Resultate von Versuchen über die Wirkungen der Ligatur und des Längendurchschnittes der Nerven. Von Alexander v. Humboldt. (Nach einer am 18. August 1823 der Pariser Academie des sciences gemachten mündlichen Mittheilung.) Diese neuen Beobachtungen des Hrn. v. H., woraus hier die Hauptfolgerungen vorgelegt werden, schließen sich vollständig an die Arbeiten der HH. Prevost und Dumas an. Hr. v. H. unterscheidet den Fall, wo in der geschlossenen galvanischen Kette der Strom durch den ganzen Nerven geht, von den Fällen, wo der Strom nur durch die obere Portion des (unterbundenen) Nerven geht, wo dann diese Portion organisch auf den Muskel zurückwirkt. Verschiedene Versuche beweisen, daß die Muskelzusammenziehungen, wenn nur der obere Theil in dem Wege des elektrischen Stromes liegt, nicht die Wirkung eines Seitenstoßes (coup lateral) sind. Die organische Rückwirkung des Nerven hört auf, wenn Durchbohrung, Spaltung (fendillement) oder Verdünnung (amincissement) vorhanden ist. Diese Versuche über den Längenschnitt (section longitudinale) des Nerven scheinen zu beweisen, daß der Nervenapparat nur im unverletzten Zustande auf die Bewegungen der Muskeln wirke. Die Verletzung der Nervenhüllen wirkt eben so, wie die des Nervenmarks. Wenn der elektrische Strom durch den ganzen Nerven und Muskel geht, so hemmen Verletzungen und Unterbindung die Muskelzusammenziehungen nur in dem Falle, wo das, zwischen der Längenverletzung oder der Unterbindung und Insertion des Nerven in den Muskel gelegene, Nervenstück, statt von Luft, von einer Lage Muskelfleisch umgeben ist. Die Zusammenziehungen erscheinen wieder, sobald man diese Umhüllung des Nerven hinwegnimmt, oder wenn man, ohne sie hinwegzunehmen, durch eine Portion Muskelfleisch, eine neue Verbindung zwischen dem Zinke (Erreger des Nerven) und dem Muskel herstellt. Hr. v. Humboldt hat gezeigt, wie diese dem Anscheine nach komplicirten Erscheinungen sich nach den Gesetzen der elektrischen Leitungsfähigkeit erklären. Diese Erscheinungen müssen sich ändern nach der Richtung des Stromes, nach der verschiedenen Masse der Leiter, und nach der Quantität von Elektricität, welche durch die größere oder geringere Berührung zwischen den feuchten Substanzen und dem Zinke (welcher die Armatur des Nerven ist) in Bewegung gebracht wird. Bleibt sich die Menge der Elektricität gleich, so empfängt natürlich der bloßgelegte oder isolirte Nerve mehr davon als der eingehüllte. Wenn eine Quantität Elektricität durch einen Leiter von beträchtlicher Masse strömt, so vertheilt jene sich in diese Masse und an der Oberfläche. Von dieser Vertheilung hängt dann die Wirkung der Umhüllung von Muskelfleisch ab, in der man die zwischen der Unterbindung und der Insertion in den Muskel befindliche Nervenportion verbirgt. Ist die Umhüllung auf diese Weise angeordnet, so kann man die Zusammenziehungen wieder hervorrufen, wenn man die Menge der in Bewegung gesetzten elektrischen Flüssigkeit dadurch vermehrt, daß man zwischen dem Zinke und dem Muskel eine neue Verbindung mittels einer Portion Muskelfleisch herstellt. Das Hinderniß, welches die Unterbindung bei galvanischen Versuchen hervorbringt, wenn sie an der Stelle der Insertion des Nerven in den Muskel angelegt wird, hatte schon Valli bemerkt; aber dieser Physiker hatte nicht alle die Bedingungen erkannt, welche die Wirkungen der Unterbindung bezeichnen und sich beim Längenschnitte des Nerven wieder vorfinden. ( Bulletin des sciences de la Societe philomatique. Octobre 1823. S. 157.)