A. v. Humboldts Ansicht über die Verschiedenheit der Erzeugnisse nach den Erdstrichen. (Aus dem Reiseberichte.) Jede Hemisphäre bringt Pflanzen verschiedener Art hervor; und wir können es nicht blos aus der Verschiedenheit des Klimas herzuleiten wagen, daß die Äquinoctial-Gegenden Afrikas keine Laurineen haben, die neue Welt keine Haiden; weshalb die Calceolarien bloß auf der südlichen Hemisphäre gefunden werden; weshalb die Vögel des indischen Continents mit weniger lebhaften Farben glänzen, als die der heißen amerikanischen Gegenden; endlich weshalb der Tiger nur in Asien, das Schnabelthier nur in Neuholland einheimisch ist. Jm Pflanzen- so wie im Thierreich, gehören die Ursachen der Vertheilung der Species unter die Menge von Mysterien, welche die Naturkunde zu enträthseln nicht vermag. Diese Wissenschaft beschäftiget sich nicht mit Forschungen über die Entstehung der Wesen, sondern mit den Gesetzen, nach welchen sie auf dem Erdboden vertheilt sind. Sie untersucht die Dinge, die vorhanden sind, das Nebeneinanderbestehen (coexistence) vegetabilischer und thierischer Formen, in jeder Breite, in den verschiedenen Höhen und nach den Graden der Temperatur; sie beschäftigt sich mit den Beziehungen, unter welchen einzelne Organisationen kräftiger sich entwickeln, sich vervielfältigen und modificiren; sie bekümmert sich jedoch um Probleme nicht, deren Lösung unmöglich ist, weil sie den Ursprung, die erste Existenz des Lebenskeims betreffen. Wir dürfen noch hinzufügen, daß die ersten Versuche, die Vertheilung der Species auf dem Erdboden, durch den alleinigen Einfluß des Klimas zu erklären, zu einer Zeit gemacht wurden, wo sich die physische Geographie noch in ihrer Kindheit befand; wo man immer auf den angenommenen Kontrast zwischen den beiden Welten zurückkommend, vermeinte, daß ganz Afrika und Amerika den egyptischen Wüsten und dem sumpfigen Cayenne glich. Jetzt, wo man über den Zustand der Dinge nicht mehr nach willkührlich angenommener Norm, sondern nach positiver Kenntniß urtheilt, ist man darüber gewiß, daß die beiden Continente, in ihrer unermeßlichen Ausdehnung, Gegenden enthalten, die einander ganz und gar analog sind. Es giebt Gegenden Amerikas, die eben so unfruchtbar und brennend sind, wie das Jnnere von Afrika. Die Jnseln, welche die indischen Gewächse hervorbringen, sind eben nicht hinsichtlich ihrer Trockenheit merkwürdig, und es ist nicht wegen der Feuchtigkeit des Klimas, wie dies in neuen Werken behauptet wird, daß das neue Continent der vortrefflichen Arten der Laurineen und Myristiceen entbehrt, die sich auf einem so kleinen Stückchen Erde im indischen Archipelagus vereinigt finden. Seit einigen Jahren wurde der Königszimmt in mehreren Theilen des neuen Continents mit Erfolg kultivirt, und eine Zone, welche die Coumarouns, die Vanille, die Pucheri, die Ananas, die Myrtus Pimenta, den Tolubalsam, das Myroxylon peruvianum, das Croton, das Citrosma, das Pejoa, das Incienso, die Silla von Caraccas, das Quereme, das Pancratium und so manche andere majestätische Lilien-Pflanzen hervorbringt, kann nicht angesehen werden, als entbehre sie aller Aromata. Außerdem begünstigt noch eine trockne Luft die Entwickelung der gewürzhaften Theile oder der reizenden Eigenschaften einiger Pflanzen. Die schrecklichsten Gifte bringt die feuchte Zone Amerikas hervor, und gerade unter dem Einfluß der langen Regen der Tropenländer gedeiht der amerikanische Piment, Capsicum baccatum, dessen Frucht öfters eben so kaustisch und feurig, wie indianischer Pfeffer ist, am besten. Aus allen diesen Betrachtungen folgere ich: 1) daß das neue Continent, Gewürze, Aromata und sehr thätige vegetabilische Gifte, ihm eigenthümlich, besitze, die wesentlich von denen der alten Welt verschieden sind; 2) daß die primitive Vertheilung der Species in der heißen Zone nicht bloß dem Einflusse des Klimas oder der Vertheilung der Temperatur, welche wir gegenwärtig auf unserm Planeten beobachten, zugeschrieben werden könne; daß aber diese Verschiedenheit des Klimas uns wahrnehmen läßt, weshalb ein gegebener Typus der Organisation sich selbst kräftiger unter solchen oder andern Umständen entwickelt. Wir begreifen, daß eine kleine Anzahl Pflanzenfamilien, z. B. die Musaceen und Palmen, den kälteren Regionen nicht angehören kann, wegen ihrer innern Struktur und der Wichtigkeit mancher Organe; aber wir können nicht erklären, warum nicht eine der Familien der Melastomen 30 Grad nördlich wächst, oder keine Rose auf der südlichen Hemisphäre grünt. Auf beiden Continenten finden sich oft Analogien des Klimas, aber nicht der Erzeugnisse.