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Alexander von Humboldt: „[Sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales]“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1820-Sur_les_lois-2-neu> [abgerufen am 20.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1820-Sur_les_lois-2-neu
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Titel [Sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales]
Jahr 1821
Ort Stuttgart; Tübingen
Nachweis
in: Literatur-Blatt [Beilage zum Morgenblatt für gebildete Stände] 80 (5. Oktober 1821), S. 319–320.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.4
Dateiname: 1820-Sur_les_lois-2-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Spaltenanzahl: 4
Zeichenanzahl: 8428

Weitere Fassungen
Sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales (Paris; Strasbourg, 1820, Französisch)
[Sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales] (Stuttgart; Tübingen, 1821, Deutsch)
Nouvelles recherches sur les lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales (Jena, 1822, Französisch)
Ueber die Gesetze, welche man in der Vertheilung der Pflanzenformen beobachtet (Breslau, 1831, Deutsch)
A. von Humboldt’s Untersuchungen über die Vertheilung der Pflanzenformen (Stuttgart, 1838, Deutsch)
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Ueberſicht der Verhandlung der Königlichen Aka-demie der Wiſſenſchaften in Paris, vom Hor-nung 1821.

5. Febr. Hr. Al. v. Humboldt liest die Ergeb-niſſe ſeiner weiteren Forſchungen zu Ausmittlung der Ge-ſetze, nach denen die Pflanzenformen über die Erde vertheiltſind. Die Vorleſung iſt eine Fortſetzung früherer und dervor vier Jahren erſchienenen Prolegomena de di-stributione geographica plantarum, secun-dum cœli temperiem et altitudinem montium. Es gewährt das Studium der Pflanzen-Geographie über-haupt ſowol als insbeſondere desjenigen Theils, womit ſichdieſe Abhandlung zunächſt beſchäftigt und den man auch die botaniſche Rechenkunſt nennen kann, eigenthümlichesVergnügen; denn mitten unter der ſcheinbaren Verwir-rung, die aus dem Einfluß mannigfacher örtlicher Urſachenhervorzugehen ſcheint, kommen die unwandelbaren Geſetze |Spaltenumbruch| der Natur zu Tage, ſobald man entweder eine hinlänglichausgedehnte Landſchaft vor Augen hat, oder eine ſolcheMaſſe von Thatſachen vergleicht, worin die partiellen Stö-rungen ſich gegenſeitig ausgleichen oder aufheben. Aehn-liche Berechnungen, wie diejenigen ſind, welche über dieVertheilung der Pflanzenfamilien auf dem Erdball ange-ſtellt werden, laſſen ſich hinwieder auch auf die verſchiede-nen Thierklaſſen anwenden. Aus den reichen, im Mu-ſeum der Naturgeſchichte von Paris aufbewahrten Schätzenergiebt ſich, daß die Zahl der bisher bekannten, theils ver-borgen, theils offen blühenden Pflanzen an 56000 Artenreicht, während diejenige der Inſekten bey 44000, der Fiſchebey 2500, der Amphibien bey 700, der Vögel bey 5000und der Säugthiere bey 500 beträgt. Den Berechnungendes Hrn. Valenciennes und von Humboldt zufolge, kommenauf Europa allein ungefähr 80 Säugthiere, 400 Vögel und30 Amphibien: ſomit leben in dieſem nördlichen temperir-ten Erdſtriche fünfmal ſo viel Arten Vögel als Säugthiere,wie hinwieder ebendaſelbſt (in Europa) auf fünfmal mehrHülſengewächſe denn Orchideen und Euphorbiaceen ange-troffen werden. Die kürzlich durch Hr. Delalande vom Vor-gebirg der guten Hoffnung zurückgebrachten reichen Samm-lungen können, wenn ſie mit den Arbeiten der Herren Tem-mink und Levaillant verglichen werden, darthun, daß indieſem ſüdlichen temperirten Erdſtrich die Säugthiere ſichzu den Vögeln gleichfalls wie 1 zu 4, 3 verhalten. Einſolches Zuſammentreffen zwey entgegengeſezter Zonen mußauffallend und merkwürdig erſcheinen. Die Vögel, vor-züglich aber die Amphibien, erhalten gegen die Aequatorial-Zone hin einen verhältnißmäßig viel ſtärkeren Zuwachs alsdie Amphibien. Aus den Entdeckungen des Hrn. Cuvierüber die foſſilen Knochen läßt ſich mit Wahrſcheinlichkeitfolgern, daß dieſe Verhältniſſe nicht zu allen Zeiten dienämlichen waren, und daß durch die früheren Kataſtro-phen, welche unſer Erdball erlitten hat, ungleich mehr Säug-thiere als Vögel vertilgt worden ſeyn dürften. Die Forſchungen der Pflanzen-Geographie ſtehen ingenauer Verbindung mit den wichtigſten Aufgaben derMeteorologie und der Naturlehre der Erde überhaupt. DasUebergewicht einzelner Pflanzenfamilien beſtimmt den Cha-rakter einer Landſchaft, ihre heitere oder auch prachtvolleGeſtaltung. Das Vorherrſchen gewiſſer Arten der Gräſer-familie, welche ausgedehnte Savannen bilden, ſo wie das-jenige der Palmen- und Zapfenbäume, iſt ſehr einflußreichauf den Geſellſchaftsſtand der Völker, auf ihre Lebensartund die ſchnellere oder langſamere Entwicklung ihres Kunſt-fleißes geweſen. Die raſchen Fortſchritte, welche das Stu-dium der Pflanzenerdkunde ſeit zwölf Jahren durch die ver-einten Arbeiten der Herren Brown, Wahlenberg, de Can-dolle, Leopold von Buch, Parrot, Ramond, Schouwund Hornemann gemacht hat (ſagt Hr. v. Humboldt, deſſenName den genannten Naturforſchern vorangeſtellt werdenmuß), iſt weſentlich durch die Vortheile der natürlichenMethode des Hrn. von Juſſieu befördert worden, indemnicht allein bey der künſtlichen Eintheilung des Sexualſy-ſtems, ſondern auch bey Annahme ſolcher Familien, dievon ſchwankenden und irrigen Grundſätzen ausgehen (Du-mosaæ, Oleraceæ u. ſ. w.), es völlig unmöglich wird, diebey der Vertheilung der Pflanzen über den Erdball walten-den allgemeinen Geſetze wahrzunehmen. Unſtreitig liegt noch ſehr Vieles bey allen dieſen For-ſchungen im Dunkel. Die Vertheilung organiſcher Ge-ſchöpfe über den Erdball beruht nicht einzig nur auf denſehr zuſammengeſezten climatiſchen Verhältniſſen, ſondernzum Theil auch auf ſolchen geologiſchen Urſachen, die, weil |320| |Spaltenumbruch| ſie auf einen vormaligen Zuſtand unſerer Planeten Bezughaben, völlig unbekannt ſind. Die großen dickhautigenSäugethiere mit mehr als zweyſpaltigen Hufen (Pachyder-mes) werden heutzutage in der neuen Welt nicht ange-troffen, wogegen ſie unter analogen Himmelsſtrichen inAſien und Afrika noch in Menge vorkommen. Die Familieder Palmbäume iſt in der Aequinoctialzone Afrika’s garwenig zahlreich, in Vergleichung mit der Menge ihrer imſüdlichen Amerika vorkommenden Arten. Solche Verſchie-denheiten dürfen uns aber keineswegs von dem Studiumder Naturgeſetze abhalten, ſondern ſie ſollen uns vielmehranſpornen, dieſelben in allen ihren Verflechtungen genauerzu erforſchen. Es iſt die Pflanzen-Geographie eine Abthei-lung der phyſikaliſchen Erdbeſchreibung. Wenn auch dieGeſetze, welche die Natur in der Vertheilung der Pflanzen-formen beobachtet, noch ungleich verwickelter wären, als ſiedem erſten Anſcheine nach ſind, ſo müßten dieſelben darumnicht minder ſorgſam erforſcht werden. Die Krümmungender Flüſſe und die regelloſe Küſtengeſtaltung haben die Auf-nahme von Landkarten keineswegs gehindert. Die Geſetzedes Magnetismus ſind entdeckt worden, ſo bald man an-fieng, Linien gleicher Declination und gleicher Inclinationzu ziehen, und eine Menge Anfangs widerſprechendſcheinender Beobachtungen zu vergleichen. Es hieße denGang völlig verkennen, auf welchem die Naturwiſſenſchaftallmählig zu ſicheren Reſultaten gelangt iſt, wenn manglauben wollte, es ſey noch allzufrüh, die numeri-ſchen Elemente der Pflanzen-Geographie ausmittelnzu wollen. Ueberall, wo es um die Erforſchung einer ver-wickelten Erſcheinung zu thun iſt, wird von der allgemei-nen Betrachtung der Verhältniſſe, unter denen die Erſchei-nung ſtatt findet oder verändert iſt, ausgegangen. Nach-dem eine gewiſſe Menge dieſer Verhältniſſe gekannt ſind,ſo findet ſich’s alsdann, daß die erſten Folgerungen beydenen man zunächſt ſtehen blieb, von örtlichen Einwirkun-gen nicht hinlänglich frey geblieben ſind. Die numeri-ſchen Elemente werden alsdann berichtigt und manerkennt jezt einen geregelten Gang, ſogar auch in den Wir-kungen der partiellen Störungen. Die Kritik übt ſich anallem, was allzuvoreilig für allgemein gültige Folgerung aus-gegeben ward, und der einmal aufgereizte Geiſt der Kritikbefördert hinwieder die Erforſchung der Wahrheit, und be-ſchleunigt die Fortſchritte der Naturwiſſenſchaften. Fürſolche Gelehrte, welche jede Erſcheinung gerne in ſich alleinund ganz vereinzelt betrachten, welche die mittleren Tem-peraturen der Orte, ſo wie die in den Abweichungen des Mag-netismus der Erde, oder in den Verhältniſſen zwiſchenGeburten und Sterbefällen entdeckten Geſetze, als gewagteHypotheſen und für leere theoretiſche Muthmaßungen an-ſehen, müſſen freylich auch die Rechnungsverſuche derPflanzen-Geographie, der Aufmerkſamkeit wenig würdigerſcheinen; während Naturforſcher hingegen, welche beyden wechſelſeitigen Verkettungen der organiſchen Weſengerne verweilen, und wiſſen, daß die Zahlenergebniſſe ſichdurch vervielfaltigte und ſorgfältiger erörterte Thatſachenberichtigen laſſen, ein deſto größeres Gefallen an Forſchun-gen haben werden, die über den Haushalt der Natur, wieüber den zwiſchen climatiſchen Verhaltniſſen und den Formender Geſchöpfe wahrgenommenen Zuſammenhang, und überdie Vertheilung von Pflanzen und Thieren auf die verſchie-denen Regionen unſers Planeten, mancherley Licht verbrei-ten können. Durch Zählung und Vergleichung der Arteneinzig nur, mag man ſich richtige Begriffe von den Ver-hältniſſen der Vegetation in einem gegebenen Lande ver-ſchaffen; eben ſo von dem Einfluſſe der Temperatur auf |Spaltenumbruch| die Vervielfältigung beſtimmter Formen, in der Nähe desAequators, unter den mittleren Parallelkreiſen und gegenden Polarkreis; von den Charakterzügen, welche die bey-den Hauptſyſteme der Flora der alten und der neuenWelt in den Zonen gleichartiger Wärme bezeichnen.