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Alexander von Humboldt: „Ueber den Bau und die Wirksamkeit der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1823-Ueber_den_Bau-04> [abgerufen am 19.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1823-Ueber_den_Bau-04
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Titel Ueber den Bau und die Wirksamkeit der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen
Jahr 1824
Ort Frankfurt am Main
Nachweis
in: Mineralogisches Taschenbuch für das Jahr 1824 18:1 (1824), S. [3]–39.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung, Kapitälchen; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.37
Dateiname: 1823-Ueber_den_Bau-04
Statistiken
Seitenanzahl: 37
Zeichenanzahl: 42939

Weitere Fassungen
Über den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen (Erfurt; Weimar; Leipzig, 1823, Deutsch)
On the Constitution and Mode of Action of Volcanoes, in different Parts of the Earth (London, 1823, Englisch)
On the Constitution and Mode of Action of Volcanoes, in different parts of the Earth (New York City, New York, 1823, Englisch)
Ueber den Bau und die Wirksamkeit der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen (Frankfurt am Main, 1824, Deutsch)
Über den Bau und die Wirkungsart der Vulcane in verschiedenen Erdstrichen. (Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 24. Januar 1823) (Berlin, 1825, Deutsch)
O budowie i sposobie działania Wulkanów w róźnych częściach ziemi (Warschau, 1828, Polnisch)
Essay on the Structure and Action of Volcanoes in different regions of the Earth (Edinburgh, 1828, Englisch)
Ueber den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in den verschiedenen Erdstrichen. (Gelesen in der öffentlichen Versammlung der kön. Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 24. Januar 1823) (Leipzig, 1839, Deutsch)
Bau und Wirkungsart der Vulkane (Zürich, 1847, Deutsch)
Liquid Fire in the Interior of the Earth (Manchester, 1849, Englisch)
Facts respecting Volcanos (London, 1850, Englisch)
Facts Respecting Volcanos (Canterbury, 1850, Englisch)
Phenomena connected with an Eruption of Vesuvius (London, 1850, Englisch)
Устройство и дѣятельность вулканов. (Изъ новаго изданiя « Гумбольдтовыхъ картинъ природы [sic].) [Ustrojstvo i dějatelʹnostʹ vulkanov. (Iz novago izdanija Gumbolʹdtovych kartin prirody.)] (Sankt Petersburg, 1852, Russisch)
|3|

Ueberden Ban und die Wirksamkeit derVulkaneinverschiedenen Erdstrichen.VonHerrn Alexander v. Humboldt.


(Eine Vorlesung, gehalten in der Königl. Akad. derWissenschaften zu Berlin den 24. Januar 1823 *)).

Wenn man den Einfluß betrachtet, den seitJahrhunderten die erweiterte Erdkunde undwissenschaftliche Reisen in entfernte Regionen
*) Diese, in so vielfacher Beziehung interessante und wich-tige Arbeit ist, meines Wissens, nicht Gegenstand desBuchhandels geworden; der verehrte Verfasser möge da-rum deren Aufnahme in diesen Blättern nicht mißdeuten.d. H.
|4| auf das Studium der Natur ausgeübt haben, soerkennt man bald, wie verschiedenartig derselbegewesen ist, je nachdem die Untersuchung aufdie Formen der organischen Welt oder auf dastodte Erdgebilde, auf die Kenntniß der Felsar-ten, ihr relatives Alter und ihre Entstehung ge-richtet war. Andere Gestalten von Pflanzenund Thieren beleben die Erde in jeglicher Zo-ne, sey es, wo in der meergleichen Ebene dieWärme des Luftkreises nach der geographischenBreite und den mannichfaltigen Krümmungender isothermen Linien, oder wo sie fast scheitel-recht, an dem steilen Abhange der Gebirgsketten,wechselt. Die organische Natur gibt jedem Erd-strich seinen eigenen physiognomischen Charak-ter; nicht so die unorganische, da, wo die festeRinde des Erdkörpers von der Pflanzendeckeentblößt ist. Dieselben Gebirgsarten, gruppen-weise sich anziehend und abstoßend, erscheinenin beiden Hemisphären vom Aequator an biszu den Polen hin. In einem fernen Eilande,von fremdartigen Gewächsen umgeben, untereinem Himmel, wo nicht mehr die alten Sterneleuchten, erkennt oft der Seefahrer freudig er-staunt den heimischen Thonschiefer, die wohl-bekannte Gebirgsart des Vaterlandes.
|5| Diese Unabhängigkeit der geognostischenVerhältnisse von der gegenwärtigen Konstituzionder Klimate mindert nicht den wohlthätigen Ein-fluß, welchen zahlreiche, in fremden Weltge-genden angestellte Beobachtungen auf die Fort-schritte der Gebirgskunde und der physikali-schen Geognosie ausüben, sie gibt derselben nureine eigenthümliche Richtung. Jede Expedizionbereichert die Naturkunde mit neuen Pflanzenund Thiergattungen. Bald sind es organischeFormen, die sich an längst bekannte Typen an-reihen, und uns das regelmäßig gewebte, oftscheinbar unterbrochene Nez belebter Natur-Bildungen in seiner ursprünglichen Vollkommen-heit darstellen. Bald sind es Bildungen, dieisolirt auftreten, als entkommene Reste unterge-gangener Geschlechter, oder als unbekannte,Erwartung erregende Glieder noch zu entdek-kender Gruppen. Eine solche Mannichfaltigkeitgewährt freilich nicht die Untersuchung der fe-sten Erdrinde. Sie offenbart uns vielmehr eineUebereinstimmung in den Gemengtheilen, in derAuflagerung verschiedenartiger Massen und inihrer periodischen Wiederkehr, welche die Be-wunderung des Geognosten erregt. In der An-deskette, wie in dem Zentral-Gebirge Europa’s,scheint eine Formazion gleichsam die andere|6| herbeizurufen. Gleichnamige Massen gestaltensich zu ähnlichen Formen: in Zwillingsberge,Basalte und Dolerit; als prallige Felswände,Dolomit, Quadersandstein und Porphyr; zuGlocken oder hochgewölbten Domen der glasige,feldspathreiche Trachyt. In den entferntestenZonen sondern sich gleichartig, wie durch in-nere Entwickelung, größere Krystalle aus demdichten Gewebe der Grundmassen ab, umhülleneinander, treten in untergeordnete Lagerzusammen, und verkündigen oft, als solche, dieNähe einer neuen unabhängigen Formazion. Sospiegelt sich mehr oder minder klar, in jedemGebirge von beträchtlicher Ausdehnung die gan-ze unorganische Welt; doch um die wichtigenErscheinungen der Zusammensezzung, des rela-tiven Alters und der Entstehung der Gebirgsar-ten vollständig zu erkennen, müssen Beobach-tungen aus den verschiedensten Erdstrichen miteinander verglichen werden. Probleme, diedem Geognosten lange in seiner nordischen Hei-math räthselhaft geschienen, finden ihre Lösungnahe am Aequator. Wenn die fernen Zonen,wie schon oben bemerkt ward, uns nicht neueGebirgsarten liefern, das heißt unbekannteGruppirungen einfacher Stoffe; so lehren sie unsdagegen die großen, überall gleichen Gesezze|7| enthüllen, nach denen die Schichten der Erd-rinde sich wechselseitig tragen, sich gangartigdurchbrechen, oder mittelst elastischer Kräftegehoben werden.Bei dem so eben geschilderten Nuzzen, denunser geognostisches Wissen aus Untersuchungenzieht, welche große Länderstrecken umfassen,darf es uns nicht befremden, daß eine Klassevon Erscheinungen, mit der ich diese Versamm-lung vorzugsweise zu unterhalten wage, langeum so einseitiger betrachtet worden ist, als dieVergleichungspunkte schwieriger, man könntefast sagen, mühevoller aufzufinden sind. Wasman bis gegen das Ende des verflossenen Jahr-hunderts von der Gestalt der Vulkane und demWirken ihrer unterirdischen Kräfte zu wissenglaubte, war von zwei Bergen des südlichenItaliens, dem Vesuv und dem Aetna hergenom-men. Da der erste zugänglicher ist, und (wiealle niedrigen Vulkane) häufiger auswirft, so hatein Hügel gleichsam zum Typus gedient, nachwelchem man sich eine ganze ferne Welt, diemächtigen an einander gereihten Vulkane vonMexiko, Südamerika und den Asiatischen Inselngebildet dachte. Ein solches Verfahren mußtemit Recht an Virgil’s Hirten erinnern, der in|8| seiner engen Hütte das Vorbild der ewigen Stadt,des königlichen Rom’s, zu sehen wähnte.Allerdings hätte eine sorgfältigere Unter-suchung des ganzen Mittelmeeres, besondersder östlichen Inseln und Küstenländer, wo dieMenschheit zuerst zu geistiger Kultur und edle-ren Gefühlen erwachte, eine so einseitige Natur-Ansicht vernichten können. Aus dem tiefen Mee-resgrunde haben sich hier, unter den Sporaden,Trachytfelsen zu Inseln erhoben, dem AzorischenEilande ähnlich, das in drei Jahrhunderten drei-mal, fast in gleichen Zeit-Abständen, periodischerschienen ist. Zwischen Epidaurus und Tröze-ne bei Methone hat der Peloponnes einen Mon-te nuovo, den Strabo beschrieben, und Dod-well wiedergesehen hat, höher als der Montenuovo der Phlegräischen Felder bei Bajae, viel-leicht selbst höher als der neue Vulkan vonJorullo in den Mexikanischen Ebenen, den ichvon mehreren tausend kleinen, aus der Erdeherausgeschobenen, noch gegenwärtig rauchen-den Basaltkegeln umringt gefunden habe. Auchim Bassin des Mittelmeeres bricht das vulkani-sche Feuer nicht blos aus permanenten Kratern,aus isolirten Bergen aus, die eine dauernde Ver-bindung mit dem Innern der Erde haben, wieStromboli, der Vesuv und der Aetna. Auf|9| Ischia, am Epomäus und wie es nach den Be-richten der Alten scheint, auch in der Lelanti-schen Ebene bei Chalcis sind Laven aus Erd-spalten geflossen, die sich plözlich geöffnet ha-ben. Neben diesen Erscheinungen, die in diehistorische Zeit, in das enge Gebiet sichererTradizionen fallen, und welche Ritter in seinermeisterhaften Erdkunde sammeln und erläuternwird, enthalten die Küsten des Mittelmeeresnoch mannichfaltige Reste älterer Feuerwirkun-gen. Das südliche Frankreich zeigt uns in Au-vergne ein eigenes geschlossenes System an ein-ander gereiheter Vulkane, Trachytglocken, ab-wechselnd mit Auswurfskegeln, aus denen La-vaströme bandförmig sich ergießen. Die Lom-bardische seegleiche Ebene, welche den inner-sten Busen des Adriatischen Meeres bildet, um-schließt den Trachyt der Euganeischen Hügel,wo Dome von körnigem Trachyt, von Obsidianund Perlstein sich erheben; drei aus einandersich entwickelnden Massen, die den feuerstein-haltigen Jurakalk durchbrechen, aber nie inschmalen Strömen geflossen sind. Aehnliche Zeu-gen alter Erdrevoluzionen findet man in vielenTheilen des Griechischen Kontinents und in Vor-derasien, Länder die dem Geognosten einst rei-chen Stoff zu Untersuchungen darbieten werden,|10| wenn das Licht dahin zurückkehrt, von wo eszuerst über die westliche Welt gestrahlt, wenndie gequälte Menschheit nicht mehr unter derwilden Barbarei der Osmanen erliegt.Ich erinnere an die geographische Nähe somannichfaltiger Erscheinungen, um zu bewähren,daß der Kessel des Mittelmeeres mit seinen In-selreihen dem aufmerksamen Beobachter Alleshätte darbieten können, was neuerlichst untermannichfaltigen Formen und Bildungen in Süda-merika, auf Teneriffa, oder in den Aleuten,der Polargegend nahe, entdeckt worden ist.Die Gegenstände der Beobachtung fanden sichzusammengedrängt, aber Reisen in ferne Klima-te, Vergleichungen großer Länderstriche, in-und außerhalb Europa waren nöthig, um dasGemeinsame der vulkanischen Erscheinungen undihre Abhängigkeit von einander klar zu erkennen.Der Sprachgebrauch, welcher oft den er-sten irrigen Ansichten der Dinge Dauer und An-sehen gibt, oft aber auch instinktmäßig dasWahre bezeichnet, der Sprachgebrauch nenntvulkanisch alle Ausbrüche unterirdischenFeuers und geschmolzener Materien; Rauch- undDampfsäulen, die sporadisch aus den Felsen auf-steigen, wie bei Colares nach dem großenErdbeben von Lissabon; Salse oder feuchten|11| Koth, Asphalt und Hydrogen auswerfende Let-tenkegel, wie bei Girgenti in Sizilien, und beiTurbako in Südamerika, heiße Geißer-Quellen,die von elastischen Dämpfen gedrückt sich erhe-ben, ja im Allgemeinen alle Wirkungen wilderNaturkräfte, die ihren Siz tief im Innern unse-res Planeten haben. Im Spanischen Amerikaund in den Philippinischen Inseln unterscheidendie Eingebornen sogar förmlich zwischen Was-ser- und Feuer-Vulkanen, vulcanesde agua y de fuego. Mit dem ersten Namenbezeichnen sie Berge, aus welchen bei heftigenErdstößen und mit dumpfem Krachen, von Zeitzu Zeit, unterirdische Wasser ausbrechen.Ohne den Zusammenhang der so eben ge-nannten Phänomene zu leugnen, scheint es dochrathsam, dem physischen, wie dem oryktogno-stischen Theile der Geognosie eine bestimmtereSprache zu geben, und mit dem Worte Vulkannicht bald einen Berg zu bezeichnen, der sichmit einem permanenten Feuerschlunde endigt,bald jegliche unterirdische Ursache vulkanischerErscheinungen. Im gegenwärtigen Zustande derErde ist freilich in allen Welttheilen die Formisolirter Kegelberge (die des Vesuvs, des Aetna,des Piks von Teneriffa, des Tunguragua undKotopaxi) die gewöhnlichste Form der Vulkane;|12| ich habe sie von dem niedrigsten Hügel bis zu17700 Fuß über der Meeresfläche anwachsen se-hen; aber neben diesen Kegelbergen findet manauch permanente Feuerschlünde, bleibende Kom-munikazionen mit dem Innern der Erde auflanggedehnten zackigen Rücken, und zwar nichteinmal immer in der Mitte ihrer mauerartigenGipfel, sondern am Ende derselben, gegen denAbfall hin. So der Pichincha, der sich zwi-schen der Südsee und der Stadt Quito erhebt,und den Bouguer’s früheste Barometer-Formelnberühmt gemacht haben; so die Vulkane, die inder, 10000 Fuß hohen Steppe de los Pastos sicherheben. Alle diese Gipfel von mannichfaltigenGestalten bestehen aus Trachyt sonst Trapp-Por-phyr genannt, einem körnigen, rissig-zerklüfte-ten Gesteine von glasigem Feldspathe und Horn-blende, welchem Augit, Glimmer, blätterigerFeldspath und Quarz keinesweges fremd sind.Wo die Zeugen des ersten Ausbruchs, ichmöchte sagen, das alte Gerüste, sich vollständigerhalten hat, da umgibt die isolirten Kegelbergezirkusartig eine hohe Felsmauer, ein Mantel ausaufgelagerten Schichten zusammengesezt. SolcheMauern oder ringförmige Umgebungen heißenErhebungs-Krater, eine große, wichtigeErscheinung, über welche der erste Geognost|13| unserer Zeit, Leopold v. Buch, aus dessenSchriften ich auch in dieser Abhandlung mehre-re Ansichten entlehne, unserer Akademie vorfünf Jahren eine denkwürdige Abhandlung vor-gelegt hat.Mit dem Luftkreise durch Feuerschlündekommunizirende Vulkane, konische Basalthügelund glockenförmige, kraterlose Trachytberge,leztere bald niedrig wie der Sarcouy, bald hochwie der Chimborazo, bilden mannichfaltige Grup-pen. Hier zeigt uns die vergleichende Erd-kunde kleine Archipele, gleichsam geschlosse-ne Berg-Systeme, mit Krater und Lavenströ-men in den Kanarischen Inseln und den Azoren;ohne Krater und eigentliche Lavaströme in denEuganeen und dem Siebengebirge bei Bonn: dortbeschreibt sie uns Vulkane, in einfachen oderdoppelten Ketten an einander gereiht, viele hun-dert Meilen lange Züge, bald der Hauptrichtungder Gebirge parallel, wie in Guatimala, Peruund Java, bald die Axe der Gebirge senkrechtdurchschneidend, wie im Lande der Azteken,wo feuerspeiende Trachytberge allein die hoheSchneegrenze erreichen, und wahrscheinlich aufeiner Kluft ausgebrochen sind, die in einerLänge von 105 geographischen Meilen den gan-|14| zen Kontinent, vom stillen Meer bis zum Atlan-tischen Ozean durchschneidet.Dieses Zusammendrängen der Vulkane baldin einzelne rundliche Gruppen, bald in doppel-te Züge, liefert den entscheidensten Beweis,daß die vulkanischen Wirkungen nicht von klein-lichen, der Oberfläche nahen Ursachen abhän-gen, sondern große tiefbegründete Erscheinun-gen sind. Der ganze östliche, an Metallen armeTheil des Amerikanischen Festlandes, ist in sei-nem gegenwärtigen Zustande ohne Feuerschlün-de, ohne Trachytmassen, wahrscheinlich selbstohne Basalte. Alle Vulkane sind, in dem, Asiengegenüber liegenden Theile vereinigt, in der me-ridianartig ausgedehnten, 1800 geographischeMeilen langen Andeskette. Auch ist das ganzeHochland von Quito ein einziger vulkanischerHeerd, dessen Gipfel Pichincha, Kotopaxi undTunguragua bilden. Das unterirdische Feuerbricht bald aus der einen, bald aus der anderndieser Oeffnungen aus, die man sich als abgeson-derte Vulkane zu betrachten gewöhnt hat. Diefortschreitende Bewegung des Feuers ist hierseit drei Jahrhunderten von Norden gegen Südengerichtet. Selbst die Erdbeben welche so furcht-bar diesen Welttheil heimsuchen, liefern merk-würdige Beweise von der Existenz unterirdi-|15| scher Verbindungen, nicht bloß zwischen vul-kanlosen Ländern, was längst bekannt ist, son-dern auch zwischen Feuerschlünden, die weitvon einander entfernt sind. So stieß der Vul-kan von Pasto östlich vom Flusse Guaytara, dreiMonate lang im Jahre 1797 ununterbrochen einehohe Rauchsäule aus. Diese Säule verschwandin demselben Augenblicke, als sechszig Meilendavon das große Erdbeben von Riobamba undder Schlammausbruch der Moya dreißig bisvierzig Tausend Indianer tödteten. Die plözlicheErscheinung der Azorischen Insel Sabrina, am30. Januar 1811, war der Vorbote der fürch-terlichen Erdstöße, welche weiter westlich vomMonat Mai 1811, bis zum Junius 1813 fast un-aufhörlich, erst die Antillen, dann die Ebenendes Ohio und Missisippi und zulezt die gegenü-berstehenden Küsten von Venezuela erschütter-ten. Dreißig Tage nach der gänzlichen Zerstö-rung der Stadt Karakas erfolgte der Ausbruchdes Vulkans von Sankt Vinzent in den nahenAntillen. In demselben Augenblicke als dieseExplosion erfolgte, am 30. April 1811, wurdeein Schrecken erregendes, unterirdisches Getösein allen Theilen einer Landstrecke von 2200geogr. Quadratmeilen vernommen. Die Anwoh-ner des Apure, beim Einfluß des Rio Nula,|16| verglichen dieß Getöse eben so, als die fernstenKüstenbewohner, mit der Wirkung schwerenGeschüzzes. Von dem Einfluß des Rio Nula inden Apure, durch welchen ich in den Orinokogekommen bin, bis zum Vulkan von Sankt Vin-zent, zählt man in gerader Richtung 157 geogr.Meilen. Dieß Getöse, welches sich gewiß nichtdurch die Lüfte fortpflanzte, muß eine tiefeunterirdische Ursache gehabt haben. Es warwenig stärker an den Küsten des AntillischenMeeres, dem ausbrechenden Vulkane näher, alsin dem Innern des Landes.Es würde zwecklos seyn, die Zahl dieserBeispiele zu vermehren, aber um an eine Er-scheinung zu erinnern, die für Europa historischwichtiger geworden ist, gedenke ich nur nochdes bekannten Erdbebens von Lissabon. Gleich-zeitig mit demselben, am 1. Nov. 1755, wurdennicht nur die Schweizer Seen, und das Meeran den Schwedischen Küsten heftig bewegt,selbst in den östlichen Antillen, um Martinique,Antigua und Barbados, wo die Fluth nie über28 Zoll erreicht, stieg sie plözlich 20 Fuß hoch.Alle diese Phänomene beweisen, daß die unter-irdischen Kräfte entweder dynamisch, spannendund erschütternd im Erdbeben, oder produzi-rend und chemisch verändernd in den Vulkanen|17| sich äußern. Sie beweisen auch, daß dieseKräfte nicht oberflächlich aus der äußern Erd-rinde, sondern tief aus dem Innern unsers Pla-neten durch Klüfte und unausgefüllte Gängenach den entferntesten Punkten der Erdflächegleichzeitig hinwirken.Je mannichfaltiger der Bau der Vulkane, dasheißt, der Erhebungen ist, welche den Kanalumschließen, durch welchen die geschmolzenenMassen des innern Erdkörpers an die Oberflächegelangen, desto wichtiger ist es, diesen Bau mit-telst genauer Messungen zu ergründen. Das In-teresse dieser Messungen, die in einem an-dern Welttheile ein besonderer Gegenstandmeiner Untersuchungen gewesen sind, wirddurch die Betrachtung erhöht, daß das zu Mes-sende an vielen Punkten eine veränderlicheGröße ist. Die philosophische Naturkunde istbemüht, in dem Wechsel der Erscheinungen dieGegenwart an die Vergangenheit anzureihen.Um eine periodische Wiederkehr, oder über-haupt die Gesezze fortschreitender Natur-Verän-derungen zu ergründen, bedarf es gewisser fe-ster Punkte, sorgfältig angestellter Beobachtun-gen, die an bestimmte Epochen gebunden, zunumerischen Vergleichungen dienen können. Hät-te auch nur von tausend zu tausend Jahren die|18| mittlere Temperatur des Luftkreises und der Er-de in verschiedenen Breiten, oder die mittlereHöhe des Barometers an der Meeresfläche be-stimmt werden können, so würden wir wissen,in welchem Verhältnisse die Wärme der Klimatezu- oder abgenommen, ob die Höhe der At-mosphäre Veränderungen erlitten hat. Eben die-ser Vergleichungs-Punkte bedarf man für die Nei-gung und Abweichung der Magnetnadel, wie fürdie Intensität der magnetisch-elektrischen Kräfte,über welche im Kreise dieser Akademie zweitreffliche Physiker, Seebeck und Erman, ein sogroßes Licht verbreitet haben. Wenn es einrühmliches Geschäft gelehrter Gesellschaften ist,den kosmischen Veränderungen der Wärme, desLuftdruckes, der magnetischen Richtung und La-dung beharrlich nachzuspüren, so ist es dage-gen die Pflicht des reisenden Geognosten bei Be-stimmung der Unebenheiten der Erdoberflächehauptsächlich auf die veränderliche Höhe derVulkane Rücksicht zu nehmen. Was ich vormalsin den Mexikanischen Gebirgen, am TolukaNauheampatepetl und Jorullo; in den Andenvon Quito am Pichincha versucht, habe ich Ge-legenheit gehabt, seit meiner Rückkehr nach Eu-ropa, zu verschiedenen Epochen am Vesuv zuwiederholen. Saussure hatte diesen Berg im|19| Jahr 1773 in einer Zeit gemessen, wo beideRänder des Kraters, der nordwestliche und süd-östliche, ihm gleich hoch schienen. Er fand ih-re Höhe über der Meeresfläche 609 Toisen. DieErupzion von 1794 verursachte einen Absturzgegen Süden, eine Ungleichheit der Kraterrän-der, welche das ungeübteste Auge selbst in gro-ßer Entfernung unterscheidet. Wir maßen,Herr v. Buch, Gay-Lussac und ich, im Jahr1805 den Vesuv dreimal und fanden den nörd-lichen Rand, welcher der Somma gegenüber steht,la Rocca del Palo, genau wie Saussure; densüdlichen Rand aber 71 Toisen niedriger, als1773. Die ganze Höhe des Vulkans hatte gegenTorre del Greco hin (nach einer Seite, gegenwelche seit 30 Jahren das Feuer gleichsam vor-zugsweise hinwirkt), um \( \frac{1}{9} \) abgenommen. DerAschenkegel verhält sich zur ganzen Höhe desBerges am Vesuv wie 1 zu 3, am Pichinchawie 1 zu 10, am Pik von Teneriffa wie 1 zu22. Der Vesuv hat also verhältnißmäßig denhöchsten Aschenkegel, wahrscheinlich schon dar-um, weil er, als ein niedriger Vulkan, am mei-sten durch seinen Gipfel gewirkt hat. Vor we-nigen Monaten ist es mir geglückt, nicht blosmeine früheren Barometer-Messungen am Vesuvzu wiederholen, sondern auch, bei dreimaliger|20| Besteigung des Berges, eine vollständigere Be-stimmung aller Kraterränder zu unternehmen.Diese Arbeit verdient vielleicht darum einigesInteresse, weil sie die Epoche großer Erupzio-nen von 1805 bis 1822 umfaßt, und vielleichtdie einzige in allen ihren Theilen vergleichbareMessung ist, welche man bisher von irgend ei-nem Vulkan bekannt gemacht hat. Sie beweist,daß die Ränder der Krater, nicht blos da, wosie (wie am Pik von Teneriffa und an allenVulkanen der Andeskette), sichtbar aus Trachytbestehen, sondern auch sonst überall ein weitbeständigeres Phänomen sind, als man bisher ge-glaubt hat. Einfache Höhenwinkel aus densel-ben Punkten bestimmt, eignen sich zu diesenUntersuchungen noch mehr, als vollständige tri-gonometrische und barometrische Messungen.Nach meinen lezten Bestimmungen hat sich dernordwestliche Rand des Vesuv seit Saussure, alsoseit 49 Jahren, gar nicht, der südöstliche Rand, ge-gen Bosche tre Case hin, welcher 1794 um vierhun-dert Fuß niedriger ward, überaus wenig verändert.Wenn man in öffentlichen Blättern, bei derBeschreibung großer Auswürfe, so oft der gänz-lich veränderten Gestalt des Vesuv erwähnt fin-det, wenn man diese Behauptungen durch diepittoresken Ansichten bewährt glaubt, welche|21| in Neapel von dem Berge entworfen werden,so liegt die Ursache des Irrthums darin, daßman die Umrisse der Kraterränder mit den Um-rissen der Auswurfskegel verwechselt, welchezufällig in der Mitte des Kraters auf dem, durchDämpfe gehobenen Boden des Feuerschlundessich bilden. Ein solcher Auswurfskegel, vonRapilli und Schlacken locker aufgethürmt, warin den Jahren 1816 und 1818 allmählich überdem südöstlichen Kraterrand sichtbar geworden.Die Erupzion vom Monat Februar 1822 hatte ihndergestalt vergrößert, daß er selbst 70 bis 80Fuß höher, als der nordwestliche Kraterrand(die Rocca del Palo), geworden war. Diesermerkwürdige Kegel nun, den man sich in Nea-pel als den eigentlichen Gipfel des Vesuv zubetrachten gewöhnt hatte, ist bei dem leztenAuswurf, in der Nacht vom 22. Oktober, mitfurchtbarem Krachen eingestürzt, so, daß derBoden des Kraters, der seit 1811 ununterbro-chen zugänglich war, gegenwärtig 750 Fuß tie-fer liegt, als der nördliche; 200 Fuß tiefer, alsder südliche Rand des Vulkans. Die veränder-liche Gestalt und relative Lage der Auswurfske-gel, deren Oeffnungen man ja nicht, wie so oftgeschieht, mit dem Krater des Vulkans, ver-wechseln muß, gibt dem Vesuv zu verschiede-|22| nen Epochen eine eigenthümliche Physiognomie,und der Historiograph des Vulkans könnte demUmriß des Berggipfels, nach dem bloßen An-blicke der Hackertschen Landschaften im Palla-ste von Portici, je nachdem die nördliche odersüdliche Seite des Berges höher angedeutet ist,das Jahr errathen, in welchem der Künstlerdie Skizze zu seinem Gemälde entworfen hat.Einen Tag nach dem Einsturz des 400 Fußhohen Schlackenkegels, als bereits die kleinen,aber zahlreichen Lavaströme abgeflossen waren,in der Nacht vom 23. zum 24. Oktober, begannder feurige Ausbruch der Asche und der Rapil-li. Er dauerte ununterbrochen 12 Tage fort;doch war er in den ersten 4 Tagen am größten.Während dieser Zeit wurden die Detonazionenim Innern des Vulkans so stark, daß die bloßeErschütterung der Luft (von Erdstößen hat mandurchaus nichts gespürt) die Decken der Zim-mer im Pallaste von Portici sprengten. In dennahe gelegenen Dörfern Resina, Torre del Gre-co, Torre dell’Anunziata, und Bosche tre Casezeigte sich eine merkwürdige Erscheinung. DieAtmosphäre war dermaßen mit Asche erfüllt,daß die ganze Gegend, in der Mitte des Tages,mehrere Stunden lang in das tiefste Dunkel ge-hüllt blieb. Man ging mit Laternen in den|23| Straßen, wie es so oft in Quito, bei den Aus-brüchen des Pichincha, geschieht. Nie war dieFlucht der Einwohner allgemeiner gewesen.Man fürchtet Lavaströme weniger als einenAschenauswurf: ein Phänomen, das in solcherStärke hier unbekannt ist, und durch die dunk-le Sage von der Zerstörungsweise von Herku-lanum, Pompeji und Stabiae die Einbildungs-kraft der Menschen mit Schreckbildern erfüllt.Der heiße Wasserdampf, welcher währendder Erupzion aus dem Krater aufstieg, und sichin die Atmosphäre ergoß, bildete beim Erkaltenein dickes Gewölk um die, neun Tausend Fußhohe Aschen- und Feuersäule. Eine so plözli-che Kondensazion der Dämpfe und, wie Gay-Lussac gezeigt hat, die Bildung des Gewölkesselbst vermehrten die elektrische Spannung.Blizze fuhren schlängelnd nach allen Richtungenaus der Aschensäule umher, und man unter-schied deutlich den rollenden Donner von deminnern Krachen des Vulkans. Bei keinem an-dern Ausbruche war das Spiel der elektrischenSchläge so auffallend gewesen.Am Morgen des 26. Oktobers verbreitetesich die sonderbare Nachricht: ein Strom sieden-den Wassers ergieße sich aus dem Krater undstürze den Aschenkegel herab. Monticelli, der|24| eifrige und gelehrte Beobachter des Vulkans, er-kannte bald, daß eine optische Täuschung dießirrige Gerücht veranlaßt habe. Der vorgeblicheStrom war eine große Menge trockener Asche,die aus einer Kluft in dem obersten Rande desKraters, wie Triebsand, hervor schoß. Nach-dem ein, die Felder verödende Dürre dem Aus-bruche des Vesuv vorhergegangen war, erregte,gegen das Ende desselben, das so eben beschrie-bene vulkanische Gewitter einen wolkenbruchar-tigen, aber lang anhaltenden Regen. Solch eineErscheinung charakterisirt, unter allen Zonen,das Ende einer Erupzion. Da während dersel-ben gewöhnlich der Aschenkegel in Wolken ge-hüllt ist, und da in seiner Nähe die Regengüsseam stärksten sind, so sieht man Schlammströmevon allen Seiten herab fließen. Der erschrockeneLandmann hält dieselben für Wasser, die ausdem Innern des Vulkans aufsteigen, und sichdurch den Krater ergießen; der getäuschte Geo-gnost glaubt in ihnen Meereswasser zu erkennenoder kothartige Erzeugnisse des Vulkans, soge-nannte eruptions boueuses, oder, wie die altenFranzösischen Systematiker sagten, Produkte ei-ner feuerig-wässerigen Liquefakzion.Wenn die Gipfel der Vulkane (wie dießmeist in der Andeskette der Fall ist) über die|25| Schneeregion hinausreichen, oder gar bis zurzweifachen Höhe des Aetna anwachsen, so wer-den, des geschmolzenen und einsinternden Schneeswegen, die so eben beschriebenen Inundazionenüberaus häufig und verwüstend. Es sind Er-scheinungen, die mit den Erupzionen der Vul-kane meteorologisch zusammenhängen, und durchdie Höhe der Berge, den Umfang ihrer stetsbeschneiten Gipfel und die Erwärmung der Wän-de der Aschenkegel vielfach modifizirt werden:aber als eigentliche vulkanische Erscheinungendürfen sie nicht betrachtet werden. In weitenHöhlen, bald am Abhange, bald am Fuße derVulkane, entstehen unterirdische Seen, die mitden Alpenbächen vielfach kommuniziren. WennErdstöße, die allen Feuerausbrüchen der An-deskette vorhergehen, die ganze Masse des Vul-kans mächtig erschüttern, so öffnen sich die un-terirdischen Gewölbe, und es entstürzen ihnenzugleich Wasser, Fische und tuffartiger Schlamm.Dieß ist die sonderbare Erscheinung, welche derWels der Cyklopen (Pimelodes Cyclopum) ge-währt, den die Bewohner des Hochlandes vonQuito Prennadilla nennen, und den ich, kurznach meiner Rückkunft, beschrieben habe. Alsnördlich vom Chimborazo in der Nacht vom19. zum 20. Junius 1698, der Gipfel des 18000|26| Fuß hohen Berges Karguairazo einstürzte, dabedeckten Schlamm und Fische, auf fast zweiQuadratmeilen, alle Felder umher. Eben sowurden sieben Jahr früher, die Faulfieber derStadt Ibarra einem ähnlichen Fischauswurfe desVulkans Imbaburu zugeschrieben.Ich erinnere an diese Thatsachen, weil sieüber den Unterschied zwischen dem Auswurftrockener Asche und schlammartiger, Holz,Kohle und Muscheln umwickelnder Anschwem-mungen von Tuff und Traß einiges Licht ver-breiten. Die Aschenmenge, welche der Vesuvneuerlichst ausgeworfen, ist, wie Alles, was mitden Vulkanen und andern großen, schreckener-regenden Naturerscheinungen zusammenhängt,in öffentlichen Blättern übermäßig vergrößertworden, ja zwei Neapolitanische Chemiker Vi-cenzo Pepe und Giuseppe di Nobili, schriebensogar, troz der Widersprüche von Monticelliund Covelli, der Asche Silber- und Goldge-halt zu. Nach meinen Untersuchungen, hat diein 12 Tagen gefallene Aschenschicht gegen Bos-che tre Case hin, am Abhange des Conus, da,wo Rapilli beigemengt waren, nur drei Fuß,in der Ebene höchstens 15 bis 18 Zoll Dickeerreicht. Messungen dieser Art müssen nicht ansolchen Stellen geschehen, wo die Asche, wie|27| Schnee oder Sand, vom Winde zusammenge-weht, oder durch Wasser breiartig angeschwemmtist. Die Zeiten sind vorüber, wo man, ganznach Art der Alten, in den vulkanischen Er-scheinungen nur das Wunderbare suchte, woman, wie Ctesias, die Asche des Aetna bis nachder Indischen Halbinsel fliegen ließ. Ein Theilder Mexikanischen Gold- und Silbergänge, fin-det sich freilich in trachytartigem Porphyr: aberin der Vesuv-Asche, die ich mitgebracht, unddie ein vortrefflicher Chemiker, Hr. HeinrichRose, auf meine Bitte untersucht hat, ist keineSpur von Gold oder Silber zu erkennen.So entfernt auch die Resultate, die ich hierentwickle, und welche Monticelli’s genauernBeobachtungen entsprechen, von denen sind, dieman in den lezten Monaten verbreitet hat, sobleibt doch der Aschenauswurf des Vesuv vom24. zum 28. Oktober der denkwürdigste, vondem man, seit des älteren Plinius Tode, einesichere Nachricht hat. Die Menge ist vielleichtdreimal größer gewesen, als alle Asche, wel-che man hat fallen sehen, so lange vulkanischeErscheinungen mit Aufmerksamkeit beobachtetwerden. Eine Schicht von 15 bis 18 Zollscheint, auf den ersten Anblick, unwichtig ge-gen die Masse, mit der wir Pompeji bedeckt|28| finden; aber ohne auch der Regengüsse und An-schwemmungen zu gedenken, die freilich wohldiese Masse, seit Jahrhunderten, vermehrt ha-ben, mögen, ohne den lebhaften Streit wiederaufzuregen, der, jenseit der Alpen, über dieZerstörungs-Ursachen der Kampanischen Städte,mit vielem Skeptizismus geführt worden ist, darfman wohl hier in Erinnerung bringen, daß dieAusbrüche eines Vulkans, in weit von einanderentfernten Zeitepochen, ihrer Intensität nach,keinesweges mit einander zu vergleichen sind.Alle auf Analogieen gestüzte Schlüsse sind unzu-reichend, wenn sie sich auf quantitative Ver-hältnisse, auf Menge der Lava und Asche, aufHöhe der Rauchsäulen, auf Stärke der Deto-nazionen beziehen.Aus der geographischen Beschreibung desStrabo und einem Urtheil des Vitruvius, über denvulkanischen Ursprung des Bimssteins, ersiehtman, daß bis zu Vespasian’s Todesjahre, dasheißt, bis zum Ausbruch, der Pompeji bedeck-te, der Vesuv mehr einem ausgebrannten Vul-kan, als einer Solfatara ähnlich sah. Wennplözlich nach langer Ruhe die unterirdischenKräfte sich neue Wege eröffneten, wenn dieSchichten von uranfänglichem Gestein und Tra-chyt wiederum durchbrachen, so mußten Wir-|29| kungen sich äußern, für welche die später er-folgten kein Maaß abgeben könnten. Aus dembekannten Briefe, in welchem der jüngere Pli-nius den Tod seines Oheims dem Tacitus berich-tet, ersieht man deutlich, daß die Erneuerungder Ausbrüche, man könnte sagen, die Wieder-belebung des schlummernden Vulkans mit Erup-zion der Asche anfing. Eben dieß wurde beiJorullo bemerkt, als der neue Vulkan im Sep-tember 1759, Syenit- und Trachyt-Schichtendurchbrechend, sich plözlich in der Ebene er-hob. Die Landleute flohen, weil sie auf ihrenHütten Asche fanden, welche aus der überallgeborstenen Erde hervorgeschleudert ward. Beiden gewöhnlichen periodischen Wirkungen derVulkane, endigt dagegen der Aschenregen jedeparzielle Erupzion. Ueberdieß enthält der Briefdes jüngeren Plinius eine Stelle, welche deut-lich anzeigt, daß gleich Anfangs, ohne Einflußder Anschwemmungen, die aus der Luft gefal-lene trockene Asche eine Höhe von 4 bis 5 Fußerreichte. „Der Hof, heißt es im Verfolg derErzählung, durch den man in das Zimmer trat,in welchem Plinius Mittagsruhe hielt, war somit Asche und Bimsstein angefüllt, daß, wennder Schlafende länger gezögert hätte, er denAusgang würde versperrt gefunden haben.“ In|30| dem geschlossenen Raume eines Hofes kanndie Wirkung Asche zusammenwehender Win-de wohl eben nicht beträchtlich gewesen seyn.Ich habe es gewagt, meine vergleichendeUebersicht der Vulkane durch einzelne, am Ve-suv angestellte Beobachtungen zu unterbrechen,theils des großen Interesses wegen, welches derlezte Ausbruch erregt hat, theils aber auch, weiljeder starke Aschenregen uns fast unwillkür-lich an den klassischen Boden von Pompeji undHerkulanum erinnert. In einer Beilage, derenLesung für diese Versammlung nicht geeignetist, habe ich alle Elemente der Barometer-Mes-sungen und Notizen über die geognostischeSammlung zusammengedrängt, welche ich amEnde des leztverflossenen Jahres am Vesuv, undin den Phlegräischen Feldern bei Pozzuoli zumachen Gelegenheit gehabt habe. Diese kleineSammlung, so wie die Gebirgsarten, welche ichaus den Euganeen und aus dem, von Hr. v.Buch früher und gründlichen untersuchten Fleim-serthale, zwischen Cavalese und Predazzo (imsüdlichen Tyrol) mitgebracht habe, werden demKöniglichen Museum einverleibt werden, eineAnstalt, die durch ihre Gemeinnüzzigkeit ganzden edlen Absichten des Monarchen entspricht|31| und deren geognostischer Theil, die fernstenErdstriche umfassend, schon in dieser Hinsichtalle ähnlichen Sammlungen übertrifft.Wir haben bisher die Gestalt und die Wir-kungen derjenigen Vulkane betrachtet, die durcheinen Krater in einer dauernden Verbindung mitdem Innern der Erde stehen. Ihre Gipfel sindgehobene, durch Gänge mannichfaltig durch-schnittene Massen von Trachyt und Laven. DiePermanenz ihrer Wirkungen läßt auf eine sehrzusammengesezte Struktur schließen. Sie haben,so zu sagen, einen mehr individuellen Charak-ter, der in langen Perioden sich gleich bleibt.Nahegelegene Berge geben meist ganz verschie-dene Produkte, Leuzit- und Feldspath-Laven;Obsidian mit Bimsstein und olivinhaltige, basalt-artige Massen. Sie gehören zu den neueren Er-scheinungen der Erde, durchbrechen meist alleSchichten des Flözgebirges, und ihre Auswürfeund Lavaströme sind spätern Ursprungs, als un-sere Thäler. Ihr Leben, wenn man sich diesesfigürlichen Ausdrucks bedienen dürfte, hängtvon der Art und Dauer ihrer Verbindung mitdem Innern des Erdkörpers ab. Sie ruhen oftJahrhunderte lang, entzünden sich plözlich wie-der, und enden als Wasserdampf, Gasarten undSäuren ausstoßende Solfataren. Bisweilen, wie|32| an dem Pik von Teneriffa, ist ihr Gipfel bereitseine solche Werkstatt regenerirten Schwefels ge-worden, und doch entfließen noch mächtige La-vaströme den Seiten des Berges, basaltartig inder Tiefe, obsidianartig mit Bimsstein nach obenhin, wo der Druck *) geringer ist.Unabhängig von diesen mit permanentenKratern versehenen Vulkanen, gibt es eine an-dere Art vulkanischer Erscheinungen, die selte-ner beobachtet werden, aber vorzugsweise be-lehrend für die Geognosie, an die Urwelt, dasheißt, an die frühesten Revoluzionen unsersErdkörpers erinnern. Trachytberge öffnen sichplözlich, werfen Lava und Asche aus, undschließen sich wieder, vielleicht auf immer. Soder mächtige Antisana in der Andeskette, so derEpomaeus auf Ischia im Jahre 1302. Bisweilengeschieht ein solcher Ausbruch selbst in derEbene, wie im Hochlande von Quito, in Island,fern vom Hekla, und in Euboea in den Lelanti-schen Gefilden. Viele der gehobenen Inseln ge-hören zu diesen vorübergehenden Erscheinungen.
*) Leopold v. Buch, über den Pik von Teneriffa,in den Abhandl. der Königl. Akademie zu Berlin,1820 — 21; pag. 99.
|33| Die Verbindung mit dem inneren Erdkörper istdann nicht permanent: die Wirkung hört auf,sobald die Kluft, der kommunizirende Kanal,wiederum geschlossen ist. Gänge von Basalt,Dolerit und Porphyr, welche in verschiedenenErdstrichen fast alle Formazionen durchschnei-den, Syenit, Augit-Porphyr und Mandelstein-Massen, welche die neuesten Schichten des Ue-bergangs-Gebirges und die älteste Schicht desFlöz-Gebirges charakterisiren, sind wahrschein-lich auf eine ähnliche Weise gebildet worden.In dem Jugendalter unseres Planeten drangendie flüssig gebliebenen Stoffe des Innern durchdie überall geborstene Erdrinde hervor; balderstarrend als körniges Ganggestein, bald sichüberlagernd und schichtenweise verbreitend.Was die Urwelt von ausschließlich sogenanntenvulkanischen Gebirgsarten uns überliefert hat,ist nicht bandartig, wie die Laven unserer iso-lirten Kegelberge, geflossen. Die Gemenge vonAugit, Titaneisen, glasigem Feldspath und Horn-blende mögen zu verschiedenen Epochen diesel-ben gewesen seyn: bald dem Basalte, bald demTrachyte näher: die chemischen Stoffe mögensich (wie es Herr Mitscherlich’s neue wichtigeArbeiten und die Analogie künstlicher Feuerpro-dukte uns lehren) in bestimmten Mischungs-Ver-|34| hältnissen krystallinisch an einander gereiht ha-ben; immer erkennen wir, daß ähnlich zusam-mengesetzte Stoffe auf sehr verschiedenen Wegenan die Oberfläche der Erde gekommen sind, ent-weder blos gehoben, oder mittelst temporärerSpalten durch ältere Gebirgs-Schichten, dasheißt, durch die früher oxydirte Erdrinde her-vorbrechend, oder aus Kegelbergen, die einenpermanenten Krater haben, als Lavaströme er-gossen. Die Verwechselung dieser so verschie-denartigen Erscheinungen führt die Geognosieder Vulkane in das Dunkel zurück, dem einegroße Zahl vergleichender Erfahrungen sie all-mählich zu entreißen angefangen hat.
Es ist oft die Frage aufgeworfen worden,was in den Vulkanen brenne, was die Wärmeerrege, bei der Erde und Metalle schmelzendsich mischen. Die neuere Chemie antwortet:was da brennt, sind die Erden, die Metal-le, die Alkalien selbst, das heißt, die Metalloidedieser Stoffe. Die feste, bereits oxydirte Erd-rinde scheidet das umgebende sauerstoffhaltigeLuftmeer von den brennbaren unoxydirten Stof-fen im Innern unseres Planeten. Die Erfahrun-gen, die man unter allen Zonen in Bergwerkenund Höhlen gemacht, und die ich mit Herrn|35| Arago in einer eigenen Abhandlung zusammen-gestellt, beweisen, daß schon in geringer Tiefedie Wärme des Erdkörpers um Vieles höher, alsan demselben Orte die mittlere Temperatur desLuftkreises ist. Eine so merkwürdige und fastallgemein bewährte Thatsache steht in Verbin-dung mit dem, was die vulkanischen Erschei-nungen uns lehren. Laplace hat sogar schondie Tiefe zu berechnen versucht, in welcherman den Erdkörper als eine geschmolzene Mas-se betrachten könne. Welche Zweifel man auch,troz der gerechten Verehrung, die einem sogroßen Namen gebührt, gegen die numerischeGewißheit, einer solchen Rechnung erhebenkann, so bleibt es doch wahrscheinlich, daßalle vulkanische Erscheinungen aus einer sehreinfachen Ursache, aus einer steten oder vorü-bergehenden Verbindung zwischen dem Innernund Aeußern unseres Planeten entstehen. Ela-stische Dämpfe drücken die geschmolzenen, sichoxydirenden Stoffe durch tiefe Spalten aufwärts.Vulkane sind, so zu sagen, intermittirende Erd-quellen; die flüssigen Gemenge von Metallen,Alkalien und Erden, die zu Lavaströmen erstar-ren, fließen sanft und stille, wenn sie, geho-ben, irgendwo einen Ausgang finden. Auf ähn-liche Weise stellten sich die Alten (nach Platon’s|36| Phaedon) alle vulkanischen Feuerströme, alsAusflüsse des Pyriphlegethon vor.Diesen Betrachtungen sey mir erlaubt, ei-ne andere noch gewagtere anzuschließen. Viel-leicht liegt auch in der innern Wärme des Erd-körpers, auf welche Thermometer-Versuche undBeobachtungen über die Vulkane hindeuten, dieUrsache eines der wunderbarsten Phänomene,welche die Petrefakten-Kunde uns darbietet. Tro-pische Thier-Gestalten, baumartige Farrenkräuter,Palmen und Bambus-Gewächse liegen vergra-ben im kalten Norden. Ueberall zeigt uns dieUrwelt eine Vertheilung organischer Bildungen,mit der die dermalige Beschaffenheit der Klima-te im Widerspruch steht. Zur Lösung eines sowichtigen Problems hat man mehrerlei Hypothe-sen ersonnen, Annäherung eines Kometen, ver-änderte Schiefe der Ekliptik, vermehrte Inten-sität des Sonnenlichtes. Keine derselben hatden Astronomen, den Physiker und den Geo-gnosten zugleich befriedigen können. Ich meinesTheils lasse gern unverändert die Axe der Erde,oder das Licht der Sonnenscheibe, aus derenFlecken ein berühmter Sternkundiger Frucht-barkeit und Mißwachs der Felder erklärt hat;aber ich glaube zu erkennen, daß in jeglichemPlaneten, unabhängig von seinen Verhältnissen|37| zu einem Zentralkörper und von seinem astro-nomischen Stande, mannichfaltige Ursachen derWärme-Entbindung liegen, durch Oxydazions-Prozesse, Niederschläge und chemisch veränder-te Kapazität der Körper, durch Zunahme elek-trisch-magnetischer Ladung, durch geöffneteKommunikazion zwischen den innern und äu-ßern Theilen.Wo in der Vorwelt die tiefgespaltete Erd-rinde aus ihren Klüften Wärme ausstrahlte, dakonnten vielleicht Jahrhunderte lang, in ganzenLänderstrecken, Palmen und baumartige Farren-kräuter und alle Thiere der heißen Zone ge-deihen. Nach dieser Ansicht der Dinge, dieich in einem eben erschienenen Werke: Geo-gnostischer Versuch über die Lage-rung der Gobirgsarten in beiden He-misphären bereits angedeutet habe, wäre dieTemperatur der Vulkane die des innern Erd-körpers selbst, und dieselbe Ursache, welchejezt so schauervolle Verwüstungen anrichtet,hätte einst, auf der neu oxydirten Erdrinde, aufden tief zerklüfteten Felsschichten, unter jegli-cher Zone, den üppigsten Pflanzenwuchs her-vorrufen können.Ist man geneigt anzunehmen, um die wun-derbare Vertheilung der Tropen-Bildungen in|38| ihren alten Grabstätten zu erklären, daß lang-behaarte elephantenartige Thiere, jezt von Eis-schollen umschlossen, einst den nördlichen Kli-maten ursprünglich eigen waren, und daß ähn-liche, demselben Haupt-Typus zugehörige Bil-dungen, wie Löwen und Luchse, zugleich inganz verschiedenen Klimaten leben konnten, sowürde eine solche Erklärungsweise sich dochwohl nicht auf die Pflanzen-Produkte ausdeh-nen lassen. Aus Gründen, welche die Physio-logie der Gewächse entwickelt, können Palmen,Pisang-Gewächse und baumartige Monokotyle-donen nicht die nordische Kälte ertragen, undin dem geognostischen Problem, das wir hierberühren; scheint es mir schwer, Pflanzen- undThier-Bildungen von einander zu trennen. Die-selbe Erklärungsart muß beide Bildungen um-fassen.Ich habe am Schlusse dieser Abhandlungden Thatsachen, die in den verschiedenstenWeltgegenden gesammelt worden sind, unsiche-re hypothetische Vermuthungen angereiht. Diephilosophische Naturkunde erhebt sich über dieBedürfnisse einer bloßen Naturbeschreibung.Sie besteht nicht in einer sterilen Anhäufungisolirter Beobachtungen. Dem neugierig regsa-men Geiste des Menschen sey es bisweilen er-|39| laubt, aus der Gegenwart in die Vorzeit hinüberzu schweifen, zu ahnen, was noch nicht klarerkannt werden kann, und sich an den alten,unter vielerlei Formen wiederkehrenden My-then der Geognosie zu ergözzen.