Neue Unterſuchungen uͤber die Geſetze, welche man in der Vertheilung der Pflanzenformen bemerkt. Von Alex von Humboldt. Schon in einer fruͤheren Abhandlung habe ich die Botaniker auf die numeriſchen Verhaͤltniſſe der Pflanzenformen aufmerkſam gemacht und in meinem gleichzeitigen Werk, Prolegomena de distributione geographica plantarum, secundum coeli temperiem et altitudinem montium, die Materialien, deren ich bey jener Arbeit mich bediente, angegeben. Mit der Vertheilung der organiſchen Weſen verhaͤlt es ſich wie mit jedem anderen Phaͤnomen der phyſiſchen Welt. Mitten in der Regelloſigkeit, welche durch den Einfluß einer Menge von Localumſtaͤnden erzeugt zu werden ſcheint, erblickt man doch die unwandelbaren Geſetze der Natur, ſobald man eine ganze Strecke Landes betrachtet oder eine ganze Maſſe von Thatſachen nimmt, wo die theilweiſen Stoͤrungen ſich wechſelſeitig aufheben. Ich habe das Vergnuͤgen gehabt, dieſe Arbeit in Deutſchland, England, Italien und neulich auch in Daͤnemark einer genauen Pruͤfung unterworfen zu ſehen. Einer der groͤßten Botaniker unſerer Zeit und aller Jahrhunderte, Hr. Brown, hat jedes numeriſche Reſultat mit denen verglichen, welche die reichſten Herbarien, aus denen er ſich Raths erholen konnte, ihm darboten. Viele Zahlen ſind berichtiget worden, bey anderen fand ſich eine faſt unerwartete Uebereinſtimmung. Die Maſſe der Thatſachen wird gerade dadurch vermehrt, daß man die Reſultate, auf welche ich mich bezogen hatte, entkraͤften oder unterſtuͤtzen wollte. So zwingen in den phyſikaliſchen Wiſſenſchaften allgemeine Ideen, die anfangs nur von wenigen Thatſachen abgeleitet waren, den Beobachter zu Vervielfaͤltigung der Thatſachen. Bereichert mit dieſen Materialien und immer dasjenige benutzend, was die ſtrengſte Critik meiner Werke wahres und brauchbares enthaͤlt, habe ich den numeriſchen Reſultaten, woraus das Tableau der Pflanzenformen beſteht, einen Grad von Genauigkeit geben koͤnnen, den ich bis daher kaum erwarten konnte. Es liegt in der Natur dieſer Art von Unterſuchungen, daß die Coefficienten nur nach und nach berichtiget werden koͤnnen, ſo wie die Beobachtungen ſich vermehren. Ich werde hier nur im Allgemeinen die Grundſaͤtze entwickeln. Da bey dieſer botaniſchen Arithmetik die Verhaͤltniſſe jeder Pflanzenfamilie zur ganzen Maſſe der Phanerogamen ganz genau unterſucht werden muͤſſen, ſo habe ich dieſe Unterſuchungen in beſondere Noten gebracht, die (Dictionnaire des sciences naturelles, redig. par les Profess. du Jardin des Plantes tom. XVIII, p. 432—436) bekannt gemacht ſind. Es iſt vorauszuſehen, daß meine Arbeit uͤber die Pflanzenfamilien dereinſt mit Nutzen auf mehrere Claſſen von Wirbelthieren angewandt werden wird. Aus den ungeheuren Sammlungen im naturhiſtor. Muſeum zu Paris ergibt es ſich daß auf der ganzen Erde bereits bekannt ſind, 56000 Gattungen (Species) Cryptogamen und Phanerogamen, 44000 Inſecten, 2500 Fiſche, 700 Lurche, 4000 Voͤgel, und 500 Gattungen Saͤugethiere. Nach den Unterſuchungen, die ich mit Hrn. Valenciennes angeſtellt habe, ſind allein in Europa ungefaͤhr 80 Gattungen Saͤugthiere, 400 Voͤgel und 30 Lurche; es gibt alſo unter dieſer gemaͤßigten noͤrdlichen Zone, 5 mal ſo viele Gattungen Voͤgel als Saͤugethiere, ſo wie es auch hier (in Europa) 5 mal ſo viele compositae, als amentaceae und coniferae, 5 mal ſo viel Leguminoſen als Orchiden und Euphorbiaceen gibt. Hr. Delalande’s neulich vom Cap mitgebrachten ſchoͤnen Sammlungen beweiſen (wenn man ſie mit Herr Temmink und Levaillants Werke vergleicht), daß auch in jenem Theil der gemaͤßigten ſuͤdlichen Zone die Saͤugethiere zu den Voͤgeln ſich verhalten wie = 1 : 4, 3. Eine ſolche Uebereinſtimmung zwiſchen zwey entgegengeſetzten Zonen iſt ſehr auffallend. Die Voͤgel und beſonders die Lurche nehmen gegen die aͤquatorial Zone ungleich mehr zu als die Saͤugethiere. Nach den Entdeckungen von Cuvier uͤber die foſſilen Knochen moͤchte man glauben, daß dieſe Verhaͤltniſſe nicht zu allen Zeiten dieſelben geweſen ſind und daß bey den alten Revolutionen unſeres Planeten weit mehr Saͤugethiere als Voͤgel untergegangen ſind. Latreille hat in einer vortrefflichen Abhandlung uͤber die geograph. Vertheilung der Inſecten, nicht die Zahl der gegliederten Thiere mit der der Pflanzen und mit der Zahl der verſchiedenen Claſſen von Wirbelthieren, welche dieſelben Climate bewohnen, verglichen; allein er hat auf eine ſehr intereſſante Art gezeigt, welche Gruppen von Inſecten ſich vermehren oder geringer werden, ſo wie man vom Pol zum Aequator hin geht. Ich uͤbergehe hier die muͤhſamen Unterſuchungen von H. Illiger uͤber die Geographie der Voͤgel (Abh. der berliner Academie fuͤr 1812 und 1813). Er unterſucht den Aufenthalt von mehr als 3800 Gattungen, allein er betrachtet ſie nur nach ihrer Vertheilung auf den 5 Erdtheilen; was eine ganz unphiloſophiſche Methode iſt und nicht zur Kenntniß des Einfluſſes des Climas auf die Entwickelung der organiſchen Weſen fuͤhrt. Alles veſte Land, mit Ausnahme Europa’s, breitet ſich aus von der gemaͤßigten Zone zur Aequatorial- Zone hin; die Geſetze der Natur koͤnnen ſich alſo nicht deutlich zeigen, wenn man die Phaͤnomene nach willkuͤhrlichen Abtheilungen gruppirt, und die, ſo zu ſagen, nur allein von der Verſchiedenheit der Meridiane abhaͤngen. Es gehoͤrt nicht zu meinem Zweck dieſe Betrachtungen uͤber die numeriſchen Verhaͤltniſſe zwiſchen den Thieren verſchiedener Claſſen weiter fortzuſetzen, ich habe nur die Aufmerkſamkeit der Gelehrten auf einen Zweig der Naturphiloſophie hinlenken wollen, der mir naͤherer Unterſuchung werth zu ſeyn ſcheint. Es iſt begreiflich wie auf einem angegebenen Landſtriche, die Individuen verſchiedener Pflanzen- und Thier-Zuͤnfte numeriſch begraͤnzt werden koͤnnen; wie aus hartnaͤckigem Kampfe und langem Schwanken ein Zuſtand von Gleichgewicht hervorgeht, erzeugt von dem Beduͤrfniß der Nahrung und der Lebensgewohnheiten; die Urſachen aber, welche dieſe Formen beſchraͤnkt haben, ſind verborgen hinter jenem Schleyer, der unſeren Augen den eigentlichen Urſprung aller Dinge, die erſte Entwickelung des Lebens verhuͤllt. Die numeriſchen Verhaͤltniſſe der Pflanzenformen laſſen ſich auf zwey ſehr unterſchiedene Arten betrachten. Wenn man die Pflanzen nach natuͤrlichen Familien gruppirt ſtudiert, ohne auf ihre geographiſche Vertheilung Ruͤckſicht zu nehmen, ſo wird man die Frage aufwerfen: Welches ſind die Typen der Organiſation, nach welchen die meiſten Gattungen gebildet worden ſind? Sind auf der Erde mehr Glumaceen als Compoſitae: Machen dieſe beyden Zuͤnfte von Pflanzen den vierten Theil der Phanerogamen aus, was iſt fuͤr ein Verhaͤltniß zwiſchen den Monocotyledonen und den Dicotyledonen? Dieſe Fragen wirft die allgemeine Phytologie auf, eine Wiſſenſchaft, welche die Organiſation der Pflanzen und ihre gegenſeitige Verkettung unterſucht. Betrachtet man die Gattungen, welche nach der Analogie ihrer Formen zuſammengeſtellt ſind, nicht abſtract, ſondern nach ihren climatiſchen Verhaͤltniſſen oder ihrer Vertheilung uͤber die Erdflaͤche, ſo entſtehen noch weit intereſſantere Fragen. Welche Pflanzen-Familien herrſchen uͤber die anderen Phanerogamen mehr vor in der heißen Zone, als unter dem Polarkreiß? Sind die compositae haͤufiger, ſey es in derſelben geographiſchen Breite, in demſelben Iſothermenſtrich, im neuen oder im alten Continent? Folgen die Typen, welche weniger vorherrſchen vom Aequator zum Pol, demſelben Abnahms-Geſetze je hoͤher man zum Gipfel der Aequatorial-Berge hinaufgeht? Wechſeln die Verhaͤltniſſe der Familien unter einander nicht unter gleichbenannten Iſothermenlinien, in den gemaͤßigten Zonen noͤrdlich und ſuͤdlich vom Aequator? Dieſe Fragen gehoͤren zur eigentlichen Pflanzen-Geographie und ſie ſchließen ſich an die wichtigſten Probleme der Metereologie und Physik des Erdballs im allgemeinen. Von dem Uebergwicht gewiſſer Pflanzenfamilien haͤngt auch der Character einer Landſchaft, der Anblick einer freundlichen und majeſtaͤtiſchen Natur ab. Die Menge der Gramineen, wodurch die ungeheuren Savannen gebildet werden, die Menge der Palmbaͤume und Nadelhoͤlzer haben einen maͤchtigen Einfluß auf den geſellſchaftlichen Zuſtand der Voͤlker, auf ihre Sitten und auf die ſchnellere oder langſamere Entwickelung der Kuͤnſte der Induſtrie gehabt. Wenn man die geographiſche Vertheilung der Formen ſtudiert, ſo kann man bey den natuͤrlichen Gattungen, Sippen und Familien ſtehen bleiben (Humboldt Proleg. in Nov. gen. tom. 1. pag. 13, 51 und 33). Oft deckt eine einzige Pflanzengattung, beſonders von denen, die ich sociales genannt habe, einen weitlaͤuftigen Strich Landes. Dergleichen ſind im Norden, die Haiden- und Fichtenwaͤlder; in den Aequinoctial-Gegenden von America, die Cactus, Croton, Bambusa und Brathys derſelben Gattung. Es iſt merkwuͤrdig dieſe Verhaͤltniſſe von Vermehrung und organiſcher Entwickelung zu unterſuchen: man kann hier fragen, welche Gattung, in einer angegebenen Zone, die meiſten Pflanzen liefert; man kann auf die Familien hinweiſen, zu welchen unter verſchiedenen Climaten die Gattungen gehoͤren, welche unter den anderen vorherrſchend ſind. Beſonders faͤllt das Uebergewicht gewiſſer Pflanzen auf, welche man wegen ihrer leichten Fortpflanzung und wegen der großen Menge von Individuen, die dieſelben Charactere haben, fuͤr die gemeinſten Pflanzen dieſer oder jener Zone haͤlt. In einer noͤrdlichen Region, wo die Compoſitae und die Farrenkraͤuter zu den Phanerogamen ſich verhalten wie 1 : 13 oder 1 : 25 (d. h. wo man dieß Verhaͤltniß findet, wenn man die Totalzahl der Phanerogamen mit der der Gattung der Compoſitae und Farrenkraͤuter dividirt), kann eine einzige Gattung von Farrenkraͤutern zehn mal ſo viel Land einnehmen als alle Gattungen von Compoſitae zuſammen. In dieſem Fall ſind die Farrenkraͤuter vorherrſchend vor den Compoſiten in Anſehung der Maſſe, durch die Zahl der Individuen, die zu denſelben Gattungen von Pteris oder Polypodium gehoͤren; allein ſie ſind nicht vorherrſchend, wenn man mit der Totalſumme der Gattungen der Phanerogamen die verſchiedenen Formen vergleicht, welche die beyden Gruppen von Farrenkraͤuter und Compoſiten darbieten. Da nicht alle Gewaͤchſe bey ihrer Vermehrung denſelben Geſetzen folgen und da nicht alle gleich viele Individuen erzeugen, ſo haͤngt auch nicht von den durch Diviſion der Totalſumme der Phanerogamen mit der Zahl der Gattungen der verſchiedenen Familien erhaltenen Quotienten allein das aͤußere Anſehen, ich moͤgte ſagen, die Art von Monotonie der Natur in den verſchiedenen Regionen des Erdkreiſes ab. Wenn auf der anderen Seite die Reiſenden die oͤftere Wiederholung derſelben Gattungen, der Anblick derer, die uͤber die anderen durch die Maſſe vorherrſchen, uͤberraſcht, ſo verwundert er ſich nicht weniger uͤber die Seltenheit der Individuen einiger anderen, der menſchlichen Geſellſchaft nuͤtzlichen Gattungen. In den Regionen, wo die Rubiaceen, die Leguminoſen und die Therebinthaceen ganze Waͤlder bilden, faͤllt die Seltenheit der Staͤmme aus gewiſſen Zuͤnften der Cinchona, Haematoxylum und Balſambaͤume auf. Bleibt man bey den Gattungen ſtehen, ſo kann man, ohne auf ihre Vermehrung und auf die groͤßere oder geringere Anzahl ihrer Individuen zu ſehen, unter jeder Zone abſolut die zu verſchiedenen Familien gehoͤrigen Gattungen vergleichen. Dieſe intereſſante Vergleichung hat Candolle angeſtellt in ſeinem großen Werke (Regni vegetabilis systema naturae, t. 1. p. 128, 396, 439, 464, 510). Kunth hat ſie verſucht bey mehr als 3300 bis jetzt bekannter Compoſiten (Nov. gen. T. IV. p. 238). Dieſe Vergleichung gibt nicht an, welche Familie unter demſelben Grade uͤber die anderen einheimiſchen Phanerogamen vorherrſcht, ſowohl in Anſehung der Maſſe von Individuen als der Anzahl der Gattungen; ſondern ſie zeigt die numeriſchen Verhaͤltniſſe zwiſchen den Gattungen einer und derſelben, verſchiedenen Laͤndern angehoͤrigen Familie. Nach dieſer Methode fallen die Reſultate gewoͤhnlich genauer aus, weil man ſie erhaͤlt ohne die Total-Maſſe der Phanerogamen auszurechnen, wenn man nur vorher genau einige einzelne Familien ſtudiert hat. Die abwechſelndſten Formen, z. B. der Farrenkraͤuter, finden ſich unter den Wendezirkeln, in den bergigen, gemaͤßigten, feuchten und ſchattigen Regionen der Aequatorial- Zone finden ſich die meiſten Gattungen von Farrenkraͤutern. Unter der gemaͤßigten Zone gibt es deren weniger als unter der tropiſchen, und je weiter man zum Pole koͤmmt je geringer wird ihre abſolute Zahl. Da aber die kalte Region, z. B. Lappland, Farrenkraͤutergattungen erzeugt, die mehr der Kaͤlte widerſtehen als die große Maſſe von Phanerogamen, ſo herrſchen auch die Farrenkraͤuter, in Anſehung ihrer Gattungen in Lappland mehr uͤber die anderen Pflanzen vor als in Frankreich und in Deutſchland. Die numeriſchen Verhaͤltniſſe, in der Tabelle, welche ich in meinen Prolegomena de distributione geographica plantarum gegeben habe und die hier, durch Herrn R. Browns große Arbeiten verbeſſert, wieder erſcheint, weichen gaͤnzlich von den Verhaͤltniſſen ab, welche die abſolute Vergleichung der unter verſchiedenen Zonen wachſenden Pflanzen, gibt. Die Abwechſelung, welche man vom Aequator zum Pole hin bemerkt, iſt alſo in den Reſultaten beyder Methoden nicht dieſelbe. Bey der Methode der Bruͤche, welche H. Brown und ich anwenden, ſind zwey veraͤnderliche Groͤßen, weil, bey Veraͤnderung der Breite, oder vielmehr der Iſothermen-Zone, man nicht bemerkt, daß die Totalzahl der Phanerogamen in demſelben Verhaͤltniſſe abwechſelt, als die Zahl der Gattungen, welche dieſelbe Familie bilden. Geht man nun von den Gattungen oder von den Individuen von gleicher Form, die nach feſtſtehenden Geſetzen ſich erzeugen, zu den Abtheilungen der natuͤrlichen Methode uͤber, die nichts als verſchiedene graduirte Abſtractionen ſind, ſo kann man bey den Sippen, Familien oder noch allgemeineren Sectionen ſtehen bleiben. Es gibt einige Sippen und Familien, die gewiſſen Zonen, einem beſonderen Zuſammentreffen climatiſcher Bedingungen, ausſchließlich angehoͤren; allein es gibt eine weit groͤßere Anzahl von Sippen und Familien, die unter allen Zonen und auf allen Hoͤhen ihre Repraͤſentanten haben. Die erſten Unterſuchungen, welche uͤber die geographiſche Vertheilung der Formen gemacht worden ſind, die von Treviranus naͤmlich, in ſeiner Biologie (t. II. p. 47, 63, 83 und 128), hatten den Zweck, die Sippen uͤber die Erde zu repartiren. Dieſe Methode iſt weniger geeignet zu allgemeinen Reſultaten als jene, welche die Zahl der Gattungen jeder Familie, oder die Hauptgruppen derſelben Familie mit der Totalmaſſe der Phanerogamen vergleicht. In der Eiszone vermindert ſich die Verſchiedenheit der ſippiſchen Formen nicht in demſelben Grade, als die der Gattungen; man findet da mehrere Sippen bey einer geringeren Anzahl von Gattungen (de Candolle Theorie élément. p. 190, Humboldt Nov. gen. t. I. p. 17 und 50). Faſt eben ſo verhaͤlt es ſich auf den Gipfeln der hohen Berge, wo einzelne Pflanzen aus einer Menge Sippen vorkommen, die nach unſerer Meynung ausſchließlich der Vegetation der Ebenen angehoͤren. Ich glaubte die verſchiedenen Geſichtspuncte angeben zu muͤſſen, aus denen man die Geſetze der Pflanzenvertheilung betrachten kann. Nur die Verwechſelung dieſer Geſichtspuncte macht, daß man Widerſpruͤche zu finden glaubt, die doch nur anſcheinend ſind und mit Unrecht auf Unſicherheit der Beobachtungen geſchoben werden (Berliner Jahrbuͤcher der Gewaͤchskunde, d. t. I. p. 18, 21, 30). Bedient man ſich folgender Ausdruͤcke, „dieſe Form oder dieſe Familie verliert ſich gegen die Eiszone; ihr wahres Vaterland iſt unter dieſer oder jener Parallele; dieß iſt eine ſuͤdliche Form, ſie iſt haͤufig in der gemaͤßigten Zone;“ ſo muß man beſtimmt ausdruͤcken, ob man auf die abſolute Zahl der Gattungen, ihre abſolute, mit den Breiten ſteigende oder fallende Haͤufigkeit ſieht, oder ob man von den Familien ſpricht, welche unter einem beſtimmten Grade uͤber die uͤbrigen Phanerogamen vorherrſchen. Solche Ausdruͤcke ſind richtig, und ſie geben einen beſtimmten Sinn, wenn man die verſchiedenen Methoden unterſcheidet, nach welchen man die Verſchiedenheit der Formen ſtudieren kann. Die Inſel Cuba (um ein analoges und aus der politiſchen Oeconomie gezogenes Beyſpiel anzufuͤhren) hat weit mehr Individuen von africaniſcher Raçe als die Inſel Martinique, und den- noch herrſcht die Maſſe dieſer Individuen auf dieſer letzten Inſel weit mehr uͤber die Zahl der Weiſſen vor als auf Cuba. Die ſchnellen Fortſchritte, welche die Geographie der Pflanzen ſeit 12 Jahren durch die Arbeiten von Brown, Wahlenberg, v. Candolle, Leopold v. Buch, Parrot, Ramond, Schouw und Hornemann gemacht hat, verdanken wir groͤßtentheils den Vorzuͤgen der natuͤrlichen Methode des Herrn Juſſieu. Folgt man, wenn auch nicht gerade den kuͤnſtlichen Claſſificationen des Sexualſyſtems, ſondern den nach ſchwankenden und irrigen Grundſaͤtzen aufgeſtellten Familien (Dumoſae, Corydales, Oleraceae); ſo findet man nicht mehr die großen phyſiſchen Geſetze in der Vertheilung der Pflanzen uͤber den Erdball. Herr Brown hat in einer vorzuͤglichen Abhandlung uͤber die Vegetation von Neuholland die erſten aͤchten Verhaͤltniſſe zwiſchen den großen Vertheilungen des Pflanzenreichs, der Acotyledonen, Monocotyledonen und Dicotyledonen angegeben (Brown in Flinder’s Voyage to Terra auſtralis. Tom. II. p. 538 und Obſerv. Syſt. and geographical on the herbal of the Congo p. 3). Ich habe 1815 verſucht, dieſe Art von Unterſuchungen fortzuſetzen und ſie auf unterſchiedene Ordnungen und natuͤrliche Familien auszudehnen. Die Phyſik des Erdballs hat ihre numeriſchen Elemente, wie das Weltſyſtem, und nur durch die vereinten Arbeiten reiſender Botaniker kann es gelingen, die wahren Geſetze der Pflanzenvertheilung zu entdecken. Es kommt nicht bloß auf Zuſammenhaͤufung von Thatſachen an; ſondern man muß, um beſtimmtere Approximationen zu erlangen (wir verlangen nur Approximationen), die verſchiedenen Umſtaͤnde erwaͤgen, unter welchen die Beobachtungen angeſtellt wurden. Ich denke wie Brown, man muͤſſe die von betraͤchtlich ausgebreiteten Laͤndern, deren Floren man genau kennt, z. B. von Frankreich, England, Deutſchland und Lappland hergenommene Beyſpiele, denen Berechnungen vorziehen, die nach unvollkommenen Verzeichniſſen aller bekannt gemachten Pflanzen gemacht ſind. Es waͤre zu wuͤnſchen, man haͤtte ſchon eine vollſtaͤndige Flora von den beyden Erdſtrichen von 20,000 Quadrat Meilen (franzoͤſ.), die, ohne Berge und Bergebenen, zwiſchen den Wendezirkeln der alten und neuen Welt liegen. So lange bis dieſer Wunſch erreicht iſt, muß man ſich mit den großen Herbarien der Reiſenden, die in jenen Gegenden ſich aufgehalten haben, begnuͤgen. Die Standorte der Pflanzen ſind in den weitlaͤuftigen Compilationen, die unter dem Namen Syſtema vegetabilium und Species plantarum bekannt ſind, ſo unbeſtimmt und unrichtig angegeben, daß es ſehr gefaͤhrlich waͤre, ſich derſelben ausſchließlich zu bedienen. Ich habe dergleichen Verzeichniſſe mich nur zur Aushuͤlfe bedient, um die aus einzelnen Floren und Herbarien erhaltenen Reſultate etwas zu vergleichen und zu aͤndern. Die Anzahl der Aequinoctial-Pflanzen, welche Bompland und ich nach Europa gebracht und die unſer gelehrter Mitarbeiter, Hr. Kunth, bald vollends wird herausgegeben haben, iſt wahrſcheinlich an Zahl groͤßer als irgend ein zwiſchen den Wendekreiſen gemachtes Herbarium; allein es ſind lauter Pflanzen aus den Ebenen und den Bergflaͤchen der Anden. Die Alpenpflanzen ſind dort ſogar betraͤchtlicher als in den Floren von Frankreich, England und den beyden Indien, wo ſich auch die Erzeugniſſe verſchiedener zu derſelben Breite gehoͤriger Climate vereinigen. In Frankreich ſcheinen die Gattungen, welche ausſchließlich uͤber 500 Toiſen Hoͤhe wachſen, nur ⅑ der ganzen Maſſe von Phanerogamen zu betragen (de Candolle in Mémoires de la Societé d’Arcueil Tom. III. p. 295). Es waͤre vortheilhaft, wenn man einſt die Vegetation der Wendekreiſe und die der gemaͤßigten Zone, zwiſchen den Parallelen von 40° und 50° nach zwey verſchiedenen Methoden betrachtete, indem man entweder die numeriſchen Verhaͤltniſſe in dem Ganzen der Ebenen und der Berge, welche die Natur in einem großen Strich Landes zeigt, aufſuchte, oder ausſchließlich nur dieſe Verhaͤltniſſe in der temperirten und in der heißen Zone beſtimmte. Da unſere Herbarien die Einzigen ſind, welche, nach einer barometriſchen Nivellirung, fuͤr mehr als 4000 Aequinoctialpflanzen die Hoͤhe jeder Station uͤber dem Meer angeben, ſo kann man, wenn unſer Werk, Nova genera, fertig iſt, die numeriſchen Verhaͤltniſſe in der von mir hier angegebenen Tabelle dadurch berichtigen, daß man von den 4000 Phanerogamen, die Kunth bey dieſer Arbeit benutzt hat (Proleg. p. 16) diejenigen Pflanzen abzieht, welche uͤber 1000 Toiſen wachſen, und die Totalſumme der Nicht Alpen-Pflanzen durch die Zahl der Gattungen jeder Familie dividirt, welche, zwiſchen den Wendekreiſen, unter 1000 Toiſen wachſen. Dieſe Verfahrungsart muß, wie ich es zeige, auf diejenigen Familien beſonders angewandt werden, in denen viele Alpengattungen vorkommen, z. B. die Gramineen und Compoſiten. Auf einer Hoͤhe von 1000 Toiſen iſt die Temperatur auf dem Ruͤcken der Ardennen 17° Centim, wie ſie im Julius zu Paris iſt. Obgleich man auf den Bergebenen der Cordillieren die naͤmliche jaͤhrliche Temperatur findet, wie auf den hohen Breiten (weil die Iſothermen-Linie von 17°, z. B. auch die in den Breiten durch Durchſchneidung der Iſothermenflaͤche von 17° mit der Oberflaͤche der Sphaͤroide der Erde bezeichnete Linie iſt); ſo muß man doch nicht zu ſehr dieſe Analogieen der temperirten Climaten auf den aͤquinoctial Bergen und in den niederen Regionen der Zone um den Pol allgemein machen. Dieſe Analogien ſind nicht ſo groß wie man glaubt; ſie werden modificirt durch den Einfluß der partiellen Vertheilung der Waͤrme in die verſchiedenen Abtheilungen des Jahres ( Proleg. p. 54; meine Abhandl. uͤber die Iſothermenlinien p. 137). Die Quotienten veraͤndern ſich, wenn man von den Ebenen zu den unfruchtbaren Berggipfeln hinaufgeht, nicht immer eben auf die Art, als wenn man zum Pole hingeht; ſo verhaͤlt es ſich bey den Monocotyledonen im Allgemeinen, ſo bey den Farrenkraͤutern und den Compoſiten (Prol. p. 51—52. Brown on Congo p. 5). Man ſieht außerdem, daß die Entwickelung der Pflanzen verſchiedener Familien und die Vertheilung der Formen weder von den geographiſchen noch von den Iſothermen- Breiten allein abhaͤngt, ſondern daß die Quotienten ſich in derſelben Iſothermenlinie der gemaͤßigten Zone in den Ebenen von America und in den der alten Welt nicht immer gleich ſind. Unter den Wendekreiſen findet ſich in America, Indien und den Weſtkuͤſten von Africa eine merkwuͤrdige Verſchiedenheit. Die Vertheilung der organiſchen Weſen uͤber unſere Erde haͤngt nicht allein von ſehr verwickelten climatiſchen Umſtaͤnden ab, ſondern auch von geologiſchen Urſachen, die uns ganz unbekannt ſind, weil ſie ſich auf den erſten Zuſtand unſeres Planeten beziehen. Die großen Pachydermen fehlen jetzt in der neuen Welt, da wir ſie doch noch haͤufig im analogen Clima in Africa und in Aſien finden. In der Aequinoctialzone von Africa gibt es wenige Palmenarten in Vergleich mit der Menge derſelben im ſuͤdlichen America. Dieſe Verſchiedenheiten muͤſſen uns nicht von der Unterſuchung der Geſetze der Natur abwenden, ſondern vielmehr anreizen, dieſe Geſetze in allen ihren Verwickelungen zu ſtudieren. Die Linien von gleicher Waͤrme bleiben nicht parallel mit dem Aequator: ſie haben, wie ich dieß ſchon anderwaͤrts zu beweiſen geſucht habe, convexe und concave Gipfel, welche ſehr regelmaͤßig uͤber den Erdball vertheilt ſind und verſchiedene Syſteme laͤngs den oͤſtlichen und weſtlichen Kuͤſten der alten und neuen Welt im Mittelpunct der Continente und in der Naͤhe der großen Meerbecken bilden. Wahrſcheinlich wird man, wenn erſt phyſicaliſche Botaniker eine weitere Strecke durchreiſt haben, finden, daß oft die Linien der maxima der Zuſammengruppirungen (Linien, die durch die Puncte gezogen ſind, wo die Bruͤche auf die kleinſten Nenner reducirt worden) Iſothermen-Linie werden. Theilt man den Erdball nach zwiſchen zwey Meridianen liegenden Streifen, und vergleicht die numeriſchen Verhaͤltniſſe unter denſelben Iſothermenbreiten, ſo findet man, daß verſchiedene Zuſammengruppirungs-Syſteme da ſind. Schon bey dem, was wir jetzt wiſſen, koͤnnen wir 4 Pflanzenſyſteme unterſcheiden, das des neuen Continents, das von Weſt-Africa, von Indien und das von Neuholland. So wie ungeachtet des regelmaͤßigen Steigens der Waͤrme vom Pole zum Aequator doch das maximum der Waͤrme nicht identiſch iſt in den verſchiedenen Regionen nach verſchiedenen Laͤnge- Graden, ſo gibt es auch Oerter, wo gewiſſe Familien ſich mehr entwickeln, wie an allen anderen Orten. So iſt es bey der Familie der Compoſiten in der gemaͤßigten Region von Nordamerica. Dieſe theilweiſen Zuſammenhaͤufungen beſtimmen die Phyſiognomie der Vegetation; ſie ſind das, was man im Allgemeinen characteriſtiſche Zuͤge einer Landſchaft nennt. Aus meinen Unterſuchungen geht hervor, daß in der ganzen gemaͤßigten Zone die Glumaceen und die Compoſiten zuſammen mehr als ¼ der Phanerogamen ausmachen, und daß die Formen der organiſirten Weſen wechſelſeitig von einander abhaͤngen. In der Natur herrſcht eine ſolche Einheit, daß die Formen nach feſtſtehenden, unwandelbaren Geſetzen ſich unter einander begraͤnzen. Wenn von irgend einem Punct des Erdballs die Zahl der Gattungen einer großen Familie bekannt iſt (z. B. von den Glumaceen, den Compoſiten oder den Leguminoſen), ſo laͤßt ſich ſowohl die Totalzahl der Phanerogamen als auch die Gattungszahl der anderen Pflanzenfamilien mit vieler Wahrſcheinlichkeit berechnen. Auf die Art kann man, wenn unter der gemaͤßigten Zone die Zahl der Cyperaceen oder der Compoſiten bekannt iſt, die der Gramineen oder der Leguminoſen errathen. Dieſe Berechnungen zeigen auch in Anſehung welcher Pflanzenzunft die Floren eines Landes noch unvollkommen ſind, und ſie werden um ſo ſicherer, jemehr man die Verwechſelung der zu verſchiedenen Pflanzenſyſtemen gehoͤrigen Quotienten vermeidet. Die Pflanzengeographie kann als ein Theil der Phyſik des Erdballs betrachtet werden. Waͤren auch die Geſetze, nach welchen die Natur die Pflanzenformen vertheilt hat, noch verwickelter, als ſie beym erſten Anblick es ſcheinen, ſo muͤßten ſie doch nichts deſto weniger genauen Forſchungen unterworfen werden. So oft man Einbuchtungen der Fluͤſſe oder Unregelmaͤßigkeiten der Kuͤſten bemerkte, wurden die Charten benutzt. Die Geſetze des Magnetismus haben ſich dem Menſchen geoffenbart gleich als man anfieng Linien gleicher Abweichung und gleicher Neigung zu zeichnen, und eine große Menge Beobachtungen, die anfangs widerſprechend ſchienen, verglich. Man wuͤrde vergeſſen, auf welchem Wege die phyſicaliſchen Wiſſenſchaften ſich ſtufenweiſe bis zu ſicheren Reſultaten erhoben haben, wenn man glauben wollte, es ſey noch nicht Zeit die numeriſchen Elemente der Pflanzen-Geographie zu ſuchen. Bey dem Studium eines verwickelten Phaͤnomens, faͤngt man immer mit einer allgemeinem Ueberſicht der Bedingungen an, welche dieſes Phaͤnomen beſtimmen oder modificiren. Hat man eine gewiſſe Anzahl Verhaͤltniſſe entdeckt, ſo ſieht man, daß die erſten Reſultate, bey denen man ſtehen blieb, nicht genug von Orts-Einfluͤſſen frey ſind. Nun verbeſſert man die numeriſchen Elemente, und bemerkt nun Regelmaͤßigkeit ſelbſt in den Wirkungen der partiellen Stoͤrungen. Die Critik erſtreckt ſich auf alles, was vorlaͤufig als ein allgemeines Reſultat angegeben worden, und der Geiſt der Critik, wenn er einmal geweckt iſt, beguͤnſtiget die Forſchung nach Wahrheit und beſchleuniget die Fortſchritte der phyſical. Wiſſenſchaften. Anmerkungen. 1. Bey Vergleichung der beyden Zuſammengruppirungs-Syſteme in den beyden Welten, findet man gewoͤhnlich in der neuen Welt unter der Aequatorialzone weniger Cyperaceen und Rubiaceen und mehr Compoſiten; unter der gemaͤßigten Zone, weniger Juncaceen, Labiaten, Umbelliferen und Cruciferen und mehr Compoſiten, Ericineen und Amentaceen als in den entſprechenden Zonen der alten Welt. Die Familien der Glumaceen, Ericineen und Amentaceen werden vom Aequator nach dem Pole hin ſtaͤrker (nach der Bruch-Methode), und vom Pole zum Aequator hin werden die Familien der Leguminoſen, Rubiaceen, Euphorbiaceen und die Malvaceen ſchwaͤcher; das Maximum unter der gemaͤßigten Zone ſcheinen zu erreichen die Compoſiten, die Labiaten, die Umbelliferen und die Cruciferen. 2. Obgleich ich die Hauptreſultate meiner Arbeit in einer Tabelle zuſammengeſtellt habe, ſo muͤſſen die Phyſiker doch jedesmal wenn die partiellen Zahlen ihnen zweifelhaft ſcheinen zu den Erklaͤrungen uͤber die verſchiedenen Familien ihre Zuflucht nehmen. Die Quotienten der Wendezirkel ſind ſo modificirt, daß ſie auf die Regionen ſich beziehen, welche eine mittlere Temperatur von 28° bis 20° haben (von 0 bis 750 Toiſen Hoͤhe). Die Quotienten der gemaͤßigten Zone ſind dem centralen Theile dieſer Zone angefuͤgt zwiſchen 13° und 10° mittlerer Temperatur. In der Eiszone iſt die mittlere Temperatur 0° oder 1°. Dieſer Tabelle der Quotienten oder der Bruͤche koͤnnte noch eine andere Tabelle angehaͤngt werden, in welcher die abſoluten Zahlen der Gattungen unter einander verglichen wuͤrden. Ich gebe hier eine Probe davon, ſie umfaßt nur die temperirte und die Eiszone. Frankreich Nord-Amerika Lappland Glumaceen 460 365 124 Compoſiten 490 454 38 Leguminoſen 230 148 14 Cruciferen 190 46 22 Umbelliferen 170 50 9 Cariophylleen 165 40 29 Labiaten 149 78 7 Rhinantheen 147 79 17 Amentaceen 69 113 23 Dieſe abſoluten Zahlen ſind aus den Floren der Hrn. de Candolle, Pursh und Wahlenberg gezogen. Die Maſſe der beſchriebenen Phanerogamen in Frankreich verhaͤlt ſich zu der von Nordamerica wie 1⅓ zu 1, zu der von Lappland wie 7 zu 1. 3. Wenn man einzeln alles unterſucht, was wir ſchon wiſſen uͤber das Verhaͤltniß der Monocotyledonen zu den Dicotyledonen, ſo findet man, daß der Nenner progreſſionsweiſe (und mit der groͤßten Regelmaͤßigkeit) kleiner wird vom Aequator bis zum 62° noͤrdl. Breite; vielleicht wird er wieder groͤßer in den weiter noͤrdlichen Regionen, auf der Kuͤſte von Groͤnland, wo die Gramineen ſehr ſelten ſcheinen (Congo p. 4). Das Verhaͤltniß veraͤndert ſich von ⅕ zu ⅙ in den verſchiedenen Theilen der Wendekreiſe. Von 3880 Phanerogamen, welche Herr Bonpland und ich im aͤquator. America bluͤhend und in Frucht gefunden haben, ſind 654 Monocotyledonen und 3226 Dicotyledonen: es wuͤrde alſo die große Abtheilung der Monocotyledonen ⅙ der Phanerogamen ausmachen. Nach Hrn. Brown iſt dieß Verhaͤltniß in der alten Welt (in Indien, dem aͤquator. Africa und in Neuholland) ⅕. Unter der gemaͤßigten Zone findet man (nach meinen Prolegom. p. XII und in den vom Hrn. de Candolle im Dict. des sciences nat. t. XVIII. p. 594—597 bekannt gemachten einzelnen Angaben) das Verhaͤltniß der Monocotyledonen zu den Dycotyledonen. In der Barbarei = 1 : 4 , 8 In Aegypten * = 1 : 5 , 0 Auf Caucaſus und in der Crimm * = 1 : 6, 0 Im Koͤnigreich Neapel = 1 : 4 , 7 In dem venetianiſchen Staate = 1 : 4 , 0 In Frankreich = 1 : 4 , 7 In Deutſchland = 1 : 4 , 0 In der Schweitz = 1 : 4 , 3 Auf den brittanniſchen Inſeln * = 1 : 3 , 6 Im noͤrdlichen America = 1 : 4 , 6 In der Eiszone iſt folgendes Verhaͤltniß; In Lappland = 1 : 2 , 8 In Island = 1 : 2 , 8 Von den Wendezirkeln zum Pole hin iſt alſo, wie man ſieht, die regelmaͤßige Zugabe der Monocotyledonen ſehr regelmaͤßig. Da die Monocotyledonen die Feuchtigkeit lieben, ſo ſind ſie haͤufiger auf den brittanniſchen Inſeln, und ſeltener in Aegypten und den duͤrren Gebirgen des Caucaſus. Ich habe ſchon bemerkt daß auf den ſchweizer Alpen, uͤber der Region der Rhododendra ſich die Monocotyledonen verhalten zu den Phanerogamen wie = 1:7,1 da ſie in den Ebenen wie = 1 : 4 , 3 ſind, (Prolegom. p. 52.). 4. In dem fruchtbarſten Theile von Europa, im Mittelpunct der gemaͤßigten Zone, wachſen in einem Raume von 30000 (franz.) Quadrat-Meilen an 6000 Gattungen Pflanzen, unter denen 2200 Acotyledonen oder Cryptogamen und 3800 Phanerogamen ſind. Unter den letzteren ſind faſt 500 Compoſiten, 300 Gramineen (mit Ausſchluß der Cyperoiden und Juncaceaͤ); 250 Leguminoſen und 200 Cruciferen? allein nur 70 Amentaceen, 50 Euphorbiaceen und 25 Malvaceen. Die großen Familien bilden ⅐ bis 1/20, die kleinen unter 1/50 der Totalmaſſe der Phanerogamen: dieß iſt, ſo zu ſagen, der mittlere Stand der Vegetation in Europa, in den fruchtbaren Gegenden zwiſchen 42° und 50° noͤrdl. Breite. Um auch die Unglaͤubigſten von der Wahrheit der feſten Verhaͤltniſſe oder der Regelmaͤßigkeit zu uͤberzeugen, die man in Europa in der Vertheilung der Formen, unter derſelben Zone findet; will ich hier die Verhaͤltniſſe zwiſchen zwey aneinander graͤnzenden Laͤndern, Frankreich und Deutſchland, angeben. Man kann die in folgender Tabelle angegebenen Zahlen als Coefficienten jeder Familie anſehen; denn, wenn man die Zahl der Phanerogamen der gemaͤßigten europaͤiſchen Zone multiplicirt mit 0,076 oder 0,053, ſo findet man die Zahl der Gattungen, welche die Familien der Gramineen oder der Cruciferen ausmachen. Compoſiten in Frankreich — ⅐ , 4 = 0 , 135 Deutſchland. — ⅛ = 0 , 125 ↙ Glumaceen Fr. — — ⅐ , 9 = 0 , 127 D. — — ⅐ , 1 = 0 , 141 ↗ Gramineen allein, Fr. — — 1/13 = 0 , 077 D. — — 1/13 = 0 , 077 ↗ Leguminoſen Fr. — — 1/16 = 0 , 063 D. — — 1/18 = 0 , 056 ↙ Cruciferen Fr. — — 1/19 = 0 , 052 D. — — 1/18 = 0 , 056 ↙ Umbelliferen Fr. — — 1/21 = 0 , 048 D. — — 1/22 = 0 , 046 ↙ Labiaten Fr. — — 1/24 = 0 , 042 D. — — 1/26 = 0 , 038 ↙ Cyperaceen * allein, Fr. — — 1/27 = 0 , 037 D. — — 1/18 = 0 , 056 ↗ Amentaceen Fr. — — 1/50 = 0 , 020 D. — — 1/40 = 0 , 025 ↗ Orchideen * Fr. — — 1/67 = 0 , 015 D. — — 1/43 = 0 , 023 ↙ Boragineen Fr. — — 1/74 = 0 , 014 D. — — 1/72 = 0 , 014 ↗ Rubiaceen Fr. — — 1/73 = 0 , 014 D. — — 1/70 = 0 , 014 ↙ Euphorbiaccen* Fr. — — 1/70 = 0 , 014 D. — — 1/100 = 0 , 010 ↙ Juncaceen Fr. — — 1/85 = 0 , 012 D. — — 1/94 = 0 , 011 ↗ Ericineen Fr. — — 1/125 = 0 , 008 D. — — 1/90 = 0 , 011 ↙ Malvaceen * Fr. — — 1/140 = 0 , 007 D. — — 1/230 = 0 , 004 ↙ Coniferen Fr. — — 1/192 = 0 , 005 D. — — 1/269 = 0 , 004 ↗ Dieſe Uebereinſtimmung in den meiſten Reſultaten iſt um ſo auffallender, da die Coefficienten von ganz ungleichen Pflanzenmaſſen erhalten worden ſind. In Frankreich nahm man 3645, in Deutſchland nur 1884 Phanerogamen, um die einzelnen Verhaͤltniſſe der Familien zu beſtimmen. Obgleich beyde Laͤnder aneinander graͤnzen, ſo ſind doch bey weiten nicht die Gattungen einerley. Die Uebereinſtimmung der Reſultate in ſo engen Graͤnzen (oͤfters unter ⅛ Unterſchied) beweißt zwey gleich merkwuͤrdige Thatſachen: 1) daß die 17 bis 1800 Phanerogamen, um welche der franzoͤſ. Pflanzencatalog reicher iſt, als der treffliche von Hrn. Schrader fuͤr Deutſchland entworfene, unter die verſchiedenen Familien ungefaͤhr in demſelben Verhaͤltniß vertheilt ſind, welches man zwiſchen den, beyden Laͤndern gemeinſchaftlichen Pflanzen findet; 2) daß die Gattungen vou Leguminoſen, Cruciferen und Umbelliferen, welche Deutſchland ausſchließlich zu haben ſcheint, in Frankreich durch eine faſt gleiche Anzahl Gattungen derſelben Familie erſetzt werden. Allenthalben wo man ſehr merkliche Abweichungen findet, kann man ſie dem Umſtande zuſchreiben, daß Deutſchland noͤrdlicher liegt als Frankreich. Bekanntlich ſteigt die Anzahl der Cyperaceen und Ericineen gegen Norden ſo ſchnell, daß unter der gemaͤßigten Zone 1/20 Cyperaceen und 1/100 Ericineen ſind, da man unter der Eiszone ⅑ Cyperaceen und 1/25 Ericineen zaͤhlt. Auf der anderen Seite ſteigt das Verhaͤltniß der Orchiden, Malvaceen und Euphorbiaceen gegen Suͤden mit gleicher Schnelligkeit. Vergleicht man vorſtehende Tabelle mit der Tabelle der 3 Zonen (heißen, gemaͤßigten, Eiſ- Zone), ſo finden ſich dieſelben Geſetze. In der vergleichenden Tabelle von Frankreich und Deutſchland ſind Pfeile beygeſetzt worden, welche, in der allgemeinen Tabelle, die Richtungen des Steigens vom Pole zum Aequator und vom Aequator zum Pole anzeigen. Merkwuͤrdig iſt auch, daß die Coefficienten der Familien ſich nicht viel veraͤndern, wenn man anſtatt weitlaͤuftige Striche, die 2600 bis 3800 Phanerogamen haben, zu unterſuchen, ſeine Nachforſchungen auf eine Strecke von einigen Quadrat Meilen (franz.) beſchraͤnkt; z. B. auf die Flora von Berlin, die, nach Kunths Werke nicht mehr als 900 Gattungen enthaͤlt. Auf dieſer kleinen Erdſtrecke betragen die Leguminoſen 1/19 (auf ganz Frankreich 1/16, auf ganz Deutſchland 1/18), die Glumaceen ⅙ (Frankreich 1/79; Deutſchland ⅐) von der Total-Maſſe der Phanerogamen. 5. So wie das climatiſche Syſtem des neuen Continents weſentlich von dem des alten unterſchieden iſt, wegen der ungleichen Waͤrme-Vertheilung unter den verſchiedenen Jahrestheilen; eben ſo zeigt auch das Zuſammengruppirungs-Syſtem der americaniſchen Pflanzen ſeine Eigenthuͤmlichkeiten. Den neuen Unterſuchungen der botan. Arithmetik verdanken wir die Kenntniß dieſer Contraſte zwiſchen der temperirten Zone beyder Welttheile. In der folgenden Tabelle habe ich die Reſultate der americaniſchen Flore von Pursh und der franzoͤſ. von Candolle zuſammengeſtellt. Auch habe ich einige Coefficienten der europaͤiſchen Eiszone beygefuͤgt, um zu beweiſen, wie weit das gemaͤßigte America in den 5 Familien der Ericineen (und der Rhododendra), der Coniferen, Amentaceen, Umbelliferen und Labiaten einen noͤrdl. Character hat. Compoſiten im gemaͤß. America ⅙ Frkr.⅐ Glumaceen — — — ⅛ — ⅐ 9 Gramineen allein — ⅒ — 1/13 Juncaceen allein — 1/152 — 1/85 Cyperaceen allein — 1/40 — 1/27 Cruciferen — — — 1/62 — 1/19 Leguminoſen — — 1/19 — 1/16 Malvaceen — — — 1/125 — 1/140 Labiaten — — — 1/40 — 1/24 Lappl. 1/70 Ericineen und Rhododendra 1/36 — 1/125 — 1/25 Umbelliferen — — 1/57 — 1/20 — 1/55 Amentaceen — — — 1/25 — 1/50 — 1/21 Coniferen — — — 1/103 — 1/200 — 1/160 Die aus diefer Tabelle ſich ergebenden Unterſchiede beziehen ſich nicht allein auf die 5 letzten Familien, die man nordliche Formen nennen koͤnnte, ſondern auch auf die Cruciferen, Juncaceen und Cyperaceen, welche unter der heißen Zone wie unter der gemaͤßigten des neuen Continents gleich ſelten ſind. 6. Unterſuchungen uͤber die numeriſchen Verhaͤltniſſe der Pflanzenfamilien werden, wie man leicht einſieht, weit intereſſantere Reſultate liefern, wenn die Floren der verſchiedenen Laͤnder auf beſtimmtere geographiſche Graͤnzen werden beſchraͤnkt ſeyn und die Botaniker ſich beſſer uͤber die Principe vereinigt haben, nach welchen die Verſchiedenheiten und die Gattungen unterſchieden werden muͤſſen. Die Verzeichniſſe, welche man unter dem vagen Namen Flora der vereinigten Staaten von America findet, begreifen Laͤnder, die unter ſehr verſchiedenen Climaten, von 18° bis 9° mittlerer Temperatur, liegen. Dieſes iſt ein climatiſcher Unterſchied wie er in Europa zwiſchen Calabrien und Oeſterreich ſtatt findet. Wenn dereinſt mit gleicher Genauigkeit und einzeln die Vegetationen vom ſuͤdlichen Carolina, von Penſylvanien und von Neu-England werden beſchrieben ſeyn, dann wird man ein regelmaͤßiges Steigen und Fallen in den numeriſchen Verhaͤltniſſen der Familien von Suͤden nach Norden bemerken. Jetzt kennen wir nur das allgemeine Mittel dieſer einzelnen Verhaͤltniſſe. Mehrere Gegenden ſcheinen uns reicher an Pflanzen, weil die Botaniker dort ohne genauere Pruͤfung Varietaͤten zu Gattungen machen. Auch vernachlaͤſſigen die Botaniker oͤfters die Pflanzen, welche ſie mit denen ihres Landes fuͤr einerley halten. Wenn man aber bey großen Abtheilungen ſtehen bleibt und eine ziemliche Anzahl von Gattungen vergleicht, ſo werden ſolche Unterſuchungen durch Compenſationen erleichtert. So ſind nach den neueren, ungleich vollkommneren, von Purſh und Wahlenberg herausgegebenen Floren von America und Lappland, die numeriſchen Verhaͤltniſſe der alten Floren von Michaux und Linne nicht ſehr veraͤndert (Berl. Jahrb. d. Gewaͤchſe. B. I. S. 24). Welche Berichtigungen man auch an meiner Arbeit machen wird, ſo bin ich doch uͤberzeugt daß jemehr genaue Beobachtungen man zuſammenſtellen wird, deſto mehr wird es ſich zeigen, daß in derſelben Hemisphaͤre, in demſelben Zuſammengruppirungs-Syſtem, die einzelnen Veraͤnderungen der Coefficienten nicht ploͤtzlich, ſondern nach unveraͤnderlichen Geſetzen geſchehen. Es kann das tropiſche Verhaͤltniß der Malvaceen 1/32 oder 1/33 ſeyn, ſtatt 1/35; es iſt aber nicht weniger gewiß, daß die Leguminoſen, Malvaceen gegen den Aequator, ſo wie die Juncaceen und Ericineen gegen den Pol hin ſteigen. Die Quantitaͤt der Veraͤnderungen, die Raſchheit des Steigens kann in Zweifel gezogen werden, aber nicht deſſen Richtung. 7. Bey Vergleichung der Coefficienten, die zu denſelben Familien unter verſchiedenen Zonen gehoͤren, lernt man in der Raſchheit des Steigens ſehr bezeichnende Contraſte kennen. Im alten Continent veraͤndern ſich die Verhaͤltniße der Gramineen, der Leguminoſen und der Euphorbiaceen von der gemaͤßigten Zone zum Aequator hin weniger als von der gemaͤßigten Zone zum Pole hin. 8. Die Gelehrten, welche jede Erſcheinung gerne ſo viel wie moͤglich abſolut iſolirt betrachten, die die mittleren Temperaturen der Oerter, die Geſetze, welche man in den Veraͤnderungen des Erdmagnetismus bemerkt, die Verhaͤltniſſe zwiſchen Gebornen und Geſtorbenen, fuͤr gewagte Hypotheſen, fuͤr ſchwankende theoretiſche Speculationen halten, werden vielleicht die in dieſer Abhandlung angeſtellten Unterſuchungen fuͤr gering achten; hingegen diejenigen, welche gerne die wechſelſeitige Verkettung der organiſierten Weſen anſchauen, welche wiſſen, daß die numeriſchen Reſultate durch Accumulation und ſorgfaͤltiges Studium der einzelnen Thatſachen ſich berichtigen laſſen, werden gewiß eine Unterſuchungs-Art guͤnſtig aufnehmen, welche Licht bringt in die Oeconomie der Natur, uͤber die zwiſchen den Climaten und der Form der Geſchoͤpfe bemerkte Verbindung, uͤber die Vertheilung der Pflanzen und der Thiere in die verſchiedenen Regionen unſeres Planeten. Nur durch numeriſche Unterſuchung und durch Vergleichung der Gattungen kann man ſich eine richtige Idee bilden von dem Zuſtand der Vegetation in einem gegebenen Lande; von dem allgemeinen Einfluß der Temperatur auf das Haͤufigſeyn gewiſſer Formen am Aequator, unter der mittleren Parallele und gegen den Polarkreiß; von den characteriſtiſchen Zuͤgen, welche unter den Iſothermen-Zonen die beyden Zuſammenhaͤufungsſyſteme des alten und des neuen Continents haben.