einst den nördlichen Klimaten ursprünglich eigen waren, und daß ähnliche, demselben Haupt-Typus zugehörige Bildungen, wie Löwen und Luchse, zugleich in ganz verschiedenen Klimaten leben konnten, so würde eine solche Erklärungsweise sich doch wohl nicht auf die Pflanzen-Produkte ausdehnen lassen. Aus Gründen, welche die Physiologie der Gewächse entwickelt, können Palmen, Pisang-Gewächse und baumartige Monokotyledonen nicht die nordische Kälte ertragen, und in dem geognostischen Problem, das wir hier berühren; scheint es mir schwer, Pflanzen- und Thier-Bildungen von einander zu trennen. Dieselbe Erklärungsart muß beide Bildungen umfassen. Ich habe am Schlusse dieser Abhandlung den Thatsachen, die in den verschiedensten Weltgegenden gesammelt worden sind, unsichere hypothetische Vermuthungen angereiht. Die philosophische Naturkunde erhebt sich über die Bedürfnisse einer bloßen Naturbeschreibung. Sie besteht nicht in einer sterilen Anhäufung isolirter Beobachtungen. Dem neugierig regsamen Geiste des Menschen sey es bisweilen erlaubt, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüber zu schweifen, zu ahnen, was noch nicht klar erkannt werden kann, und sich an den alten, unter vielerlei Formen wiederkehrenden Mythen der Geognosie zu ergözzen.