Beitraͤge zur Naturgeſchichte der Mosquitos. Humboldt theilt in ſeinem kuͤrzlich erſchienenen Werke: Voyage aux Régions équinoxiales du nouveau Continent, eine ſehr unterhaltende Zuſammenſtellung der Erfahrungen mit, die er, waͤhrend ſeines langen Aufenthalts in dem tropiſchen Amerika, uͤber die Mosquitos geſammelt hat, die uͤber die Naturgeſchichte, die geographiſche Verbreitung und die Eigenthuͤmlichkeiten dieſer grauſamen Feinde des Menſchen viel Licht verbreitet; und dieß um ſo mehr, da wir dieſelben bisher nur aus vagen und ungruͤndlichen Notizen anderer Reiſenden kannten. Wer (ſagt Humboldt) nie auf den großen Suͤdamerikaniſchen Fluͤſſen, als dem Orinoko oder dem Rio de la Magdalena geſchifft hat, der kann ſich keinen Begriff davon machen, wie man jeden Augenblick des Lebens durch dieſe gefluͤgelten Inſekten gequaͤlt werden und wie ganze Landſtriche durch ſie faſt unbewohnbar gemacht werden koͤnnen. Mag man immer die groͤßten Schmerzen ohne Murren ertragen koͤnnen; mag man auch das lebhafteſte Intereſſe an den Gegenſtaͤnden haben, die man unterſuchen will, dennoch wird man unaufhoͤrlich durch die Mosquitos, Zancudos, Jenſen und Tempraneros davon abgezogen, die ſich in Schaaren auf Geſicht und Haͤnde niederlaſſen, die Kleider mit ihren nadelfoͤrmigen Ruͤſſeln durchbohren, die in Naſe und Mund fliegen, und ſo ein unaufhoͤrliches Huſten und Nießen erzeugen, ſobald man in freier Luft ſprechen will. Auch giebt die plaga de las moscas, „die Qual der Fliegen“ in den Miſſionen, die hart am Orinoko, von ungeheuern Waldungen umgeben, liegen, einen unerſchoͤpflichen Stoff zur Unterhaltung. Begegnen ſich am Morgen zwei Perſonen, ſo ſind die erſten Fragen, welche ſie an einander richten, folgende: Wie haben Sie dieſe Nacht die Zancudos gefunden? Wie werden es heute die Mosquitos treiben? Die geographiſche Vertheilung dieſer muͤckenartigen Inſekten bietet ſehr merkwuͤrdige Erſcheinungen dar. Sie ſcheint ſich nicht einzig nach der Waͤrme des Klima’s, nach der großen Feuchtigkeit und Undurchdringlichkeit der Waͤlder, ſondern außerdem nach lokalen, ſehr ſchwer zu charakteriſirenden Umſtaͤnden zu richten. Gleich zu Anfang will ich erwaͤhnen, daß dieſe Landplage in der heißen Zone nicht ſo allgemein verbreitet iſt, als man wohl denken duͤrfte . Auf den Hochebenen, die uͤber 400 Toiſen uͤber der See liegen, z. B. zu Cumana, Calabozo u. ſ. w. ſieht man nicht mehr Schnaken, als in den bewohnteſten Gegenden Europa’s . Dagegen vermehren ſie ſich zu Nueva Barcelona und mehr weſtlich an der Kuͤſte, die ſich nach dem Kap Codera erſtreckt, ungeheuer. Zwiſchen dem kleinen Hafen Higuerote und an der Muͤndung des Rio Unare, ſcharren ſich die ungluͤcklichen Einwohner des Nachts 3 bis 4 Zoll tief in Sand, und laſſen nur den Kopf frei, den ſie mit einem Tuche bedecken. Segelt man zwiſchen dem 7. und 8. Breitegrad von Cabruta nach Angoſtura ſtromaufwaͤrts und von Cabruta nach Urunna ſtromabwaͤrts, ſo iſt die Plage der Inſekten ziemlich ertraͤglich. Aber jenſeits der Muͤndung des Rio Arauca, wenn man die enge Stelle von Bareguan im Ruͤcken hat, iſt es mit der Ruhe des Reiſenden vorbei. Dort ſcheinen die untern Luftſchichten, vom Boden bis zu 15 bis 20 Fuß Hoͤhe, durch die Unzahl dieſer giftigen Inſekten wie mit einem dichten Dampfe angefuͤllt. Stellt man ſich an einen dunkeln Ort, z. B. in die Grotten bei den Katarakten, die durch einen uͤberhaͤngenden Granitblock gebildet werden, und blickt dann nach der von der Sonne beſchienenen Oeffnung hin, ſo ſieht man Wolken von Mosquitos, die mehr oder weniger dicht ſind, je nachdem dieſe Thiere ſich vermoͤge ihrer langſamen und taktmaͤßigen Bewegungen, vereinigen oder zerſtreuen. In der Miſſion San Borga ſind die Mosquitos ſchon unertraͤglicher als zu Cariehara; allein in den Raudales zu Aturès und hauptſaͤchlich zu Maypurès erreicht dieſe Qual, ſo zu ſagen, ihr Maximum. Ich zweifle daran, daß es ein Land giebt, wo der Menſch, waͤhrend der Regenzeit, groͤßern Leiden unterworfen iſt. Ueber den 5ten Breitegrad hinaus wird man etwas weniger geſtochen; aber auf dem obern Orinoko ſind die Stiche weit ſchmerzhafter, weil die Hitze und gaͤnzliche Windſtille die Haut reizbarer machen. Gelangt man weiter nach Suͤden, wo die Fluͤſſe mit braungelbem Waſſer ihren Anfang nehmen, die man gewoͤhnlich ſchwarze Waſſer (aquas negras) nennt, z. B. an die Ufer des Atabapo, Temi, Tuamini und Rio Negro, ſo genießt man einer Ruhe, ich moͤchte faſt ſagen, eines unerwarteten Gluͤcks. Dieſe Fluͤſſe laufen gleichfalls durch dichte Waldungen, allein die ſchnakenartigen Inſekten fliehen, gleich den Krokodilen, die ſchwarzen Gewaͤſſer, die ein wenig kaͤlter als die farbloſen Waſſer und in chemiſcher Hinſicht von dieſen verſchieden ſind. Vielleicht koͤnnen die Larven dieſer Thiere, die man als wahre Waſſerthiere anſehen kann, nicht gedeihen. Nur einige kleine Fluͤſſe, der Toparo, Malaveni und Zama, deren Farbe entweder tiefblau oder braungelb iſt, wimmeln dennoch von Mosquitos. Als wir den Rio Negro hinabfuhren, konnten wir in den, an der Braſilianiſchen Grenze liegenden Doͤrfern, Maroa, Davipe und San Carlos frei athmen; allein die Verbeſſerung unſerer Lage war nur von kurzer Dauer. — Zu L’Esmeralda, am oͤſtlichen Ende des obern Orinoko, jenſeits welcher das Land den Spaniern nicht mehr bekannt iſt, ſind die Mosquitowolken faſt eben ſo dicht, als bei den großen Waſſerfaͤllen. — Zu Mandavaca trafen wir einen alten Miſſionaͤr, der uns ſagte: er habe ſeine 20 Mosquitosjahre in Amerika verlebt. Er machte uns auf den Zuſtand ſeiner Beine aufmerkſam, damit wir einſt zu Hauſe erzaͤhlen koͤnnten, was die armen Moͤnche in den Waͤldern des Caſſiquiare von den Mosquitos zu leiden haͤtten. Da jeder Stich einen kleinen ſchwarzbraunen Punkt hinterlaͤßt, ſo waren ſeine Beine ſo getiegert, daß man nur mit Muͤhe die weiße Farbe ſeiner Haut durch die Flecken hindurch erkennen konnte. — So erklaͤrt es ſich, wie der Pater Guardian einen Laienbruder, an dem er ſich raͤchen will, gewoͤhnlich nach Esmeralda ſchickt, oder: „zu den Mosquitos verurtheilt.“ In den farbloſen Gewaͤſſern ſcheinen ſich meiſt Species aus dem Genus Simulium aufzuhalten, waͤhrend am AtLandslubapo und Rio Negro meiſt nur ſolche vom Genus Culex hauſen. So weit von der geographiſchen Verbreitung dieſer Thiere. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß ein geſchickter Entomolog die verſchiedenen Species dieſer ſchaͤdlichen Inſekten an Ort und Stelle ſtudiren koͤnnte, die trotz ihrer Winzigkeit in dem Haushalte der Natur eine wichtige Rolle ſpielen. Wichtig und bewieſen iſt, daß die verſchiedenen Arten nicht zuſammen, ſondern jede zu einer gewiſſen Tageszeit ſchwaͤrmen, oder wie ſich die Miſſionaͤrs recht naiv ausdruͤcken, „die Wache beziehn. Zwiſchen jedem Wechſel hat man einige Minuten und oft eine Viertelſtunde Ruhe. Von halb 7 Uhr Morgens bis 5 Uhr Abends, wimmelt die Luft von Mosquitos, die nicht, wie einige Reiſende behaupten, die Geſtalt unſrer Muͤcken, ſondern die der Fliegen haben. Dieß ſind die Simulien von der Familie der Nemocères des Latreille. Ihr Stich iſt ſo ſchmerzhaft, wie derjenige der Stomoxes (Conops calcitrans). Da, wo der Saugeruͤſſel die Haut durchbohrt hat, bleibt ein kleiner braunrother Fleck zuruͤck, der von extravaſirtem Blut herruͤhrt. Eine Stunde vor Sonnenuntergang werden die Moſquitos von einer kleinen Art Muͤcken, den Tempraneros, abgeloͤſt, die deshalb ſo heißen, weil ſie auch bei Sonnenaufgang erſcheinen, und die kaum 1½ Stunde bleiben. Nachdem ſie zwiſchen 6 und 7 Uhr verſchwunden ſind, und man nur wenige Minuten Ruhe gehabt hat, wird man von den Zancudos, einer andern Muͤckenart mit ſehr langen Fuͤßen, angefallen. Der Stich dieſes Thiers iſt aͤußerſt ſchmerzhaft, und die darnach folgende Geſchwulſt dauert mehrere Wochen. Es ſummt wie unſre Muͤcken, nur ſtaͤrker und gedehnter, und iſt ein wahres Nachtinſekt, waͤhrend der Tempranero die Daͤmmerung liebt. Auf der Reiſe von Carthagena nach Sta. Fe de Bogota bemerkten wir im Thale des Rio grande de la Magdalena zwiſchen Mompox und Honda, daß die Zancudos die Luft von 8 Uhr Abends bis Mitternacht verdunkeln, gegen Mitternacht aber abnehmen und 4 Stunden lang verſchwinden, dann aber in Maſſe und blutduͤrſtig wiederkehren . Auf dem Orinoko ſieht man ſelten wirkliche Tagmuͤcken, und die Zancudos auf beiden Stroͤmen gehoͤren gewiß verſchiedenen Arten an . Wir haben ſo eben geſehn, wie dieſe Tropeninſekten bei ihrem Erſcheinen und Verſchwinden nach gewiſſen Regeln verfahren. Zu beſtimmten und unveraͤnderlichen Stunden bevoͤlkert ſich in derſelben Jahreszeit und Breite die Luft mit denſelben Bewohnern; und unter einer Zone, wo der Barometer zur Uhr dienen kann, wo alles ſo wunderbar regelmaͤßig auf einander folgt, koͤnnte man beinahe mit geſchloſſenen Augen bei Tag und Nacht die Stunde beſtimmen; da man dieſe an den verſchiedenen Geſumſe und Stechen der Inſekten erkennen koͤnnte. Auf den Fluͤſſen Magdalena und Guayaquil allein unterſchied ich 5 ſehr deutlich verſchiedene Arten von Zancudos. Die Culex Suͤdamerika’s ſind gewoͤhnlich an Fluͤgeln, Bruſtſtuͤck und Fuͤßen azurfarben geringelt, und ſchillern durch ihre verſchiedene Punktirungen metallartig. Hier, wie in Europa ſind die Maͤnnchen, welche ſich durch ihre flaumigen Fuͤhlhoͤrner auszeichnen, ſehr ſelten, und man wird nur von den Weibchen geſtochen. Da jedes der Letztern mehrere hundert Eier legt, ſo erklaͤrt ſich hieraus, wie ſich dieß Ungeziefer ſo ſchnell vermehrt. Schifft man die großen Stroͤme Suͤdamerika’s hinauf, ſo bemerkt man, daß die Erſcheinung einer neuen Species von Culex jedesmal einen Nebenfluß ankuͤndigt. 1) Culex cyanopennis abdomine fusco, piloso, annulis sex albis; alis caeruleis, tarsis albo annulatis. Thorax fusco-ater, pilosus. Abdomen supra fuscocaerulescens, hirtum, annulis sex albis. Alae caeruleae, splendore semi-metallico, viridenti-venosae, saepe pulverulentae, margine externo ciliato. Pedes fusci, tibiis hirtis, tarsis nigrioribus, annulis quatuor niveis. Antennae maris pectinatae. Habitat locis paludosis ad ripam Magdalenae fluminis, prope Teneriffe; Mompox, Chillea, Tamalameque caet. (Regno Novogranadensi.) 2) Culex lineatus, violacco-fuscescens; thorace fusco, utrinque linea longitudinali, maculisque inferis argenteis; alis virescentibus; abdomine annulis sex argenteis; pedibus atro-fuscis; posticorum tibiis apicibusque albis. Habitat ad confluentem Tamalamequen in ripa Magdalenae fluminis. (Regno Novogranadensi.) 3) Culex ferox supra caeruleo aureoque varius, annulis quinque albis inferis, alis virescentibus; pedibus nigricanti-caeruleis, metallico splendentibus; posticis longissimis, basi apiceque niveis. Omnium maximus differt 1 a C. haemorrhodali Fab. cui pedes quoque caerulei, thorace superne caeruleo et auro maculato; 2 a C. cyanopenni corpore superne caeruleo, pedibus haud annulatis, haud fuscis. An. Nhatin Maregr p. 257? Habitat ad ripam inundatam fluminis Guayaquilensis, prope San Borondon. (Regno Quitensi.) 4) Culex chloropterus, viridis, annulis quinque al- bis; alis virescentibus, pedibus fuscis ad basim subtus albis. Habitat cum praecedente. 5) Culex maculatus viridi-fuscescens, annulis octo albis, alis virescentibus, maculis tribus auticis, atrocaeruleis, auro immixtis; pedibus fuscis, basi alba. Habitat cum C. feroce et C. chloroptero in ripa fluminis Rio de Guayaquil propter las Bodegas de Bahaoyo. Bringen wir alſo die bisher angefuͤhrten Beobachtungen in eine kurze Ueberſicht, ſo ergiebt ſich Folgendes. Die Muſtikos und Maringouins erheben ſich nicht auf die Berghoͤhen der Cordilleren bis in die gemaͤßigte Region, wo die mittlere Temperatur unter 19 bis 20 Centigrade iſt. — Sie fliehen, bis auf wenige Ausnahmen die ſchwarzen Gewaͤſſer, und trockne, unbewaldete Stellen, und halten ſich daher nur an ſolchen auf, wo der Saum des Waldes nicht durch duͤrre Ebenen von den Fluͤſſen getrennt iſt. Man kann alſo von dem allmaͤhligen Auslichten der Waͤlder eine Verminderung dieſer ſchaͤdlichen Inſekten erwarten. Die Eingebornen, ſie moͤgen Weiße, Mulatten, Neger oder Indianer ſeyn, haben alle, ſo gut wie die Europaͤer, von dem Stiche der Inſekten zu leiden. Nur die Wirkungen die derſelbe hervorbringt ſind bei den verſchiedenen Menſchenklaſſen verſchieden. Wird dieſelbe giftige Fluͤſſigkeit in die Haut eines kupferfarbenen Indianers und in die eines neulich angekommenen Europaͤers deponirt, ſo verurſacht ſie bei dem Erſten keine Geſchwulſt, waͤhrend ſie bei dem Letztern harte, von heftiger Entzuͤndung begleitete Blattern zur Folge hat, die mehrere Tage lang ſchmerzen. So verſchieden iſt die Thaͤtigkeit des Hautſyſtems nach den verſchiedenen Graden der Irritabilitaͤt der Organe bei jeder Menſchenraçe, ja, jedem Individuum. — Doch daß die Indianer eben ſowohl durch die Stiche leiden, geht daraus hervor, daß ſie ſich beim Rudern unaufhoͤrlich mit der flachen Hand ſchlagen um die Inſekten zu vertreiben. Die Otomaquer, eines der barbariſchſten Voͤlker, kennen den Gebrauch der Muͤckenflore, die ſie aus Palmfaſern weben. Zu Higuerote ſchlafen die farbigen Leute, wie geſagt, haͤufig im Sande verſcharrt. In den Doͤrfern des Rio Magdalena luden uns die Indianer haͤufig ein, auf dem Hauptplatz neben der Kirche, wo ſich alles Hornvieh der Umgegend verſammelt, auszuruhn, indem die Naͤhe des Viehes den Menſchen einige Ruhe verſchafft. Die Indianer am obern Orinoko und am Caſſiquiare haben kleine Zimmer ohne Fenſter (ſ. g. hornitos), in welche man durch eine ſehr niedrige Oeffnung auf dem Bauche kriechen muß. Sobald man nun die Inſekten durch Raͤuchern daraus vertrieben hat, ſo verſtopft man die Oeffnung. Allein die Abweſenheit der Mosquitos muß man durch die heiße und ſtockende Luft theuer erkaufen. Die in Suͤdamerika gebornen, oder lange wohnhaften Europaͤer leiden weit mehr als die Indianer, aber unendlich weniger als ihre erſt neuerdings ausgeſchifften Landsleute. Alſo liegt nicht in der Dicke der Haut, wie einige Reiſende behaupten die Urſache, daß die Stiche in dem Augenblicke, wo man ſie empfaͤngt, weniger ſchmerzhaft ſind. Auch iſt nicht in der beſondern Organiſation der Integumente der Indianer der Grund zu ſuchen, daß dem Stiche weniger Geſchwulſt und entzuͤndliche Symptome folgen; ſondern dieß liegt an der verſchiedenen nervoͤſen Reizbarkeit des Hautſyſtems. Dieſe Reizbarkeit wird vermehrt, durch ſehr warme Kleider, durch den Genuß geiſtiger Getraͤnke, durch die Gewohnheit an den Wunden zu jucken und, wie auch ſelbſt die Erfahrung gelehrt hat, durch zu ſchnell hintereinander wiederholte Baͤder. Dieſe letzten machen zwar die alten Stiche ſchmerzloſer, aber gegen die friſchen empfindlicher. Da die Muſtikos und die Maringouins zwei Drittel ihres Lebens im Waſſer zubringen, ſo darf man ſich nicht wundern, daß dieſe ſchaͤdlichen Inſekten in den Waͤldern deſto ſeltener werden, je mehr man ſich von den großen Stroͤmen entfernt, welche dieſe durchſchneiden. Sie ſcheinen die Orte zu lieben, wo ihre Verwandlung ſtatt gehabt hat, und wohin ſie wieder ihre Eier legen wollen. Daher gewoͤhnen ſich die Indianer ſo ſchwer an das Leben in den Miſſionen, weil ſie daſelbſt unter einer Qual ſeufzen, die ſie in ihren urſpruͤnglichen Wohnſitzen kaum kennen, und fliehen bald wieder den Waͤldern zu. Die Miſſionen ſind in dieſer Hinſicht ſehr fehlerhaft angelegt. Die kleinen Inſekten aus der Familie der Nemocères ſollen von Zeit zu Zeit Wanderungen machen. Zuweilen ſieht man an gewiſſen Orten zu Anfang der Regenzeit Arten erſcheinen, deren Stiche man fruͤher noch nicht gefuͤhlt hat. So ſagte man uns zu Simiti am Magdalenenfluß, man habe vor Zeiten hier von Culex-Arten nur den Jejen (Xexen) gekannt, und daher die Nacht uͤber Ruhe gehabt. Seit dem Jahr 1801 aber, habe ſich die große Muͤcke mit blauen Fluͤgeln (Culex cyanopterus) ſo haͤufig eingeſtellt, daß die armen Einwohner zu Simiti nicht mehr ruhig ſchlafen koͤnnten. In den moraſtigen Canaͤlen der Inſel Barù haͤlt ſich die kleine Fliege Cafaſi auf, die dem unbewaffneten Auge kaum erkennbar iſt, und ſehr ſchmerzhafte Geſchwuͤlſte hervorbringt. Man muß die baumwollenen Gewebe, die als Muͤckennetze dienen, naß machen, wenn der Cafaſi nicht durch die Zwiſchenraͤume dringen ſoll. Dieß Inſekt, welches gluͤcklicherweiſe ſonſt ziemlich ſelten iſt, zieht im Januar durch den Canal von Mahates bis Morales hinauf. Geringe Modifikationen in der Nahrung und im Klima, ſcheinen bei den naͤmlichen Arten der Muſtikos und Maringouins in der Wirkſamkeit des Gifts, welches dieſe Thiere aus ihrem ſcharfen und am untern Ende gezaͤhnten Saugeruͤſſel entladen, Veraͤnderungen hervorzubringen. Auf dem Orinoko finden ſich die blutgierigſten Inſekten bei den großen Catarakten, zu L’Esmeralda und Mendavaca. Auf dem Magdalena wird der Culex cyanopterus vor Allem zu Mompox, Chilloa und Tamalamequa gefuͤrchtet. Dort iſt er groͤßer und ſtaͤrker und hat ſchwaͤrzere Beine. Man kann ſich des Lachens nicht erwehren, wenn man die Miſſionaͤre uͤber die Groͤße, Gefraͤßigkeit und Blutgier der Mosquitos in verſchiedenen Gegenden des Fluſſes ſtreiten hoͤrt. Dieſe Erſcheinungen ſind zwar recht ſehr merkwuͤrdig; allein aͤhnliche auch bei groͤßern Thiergattungen bemerkbar. So verfolgt das Krokodil zu Angoſtura den Menſchen, waͤhrend man ſich zu Neu-Barcelona im Rio Neveri mitten unter dieſen Carnivoren furchtlos badet. Die Jaguars von Maturin, Cumanacoa und von der Landenge von Panama ſind, im Vergleich mit denen am obern Orinoko, feig. Die Indianer wiſſen ſehr gut, daß die Affen aus dem oder jenem Thale leicht zu zaͤhmen ſind, waͤhrend andere von derſelben Species, die anderswo gefangen werden, lieber Hungers ſterben, ehe ſie ſich der Dienſtbarkeit unterziehen. Noch naͤher liegt das Beiſpiel vom Scorpion zu Cumana, der von demjenigen auf der Trinitatisinſel, Jamaika, zu Carthagena und Guayaquil ſehr ſchwer zu unterſcheiden, aber nicht fuͤrchterlicher, als der Scorpio europaeus des ſuͤdlichen Frankreichs iſt: waͤhrend der andere weit beunruhigendere Zufaͤlle veranlaßt, als ſelbſt der Scorpio occitanus von Spanien und der Berberei. Man muß ſich wundern, bei Inſekten, die ſich doch von Pflanzenſaͤften naͤhren, dieſen Blutdurſt anzutreffen. „Wovon ſollten dieſe Thiere leben, wenn wir nicht hier durchreiſten?“ pflegen die Creolen zu ſagen; da es in jenen Gegenden nur bepanzerte Krokodile und langhaarige Affen giebt. Die Leute in Amerika haben ſich, gerade wie die Gelehrten in Europa, uͤber die Heilſamkeit der Klimate und die pathologiſchen Erſcheinungen, Syſteme gebildet, die ſich haͤufig in den verſchiedenen Provinzen ſchnurgerade entgegenlaufen. So haͤlt man am Magdalenenfluß die Mosquitos zwar fuͤr laͤſtig, aber fuͤr ſehr zutraͤglich. „Dieſe Thiere, ſagen die Einwohner, verurſachen kleine Aderlaͤſſe, die uns in dieſem heißen Klima, vor dem Tabardillo, Scharlachfieber und andern entzuͤndlichen Krankheiten bewaͤhren.“ Dagegen ſchiebt man an den aͤußerſt ungeſunden Ufern des Orinoko die Schuld der Krankheiten auf die Mosquitos. „Dieſe Inſekten, ſagt man, entſtehen aus verfaulten Stoffen und vermehren die Verderbniß: ſie entzuͤnden das Blut.“ Daß die erſtere Anſicht nicht die richtigere iſt, bedarf keiner Erinnerung. Die Haͤufigkeit der Muſtikos und Maringouins charakteriſirt indeß die ungeſunden Klimate nur in ſo fern, als die Entwickelung und Vermehrung dieſer Inſekten von denſelben Urſachen abhaͤngt, welche die Miasmen erzeugen. Dieſe ſchaͤdlichen Thierchen lieben einen fruchtbaren mit Vegetation bedeckten Boden; ſtockende Gewaͤſſer, eine feuchte Luft, die nie durch den Wind bewegt wird. Sie beſuchen vorzugsweiſe ſolche Orte, wo jener mittlere Grad von Licht, Waͤrme und Feuchtigkeit herrſcht, der chemiſchen Proceſſen ſo guͤnſtig iſt, und alſo die Faͤulniß organiſcher Subſtanzen befoͤrdert. Ob die Mosquitos ſelbſt zu der Ungeſundheit der Atmoſphaͤre beitragen? Bedenkt man, daß bis zu 4 Toiſen Hoͤhe auf jedem Kubikfuß Luft oft eine Million gefluͤgelter Inſekten kommen, die ein kauſtiſches und giftiges Fluidum bei ſich fuͤhren; erinnert man ſich, daß ſich in dieſen Schwaͤrmen eine Menge todter Inſekten befinden die der Luftzug von unten oder von der Seite herbeifuͤhrt, ſo dringt ſich die Frage auf, ob nicht durch die Gegenwart ſo vieler animaliſcher Subſtanzen eigenthuͤmliche Miasmen entſtehen duͤrften? Ich glaube allerdings, daß dieſe Subſtanzen anders auf die Atmoſphaͤre einwirken, als Sand und Staub. Doch es wuͤrde vorlaut ſeyn, jetzt etwas Beſtimmtes daruͤber auszuſprechen. Weniger ungewiß und, ſo zu ſagen, durch taͤgliche Erfahrungen beſtaͤtigt, iſt, daß an dem Orinoko, Caſſiquiare, Rio Caura und uͤberhaupt da, wo eine ſehr ungeſunde Luft herrſcht, der Stich der Mosquitos die Organe zur Einſaugung der Miasmen geneigter macht. Iſt man Monate lang bei Tag und Nacht der Qual dieſer Inſekten ausgeſetzt, ſo verurſacht die beſtaͤndige Reizung der Haut fieberhafte Bewegungen, und unterdruͤckt, vermoͤge der ſchon vor Alters erkannten Wechſelwirkung des Haut- und gaſtriſchen Syſtems die Funktionen des Magens. Man faͤngt an, an Unverdaulichkeit zu leiden, die Entzuͤndung der Haut erzeugt haͤufigen Schweiß; man kann ſeinen Durſt nicht loͤſchen; und auf die immer wachſende Ungeduld folgt bei Perſonen von ſchwacher Konſtitution eine Niedergeſchlagenheit des Geiſtes, welche das Einwirken aller krankheiterzeugenden Einwirkungen ſehr befoͤrdert. Heut zu Tage ſind es nicht die Gefahren der Schifffahrt, die wilden Indianer, Schlangen, Jaguars und Krokodile, die man auf den Reiſen durch jene Flußkanaͤle fuͤrchtet, ſondern „el sudar y las moscas“ (der Schweiß und die Fliegen). Wer lange Zeit in den, von Mosquitos befeindeten Laͤndern gelebt hat, der wird, wie wir, die Erfahrung gemacht haben, daß es gegen dieſe quaͤlenden Inſekten kein gruͤndliches Mittel gebe. Die Indianer ſalben ſich mit Onoto, Siegelerde oder Schildkroͤtenfett ein, und ſuchen dennoch die Inſekten unaufhoͤrlich durch Schlaͤge mit der flachen Hand zu verjagen. Alle Muͤckenfloͤre, Toldos ꝛc. ſind wegen der großen Hitze die ſie hervorbringen und der vollkommenen Unthaͤtigkeit, die ſie erheiſchen, unertraͤglich. Ein ſchwacher Wind, Raͤucherungen und ſtarke Geruͤche ſchaffen in Gegenden, wo die Mosquitos ſehr zahlreich und hungrig ſind nur unerheblich Erleichterung. Mit Unrecht behauptet man, daß dieſe kleinen Thiere, den eigenthuͤmlichen Geruch des Krokodils fliehen. Bei Bataillez, zwiſchen Carthagena und Honda, wurden wir fuͤrchterlich von den Mosquitos gepeinigt, waͤhrend wir ein 11 Fuß langes Krokodil ſecirten, welches die ganze Umgegend mit ſeinem Duft erfuͤllte. Die Indianer empfehlen den Geruch von verbranntem Kuhmiſt als ſehr wirkſam. Weht ein ſtarker von Regen begleiteter Wind, ſo verſchwinden die Mosquitos auf einige Zeit. Am grauſamſten ſtechen ſie, wenn ein Gewitter im Anzuge iſt, ſonderlich wenn keine Regenguͤſſe auf die Entladung der Elektricitaͤt folgen. — Stete Bewegung iſt noch das beſte Mittel gegen den Stich der Inſekten. Der Zancudo ſummt lange umher, bevor er ſich niederlaͤßt. Hat er ſich aber einmal feſt geſaugt, ſo kann man ihm an die Fluͤgel greifen, ohne daß er Furcht zeigt. Waͤhrend er ſaugt, haͤlt er die beiden hinterſten Fuͤße in der Luft ſchwebend, und laͤßt man ihn nach Gefallen, ohne ihn zu ſtoͤren, ſaugen, ſo wird die Stelle nicht ſchwellen und vollkommen ſchmerzlos ſeyn. Entladet nun das Inſekt die aͤtzende Feuchtigkeit erſt im Augenblick wo es verjagt wird? oder ſaugt es dieſelbe wieder ein, wenn man es nach Gefallen ſeinen Durſt ſtillen laͤßt? Ich wuͤrde mich fuͤr die letztre Meinung entſcheiden. Denn wenn ich dem Culex cyanopterus ruhig die Ruͤckſeite meiner Hand hinhielt, ſo war anfangs der Schmerz ſehr heftig und verringerte ſich in dem Maaße, als das Inſekt fortfuhr zu ſaugen. Auch ſtellte ich den Verſuch an, daß ich mich mit einer Nadel in die Hand ſtach, und die Wunde mit zerquetſchten Muſtikos einrieb, den- noch blieb ich von aller Geſchwulſt befreit. Die reizende Feuchtigkeit der Diptères, Nemocères, in welcher die Chemiker indeß noch keine aͤtzenden Eigenſchaften haben erkennen koͤnnen, befindet ſich, wie bei den Ameiſen und andern Hymènoptères in beſondern Druͤschen: und wird wahrſcheinlich zu ſehr vertheilt und folglich geſchwaͤcht, wenn man ſich die Haut mit dem ganzen zerquetſchten Thier einreibt.