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Alexander von Humboldt: „A. v. Humboldts Ansicht über die Verschiedenheit der Erzeugnisse nach den Erdstrichen“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1822-A_v_Humboldts-1> [abgerufen am 20.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1822-A_v_Humboldts-1
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Titel A. v. Humboldts Ansicht über die Verschiedenheit der Erzeugnisse nach den Erdstrichen
Jahr 1822
Ort Erfurt; Weimar; Leipzig
Nachweis
in: Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde 2:32/10 (April 1822), Sp. 145–147. [Zuvor bereits in englischer Übersetzung in: „Personal Narrative of Travels to the Equinoctial Regions of the New Continent, during the years 1799–1804. By Alexander de Humboldt, and Aimé Bonpland, &c. &c. London, 1821, 8vo. 2 Vols. pp. 864“, in: The Literary Gazette; and Journal of Belles Lettres, Arts, Sciences, &c. 229 (9. Juni 1821), S. 353–355; 230 (16. Juni 1821), S. 374–376; 231 (23. Juni 1821), S. 389–391; 232 (30. Juni 1821), S. 405–406; 234 (14. Juli 1821), S. 441–442; 242 (8. September 1821), S. 563–565; 243 (15. September 1821), S. 580–582; 245 (29. September 1821), S. 615–616; 248 (20. Oktober 1821), S. 662–663, hier 231 (23. Juni 1821), S. 389.]
Entsprechungen in Buchwerken
Alexander von Humboldt, Relation historique du Voyage aux Régions équinoxiales du Nouveau Continent, 3 Bände, Paris: F. Schoell 1814[–1817], N. Maze 1819[–1821], J. Smith et Gide Fils 1825[–1831], Band 2, S. 383–385.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.24
Dateiname: 1822-A_v_Humboldts-1
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Spaltenanzahl: 3
Zeichenanzahl: 4696

Weitere Fassungen
A. v. Humboldts Ansicht über die Verschiedenheit der Erzeugnisse nach den Erdstrichen (Erfurt; Weimar; Leipzig, 1822, Deutsch)
View of the various Productions of the different Countries of the Earth (London, 1822, Englisch)
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A. v. Humboldts Anſicht uͤber die Verſchieden-heit der Erzeugniſſe nach den Erdſtrichen.(Aus dem Reiſeberichte.)

Jede Hemiſphaͤre bringt Pflanzen verſchiedener Arthervor; und wir koͤnnen es nicht blos aus der Verſchie-denheit des Klimas herzuleiten wagen, daß die Äquinoc-tial-Gegenden Afrikas keine Laurineen haben, die neueWelt keine Haiden; weshalb die Calceolarien bloß aufder ſuͤdlichen Hemiſphaͤre gefunden werden; weshalb dieVoͤgel des indiſchen Continents mit weniger lebhaftenFarben glaͤnzen, als die der heißen amerikaniſchen Ge-genden; endlich weshalb der Tiger nur in Aſien, dasSchnabelthier nur in Neuholland einheimiſch iſt. JmPflanzen- ſo wie im Thierreich, gehoͤren die Urſachender Vertheilung der Species unter die Menge von My-ſterien, welche die Naturkunde zu entraͤthſeln nicht ver-mag. Dieſe Wiſſenſchaft beſchaͤftiget ſich nicht mit For-ſchungen uͤber die Entſtehung der Weſen, ſondern mitden Geſetzen, nach welchen ſie auf dem Erdboden ver-theilt ſind. Sie unterſucht die Dinge, die vorhandenſind, das Nebeneinanderbeſtehen (coexistence) vegetabi-liſcher und thieriſcher Formen, in jeder Breite, in denverſchiedenen Hoͤhen und nach den Graden der Tempe-ratur; ſie beſchaͤftigt ſich mit den Beziehungen, unterwelchen einzelne Organiſationen kraͤftiger ſich entwickeln,ſich vervielfaͤltigen und modificiren; ſie bekuͤmmert ſich je-doch um Probleme nicht, deren Loͤſung unmoͤglich iſt,weil ſie den Urſprung, die erſte Exiſtenz des Lebenskeimsbetreffen. Wir duͤrfen noch hinzufuͤgen, daß die erſtenVerſuche, die Vertheilung der Species auf dem Erdbo-den, durch den alleinigen Einfluß des Klimas zu erklaͤ-ren, zu einer Zeit gemacht wurden, wo ſich die phyſi-ſche Geographie noch in ihrer Kindheit befand; wo manimmer auf den angenommenen Kontraſt zwiſchen den bei- |146| den Welten zuruͤckkommend, vermeinte, daß ganz Afrikaund Amerika den egyptiſchen Wuͤſten und dem ſumpfi-gen Cayenne glich. Jetzt, wo man uͤber den Zuſtand derDinge nicht mehr nach willkuͤhrlich angenommener Norm,ſondern nach poſitiver Kenntniß urtheilt, iſt man dar-uͤber gewiß, daß die beiden Continente, in ihrer unermeß-lichen Ausdehnung, Gegenden enthalten, die einander ganzund gar analog ſind. Es giebt Gegenden Amerikas,die eben ſo unfruchtbar und brennend ſind, wie das Jn-nere von Afrika. Die Jnſeln, welche die indiſchen Ge-waͤchſe hervorbringen, ſind eben nicht hinſichtlich ihrerTrockenheit merkwuͤrdig, und es iſt nicht wegen der Feuch-tigkeit des Klimas, wie dies in neuen Werken behauptetwird, daß das neue Continent der vortrefflichen Artender Laurineen und Myriſticeen entbehrt, die ſich auf einemſo kleinen Stuͤckchen Erde im indiſchen Archipelagusvereinigt finden. Seit einigen Jahren wurde der Koͤ-nigszimmt in mehreren Theilen des neuen Continentsmit Erfolg kultivirt, und eine Zone, welche die Cou-marouns, die Vanille, die Pucheri, die Ananas, die Myrtus Pimenta, den Tolubalſam, das Myroxylonperuvianum, das Croton, das Citrosma, das Pe-joa, das Incienso, die Silla von Caraccas, das Que-reme, das Pancratium und ſo manche andere majeſtaͤ-tiſche Lilien-Pflanzen hervorbringt, kann nicht angeſehenwerden, als entbehre ſie aller Aromata. Außerdem beguͤn-ſtigt noch eine trockne Luft die Entwickelung der gewuͤrz-haften Theile oder der reizenden Eigenſchaften einigerPflanzen. Die ſchrecklichſten Gifte bringt die feuchteZone Amerikas hervor, und gerade unter dem Einflußder langen Regen der Tropenlaͤnder gedeiht der ameri-kaniſche Piment, Capsicum baccatum, deſſen Fruchtoͤfters eben ſo kauſtiſch und feurig, wie indianiſcher Pfef-fer iſt, am beſten. Aus allen dieſen Betrachtungen folgere ich: 1) daß |Seitenumbruch| |147| das neue Continent, Gewuͤrze, Aromata und ſehr thaͤ-tige vegetabiliſche Gifte, ihm eigenthuͤmlich, beſitze, dieweſentlich von denen der alten Welt verſchieden ſind;2) daß die primitive Vertheilung der Species in derheißen Zone nicht bloß dem Einfluſſe des Klimas oderder Vertheilung der Temperatur, welche wir gegenwaͤrtigauf unſerm Planeten beobachten, zugeſchrieben werdenkoͤnne; daß aber dieſe Verſchiedenheit des Klimas unswahrnehmen laͤßt, weshalb ein gegebener Typus der Or-ganiſation ſich ſelbſt kraͤftiger unter ſolchen oder andernUmſtaͤnden entwickelt. Wir begreifen, daß eine kleineAnzahl Pflanzenfamilien, z. B. die Muſaceen und Pal-men, den kaͤlteren Regionen nicht angehoͤren kann, wegenihrer innern Struktur und der Wichtigkeit mancher Or-gane; aber wir koͤnnen nicht erklaͤren, warum nicht eineder Familien der Melaſtomen 30 Grad noͤrdlich waͤchſt,oder keine Roſe auf der ſuͤdlichen Hemiſphaͤre gruͤnt.Auf beiden Continenten finden ſich oft Analogien desKlimas, aber nicht der Erzeugniſſe.