Beiträge zur Naturgeschichte der Mosquitos. Humboldt theilt in seinem kürzlich erschienenen Werke: Voyage aux Regions equinoxiales du nouveau Continent, eine sehr unterhaltende Zusammenstellung der Erfahrungen mit, die er, während seines langen Aufenthalts in dem tropischen Amerika, über die Mosquitos gesammelt hat, die über die Naturgeschichte, die geographische Verbreitung und die Eigenthümlichkeiten dieser grausamen Feinde des Menschen viel Licht verbreitet; und dieß um so mehr, da wir dieselben bisher nur aus vagen und ungründlichen Notizen anderer Reisenden kannten. Wer (sagt Humboldt) nie auf den großen Südamerikanischen Flüssen, als dem Orinoko oder dem Rio de la Magdalena geschifft hat, der kann sich keinen Begriff davon machen, wie man jeden Augenblick des Lebens durch diese geflügelten Insekten gequält werden und wie ganze Landstriche durch sie fast unbewohnbar gemacht werden können. Mag man immer die größten Schmerzen ohne Murren ertragen können; mag man auch das lebhafteste Interesse an den Gegenständen haben, die man untersuchen will, dennoch wird man unaufhörlich durch die Mosquitos, Zancudos, Jensen und Tempraneros davon abgezogen, die sich in Schaaren auf Gesicht und Hände niederlassen, die Kleider mit ihren nadelförmigen Rüsseln durchbohren, die in Nase und Mund fliegen, und so ein unaufhörliches Husten und Nießen erzeugen, sobald man in freier Luft sprechen will. Auch giebt die plaga de las moscas, "die Qual der Fliegen" in den Missionen, die hart am Orinoko, von ungeheuern Waldungen umgeben, liegen, einen unerschöpflichen Stoff zur Unterhaltung. Begegnen sich am Morgen zwei Personen, so sind die ersten Fragen, welche sie an einander richten, folgende: Wie haben Sie diese Nacht die Zancudos gefunden? Wie werden es heute die Mosquitos treiben? Die geographische Vertheilung dieser mückenartigen Insekten bietet sehr merkwürdige Erscheinungen dar. Sie scheint sich nicht einzig nach der Wärme des Klima's, nach der großen Feuchtigkeit und Undurchdringlichkeit der Wälder, sondern außerdem nach lokalen, sehr schwer zu charakterisirenden Umständen zu richten. Gleich zu Anfang will ich erwähnen, daß diese Landplage in der heißen Zone nicht so allgemein verbreitet ist, als man wohl denken dürfte . Auf den Hochebenen, die über 400 Toisen über der See liegen, z. B. zu Cumana, Calabozo u. s. w. sieht man nicht mehr Schnaken, als in den bewohntesten Gegenden Europa's . Dagegen vermehren sie sich zu Nueva Barcelona und mehr westlich an der Küste, die sich nach dem Kap Codera erstreckt, ungeheuer. Zwischen dem kleinen Hafen Higuerote und an der Mündung des Rio Unare, scharren sich die unglücklichen Einwohner des Nachts 3 bis 4 Zoll tief in Sand, und lassen nur den Kopf frei, den sie mit einem Tuche bedecken. Segelt man zwischen dem 7. und 8. Breitegrad von Cabruta nach Angostura stromaufwärts und von Cabruta nach Urunna stromabwärts, so ist die Plage der Insekten ziemlich erträglich. Aber jenseits der Mündung des Rio Arauca, wenn man die enge Stelle von Bareguan im Rücken hat, ist es mit der Ruhe des Reisenden vorbei. Dort scheinen die untern Luftschichten, vom Boden bis zu 15 bis 20 Fuß Höhe, durch die Unzahl dieser giftigen Insekten wie mit einem dichten Dampfe angefüllt. Stellt man sich an einen dunkeln Ort, z. B. in die Grotten bei den Katarakten, die durch einen überhängenden Granitblock gebildet werden, und blickt dann nach der von der Sonne beschienenen Oeffnung hin, so sieht man Wolken von Mosquitos, die mehr oder weniger dicht sind, je nachdem diese Thiere sich vermöge ihrer langsamen und taktmäßigen Bewegungen, vereinigen oder zerstreuen. In der Mission San Borga sind die Mosquitos schon unerträglicher als zu Cariehara; allein in den Raudales zu Atures und hauptsächlich zu Maypures erreicht diese Qual, so zu sagen, ihr Maximum. Ich zweifle daran, daß es ein Land giebt, wo der Mensch, während der Regenzeit, größern Leiden unterworfen ist. Ueber den 5ten Breitegrad hinaus wird man etwas weniger gestochen; aber auf dem obern Orinoko sind die Stiche weit schmerzhafter, weil die Hitze und gänzliche Windstille die Haut reizbarer machen. Gelangt man weiter nach Süden, wo die Flüsse mit braungelbem Wasser ihren Anfang nehmen, die man gewöhnlich schwarze Wasser (aquas negras) nennt, z. B. an die Ufer des Atabapo, Temi, Tuamini und Rio Negro, so genießt man einer Ruhe, ich möchte fast sagen, eines unerwarteten Glücks. Diese Flüsse laufen gleichfalls durch dichte Waldungen, allein die schnakenartigen Insekten fliehen, gleich den Krokodilen, die schwarzen Gewässer, die ein wenig kälter als die farblosen Wasser und in chemischer Hinsicht von diesen verschieden sind. Vielleicht können die Larven dieser Thiere, die man als wahre Wasserthiere ansehen kann, nicht gedeihen. Nur einige kleine Flüsse, der Toparo, Malaveni und Zama, deren Farbe entweder tiefblau oder braungelb ist, wimmeln dennoch von Mosquitos. Als wir den Rio Negro hinabfuhren, konnten wir in den, an der Brasilianischen Grenze liegenden Dörfern, Maroa, Davipe und San Carlos frei athmen; allein die Verbesserung unserer Lage war nur von kurzer Dauer. -- Zu L'Esmeralda, am östlichen Ende des obern Orinoko, jenseits welcher das Land den Spaniern nicht mehr bekannt ist, sind die Mosquitowolken fast eben so dicht, als bei den großen Wasserfällen. -- Zu Mandavaca trafen wir einen alten Missionär, der uns sagte: er habe seine 20 Mosquitosjahre in Amerika verlebt. Er machte uns auf den Zustand seiner Beine aufmerksam, damit wir einst zu Hause erzählen könnten, was die armen Mönche in den Wäldern des Cassiquiare von den Mosquitos zu leiden hätten. Da jeder Stich einen kleinen schwarzbraunen Punkt hinterläßt, so waren seine Beine so getiegert, daß man nur mit Mühe die weiße Farbe seiner Haut durch die Flecken hindurch erkennen konnte. -- So erklärt es sich, wie der Pater Guardian einen Laienbruder, an dem er sich rächen will, gewöhnlich nach Esmeralda schickt, oder: "zu den Mosquitos verurtheilt." In den farblosen Gewässern scheinen sich meist Species aus dem Genus Simulium aufzuhalten, während am AtLandslubapo und Rio Negro meist nur solche vom Genus Culex hausen. So weit von der geographischen Verbreitung dieser Thiere. Es wäre zu wünschen, daß ein geschickter Entomolog die verschiedenen Species dieser schädlichen Insekten an Ort und Stelle studiren könnte, die trotz ihrer Winzigkeit in dem Haushalte der Natur eine wichtige Rolle spielen. Wichtig und bewiesen ist, daß die verschiedenen Arten nicht zusammen, sondern jede zu einer gewissen Tageszeit schwärmen, oder wie sich die Missionärs recht naiv ausdrücken, "die Wache beziehn. Zwischen jedem Wechsel hat man einige Minuten und oft eine Viertelstunde Ruhe. Von halb 7 Uhr Morgens bis 5 Uhr Abends, wimmelt die Luft von Mosquitos, die nicht, wie einige Reisende behaupten, die Gestalt unsrer Mücken, sondern die der Fliegen haben. Dieß sind die Simulien von der Familie der Nemoceres des Latreille. Ihr Stich ist so schmerzhaft, wie derjenige der Stomoxes (Conops calcitrans). Da, wo der Saugerüssel die Haut durchbohrt hat, bleibt ein kleiner braunrother Fleck zurück, der von extravasirtem Blut herrührt. Eine Stunde vor Sonnenuntergang werden die Mosquitos von einer kleinen Art Mücken, den Tempraneros, abgelöst, die deshalb so heißen, weil sie auch bei Sonnenaufgang erscheinen, und die kaum 11/2 Stunde bleiben. Nachdem sie zwischen 6 und 7 Uhr verschwunden sind, und man nur wenige Minuten Ruhe gehabt hat, wird man von den Zancudos, einer andern Mückenart mit sehr langen Füßen, angefallen. Der Stich dieses Thiers ist äußerst schmerzhaft, und die darnach folgende Geschwulst dauert mehrere Wochen. Es summt wie unsre Mücken, nur stärker und gedehnter, und ist ein wahres Nachtinsekt, während der Tempranero die Dämmerung liebt. Auf der Reise von Carthagena nach Sta. Fe de Bogota bemerkten wir im Thale des Rio grande de la Magdalena zwischen Mompox und Honda, daß die Zancudos die Luft von 8 Uhr Abends bis Mitternacht verdunkeln, gegen Mitternacht aber abnehmen und 4 Stunden lang verschwinden, dann aber in Masse und blutdürstig wiederkehren . Auf dem Orinoko sieht man selten wirkliche Tagmücken, und die Zancudos auf beiden Strömen gehören gewiß verschiedenen Arten an . Wir haben so eben gesehn, wie diese Tropeninsekten bei ihrem Erscheinen und Verschwinden nach gewissen Regeln verfahren. Zu bestimmten und unveränderlichen Stunden bevölkert sich in derselben Jahreszeit und Breite die Luft mit denselben Bewohnern; und unter einer Zone, wo der Barometer zur Uhr dienen kann, wo alles so wunderbar regelmäßig auf einander folgt, könnte man beinahe mit geschlossenen Augen bei Tag und Nacht die Stunde bestimmen; da man diese an den verschiedenen Gesumse und Stechen der Insekten erkennen könnte. Auf den Flüssen Magdalena und Guayaquil allein unterschied ich 5 sehr deutlich verschiedene Arten von Zancudos. Die Culex Südamerika's sind gewöhnlich an Flügeln, Bruststück und Füßen azurfarben geringelt, und schillern durch ihre verschiedene Punktirungen metallartig. Hier, wie in Europa sind die Männchen, welche sich durch ihre flaumigen Fühlhörner auszeichnen, sehr selten, und man wird nur von den Weibchen gestochen. Da jedes der Letztern mehrere hundert Eier legt, so erklärt sich hieraus, wie sich dieß Ungeziefer so schnell vermehrt. Schifft man die großen Ströme Südamerika's hinauf, so bemerkt man, daß die Erscheinung einer neuen Species von Culex jedesmal einen Nebenfluß ankündigt. 1) Culex cyanopennis abdomine fusco, piloso, annulis sex albis; alis caeruleis, tarsis albo annulatis. Thorax fusco-ater, pilosus. Abdomen supra fuscocaerulescens, hirtum, annulis sex albis. Alae caeruleae, splendore semi-metallico, viridenti-venosae, saepe pulverulentae, margine externo ciliato. Pedes fusci, tibiis hirtis, tarsis nigrioribus, annulis quatuor niveis. Antennae maris pectinatae. Habitat locis paludosis ad ripam Magdalenae fluminis, prope Teneriffe; Mompox, Chillea, Tamalameque caet. (Regno Novogranadensi.) 2) Culex lineatus, violacco-fuscescens; thorace fusco, utrinque linea longitudinali, maculisque inferis argenteis; alis virescentibus; abdomine annulis sex argenteis; pedibus atro-fuscis; posticorum tibiis apicibusque albis. Habitat ad confluentem Tamalamequen in ripa Magdalenae fluminis. (Regno Novogranadensi.) 3) Culex ferox supra caeruleo aureoque varius, annulis quinque albis inferis, alis virescentibus; pedibus nigricanti-caeruleis, metallico splendentibus; posticis longissimis, basi apiceque niveis. Omnium maximus differt 1 a C. haemorrhodali Fab. cui pedes quoque caerulei, thorace superne caeruleo et auro maculato; 2 a C. cyanopenni corpore superne caeruleo, pedibus haud annulatis, haud fuscis. An. Nhatin Maregr p. 257? Habitat ad ripam inundatam fluminis Guayaquilensis, prope San Borondon. (Regno Quitensi.) 4) Culex chloropterus, viridis, annulis quinque al- bis; alis virescentibus, pedibus fuscis ad basim subtus albis. Habitat cum praecedente. 5) Culex maculatus viridi-fuscescens, annulis octo albis, alis virescentibus, maculis tribus auticis, atrocaeruleis, auro immixtis; pedibus fuscis, basi alba. Habitat cum C. feroce et C. chloroptero in ripa fluminis Rio de Guayaquil propter las Bodegas de Bahaoyo. Bringen wir also die bisher angeführten Beobachtungen in eine kurze Uebersicht, so ergiebt sich Folgendes. Die Mustikos und Maringouins erheben sich nicht auf die Berghöhen der Cordilleren bis in die gemäßigte Region, wo die mittlere Temperatur unter 19 bis 20 Centigrade ist. -- Sie fliehen, bis auf wenige Ausnahmen die schwarzen Gewässer, und trockne, unbewaldete Stellen, und halten sich daher nur an solchen auf, wo der Saum des Waldes nicht durch dürre Ebenen von den Flüssen getrennt ist. Man kann also von dem allmähligen Auslichten der Wälder eine Verminderung dieser schädlichen Insekten erwarten. Die Eingebornen, sie mögen Weiße, Mulatten, Neger oder Indianer seyn, haben alle, so gut wie die Europäer, von dem Stiche der Insekten zu leiden. Nur die Wirkungen die derselbe hervorbringt sind bei den verschiedenen Menschenklassen verschieden. Wird dieselbe giftige Flüssigkeit in die Haut eines kupferfarbenen Indianers und in die eines neulich angekommenen Europäers deponirt, so verursacht sie bei dem Ersten keine Geschwulst, während sie bei dem Letztern harte, von heftiger Entzündung begleitete Blattern zur Folge hat, die mehrere Tage lang schmerzen. So verschieden ist die Thätigkeit des Hautsystems nach den verschiedenen Graden der Irritabilität der Organe bei jeder Menschenrace, ja, jedem Individuum. -- Doch daß die Indianer eben sowohl durch die Stiche leiden, geht daraus hervor, daß sie sich beim Rudern unaufhörlich mit der flachen Hand schlagen um die Insekten zu vertreiben. Die Otomaquer, eines der barbarischsten Völker, kennen den Gebrauch der Mückenflore, die sie aus Palmfasern weben. Zu Higuerote schlafen die farbigen Leute, wie gesagt, häufig im Sande verscharrt. In den Dörfern des Rio Magdalena luden uns die Indianer häufig ein, auf dem Hauptplatz neben der Kirche, wo sich alles Hornvieh der Umgegend versammelt, auszuruhn, indem die Nähe des Viehes den Menschen einige Ruhe verschafft. Die Indianer am obern Orinoko und am Cassiquiare haben kleine Zimmer ohne Fenster (s. g. hornitos), in welche man durch eine sehr niedrige Oeffnung auf dem Bauche kriechen muß. Sobald man nun die Insekten durch Räuchern daraus vertrieben hat, so verstopft man die Oeffnung. Allein die Abwesenheit der Mosquitos muß man durch die heiße und stockende Luft theuer erkaufen. Die in Südamerika gebornen, oder lange wohnhaften Europäer leiden weit mehr als die Indianer, aber unendlich weniger als ihre erst neuerdings ausgeschifften Landsleute. Also liegt nicht in der Dicke der Haut, wie einige Reisende behaupten die Ursache, daß die Stiche in dem Augenblicke, wo man sie empfängt, weniger schmerzhaft sind. Auch ist nicht in der besondern Organisation der Integumente der Indianer der Grund zu suchen, daß dem Stiche weniger Geschwulst und entzündliche Symptome folgen; sondern dieß liegt an der verschiedenen nervösen Reizbarkeit des Hautsystems. Diese Reizbarkeit wird vermehrt, durch sehr warme Kleider, durch den Genuß geistiger Getränke, durch die Gewohnheit an den Wunden zu jucken und, wie auch selbst die Erfahrung gelehrt hat, durch zu schnell hintereinander wiederholte Bäder. Diese letzten machen zwar die alten Stiche schmerzloser, aber gegen die frischen empfindlicher. Da die Mustikos und die Maringouins zwei Drittel ihres Lebens im Wasser zubringen, so darf man sich nicht wundern, daß diese schädlichen Insekten in den Wäldern desto seltener werden, je mehr man sich von den großen Strömen entfernt, welche diese durchschneiden. Sie scheinen die Orte zu lieben, wo ihre Verwandlung statt gehabt hat, und wohin sie wieder ihre Eier legen wollen. Daher gewöhnen sich die Indianer so schwer an das Leben in den Missionen, weil sie daselbst unter einer Qual seufzen, die sie in ihren ursprünglichen Wohnsitzen kaum kennen, und fliehen bald wieder den Wäldern zu. Die Missionen sind in dieser Hinsicht sehr fehlerhaft angelegt. Die kleinen Insekten aus der Familie der Nemoceres sollen von Zeit zu Zeit Wanderungen machen. Zuweilen sieht man an gewissen Orten zu Anfang der Regenzeit Arten erscheinen, deren Stiche man früher noch nicht gefühlt hat. So sagte man uns zu Simiti am Magdalenenfluß, man habe vor Zeiten hier von Culex-Arten nur den Jejen (Xexen) gekannt, und daher die Nacht über Ruhe gehabt. Seit dem Jahr 1801 aber, habe sich die große Mücke mit blauen Flügeln (Culex cyanopterus) so häufig eingestellt, daß die armen Einwohner zu Simiti nicht mehr ruhig schlafen könnten. In den morastigen Canälen der Insel Baru hält sich die kleine Fliege Cafasi auf, die dem unbewaffneten Auge kaum erkennbar ist, und sehr schmerzhafte Geschwülste hervorbringt. Man muß die baumwollenen Gewebe, die als Mückennetze dienen, naß machen, wenn der Cafasi nicht durch die Zwischenräume dringen soll. Dieß Insekt, welches glücklicherweise sonst ziemlich selten ist, zieht im Januar durch den Canal von Mahates bis Morales hinauf. Geringe Modifikationen in der Nahrung und im Klima, scheinen bei den nämlichen Arten der Mustikos und Maringouins in der Wirksamkeit des Gifts, welches diese Thiere aus ihrem scharfen und am untern Ende gezähnten Saugerüssel entladen, Veränderungen hervorzubringen. Auf dem Orinoko finden sich die blutgierigsten Insekten bei den großen Catarakten, zu L'Esmeralda und Mendavaca. Auf dem Magdalena wird der Culex cyanopterus vor Allem zu Mompox, Chilloa und Tamalamequa gefürchtet. Dort ist er größer und stärker und hat schwärzere Beine. Man kann sich des Lachens nicht erwehren, wenn man die Missionäre über die Größe, Gefräßigkeit und Blutgier der Mosquitos in verschiedenen Gegenden des Flusses streiten hört. Diese Erscheinungen sind zwar recht sehr merkwürdig; allein ähnliche auch bei größern Thiergattungen bemerkbar. So verfolgt das Krokodil zu Angostura den Menschen, während man sich zu Neu-Barcelona im Rio Neveri mitten unter diesen Carnivoren furchtlos badet. Die Jaguars von Maturin, Cumanacoa und von der Landenge von Panama sind, im Vergleich mit denen am obern Orinoko, feig. Die Indianer wissen sehr gut, daß die Affen aus dem oder jenem Thale leicht zu zähmen sind, während andere von derselben Species, die anderswo gefangen werden, lieber Hungers sterben, ehe sie sich der Dienstbarkeit unterziehen. Noch näher liegt das Beispiel vom Scorpion zu Cumana, der von demjenigen auf der Trinitatisinsel, Jamaika, zu Carthagena und Guayaquil sehr schwer zu unterscheiden, aber nicht fürchterlicher, als der Scorpio europaeus des südlichen Frankreichs ist: während der andere weit beunruhigendere Zufälle veranlaßt, als selbst der Scorpio occitanus von Spanien und der Berberei. Man muß sich wundern, bei Insekten, die sich doch von Pflanzensäften nähren, diesen Blutdurst anzutreffen. "Wovon sollten diese Thiere leben, wenn wir nicht hier durchreisten?" pflegen die Creolen zu sagen; da es in jenen Gegenden nur bepanzerte Krokodile und langhaarige Affen giebt. Die Leute in Amerika haben sich, gerade wie die Gelehrten in Europa, über die Heilsamkeit der Klimate und die pathologischen Erscheinungen, Systeme gebildet, die sich häufig in den verschiedenen Provinzen schnurgerade entgegenlaufen. So hält man am Magdalenenfluß die Mosquitos zwar für lästig, aber für sehr zuträglich. "Diese Thiere, sagen die Einwohner, verursachen kleine Aderlässe, die uns in diesem heißen Klima, vor dem Tabardillo, Scharlachfieber und andern entzündlichen Krankheiten bewähren." Dagegen schiebt man an den äußerst ungesunden Ufern des Orinoko die Schuld der Krankheiten auf die Mosquitos. "Diese Insekten, sagt man, entstehen aus verfaulten Stoffen und vermehren die Verderbniß: sie entzünden das Blut." Daß die erstere Ansicht nicht die richtigere ist, bedarf keiner Erinnerung. Die Häufigkeit der Mustikos und Maringouins charakterisirt indeß die ungesunden Klimate nur in so fern, als die Entwickelung und Vermehrung dieser Insekten von denselben Ursachen abhängt, welche die Miasmen erzeugen. Diese schädlichen Thierchen lieben einen fruchtbaren mit Vegetation bedeckten Boden; stockende Gewässer, eine feuchte Luft, die nie durch den Wind bewegt wird. Sie besuchen vorzugsweise solche Orte, wo jener mittlere Grad von Licht, Wärme und Feuchtigkeit herrscht, der chemischen Processen so günstig ist, und also die Fäulniß organischer Substanzen befördert. Ob die Mosquitos selbst zu der Ungesundheit der Atmosphäre beitragen? Bedenkt man, daß bis zu 4 Toisen Höhe auf jedem Kubikfuß Luft oft eine Million geflügelter Insekten kommen, die ein kaustisches und giftiges Fluidum bei sich führen; erinnert man sich, daß sich in diesen Schwärmen eine Menge todter Insekten befinden die der Luftzug von unten oder von der Seite herbeiführt, so dringt sich die Frage auf, ob nicht durch die Gegenwart so vieler animalischer Substanzen eigenthümliche Miasmen entstehen dürften? Ich glaube allerdings, daß diese Substanzen anders auf die Atmosphäre einwirken, als Sand und Staub. Doch es würde vorlaut seyn, jetzt etwas Bestimmtes darüber auszusprechen. Weniger ungewiß und, so zu sagen, durch tägliche Erfahrungen bestätigt, ist, daß an dem Orinoko, Cassiquiare, Rio Caura und überhaupt da, wo eine sehr ungesunde Luft herrscht, der Stich der Mosquitos die Organe zur Einsaugung der Miasmen geneigter macht. Ist man Monate lang bei Tag und Nacht der Qual dieser Insekten ausgesetzt, so verursacht die beständige Reizung der Haut fieberhafte Bewegungen, und unterdrückt, vermöge der schon vor Alters erkannten Wechselwirkung des Haut- und gastrischen Systems die Funktionen des Magens. Man fängt an, an Unverdaulichkeit zu leiden, die Entzündung der Haut erzeugt häufigen Schweiß; man kann seinen Durst nicht löschen; und auf die immer wachsende Ungeduld folgt bei Personen von schwacher Konstitution eine Niedergeschlagenheit des Geistes, welche das Einwirken aller krankheiterzeugenden Einwirkungen sehr befördert. Heut zu Tage sind es nicht die Gefahren der Schifffahrt, die wilden Indianer, Schlangen, Jaguars und Krokodile, die man auf den Reisen durch jene Flußkanäle fürchtet, sondern "el sudar y las moscas" (der Schweiß und die Fliegen). Wer lange Zeit in den, von Mosquitos befeindeten Ländern gelebt hat, der wird, wie wir, die Erfahrung gemacht haben, daß es gegen diese quälenden Insekten kein gründliches Mittel gebe. Die Indianer salben sich mit Onoto, Siegelerde oder Schildkrötenfett ein, und suchen dennoch die Insekten unaufhörlich durch Schläge mit der flachen Hand zu verjagen. Alle Mückenflöre, Toldos etc. sind wegen der großen Hitze die sie hervorbringen und der vollkommenen Unthätigkeit, die sie erheischen, unerträglich. Ein schwacher Wind, Räucherungen und starke Gerüche schaffen in Gegenden, wo die Mosquitos sehr zahlreich und hungrig sind nur unerheblich Erleichterung. Mit Unrecht behauptet man, daß diese kleinen Thiere, den eigenthümlichen Geruch des Krokodils fliehen. Bei Bataillez, zwischen Carthagena und Honda, wurden wir fürchterlich von den Mosquitos gepeinigt, während wir ein 11 Fuß langes Krokodil secirten, welches die ganze Umgegend mit seinem Duft erfüllte. Die Indianer empfehlen den Geruch von verbranntem Kuhmist als sehr wirksam. Weht ein starker von Regen begleiteter Wind, so verschwinden die Mosquitos auf einige Zeit. Am grausamsten stechen sie, wenn ein Gewitter im Anzuge ist, sonderlich wenn keine Regengüsse auf die Entladung der Elektricität folgen. -- Stete Bewegung ist noch das beste Mittel gegen den Stich der Insekten. Der Zancudo summt lange umher, bevor er sich niederläßt. Hat er sich aber einmal fest gesaugt, so kann man ihm an die Flügel greifen, ohne daß er Furcht zeigt. Während er saugt, hält er die beiden hintersten Füße in der Luft schwebend, und läßt man ihn nach Gefallen, ohne ihn zu stören, saugen, so wird die Stelle nicht schwellen und vollkommen schmerzlos seyn. Entladet nun das Insekt die ätzende Feuchtigkeit erst im Augenblick wo es verjagt wird? oder saugt es dieselbe wieder ein, wenn man es nach Gefallen seinen Durst stillen läßt? Ich würde mich für die letztre Meinung entscheiden. Denn wenn ich dem Culex cyanopterus ruhig die Rückseite meiner Hand hinhielt, so war anfangs der Schmerz sehr heftig und verringerte sich in dem Maaße, als das Insekt fortfuhr zu saugen. Auch stellte ich den Versuch an, daß ich mich mit einer Nadel in die Hand stach, und die Wunde mit zerquetschten Mustikos einrieb, den- noch blieb ich von aller Geschwulst befreit. Die reizende Feuchtigkeit der Dipteres, Nemoceres, in welcher die Chemiker indeß noch keine ätzenden Eigenschaften haben erkennen können, befindet sich, wie bei den Ameisen und andern Hymenopteres in besondern Drüschen: und wird wahrscheinlich zu sehr vertheilt und folglich geschwächt, wenn man sich die Haut mit dem ganzen zerquetschten Thier einreibt.