Ueber die nächtliche Verſtärkung des Schalls. Von Alexander v. Humboldt. Während Alexander von Humboldt, zur Freude und zum Vortheil aller Gebildeten, unermüdlich das große Werk des Kosmos fördert, verpflichtet er ſich die wiſſenſchaftliche Welt durch die Herausgabe einer Sammlung ſeiner kleineren phyſikaliſchen und geognoſtiſchen Schriften, deren erſter Band ſo eben erſchienen iſt. Eine ſolche geiſtige Rüſtigkeit und Thatkraft eines Mannes, der vor mehr als ſechzig Jahren wichtige Abhandlungen ſchrieb und noch im vorigen Jahrhundert die große Reiſe antrat, die ſeinen Ruhm begründet, iſt erſtaunlich, und wohl ohne Beiſpiel in der Literatur. — Humboldts Arbeiten, welche die phyſikaliſchen Wiſſenſchaften in den verſchiedenſten Richtungen bedeutend gefördert, ja oft der Forſchung die Wege gewieſen haben, ſind ſeit zwei Menſchenaltern in Zeitſchriften oder in koſtbaren, wenig zugänglichen Werken zerſtreut. Eine Zuſammenſtellung derſelben wäre unter allen Umſtänden ein ſehr dankenswerthes, wichtiges Unternehmen geweſen; dieſelbe erhält aber einen ganz be- ſondern Werth dadurch, daß es dem großen Naturforſcher vergönnt iſt, dieſes Geſchäft ſelbſt zu übernehmen und die Schriften in einer Weiſe zu redigiren, wie es keinem andern weder zuſtand noch möglich war. Wo es zweckmäßig ſchien, ſind von ihm die älteren Arbeiten durch abgeſonderte Nachträge dem jetzigen erweiterten Wiſſen, wie den neueren Sprachformen angeeignet worden. Von einer Umarbeitung nach den jetzigen wiſſenſchaftlichen Stand- und Geſichtspunkten konnte und durfte keine Rede ſeyn; die Schriften mußten nothwendig in ihrer urſprünglichen Geſtalt wiedergegeben werden. Was der Verfaſſer kaum andeutet, das darf hier ausgeſprochen werden: dieſe Unterſuchungen über die Vulkane der Neuen Welt, über die Vertheilung der Wärme auf dem Erdboden, über die Zuſammenſetzung der atmoſphäriſchen Luft, über die mittlere Höhe der Continente ſind, ſo wie ſie ſind, für die Geſchichte der Wiſſenſchaften von der größten Bedeutung, und je weitere Wege die Forſchung ſeitdem zurückgelegt hat, deſto anziehender und belehrender iſt der Rückblick auf die bahnbrechenden Gedanken und Beobachtungen, die Humboldt zu dem Ruhm erhoben haben, an dem das ganze deutſche Volk theilnehmen darf. Kleinere Schriften von Alexander v. Humboldt. Erſter Band. Geognoſtiſche und phyſikaliſche Erinnerungen. Mit einem Atlas, enthaltend Umriſſe von Vulkanen aus den Cordilleren von Quito und Mexico. J. G. Cotta’ſcher Verlag. 1853. Wir heben aus dem reichen Material des vorliegenden erſten Bandes eine Abhandlung aus, welche einen auch für ein größeres Publikum anziehenden Gegenſtand in leicht faßlicher Weiſe behandelt. Dieſelbe wurde im Jahr 1820 in der Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris geleſen; die Zuſätze ſind ganz neu. Die Verſtärkung des Schalls während der Nacht gehört zu den Problemen, deren Löſung ſich nicht in den Werken der Phyſik findet. Ich werde verſuchen eine Löſung zu geben, die abgeleitet iſt aus den neueſten Forſchungen über die Theorie der Schallwellen; aber ehe ich von den Urſachen des Phänomens rede, will ich hier die Beziehungen anführen, unter denen ich es betrachte. Man hat ſeit dem höchſten Alterthum beobachtet, daß die Stärke des Schalls während der Nacht zunimmt. Ariſtoteles hat davon geſprochen in ſeinen Problemen, Plutarch in ſeinen Dialogen. Wir betrachten hier nur die Zunahme der Stärke bei ruhiger Luft; es iſt nicht die Rede von der Zunahme, welche durch eine Veränderung des Windes während der Nacht erzeugt und welche durch die Beziehung modificirt wird, die zwiſchen der Richtung des Windes und der Richtung des Schallſtrahles obwaltet. Unter derſelben Zone, z. B. zwiſchen den Tropen, hat mir die nächtliche Zunahme der Intenſität in den Ebenen größer geſchienen als auf dem Rücken der Andes, in neun- oder zwölftauſend Fuß Höhe über dem Niveau des Oceans; ſie iſt mir auch bedeutender erſchienen in den niedrigen Gegenden, in der Mitte der Continente, als auf hoher See. Dieſe Schätzungen gründen ſich auf das Getöſe zweier Vulkane, des Guacamayo und des Cotopaxi, welche ich Gelegenheit gehabt habe Tag und Nacht zu hören: den einen auf einem Plateau, zwiſchen der Stadt Quito und der Meierei von Chillo, den andern in der Südſee, zehn Lieues weſtlich von der peruaniſchen Küſte. Das Gebrüll (bramidos) der Vulkane der Cordilleren wiederholt ſich gewöhnlich mit großer Gleichförmigkeit von fünf zu fünf Minuten. Es iſt nicht von ſichtbaren Auswürfen über den Rand des Kraters begleitet und gleicht bald dem fernrollenden Donner, bald dem wiederholten Dröhnen des ſchweren Geſchützes. An den Orten, wo die Erde bei einem Waſſerfall ſich mit Schnee bedeckt, würde es intereſſant ſeyn zu unterſuchen, ob die nächtliche Zunahme des Schalls nicht minder bemerkbar während des Winters wäre als im Sommer, wo der Boden am Tag durch die Sonnenſtrahlen ſtark erhizt wird. Ariſtot. Probl. sect. XI. quaest 5 und 33. Plut. Symposiac. lib. VIII. cap. 3. Wenn man das Getöſe der großen Cataracten des Orinoco in der Ebene, welche die Miſſion Atures umgibt, auf mehr als eine Meile Entfernung hört, ſo glaubt man an einer mit Felſen und Brandungen beſezten Küſte zu ſeyn. Das Getöſe iſt bei Nacht dreimal ſtärker als bei Tag und gibt dieſer einſamen Oertlichkeit einen unausſprechlichen Reiz. Was kann die Urſache dieſer Vermehrung der Intenſität ſeyn in einer Einöde, wo nichts das Schweigen der Natur zu unterbrechen ſcheint? Die Schnelligkeit der Fortpflanzung des Schalls nimmt, ſtatt ſich zu vermehren, mit dem Sinken der Temperatur ab. Die Intenſität vermindert ſich bei einer Luft, die durch einen der Richtung des Schalls entgegengeſezten Wind bewegt wird; ſie wird auch vermindert durch die Ausdehnung der Luft: ſie iſt ſchwächer in den hohen Gegenden des Luftkreiſes als in den niederen, wo die Moleculen erſchütterter Luft auf gleichem Radius mehr Dichtigkeit und weniger Elaſticität haben. Die Intenſität iſt dieſelbe in trockener Luft und in einer mit Dünſten gemiſchten; aber ſie iſt ſchwächer in kohlenſaurem Gas als in Gemiſchen von Stickſtoff und Sauerſtoff. Dieſen Thatſachen zufolge, den einzigen, welche wir mit einiger Gewißheit kennen, iſt es ſchwer, eine Erſcheinung zu erklären, die man bei jedem Waſſerfall in Europa beobachtet und die lange vor meiner Ankunft in dem Dorfe Atures dem Miſſionar und den Indianern aufgefallen war. Die nächtliche Temperatur der Atmoſphäre iſt dort nur um 3° geringer als die Tagestemperatur; zugleich mehrt ſich bei Nacht die ſichtbare Dunſtmenge, und der die Cataracten bedeckende Nebel wird dichter. Wir haben geſehen, daß der hygroſcopiſche Zuſtand der Luft durchaus keinen Einfluß auf die Fortpflanzung des Schalls ausübt und daß die Erkaltung der Luft ſeine Schnelligkeit vermindert. Man könnte glauben, daß, ſelbſt an nicht von Menſchen bewohnten Orten, das Summen der Inſekten, der Geſang der Vögel, das Rauſchen der von den leiſeſten Winden bewegten Blätter bei Tag ein verwirrtes Geräuſch verurſachen, das wir um ſo weniger wahrnehmen, als es gleichförmig iſt und als unſer Ohr beſtändig davon getroffen wird. Dieſes Geräuſch nun, ſo unmerklich es auch ſeyn mag, kann die Intenſität eines ſtärkeren Geräuſches vermindern, und dieſe Verminderung kann aufhören, wenn während der Stille der Nacht der Geſang der Vögel, das Geſumme der Inſekten und die Einwirkung der Winde auf die Blätter unterbrochen ſind. Aber dieſe Cauſalbetrachtung, wenn man ſelbſt ihre Richtigkeit zugibt, läßt ſich nicht auf die Wälder des Orinoco anwenden, wo die Luft beſtändig von einer Unzahl von Moskiten erfüllt, wo das Geſumme der Inſekten weit ſtärker bei Nacht als bei Tag iſt, und wo der Wind, wenn er anders bemerkbar wird, nur nach dem Untergang der Sonne weht. Ich glaube vielmehr, daß die Gegenwart der Sonne auf die Fortpflanzung und die Stärke des Schalls einwirkt: durch die Hinderniſſe, welche ihr die aufſteigenden Luftſtröme von verſchiedener Dichtigkeit, die partiellen Wellenſchwingungen der Atmoſphäre, verurſacht durch die ungleiche Erwärmung der verſchiedenen Theile des Bodens, entgegenſetzen. Bei ſtiller Luft, möge ſie trocken oder mit gleichmäßig vertheilten, blaſenförmigen Dünſten vermiſcht ſeyn, pflanzt ſich die Schallwelle ohne Schwierigkeit fort. Wenn aber dieſe Luft in allen Richtungen von kleinen Strömungen wärmerer Luft durchzogen wird, ſo theilt ſich da, wo die Dichtigkeit des Mittels plötzlich ſich ändert, die Schallwelle in zwei Wellen; es bilden ſich partielle Reflexe und Wiederhalle (Echos), die den Schall ſchwächen, weil eine der Wellen zu ſich ſelbſt zurückkehrt. Es entſteht eine jener Theilungen der Wellen, deren Theorie Poiſſon vor kurzem mit dem alle ſeine Arbeiten bezeichnenden Scharfſinn entwickelt hat. Es iſt alſo nicht die Translationsbewegung der Lufttheilchen von unten nach oben in dem aufſteigenden Luftſtrom, es ſind nicht die kleinen Strömungen in ſchräger Richtung, die wir als ſich durch einen Stoß der Fortpflanzung der Schallwellen widerſetzend betrachten. Jeglicher der Oberfläche einer Flüſſigkeit beigebrachter Stoß wird um das Erſchütterungscentrum Kreiſe bilden, ſelbſt dann, wenn die Flüſſigkeit bewegt iſt. Mehrere Arten von Wellen können ſich in der Luft wie im Waſſer durchkreuzen, ohne einander in ihrer Fortpflanzung zu ſtören; kleine Bewegungen legen ſich verſtärkend über einander, und die wahre Urſache der geringeren Stärke des Schalls während des Tags ſcheint hauptſächlich der Mangel an Gleichartigkeit in dem elaſtiſchen Mittel zu ſeyn. Es tritt plötzlich Unterbrechung der Dichtigkeit überall ein, wo ſchmale Luftſtröme von hoher Temperatur auf ungleich erwärmten Theilen des Bodens emporſteigen. Die Schallwellen theilen ſich, wie die Lichtſtrahlen ſich brechen und überall, wo Luftſchichten von ungleicher Dichtigkeit an einander angrenzen, Luftſpiegelung bilden. Man muß wohl unterſcheiden zwiſchen den Intenſitäten des Schalls oder Lichts und den Richtungen der Schall- oder Lichtwelle. Wenn dieſe Wellen ſich durch Schichten von verſchiedenen Dichtigkeiten fortpflanzen, werden zwei Wirkungen gleichzeitig hervorgebracht: es wird eine Veränderung in der Richtung der Fortpflanzung und Schwächung des Lichts und Schalls eintreten. Der Reflex, welcher jede Brechung begleitet, vermindert die Intenſität des Lichts; die Theilung der Schallwelle verurſacht partielle Wiederhalle: und der Theil der Welle, welcher da, wo die Dichtigkeit des Fluidums ſich plötzlich ändert, in ſich ſelbſt zurückkehrt, wird bei ſehr ſchwachen Geräuſchen für unſer Ohr unbemerkbar. Bei der Luftſpiegelung mit doppelten Bildern iſt das Bild, welches die Brechung gegen den Boden hin erfahren hat, beſtändig ſchwächer als das direkt geſehene Bild. Schichten von Flüſſigkeiten ſehr verſchiedener Dichte können allerdings in der Weiſe abwechſeln, daß die urſprünglichen Richtungen des Licht- und Schallſtrahls dieſelben bleiben; aber die Stärke des Lichts und Schalls wird darum nicht weniger geſchwächt ſeyn. Während der Nacht erkaltet die Oberfläche des Bodens; die mit Raſen oder Sand bedeckten Theile nehmen eine gleichmäßige Temperatur an; die Atmoſphäre wird nicht mehr durchkreuzt von jenen feinen Strömungen warmer Luft, die ſich ſenkrecht oder ſchräg in allen Richtungen erheben. In einem gleichförmiger gewordenen Fluidum pflanzt ſich die Schallwelle mit geringerer Schwierigkeit fort, und die Stärke des Schalls wächst, weil die Theilungen der Wellen und die partiellen Wiederhalle ſeltener werden. Um eine genaue Vorſtellung von der Urſache dieſer Ströme warmer Luft zu geben, die bei Tage auf einem ungleich erwärmten Boden aufſteigen, will ich einige Beobachtungen berichten, welche ich unter den Wendekreiſen angeſtellt habe. In den Llanos oder Steppen von Venezuela habe ich Nachmittags den Sand um 2 Uhr zu 52°,5 Cent., manchmal ſogar zu 60° gefunden. Die Temperatur der Luft im Schatten eines Bombax war 36°,2, in der Sonne aber bei 18 Zoll Höhe über dem Boden 42°,8. Bei Nacht hatte der Sand nur noch 28°, er hatte alſo über 24° verloren. Bei den Waſſerfällen des Orinoco wurde die mit Gramineen bedeckte Erde bei Tage nur auf 30° erwärmt, während die Luft 26° zeigte; aber die nackten Bänke von Granitfels, welche ungeheure Strecken ausmachen, wurden zu gleicher Zeit bis auf 48° erhizt. Ich habe eine große Anzahl analoger Beobachtungen in der Ueberſicht von Meſſungen bekannt gemacht, die ich über die Luftſpiegelung in Cumana zu derſelben Zeit angeſtellt, wo Wollaſton ſich in Europa im Experimentiren mit derſelben Erſcheinung beſchäftigte. Wenn die Urſache, die ich von der nächtlichen Zunahme des Schalls angebe, die wahre iſt, ſo muß man ſich nicht verwundern, daß in der heißen Zone dieſe Zunahme im Innern der Länder größer iſt als auf hoher See, in den Ebenen größer als auf dem Rücken der Cordilleren. Die Oberfläche der Aequatorialmeere wird einförmig und ſelten über 29° erwärmt, während die Oberfläche der Continente, ungleich gefärbt, und aus Stoffen zuſammengeſezt, die verſchiedenartig ſtrahlen, dem Aequator nahe Temperaturgrade erhält, welche von 30° bis 52° variiren. Unter den Wendekreiſen bleibt die Erde gewöhnlich die Nacht hindurch wärmer als die Luft; in der gemäßigten Zone wird der Boden in ſtillen und heiteren Nächten oft 4° bis 5° kälter als die Luft. Die Temperatur, ſtatt ſich zu mindern in dem Maße, als man ſich vom Boden entfernt, bietet in Europa bei Nacht eine wachſende Progreſſion bis zur Höhe von 50—60 Fuß dar. Man muß ſich daher nicht verwundern, daß die terreſtriſchen Strahlenbrechungen unter der gemäßigten Zone bei Nacht bisweilen faſt eben ſo bedeutend ſind als bei Tage. Es werden beſtändig Luftſchichten von verſchiedner Dichtigkeit da ſeyn, welche horizontal auf einander ruhen; aber die feinen Ströme von warmer Luft, die in ſchräger Richtung den Luftkreis durchſchneiden, ſind bei Nacht ſeltener als bei Tage. Auf 9000 Fuß Höhe beträgt in dem unter dem Aequator liegenden Theile der Anden die mittlere Temperatur der Luft nur 14°; und die Kraft der Ausſtrahlung gegen einen wolkenloſen Himmel, durch eine ſehr trockene und reine Luft, hindert den Boden ſich während des Tages beträchtlich zu erhitzen. Ich will nicht weiter bei dieſen Lokalverhältniſſen ſtehen bleiben; es reicht hin, daß wir im allgemeinen von der Theorie der Schallwellen und ihrer Theilungen die nächtliche Verſtärkung des Schalls abgeleitet haben. Die ganze Erſcheinung beruht auf dem Mangel an Gleichartigkeit in den ſenkrechten Säulen des Luftkreiſes. Indem ich dieſe Ideen ausſpreche, könnte ich mich auf die Autorität eines Philoſophen ſtützen, den die Phyſiker immer noch mit Gleichgültigkeit behandeln, obgleich die ausgezeichnetſten Zoologen ſeit langer Zeit dem Scharfſinn vieler ſeiner Beobachtungen eine glänzende Gerechtigkeit haben widerfahren laſſen. „Warum, ſagt Ariſtoteles in dem merkwürdigen Buche der Probleme (Probl. XI, 33), das wohl als Compilation ſeiner Meinungen zu betrachten iſt, „warum läßt ſich der Schall beſſer bei Nacht hören? Es kommt nach Anaxagoras daher, weil bei Tage die von der Sonne erwärmte Luft ziſcht und rauſcht, ſie aber bei Nacht in Ruhe iſt wegen des fehlenden Wärmeſtoffs.“ Dieſe Abweſenheit macht alles ruhiger und gemeſſener; denn die Sonne iſt das Princip aller Bewegung. Ariſtoteles hat eine unbeſtimmte Ahndung von der Urſache des Phänomens; aber er ſchreibt der Bewegung der Atmoſphäre, dem Stoße zu, was nur den ſchnellen Wechſeln der Dichtigkeit in den angrenzenden Luftwellen angehört. Weder Ariſtoxenus aus Tarent in ſeinem Buche von der Muſik, noch Seneca in den Quaestiones naturales, noch der ſpäte Theophylactus Simocatta haben verſucht die nächtliche Verſtärkung des Schalls zu erklären. Wenn man den unvollkommenen Zuſtand der Phyſik der Alten und ihre Unwiſſenheit in der experimentirenden Methode erwägt, ſo erſtaunt man um ſo mehr über die Zahl richtiger und oftmals feiner Bemerkungen, welche die Werke des Philoſophen von Stagira enthalten über den Thau, über die Urſachen der Luftſpiegelung, über die leitende Kraft der Metalle und der Aſche für die Wärme, über die Höhe der Wolken, betrachtet als Wirkung der aufſteigenden Luftſtrömung u. ſ. w. Die Bergbewohner der Alpen wie die der Andes halten eine außerordentliche Verſtärkung des Schalls in ſtillen Nächten für ein ſicheres Vorzeichen einer Witterungsveränderung. „Es wird regnen,“ ſagen ſie, „weil man das Rauſchen der Ströme näher vernimmt.“ Deluc hat dieſe Erſcheinung durch einen Wechſel des barometriſchen Luftdrucks, durch eine größere Zahl von Luftbläschen zu erklären geſucht, welche an der Oberfläche des Waſſers platzen. Dieſe Erklärung iſt gezwungen und wenig befriedigend; ich will nicht verſuchen ſie durch eine andere Hypotheſe zu erſetzen, aber ich will an die Analogie erinnern, die zwiſchen den aus dem Wachſen des Schalls gezogenen meteorologiſchen Wahrzeichen und einem andern obwaltet, das von einer geringeren Schwächung des Lichtes hergenommen wird. Die Gebirgsbewohner verkünden eine Wetterveränderung, wenn bei ruhiger Luft ferne, mit ewigem Schnee bedeckte Berge plötzlich dem Beobachter genähert erſcheinen, ſo daß ihre Umriſſe ſich mit außerordentlicher Beſtimmtheit von dem azurenen Himmelsgewölbe abheben. Welches auch der Zuſtand der Atmoſphäre ſeyn möge, der dieſe Erſcheinungen verurſacht, ſo iſt es nichtsdeſtoweniger merkwürdig, darin eine neue Analogie zwiſchen den Bewegungen der Schallwellen und denen der Lichtwellen zu erkennen. Zuſätze aus dem Jahre 1853. Die nächtliche Zunahme des Schalls iſt, nach meinen Beobachtungen, größer in den Ebenen und niedrigen Gegenden als auf hohen Gebirgsplateaus, größer auf dem feſten Lande als auf dem Meere. In den Ebenen iſt mir immer am auffallendſten geweſen die weite Entfernung, in der man in der Tropenwelt bei Nacht die geſellig lebenden Heul- oder Brüllaffen (die bärtigen Araguatos) oder das Geräuſch der Waſſerfälle vernimmt. Das Rauſchen der Waſſerfälle wie das Getöſe einer Brandung wird, wie Deluc und Tyndall bemerkten, hauptſächlich durch das Zerſpringen der Luftblaſen im Waſſerſtrahl erzeugt. Die Schwächung des Schalls auf dem Meere, wenn derſelbe auf dieſem ſelbſt erregt wird, kann nicht, wie auf dem Continent, durch lokale Verſchiedenheit der Erwärmung der Oberfläche verurſacht werden. Die Oberfläche des Meeres hat oft, nach meinen Beobachtungen, auf mehrere Hunderte von Quadratmeilen zwiſchen den Wendekreiſen bis auf 0°,3 dieſelbe gleichmäßige Temperatur. Differenzen der Dichtigkeiten von aufſteigenden Luftſäulen verſchiedener Temperatur, in denen die Schallſtrahlen oder Schallwellen ſich brechen, ſind hier nicht anzunehmen. Der ſchwächere Schall des Geſchützes auf der offenen See iſt alſo wohl nur dem Mangel von Elaſticität des flüſſigen Bodens zuzuſchreiben. Die Wirkung wollener Decken in einem Concertſaale, oder die Verminderung des Schalls, wenn Geſchütz am Rande eines Kornfeldes, das in vollen Halmen ſteht, aufgeſtellt iſt, bieten lehrreiche Analogien dar. Wenn nach Derhams Beobachtung ein Schneefall, d. i. Schneeflocken, die in der Luft ſchweben, die Intenſität des Schalls vermindern, ſo ſchreibe ich dieß allerdings einer Brechung der Schallwellen zu, wegen der veränderten Dichtigkeiten, welche der Schallſtrahl auf ſeinem Wege durch das mit Schneeflocken gefüllte Medium findet (ganz wie ein mit Champagnerwein gefülltes Glas, angeſchlagen, ſo lange nicht hell, ja nicht mehr wie Holz oder Horn, tönt, als Ströme von kohlenſaurem Gas die tropfbare Flüſſigkeit durchſetzen); wenn aber Schwächung des Schalls, ebenfalls nach Derhams Beobachtung, auch nach dem Schneefall bei weichem, friſch gefallenem Schnee nur ſo lange bemerkt wird, als die Schneeflur noch nicht mit einer glänzenden Eisdecke überzogen iſt, ſo offenbart ſich hier wieder ein Phänomen der Reſonanz der Bodenfläche. Wir vernahmen, Bonpland und ich, auf einem Schiffe im Februar 1803 in der Südſee, bei einer Entfernung von mehr als 42 geographiſchen Meilen, den Donner und das Krachen des Vulkans Cotopaxi während ſeines Ausbruchs viel ſtärker bei Nacht als bei Tage. Die Urſache dieſer Erſcheinung darf wohl nur in dem Theile des Weges des Schallſtrahles geſucht werden, welcher aus einer Höhe von 17,700 Fuß bis zu dem Meeresufer herabkam: alſo in Luftſchichten, die auf dem Continent ruhen. Im Hafen von Guayaquil, wo das Getöſe des Vulkans die Fenſter durch Erſchütterung klirren machte, obſchon bei 37 Meilen Entfernung, hörten wir, vor der Einſchiffung nach Acapulco, ebenfalls den Schall dreimal ſtärker nach Mitternacht als um Mittag. Der nächtliche Schall war alſo auf dem Meere nur deßhalb ſo ſtark, weil er in der Luftſchicht ſenkrecht über dem Ufer bei Tage aus den in der Abhandlung angegebenen Urſachen geſchwächt, bei Nacht ungeſchwächter ankam, und ſich in derſelben Intenſität weiter gegen Weſten bis zur Station des Schiffes fortpflanzte. Eine Reihe ſehr genauer, mit vieler Vorſicht angeſtellter akuſtiſcher Verſuche über bewegte und unbewegte Luft beſitzen wir von dem ſcharfſinnigen La Roche aus dem Jahr 1813. Auf einem Gebiete, wo noch ſo vieles unerklärt bleibt und wo, wie im Waſſer, mehrere Wellenſyſteme, trotz ihrer gegenſeitigen Störungen, ſich gleichzeitig in demſelben Raume fortpflanzen können, iſt es am wichtigſten, wohl beobachtete Thatſachen an einander zu reihen und keine aus Vorliebe zu ſogenannten unumſtößlichen Theorien zu verwerfen. Nach den Verſuchen von La Roche und Dunal, in denen zwei gleiche Töne in der Linie eines ſtarken Luftſtroms erregt und die Unterſchiede ihrer Intenſität aus der Entfernung geſchloſſen wurden, in welcher die gegen den Wind aufſteigende und die mit dem Wind herabkommende Schallwelle für das Ohr genau von gleicher Stärke ſchienen, war allerdings die Abnahme des Schalls geringer in der Richtung des Windes ſelbſt als in der, welche dieſer Richtung entgegengeſezt war; aber bei einer dem Schallſtrahl perpendikularen Richtung des Windes war die Intenſität ſelbſt größer, als wenn die Erſchütterung mit dem Winde kam, d. h. in der Richtung des Luftſtroms. Daß nicht, wie der Volksglaube es annimmt, der Wind die bewegte Schallwelle beſchleunigt oder gleichſam ſie mit ſich führt, lehrt die geringe Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Windes, die ſelbſt bei ſehr beträchtlicher Stärke deſſelben noch fünfundzwanzigmal geringer als die Geſchwindigkeit des Schalls iſt. Die Verſuche von La Roche und Dunal haben aber auch gewiſſe Modifikationen des Schalls offenbart, welche ganz unabhängig von der Bewegung durch Wind waren. Bei ganz ruhiger Luft wurden in gleicher Entfernung die größten Verſchiedenheiten der Intenſität bemerkt; auch wenn der Wind heftig und dabei gleichmäßig wehte und die Beobachter den Schall in der Richtung des Luftſtroms erhielten, war derſelbe intermittirend bald ſehr intenſiv, bald kaum hörbar. Die älteſten Florentiner Verſuche mit Kanonen, die in Livorno abgefeuert und in Porto Ferrajo auf der Inſel Elba, in fünfzehn geogr. Meilen Entfernung, gehört wurden, haben das Reſultat gegeben, daß bei ganz ruhiger Luft der Schall intenſiver als bei bewegter war, ſelbſt wenn der Wind von Livorno her nach Elba wehte. Nach den erſten ſehr unvollkommenen Verſuchen über die Geſchwindigkeit der Fortpflanzung des Schalls in der Ebene, von Merſenne, Gaſſendi und den Mitgliedern der Academia del Cimento, ſah Caſſini de Thury (1738) zuerſt ein, als er ſeine Verſuche in der Umgegend von Paris bei Fontenay aux Roses anſtellte, daß ohne Wechſelſeitigkeit der gleichzeitigen Erregung des Schalls in zwei einander gegenüber liegenden Stationen keine Genauigkeit zu erlangen wäre; denn das Maaß der Schallgeſchwindigkeit ſey „die halbe Summe der in jeder Station zwiſchen Blitz und Knall beobachteten Zeit.“ Da der Wind auf die beiden Geſchwindigkeiten den entgegengeſezten, beſchleunigenden oder verlangſamenden Effekt ausübt, ſo iſt das Reſultat ſo beſchaffen, als wäre es bei ruhiger Luft erhalten. Dieſe Gleichzeitigkeit in der wechſelſeitigen Erregung des Schalls wurde aber erſt vollkommen in den Verſuchen einer Commiſſion des Bureau des Longitudes im Sommer 1822 auf Aragos Vorſchlag erlangt; ſpäter, und zwar mit großer Genauigkeit (Sommer 1823), von zwei holländiſchen Gelehrten, Moll und A. van Beek, in der Haide von Utrecht, wie in der Schweiz zwiſchen der Höhe des Faulhorns und dem Dorfe Tracht bei Brienz (Sommer 1844). Das Bureau des Longitudes hatte Gay-Luſſac und mich eingeladen uns der Commiſſion, die aus Arago, Mathieu, Bouvard und Prony beſtand, anzuſchließen und Theil an den Beobachtungen zu nehmen. Die Stationen, wo das Geſchütz aufgeſtellt wurde, waren der Hügel von Montlhéry, den ſchon Caſſini benuzt hatte, und die Ebene von Villejuif; Entfernung, trigonometriſch gemeſſen, 9549,6 Toiſen oder 18613 Meter. Unſere Verſuche vom 21. und 22. Juni 1822 haben für 10° des hunderttheiligen Thermometers eine Geſchwindigkeit des Schalls von 337 ,2 (173t,01) in der Sekunde gegeben. Die bei Utrecht angeſtellten Verſuche von Moll und A. van Beek geben, auf 0° Temperatur und trockene Luft reducirt, 332 m ,05; die von Bravais und Martins auf dem Faulhorn (in einem verticalen Höhenunterſchied von 2078 Metern), reducirt wie die eben genannten, gaben 332 m ,37 in der Sekunde. In dieſen Verſuchen zeigte ſich, trotz der beträchtlichen Höhe des obern Standorts auf dem Faulhorn, die Geſchwindigkeit des aufſteigenden Schalls genau gleich mit dem des niederſteigenden. Für die Intenſität und Grenze der Hörbarkeit des Schalls, die man nicht mit der Schnelligkeit verwechſeln muß, hat es mir nach Erfahrungen geſchienen, welche ich auf der hohen Andeskette einſammeln konnte, daß, wenn die Träger unſerer Meßinſtrumente weit unter uns im Erklimmen großer Anhöhen zurückblieben, der aufſteigende wärmere Luftſtrom außerordentlich die Hörbarkeit vermehrte. Wir verſtanden ihre Worte in großer Entfernung, wenn ſie tief unter uns ſtanden. Beim Herabſteigen von der ſteilen Silla de Caracas vernahmen wir in einer Höhe von mehr als fünf- oder ſechstauſend Fuß die aus dem Thale aufſteigenden Töne verſtimmter Guitarren, von denen man in allen von Einwohnern ſpaniſcher Herkunft eingenommenen Ländern verfolgt wird. Mein Freund Gay-Luſſac vernahm im Luftball in fünfzehn- oder ſiebzehntauſend Fuß ſenkrechter Höhe das Bellen der Hunde, ja in Höhen, die er zu 7000 Fuß ſchäzte, ſelbſt den Geſang kleiner, ſich wenig über die Kornfelder erhebender Vögel. Die erſten recht genauen, auf numeriſche Angaben gegründeten Reſultate über die Intenſität des Schalls und den Unterſchied dieſer Intenſität in den Tages- und Nachtſtunden verdanken wir zweien vortrefflichen Beobachtern, Martins und Bravais. Da ein Ton des Diapaſon’s, z. B. das einmal geſtrichene c, das aus 512 Vibrationen in der Sekunde entſteht, in einem luftförmigen Medium von gleicher Dichte auch immer dieſelbe Intenſität hat, ſo gibt die Verſchiedenheit der Entfernung, in der man aufhört den Ton des Diapaſon’s zu vernehmen, bei ungleicher Dichtigkeit der Luftſchichten, ein ſicheres Maaß für die Intenſität. In einer Ebene bei dem Dorfe Saint-Chéron (Dep. de Seine et Oise) wurde der Ton des Diapaſon’s nicht mehr gehört in einer Entfernung von 254 Metern. Die Ruhe der Luft war kaum bisweilen unterbrochen von einem ſehr ſchwachen Südwinde, der aber in ſenkrechter Richtung die Linie durchſchnitt, welche das Inſtrument von dem Hörenden trennte. Der Himmel blieb bedeckt und die Lufttemperatur war während der Verſuche (1½ Uhr Nachmittags, den 22. Juni 1844) 24° Cent., Barom. 744 mm ,3. Die Verſuche wurden um Mitternacht wiederholt; und obgleich durch das Sumſen und Schwirren der Inſekten, das Fallen von kleinen Baumzweigen und vieles Bellen der Hunde die Stille der Nacht mehr als am Tage unterbrochen war, ſo konnte man ſich doch um 125 m weiter entfernen. Erſt in der Entfernung von 379 m war die Schallwelle nicht mehr vernehmbar (Therm. 17°, Barom. wieder 744 mm ,7). Während Caſſini de Thury aus ſeinen ungenauen Veruchen von 1738 die nächtliche Zunahme des Schalls beſtimmt geläugnet hatte, war ſchon von Zanotti in den Denkſchriften der Akademie von Bologna dieſer Zuwachs aus den alten Beobachtungen (1706) von Hauksbee geſchloſſen worden. Bei unſern Verſuchen am 21. und 22. Juni 1822 war es ſehr auffallend, daß die vom Hügel von Montlhéry, auf dem ich mich mit Gay-Luſſac und Bouvard befand, gethanen Schüſſe alle und vollkommen in der Ebene von Villejuif gehört wurden, während daß die von Villejuif faſt gar nicht auf den niedrigen Hügel gelangten. Von der großen Menge, in Zwiſchenräumen von fünf Minuten in Villejuif abgefeuerter Kanonenſchüſſe wurden am erſten Tage nur ſieben correſpondirend in beiden Stationen gehört und zur Meſſung benuzt; und doch wehte ein ſehr ſchwacher Wind faſt genau in der Richtung der Linie, welche die beiden Stationen verbindet, von Villejuif nach Montlhéry, d. i. von Nord-Nord-Weſt nach Süd-Süd-Oſt. Am zweiten Tage, an dem die Feuchtigkeit zugenommen hatte, wurde von zwölf zu Villejuif abgefeuerten Schüſſen auch nur ein einziger auf dem Hügel gehört. Veränderte Ladung oder Veränderung des Elevationswinkels des Rohrs vermehrten keineswegs die Hörbarkeit und Fortpflanzung des Schalls. Was den Schallwellen auf einem Wege in der Richtung aus der Ebene nach dem Hügel hinderlich war und dagegen ihre ungeſchwächte Fortpflanzung in derſelben Richtung abwärts vom Hügel von Montlhéry in die Ebene begünſtigte, ob die in Halmen ſtehenden Kornfelder, an deren Rand bei Villejuif das Geſchütz aufgepflanzt war, die Schallwellen nahe bei ihrem Urſprung brachen, bleibt unentſchieden. Es iſt beſonders zu bemerken, daß man gerade da nicht hörte, wo der von NNW, d. i. von Villejuif, wehende Wind den Schall bringen ſollte. »Nous ne chercherons pas à expliquer,« ſagt Arago, »ces causes de la différence si remarquable d’intensité dans la propagation du son, parce que nous ne pourrions offrir que des conjectures dénuées de preuves.« Das Problem der Intenſität (Stärke) des fortgepflanzten Schalls ſcheint noch verwickelter als das der Geſchwindigkeit. „Alle Schüſſe, die bei unſern Verſuchen auf dem Hügel von Montlhéry abgefeuert wurden, waren von einem Donner (roulement semblable au tonnerre) begleitet, der 20 bis 25 Sekunden dauerte. Kein donnerartiger Nachhall wurde in Villejuif bemerkt. Wenn zweimal der Nachhall in der Ebene ſtatt fand, ſo war es, wenn an dem, vorher ganz heitern Himmelsgewölbe ſich plötzlich einige Wolken gebildet hatten —: eine Erſcheinung (ſagt Arago), welche die Erklärung begünſtigen könnte, welche einige Phyſiker von dem im Gewitter auf den Blitz folgenden Rollen des Donners gegeben haben.“ Waſſerdampf, der Luft beigemengt, kann nach Laplace’s ſcharfſinniger Bemerkung, wenn die Feuchtigkeit dem Sättigungspunkte nahe iſt, wie die Wärme, und zwar durch Entbindung derſelben beim Niederſchlagen und Tropfbarwerden des Dampfes, zur Vermehrung der Geſchwindigkeit des Schalles beitragen. Die Erſcheinungen, welche ſowohl die Geſchwindigkeit als die Intenſität des Schalls in ſehr dünnen Schichten der oberen Atmoſphäre darbieten, ſind ebenfalls wieder der Gegenſtand ſchöner und ſehr gründlicher Unterſuchungen von Bravais und Martins geworden. Es iſt ihnen geglückt, bei ihrer kühnen Beſteigung des Gipfels des Montblanc und einem mehrtägigen Aufenthalte in dem Circus (Grand Plateau) dicht unter dem Gipfel Diapaſonverſuche in Höhen von 4811 und 3930 Metern über dem Meere anzuſtellen. Schon La Condamine hatte aus den Entfernungen, in denen er und Don Jorge Juan Kanonenſchüſſe gehört, geſchloſſen, daß unter dem Aequator in Gebirgsebenen, welche drei- bis viertauſend Meter hoch liegen, die Intenſität des Schalls, nach der äußerſten Grenze der Vernehmbarkeit gemeſſen, nur ⅔ von der Intenſität in der Ebene von Paris ſey. Dieſe Erfahrungen ſtimmten keineswegs mit den alten Verſuchen von Hauksbee über Glockenſchall in Recipienten, mit mehr oder weniger verdünnter Luft erfüllt, überein. Sauſſure und einige andere Beſteiger des Montblanc haben die Meinung verbreitet, daß in den Luftregionen, die ſie erreicht, ſchon bei ſehr geringen Entfernungen die Rede des Menſchen auf die auffallendſte Weiſe geſchwächt ſey. Von dieſer Schwächung haben wir, Bonpland, Carlos Montufar und ich, während eines dreijährigen Aufenthalts zwiſchen den Vulkanen von Popayan, Quito, Peru und Mexico nie etwas bemerkt, ob wir uns gleich ſo oft in viel größerer Höhe als der Gipfel des Montblanc, ja einige male in ſiebzehn- und achtzehntauſend Fuß Höhe befanden. Wir hörten einer des andern Stimme in dem gewöhnlichen Geſpräche, oder uns aus der Ferne zurufend, ganz wie am Meeresufer; aber freilich lebten wir vorher ſeit vielen Monaten auf Höhen von ſieben- bis neuntauſend Fuß. Ich wäre wohl geneigt der von Bravais geäußerten Vermuthung beizupflichten, daß bei den ſchnellen Reiſen von Chamouni nach dem Gipfel des Montblanc oft das Gehörorgan und nicht die Intenſität der Töne geſchwächt iſt. Bravais und Martins haben auf dem Grand Plateau des Montblanc, nur 900 m unter dem höchſten Gipfel, in einem mit Schnee bedeckten Circus, bei ganz heiterem Himmel und ruhiger Luft (31. Auguſt 1844; Bar. 477 mm ,88; Temper. — 3°,5; Tenſion des Waſſerdampfes 0 mm ,06) das Diapaſon tönen laſſen. Die Grenze der Hörbarkeit war dort eine Entfernung von 337 m , während früher Bravais und Lepileur in der Ebene bei dem Dorfe Saint-Chéron bei Tage 254 m , bei Nacht 379 m gefunden hatten. Auf dem Faulhorn, in einer Höhe von 2620 m (1. Oktober 1844; Bar. 558 mm; Temp. 7°,2; Tenſion des Dampfes mm ,62), fand ſich die Grenze der Hörbarkeit ſogar erſt in einer Entfernung von 550 m . Dieſe Zahlen würden, wenn man ſie auf die Temperatur von 0° und den Druck von 760 mm reducirt, für die Ebene von St. Chéron bei Tage 268 m , bei Nacht 394 m , für das Faulhorn 650 m , für das Plateau des Montblanc 422 m geben. Was iſt es, das der Hörbarkeit ſo viel weitere Grenzen ſezt auf Höhen von ſieben- und zwölftauſend Fuß über dem Meere als in der Ebene? und wenn, wie Bravais vermuthet, die Urſache der Erſcheinung in der größeren Stille der hohen Bergluft, in der Abweſenheit alles zufälligen Geräuſches, in der Schwäche oder vielmehr Abweſenheit aller Vegetation, in dem Mangel von thieriſchem Leben zu ſuchen ſeyn ſoll, warum iſt auf dem Plateau des Montblanc, das 5000 Fuß höher als das Faulhorn liegt, die Grenze der Hörbarkeit im Verhältniß von 3:2 geringer als auf jenem ſchweizer Gebirge? Der Schall ſcheint allerdings in derſelben Höhe über dem Meere, beſonders in der Ebene, ſtärker bei hohem als bei niedrigem Barometerſtande, ſtärker bei kalter, heiterer, dunſtfreier Luft; aber die neuen direkten Verſuche über die Grenze der Hörbarkeit auf hohen Bergen ſind den früheren Ausſprüchen der Phyſiker, daß die Dichtigkeit der Luft in dem Einfluß, den ſie auf die Fortpflanzung des Schalls ausübt, mit ihrer Verminderung auch die Geſchwindigkeit des Schalls vermindere und die Intenſität deſſelben ſchwäche, ſehr ungünſtig. Wie übermäßig dagegen die Grenzen der Hörbarkeit erweitert und die Fortpflanzung des Schalls befördert werden, wenn eine Luftſäule in feſte Wandungen eingeſchloſſen iſt, lehren meine Erfahrungen in den Schächten und Strecken der Bergwerke und in tiefen Brunnen, oder, nach Biots ſchönen Verſuchen, in Röhren von 3000 Fuß Länge, durch welche Worte, ſo leiſe geſprochen, als wenn man in’s Ohr flüſtern wollte, ungeſchwächt an das entgegengeſezte Ende gelangten. Die Vergleichung der Schallverſuche, welche La Condamine 1740 auf dem Hochlande von Quito und, vier Jahre ſpäter, nach ſeiner Reiſe auf dem Amazonenſtrome in Cayenne anſtellte, hatte den thätigen und ſcharfſinnigen Mann auf den Einfluß, welchen die erhöhte Temperatur auf die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Schalls ausübt, aufmerkſam gemacht. Er begnügt ſich aber, in ſein Reiſejournal die numeriſchen Reſultate der Geſchwindigkeit, ohne Angabe und Diskuſſion der Thermometergrade, einzutragen. La Condamine und Bouguer hatten in Quinche bei Oyambaro, nahe bei der Baſis der berühmten Gradmeſſung, die Geſchwindigkeit des Schalls 175 Toiſen (341 m ) in der Sekunde gefunden: zwei Toiſen größer als Caſſini de Thury bei Paris. Die Temperatur wird von Caſſini zu 5° bis 7°½ angegeben; die, welche während der Verſuche von Quinche in einer Höhe von acht- bis neuntauſend Fuß mag geherrſcht haben, iſt nach Beobachtungen, die ich in der Umgegend angeſtellt, höchſtens nur zwiſchen 10° und 12° anzunehmen. Die Entfernung des in Quito aufgeſtellten Geſchützes von Quinche betrug 10540 Toiſen. In dem ebenen Theile der heißen Zone, in Cayenne, war die Länge des Schallwegs von den Couronbergen herab volle 20230 Toiſen. Die Geſchwindigkeit des Schalls wurde 183 Toiſen (356 m ,6) gefunden: alſo in Vergleich mit Quinche eine Zunahme der Schallgeſchwindigkeit von 8 Toiſen oder 15,6 Metern bei einer Luftwärme, die man nicht unter 23° oder 25° ſchätzen kann. Die berühmten Polarreiſen der engliſchen Seefahrer haben viel Gelegenheit dargeboten La Condamine’s amerikaniſche und Bianconi’s venetianiſche Verſuche von 1740 (das Reſultat der mit der Temperatur zunehmenden Geſchwindigkeit des Schalls) zu bekräftigen. Cap. Parry fand auf der zweiten Expedition während ſeines Winteraufenthalts in Melville’s Inſel, durch freilich nur ſehr mäßig lange Standlinien, bei — 2°,6 Temp. (hunderttheil. Therm.) 338 m , bei — 19°,4 Temp. nur 328°,8, bei — 40°,5 Temp. gar nur 314 m Geſchwindigkeit. Capitän Parry bemerkte auf ſeiner dritten Reiſe nach dem Nordpol, mit den Schiffen Hecla und Fury (1824 und 1825), wie bei heftiger Kälte über einer einförmigen Eisfläche, die keine Luftſtröme ungleicher Dichtigkeit veranlaßt, der Schall ſich in ſehr großen Entfernungen auf eine außerordentliche Weiſe fortpflanzte. In Port Bowen hatte Lieutenant Foſter von ſeinem Obſervatorium aus einen Matroſen auf die entgegengeſezte Seite des Hafens geſchickt, um ein Meridianſignal aufzuſtellen. Da nun die wohlgemeſſene Entfernung 6696 engliſche Fuß betrug, ſo ſtellte er, um dieſem erſten Matroſen Befehle durch Zurufen zu ertheilen, einen zweiten auf die Hälfte des Wegs, damit dieſer das Geſprochene wiederholte. Nach dem erſten Verſuch fand ſich, daß die Zwiſchenperſon (der Wiederholer) völlig unnöthig war. Capitän Foſter konnte ſich mit dem erſten Matroſen in 6696 engliſche Fuß Entfernung bequem unterhalten. Die Kälte war 18° Fahr. (— 7°,5 Cent.), der Luftdruck 3014 engl Zoll. Bei zunehmendem Luftdruck und zunehmender Kälte nahm in Port Bowen die Geſchwindigkeit des Schalls auf merkwürdige Weiſe ab. Sie wurde bei einem Barometerdruck von 30,118 engl. Zollen und + 33°,5 Fahr. (+ 0°,7 C.) 1098 Fuß (334 m ,65), bei 30,398 Zoll und — 38°,5 Fahr. (— 39°,5 C.) 1014 Fuß (309 m ,04) gefunden. Nach der Analogie anderer Verſuche iſt hier der wirkſamere Einfluß nicht der veränderte Luftdruck, ſondern die Erniedrigung der Temperatur geweſen. Alleinige Veränderung des Luftdrucks ohne gleichzeitige Veränderung der Temperatur ſcheint kaum bemerkbar auf die Geſchwindigkeit des Schalls zu wirken. Dieſe nahm auf Franklins merkwürdiger Reiſe in Kendalls Verſuchen am Bärenſee mit der zunehmenden Kälte dergeſtalt ab, daß ſie bei — 2°½ Cent. 331 m ,2, bei — 40° Cent. aber nur 313 m ,9 betrug: ganz die Verſuche von Melville’s Inſel und Port Bowen bekräftigend.