Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Originalzeilenfall ein/aus
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „Ueber die nächtliche Verstärkung des Schalls“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1820-Sur_l_accroissement-13-neu> [abgerufen am 25.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1820-Sur_l_accroissement-13-neu
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Ueber die nächtliche Verstärkung des Schalls
Jahr 1854
Ort Stuttgart; Tübingen
Nachweis
in: Morgenblatt für gebildete Leser 2 (8. Januar 1854), S. [25]–32.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.2
Dateiname: 1820-Sur_l_accroissement-13-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 8
Spaltenanzahl: 16
Zeichenanzahl: 39359

Weitere Fassungen
Sur l’Accroissement nocturne de l’intensité du son. (Mémoire lu à l’Academie des Sciences le 13 mars 1820) (Paris, 1820, Französisch)
[Sur l’Accroissement nocturne de l’intensité du son. (Mémoire lu à l’Academie des Sciences le 13 mars 1820)] (Stuttgart; Tübingen, 1820, Deutsch)
A. v. Humboldt, über die Zunahme des Schalls während der Nacht (Jena; Leipzig, 1820, Deutsch)
Ueber die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. (Eine Vorles. gehalt. am 13. März 1820 in d. Akad. d. Wiss. in Paris) (Leipzig, 1820, Deutsch)
On the Nocturnal Increase in the Intensity of Sound (London, 1821, Englisch)
Comparative intensity of sounds (London, 1821, Englisch)
Nocturnal Increase of Sounds (London, 1821, Englisch)
Nocturnal increase of sounds (London, 1821, Englisch)
Nocturnal increase of sounds (Philadelphia, Pennsylvania; New York City, New York, 1821, Englisch)
Sur l’Accroissement nocturne de l’intensité du Son (Paris, 1821, Französisch)
Nocturnal increase of Sounds (London, 1822, Englisch)
Over de meerdere sterkte die het geluid by nacht dan bij dag heeft (Amsterdam, 1823, Niederländisch)
Ueber die nächtliche Verstärkung des Schalls (Stuttgart; Tübingen, 1854, Deutsch)
|25|

Ueber die nächtliche Verſtärkung des Schalls.Von Alexander v. Humboldt.

|Spaltenumbruch| Während Alexander von Humboldt, zur Freude undzum Vortheil aller Gebildeten, unermüdlich das großeWerk des Kosmos fördert, verpflichtet er ſich die wiſſen-ſchaftliche Welt durch die Herausgabe einer Sammlungſeiner kleineren phyſikaliſchen und geognoſtiſchen Schriften,deren erſter Band ſo eben erſchienen iſt. * Eine ſolchegeiſtige Rüſtigkeit und Thatkraft eines Mannes, der vormehr als ſechzig Jahren wichtige Abhandlungen ſchriebund noch im vorigen Jahrhundert die große Reiſe antrat,die ſeinen Ruhm begründet, iſt erſtaunlich, und wohl ohneBeiſpiel in der Literatur. — Humboldts Arbeiten, welchedie phyſikaliſchen Wiſſenſchaften in den verſchiedenſten Rich-tungen bedeutend gefördert, ja oft der Forſchung die Wegegewieſen haben, ſind ſeit zwei Menſchenaltern in Zeit-ſchriften oder in koſtbaren, wenig zugänglichen Werkenzerſtreut. Eine Zuſammenſtellung derſelben wäre unterallen Umſtänden ein ſehr dankenswerthes, wichtiges Un-ternehmen geweſen; dieſelbe erhält aber einen ganz be-ſondern Werth dadurch, daß es dem großen Naturforſchervergönnt iſt, dieſes Geſchäft ſelbſt zu übernehmen und dieSchriften in einer Weiſe zu redigiren, wie es keinem an- |Spaltenumbruch| dern weder zuſtand noch möglich war. Wo es zweckmäßigſchien, ſind von ihm die älteren Arbeiten durch abgeſonderteNachträge dem jetzigen erweiterten Wiſſen, wie den neuerenSprachformen angeeignet worden. Von einer Umarbeitungnach den jetzigen wiſſenſchaftlichen Stand- und Geſichtspunktenkonnte und durfte keine Rede ſeyn; die Schriften mußtennothwendig in ihrer urſprünglichen Geſtalt wiedergegebenwerden. Was der Verfaſſer kaum andeutet, das darf hierausgeſprochen werden: dieſe Unterſuchungen über die Vul-kane der Neuen Welt, über die Vertheilung der Wärmeauf dem Erdboden, über die Zuſammenſetzung der atmo-ſphäriſchen Luft, über die mittlere Höhe der Continenteſind, ſo wie ſie ſind, für die Geſchichte der Wiſſenſchaftenvon der größten Bedeutung, und je weitere Wege dieForſchung ſeitdem zurückgelegt hat, deſto anziehender undbelehrender iſt der Rückblick auf die bahnbrechenden Ge-danken und Beobachtungen, die Humboldt zu dem Ruhmerhoben haben, an dem das ganze deutſche Volk theil-nehmen darf. Wir heben aus dem reichen Material des vorliegen-den erſten Bandes eine Abhandlung aus, welche einenauch für ein größeres Publikum anziehenden Gegenſtandin leicht faßlicher Weiſe behandelt. Dieſelbe wurde imJahr 1820 in der Akademie der Wiſſenſchaften zu Parisgeleſen; die Zuſätze ſind ganz neu.

* Kleinere Schriften von Alexander v. Humboldt. ErſterBand. Geognoſtiſche und phyſikaliſche Erinnerungen. Mit einemAtlas, enthaltend Umriſſe von Vulkanen aus den Cordilleren vonQuito und Mexico. J. G. Cotta’ſcher Verlag. 1853.
|26| |Spaltenumbruch| Die Verſtärkung des Schalls während der Nachtgehört zu den Problemen, deren Löſung ſich nicht inden Werken der Phyſik findet. Ich werde verſucheneine Löſung zu geben, die abgeleitet iſt aus den neue-ſten Forſchungen über die Theorie der Schallwellen; aber ehe ich von den Urſachen des Phänomens rede,will ich hier die Beziehungen anführen, unter denenich es betrachte. Man hat ſeit dem höchſten Alterthum beobachtet,daß die Stärke des Schalls während der Nacht zunimmt.Ariſtoteles hat davon geſprochen in ſeinen Problemen, * Plutarch in ſeinen Dialogen. ** Wir betrachten hiernur die Zunahme der Stärke bei ruhiger Luft; es iſtnicht die Rede von der Zunahme, welche durch eineVeränderung des Windes während der Nacht erzeugtund welche durch die Beziehung modificirt wird, diezwiſchen der Richtung des Windes und der Richtungdes Schallſtrahles obwaltet. Unter derſelben Zone,z. B. zwiſchen den Tropen, hat mir die nächtliche Zu-nahme der Intenſität in den Ebenen größer geſchienenals auf dem Rücken der Andes, in neun- oder zwölf-tauſend Fuß Höhe über dem Niveau des Oceans; ſieiſt mir auch bedeutender erſchienen in den niedrigenGegenden, in der Mitte der Continente, als auf hoherSee. Dieſe Schätzungen gründen ſich auf das Getöſezweier Vulkane, des Guacamayo und des Cotopaxi,welche ich Gelegenheit gehabt habe Tag und Nacht zuhören: den einen auf einem Plateau, zwiſchen derStadt Quito und der Meierei von Chillo, den andernin der Südſee, zehn Lieues weſtlich von der peruani-ſchen Küſte. Das Gebrüll (bramidos) der Vulkane derCordilleren wiederholt ſich gewöhnlich mit großer Gleich-förmigkeit von fünf zu fünf Minuten. Es iſt nicht vonſichtbaren Auswürfen über den Rand des Kraters be-gleitet und gleicht bald dem fernrollenden Donner, balddem wiederholten Dröhnen des ſchweren Geſchützes. Anden Orten, wo die Erde bei einem Waſſerfall ſich mitSchnee bedeckt, würde es intereſſant ſeyn zu unterſuchen,ob die nächtliche Zunahme des Schalls nicht minder be-merkbar während des Winters wäre als im Sommer,wo der Boden am Tag durch die Sonnenſtrahlen ſtarkerhizt wird. Wenn man das Getöſe der großen Cataracten desOrinoco in der Ebene, welche die Miſſion Atures um-gibt, auf mehr als eine Meile Entfernung hört, ſoglaubt man an einer mit Felſen und Brandungen be-ſezten Küſte zu ſeyn. Das Getöſe iſt bei Nacht drei-mal ſtärker als bei Tag und gibt dieſer einſamen Oert-lichkeit einen unausſprechlichen Reiz. Was kann dieUrſache dieſer Vermehrung der Intenſität ſeyn in einerEinöde, wo nichts das Schweigen der Natur zu unter-brechen ſcheint? Die Schnelligkeit der Fortpflanzung des |Spaltenumbruch| Schalls nimmt, ſtatt ſich zu vermehren, mit dem Sinkender Temperatur ab. Die Intenſität vermindert ſichbei einer Luft, die durch einen der Richtung des Schallsentgegengeſezten Wind bewegt wird; ſie wird auch ver-mindert durch die Ausdehnung der Luft: ſie iſt ſchwä-cher in den hohen Gegenden des Luftkreiſes als in denniederen, wo die Moleculen erſchütterter Luft auf glei-chem Radius mehr Dichtigkeit und weniger Elaſticitäthaben. Die Intenſität iſt dieſelbe in trockener Luft undin einer mit Dünſten gemiſchten; aber ſie iſt ſchwächerin kohlenſaurem Gas als in Gemiſchen von Stickſtoffund Sauerſtoff. Dieſen Thatſachen zufolge, den ein-zigen, welche wir mit einiger Gewißheit kennen, iſt esſchwer, eine Erſcheinung zu erklären, die man bei je-dem Waſſerfall in Europa beobachtet und die lange vormeiner Ankunft in dem Dorfe Atures dem Miſſionarund den Indianern aufgefallen war. Die nächtlicheTemperatur der Atmoſphäre iſt dort nur um 3° ge-ringer als die Tagestemperatur; zugleich mehrt ſich beiNacht die ſichtbare Dunſtmenge, und der die Cataractenbedeckende Nebel wird dichter. Wir haben geſehen, daßder hygroſcopiſche Zuſtand der Luft durchaus keinenEinfluß auf die Fortpflanzung des Schalls ausübtund daß die Erkaltung der Luft ſeine Schnelligkeit ver-mindert. Man könnte glauben, daß, ſelbſt an nicht vonMenſchen bewohnten Orten, das Summen der In-ſekten, der Geſang der Vögel, das Rauſchen der vonden leiſeſten Winden bewegten Blätter bei Tag einverwirrtes Geräuſch verurſachen, das wir um ſo weni-ger wahrnehmen, als es gleichförmig iſt und als unſerOhr beſtändig davon getroffen wird. Dieſes Geräuſchnun, ſo unmerklich es auch ſeyn mag, kann die In-tenſität eines ſtärkeren Geräuſches vermindern, und dieſeVerminderung kann aufhören, wenn während der Stilleder Nacht der Geſang der Vögel, das Geſumme derInſekten und die Einwirkung der Winde auf die Blätterunterbrochen ſind. Aber dieſe Cauſalbetrachtung, wennman ſelbſt ihre Richtigkeit zugibt, läßt ſich nicht aufdie Wälder des Orinoco anwenden, wo die Luft be-ſtändig von einer Unzahl von Moskiten erfüllt, wo dasGeſumme der Inſekten weit ſtärker bei Nacht als beiTag iſt, und wo der Wind, wenn er anders bemerkbarwird, nur nach dem Untergang der Sonne weht. Ich glaube vielmehr, daß die Gegenwart der Sonneauf die Fortpflanzung und die Stärke des Schalls ein-wirkt: durch die Hinderniſſe, welche ihr die aufſteigen-den Luftſtröme von verſchiedener Dichtigkeit, die par-tiellen Wellenſchwingungen der Atmoſphäre, verurſachtdurch die ungleiche Erwärmung der verſchiedenen Theiledes Bodens, entgegenſetzen. Bei ſtiller Luft, möge ſietrocken oder mit gleichmäßig vertheilten, blaſenförmigenDünſten vermiſcht ſeyn, pflanzt ſich die Schallwelle ohneSchwierigkeit fort. Wenn aber dieſe Luft in allenRichtungen von kleinen Strömungen wärmerer Luft
* Ariſtot. Probl. sect. XI. quaest 5 und 33.** Plut. Symposiac. lib. VIII. cap. 3.
|27| |Spaltenumbruch| durchzogen wird, ſo theilt ſich da, wo die Dichtigkeitdes Mittels plötzlich ſich ändert, die Schallwelle inzwei Wellen; es bilden ſich partielle Reflexe und Wie-derhalle (Echos), die den Schall ſchwächen, weil eineder Wellen zu ſich ſelbſt zurückkehrt. Es entſteht einejener Theilungen der Wellen, deren Theorie Poiſſonvor kurzem mit dem alle ſeine Arbeiten bezeichnendenScharfſinn entwickelt hat. Es iſt alſo nicht die Trans-lationsbewegung der Lufttheilchen von unten nach obenin dem aufſteigenden Luftſtrom, es ſind nicht die klei-nen Strömungen in ſchräger Richtung, die wir als ſichdurch einen Stoß der Fortpflanzung der Schallwellenwiderſetzend betrachten. Jeglicher der Oberfläche einerFlüſſigkeit beigebrachter Stoß wird um das Erſchütte-rungscentrum Kreiſe bilden, ſelbſt dann, wenn dieFlüſſigkeit bewegt iſt. Mehrere Arten von Wellen kön-nen ſich in der Luft wie im Waſſer durchkreuzen, ohneeinander in ihrer Fortpflanzung zu ſtören; kleine Be-wegungen legen ſich verſtärkend über einander, unddie wahre Urſache der geringeren Stärke des Schallswährend des Tags ſcheint hauptſächlich der Mangel anGleichartigkeit in dem elaſtiſchen Mittel zu ſeyn. Estritt plötzlich Unterbrechung der Dichtigkeit überall ein,wo ſchmale Luftſtröme von hoher Temperatur auf un-gleich erwärmten Theilen des Bodens emporſteigen. DieSchallwellen theilen ſich, wie die Lichtſtrahlen ſich bre-chen und überall, wo Luftſchichten von ungleicher Dich-tigkeit an einander angrenzen, Luftſpiegelung bil-den. Man muß wohl unterſcheiden zwiſchen den In-tenſitäten des Schalls oder Lichts und den Richtungender Schall- oder Lichtwelle. Wenn dieſe Wellenſich durch Schichten von verſchiedenen Dichtigkeitenfortpflanzen, werden zwei Wirkungen gleichzeitig hervor-gebracht: es wird eine Veränderung in der Richtungder Fortpflanzung und Schwächung des Lichts undSchalls eintreten. Der Reflex, welcher jede Brechungbegleitet, vermindert die Intenſität des Lichts; dieTheilung der Schallwelle verurſacht partielle Wieder-halle: und der Theil der Welle, welcher da, wo dieDichtigkeit des Fluidums ſich plötzlich ändert, in ſichſelbſt zurückkehrt, wird bei ſehr ſchwachen Geräuſchenfür unſer Ohr unbemerkbar.
Bei der Luftſpiegelung mit doppelten Bildern iſtdas Bild, welches die Brechung gegen den Boden hinerfahren hat, beſtändig ſchwächer als das direkt geſeheneBild. Schichten von Flüſſigkeiten ſehr verſchiedenerDichte können allerdings in der Weiſe abwechſeln, daßdie urſprünglichen Richtungen des Licht- und Schall-ſtrahls dieſelben bleiben; aber die Stärke des Lichtsund Schalls wird darum nicht weniger geſchwächt ſeyn.Während der Nacht erkaltet die Oberfläche des Bodens;die mit Raſen oder Sand bedeckten Theile nehmen einegleichmäßige Temperatur an; die Atmoſphäre wird nichtmehr durchkreuzt von jenen feinen Strömungen warmerLuft, die ſich ſenkrecht oder ſchräg in allen Richtungen |Spaltenumbruch| erheben. In einem gleichförmiger gewordenen Fluidumpflanzt ſich die Schallwelle mit geringerer Schwierigkeitfort, und die Stärke des Schalls wächst, weil dieTheilungen der Wellen und die partiellen Wiederhalleſeltener werden. Um eine genaue Vorſtellung von der Urſache dieſerStröme warmer Luft zu geben, die bei Tage auf einemungleich erwärmten Boden aufſteigen, will ich einigeBeobachtungen berichten, welche ich unter den Wende-kreiſen angeſtellt habe. In den Llanos oder Steppenvon Venezuela habe ich Nachmittags den Sand um2 Uhr zu 52°,5 Cent., manchmal ſogar zu 60° gefun-den. Die Temperatur der Luft im Schatten einesBombax war 36°,2, in der Sonne aber bei 18 ZollHöhe über dem Boden 42°,8. Bei Nacht hatte derSand nur noch 28°, er hatte alſo über 24° verloren. Beiden Waſſerfällen des Orinoco wurde die mit Grami-neen bedeckte Erde bei Tage nur auf 30° erwärmt,während die Luft 26° zeigte; aber die nackten Bänkevon Granitfels, welche ungeheure Strecken ausmachen,wurden zu gleicher Zeit bis auf 48° erhizt. Ich habeeine große Anzahl analoger Beobachtungen in der Ueber-ſicht von Meſſungen bekannt gemacht, die ich über dieLuftſpiegelung in Cumana zu derſelben Zeit angeſtellt,wo Wollaſton ſich in Europa im Experimentiren mitderſelben Erſcheinung beſchäftigte. Wenn die Urſache, die ich von der nächtlichen Zu-nahme des Schalls angebe, die wahre iſt, ſo muß manſich nicht verwundern, daß in der heißen Zone dieſeZunahme im Innern der Länder größer iſt als aufhoher See, in den Ebenen größer als auf dem Rückender Cordilleren. Die Oberfläche der Aequatorialmeerewird einförmig und ſelten über 29° erwärmt, währenddie Oberfläche der Continente, ungleich gefärbt, undaus Stoffen zuſammengeſezt, die verſchiedenartig ſtrahlen,dem Aequator nahe Temperaturgrade erhält, welche von30° bis 52° variiren. Unter den Wendekreiſen bleibtdie Erde gewöhnlich die Nacht hindurch wärmer als dieLuft; in der gemäßigten Zone wird der Boden in ſtillenund heiteren Nächten oft 4° bis 5° kälter als die Luft.Die Temperatur, ſtatt ſich zu mindern in dem Maße,als man ſich vom Boden entfernt, bietet in Europabei Nacht eine wachſende Progreſſion bis zur Höhe von50—60 Fuß dar. Man muß ſich daher nicht ver-wundern, daß die terreſtriſchen Strahlenbrechungen unterder gemäßigten Zone bei Nacht bisweilen faſt eben ſobedeutend ſind als bei Tage. Es werden beſtändig Luft-ſchichten von verſchiedner Dichtigkeit da ſeyn, welchehorizontal auf einander ruhen; aber die feinen Strömevon warmer Luft, die in ſchräger Richtung den Luft-kreis durchſchneiden, ſind bei Nacht ſeltener als beiTage. Auf 9000 Fuß Höhe beträgt in dem unter demAequator liegenden Theile der Anden die mittlere Tem-peratur der Luft nur 14°; und die Kraft der Aus-ſtrahlung gegen einen wolkenloſen Himmel, durch eine |28| |Spaltenumbruch| ſehr trockene und reine Luft, hindert den Boden ſichwährend des Tages beträchtlich zu erhitzen. Ich willnicht weiter bei dieſen Lokalverhältniſſen ſtehen bleiben;es reicht hin, daß wir im allgemeinen von der Theorieder Schallwellen und ihrer Theilungen die nächtlicheVerſtärkung des Schalls abgeleitet haben. Die ganzeErſcheinung beruht auf dem Mangel an Gleichartigkeitin den ſenkrechten Säulen des Luftkreiſes. Indem ich dieſe Ideen ausſpreche, könnte ich michauf die Autorität eines Philoſophen ſtützen, den diePhyſiker immer noch mit Gleichgültigkeit behandeln, ob-gleich die ausgezeichnetſten Zoologen ſeit langer Zeitdem Scharfſinn vieler ſeiner Beobachtungen eine glän-zende Gerechtigkeit haben widerfahren laſſen. „Warum,“ſagt Ariſtoteles in dem merkwürdigen Buche der Probleme (Probl. XI, 33), das wohl als Compila-tion ſeiner Meinungen zu betrachten iſt, „warum läßtſich der Schall beſſer bei Nacht hören? Es kommt nachAnaxagoras daher, weil bei Tage die von der Sonneerwärmte Luft ziſcht und rauſcht, ſie aber bei Nacht inRuhe iſt wegen des fehlenden Wärmeſtoffs.“ Dieſe Ab-weſenheit macht alles ruhiger und gemeſſener; denn dieSonne iſt das Princip aller Bewegung. Ariſtoteles hateine unbeſtimmte Ahndung von der Urſache des Phä-nomens; aber er ſchreibt der Bewegung der Atmoſphäre,dem Stoße zu, was nur den ſchnellen Wechſeln derDichtigkeit in den angrenzenden Luftwellen angehört.Weder Ariſtoxenus aus Tarent in ſeinem Buche vonder Muſik, noch Seneca in den Quaestiones natu-rales, noch der ſpäte Theophylactus Simocatta habenverſucht die nächtliche Verſtärkung des Schalls zu er-klären. Wenn man den unvollkommenen Zuſtand derPhyſik der Alten und ihre Unwiſſenheit in der experi-mentirenden Methode erwägt, ſo erſtaunt man um ſomehr über die Zahl richtiger und oftmals feiner Be-merkungen, welche die Werke des Philoſophen vonStagira enthalten über den Thau, über die Urſachender Luftſpiegelung, über die leitende Kraft der Metalleund der Aſche für die Wärme, über die Höhe derWolken, betrachtet als Wirkung der aufſteigenden Luft-ſtrömung u. ſ. w. Die Bergbewohner der Alpen wie die der Andeshalten eine außerordentliche Verſtärkung des Schallsin ſtillen Nächten für ein ſicheres Vorzeichen einer Wit-terungsveränderung. „Es wird regnen,“ ſagen ſie, „weilman das Rauſchen der Ströme näher vernimmt.“ Deluchat dieſe Erſcheinung durch einen Wechſel des barome-triſchen Luftdrucks, durch eine größere Zahl von Luft-bläschen zu erklären geſucht, welche an der Oberflächedes Waſſers platzen. Dieſe Erklärung iſt gezwungenund wenig befriedigend; ich will nicht verſuchen ſie durcheine andere Hypotheſe zu erſetzen, aber ich will an dieAnalogie erinnern, die zwiſchen den aus dem Wachſendes Schalls gezogenen meteorologiſchen Wahrzeichen undeinem andern obwaltet, das von einer geringeren |Spaltenumbruch| Schwächung des Lichtes hergenommen wird. Die Ge-birgsbewohner verkünden eine Wetterveränderung, wennbei ruhiger Luft ferne, mit ewigem Schnee bedeckteBerge plötzlich dem Beobachter genähert erſcheinen, ſodaß ihre Umriſſe ſich mit außerordentlicher Beſtimmt-heit von dem azurenen Himmelsgewölbe abheben. Wel-ches auch der Zuſtand der Atmoſphäre ſeyn möge, derdieſe Erſcheinungen verurſacht, ſo iſt es nichtsdeſtowe-niger merkwürdig, darin eine neue Analogie zwiſchenden Bewegungen der Schallwellen und denen der Lichtwellen zu erkennen.

Zuſätze aus dem Jahre 1853.

Die nächtliche Zunahme des Schalls iſt, nachmeinen Beobachtungen, größer in den Ebenen undniedrigen Gegenden als auf hohen Gebirgsplateaus,größer auf dem feſten Lande als auf dem Meere. Inden Ebenen iſt mir immer am auffallendſten geweſendie weite Entfernung, in der man in der Tropenweltbei Nacht die geſellig lebenden Heul- oder Brüllaffen(die bärtigen Araguatos) oder das Geräuſch der Waſſer-fälle vernimmt. Das Rauſchen der Waſſerfälle wiedas Getöſe einer Brandung wird, wie Deluc undTyndall bemerkten, hauptſächlich durch das Zerſpringender Luftblaſen im Waſſerſtrahl erzeugt. Die Schwä-chung des Schalls auf dem Meere, wenn derſelbe aufdieſem ſelbſt erregt wird, kann nicht, wie auf demContinent, durch lokale Verſchiedenheit der Erwärmungder Oberfläche verurſacht werden. Die Oberfläche desMeeres hat oft, nach meinen Beobachtungen, auf meh-rere Hunderte von Quadratmeilen zwiſchen den Wende-kreiſen bis auf 0°,3 dieſelbe gleichmäßige Temperatur.Differenzen der Dichtigkeiten von aufſteigenden Luft-ſäulen verſchiedener Temperatur, in denen die Schall-ſtrahlen oder Schallwellen ſich brechen, ſind hier nichtanzunehmen. Der ſchwächere Schall des Geſchützes aufder offenen See iſt alſo wohl nur dem Mangel vonElaſticität des flüſſigen Bodens zuzuſchreiben. DieWirkung wollener Decken in einem Concertſaale, oderdie Verminderung des Schalls, wenn Geſchütz am Randeeines Kornfeldes, das in vollen Halmen ſteht, aufge-ſtellt iſt, bieten lehrreiche Analogien dar. Wenn nach Derhams Beobachtung ein Schneefall, d. i. Schnee-flocken, die in der Luft ſchweben, die Intenſität desSchalls vermindern, ſo ſchreibe ich dieß allerdings einerBrechung der Schallwellen zu, wegen der verändertenDichtigkeiten, welche der Schallſtrahl auf ſeinem Wegedurch das mit Schneeflocken gefüllte Medium findet(ganz wie ein mit Champagnerwein gefülltes Glas,angeſchlagen, ſo lange nicht hell, ja nicht mehr wieHolz oder Horn, tönt, als Ströme von kohlenſauremGas die tropfbare Flüſſigkeit durchſetzen); wenn aberSchwächung des Schalls, ebenfalls nach Derhams |29| |Spaltenumbruch| Beobachtung, auch nach dem Schneefall bei weichem,friſch gefallenem Schnee nur ſo lange bemerkt wird,als die Schneeflur noch nicht mit einer glänzendenEisdecke überzogen iſt, ſo offenbart ſich hier wieder einPhänomen der Reſonanz der Bodenfläche. Wir vernah-men, Bonpland und ich, auf einem Schiffe im Februar1803 in der Südſee, bei einer Entfernung von mehrals 42 geographiſchen Meilen, den Donner und dasKrachen des Vulkans Cotopaxi während ſeines Aus-bruchs viel ſtärker bei Nacht als bei Tage. Die Urſachedieſer Erſcheinung darf wohl nur in dem Theile desWeges des Schallſtrahles geſucht werden, welcher auseiner Höhe von 17,700 Fuß bis zu dem Meeresuferherabkam: alſo in Luftſchichten, die auf dem Continentruhen. Im Hafen von Guayaquil, wo das Getöſedes Vulkans die Fenſter durch Erſchütterung klirrenmachte, obſchon bei 37 Meilen Entfernung, hörten wir,vor der Einſchiffung nach Acapulco, ebenfalls den Schalldreimal ſtärker nach Mitternacht als um Mittag. Dernächtliche Schall war alſo auf dem Meere nur deßhalbſo ſtark, weil er in der Luftſchicht ſenkrecht über demUfer bei Tage aus den in der Abhandlung angege-benen Urſachen geſchwächt, bei Nacht ungeſchwächterankam, und ſich in derſelben Intenſität weiter gegenWeſten bis zur Station des Schiffes fortpflanzte. Eine Reihe ſehr genauer, mit vieler Vorſicht an-geſtellter akuſtiſcher Verſuche über bewegte und unbe-wegte Luft beſitzen wir von dem ſcharfſinnigen La Roche aus dem Jahr 1813. Auf einem Gebiete, wo nochſo vieles unerklärt bleibt und wo, wie im Waſſer,mehrere Wellenſyſteme, trotz ihrer gegenſeitigen Stö-rungen, ſich gleichzeitig in demſelben Raume fortpflanzenkönnen, iſt es am wichtigſten, wohl beobachtete That-ſachen an einander zu reihen und keine aus Vorliebezu ſogenannten unumſtößlichen Theorien zu verwerfen.Nach den Verſuchen von La Roche und Dunal, indenen zwei gleiche Töne in der Linie eines ſtarkenLuftſtroms erregt und die Unterſchiede ihrer Intenſität ausder Entfernung geſchloſſen wurden, in welcher die gegenden Wind aufſteigende und die mit dem Wind herab-kommende Schallwelle für das Ohr genau von gleicherStärke ſchienen, war allerdings die Abnahme desSchalls geringer in der Richtung des Windes ſelbſtals in der, welche dieſer Richtung entgegengeſezt war;aber bei einer dem Schallſtrahl perpendikularen Rich-tung des Windes war die Intenſität ſelbſt größer, als wenn die Erſchütterung mit dem Winde kam, d. h.in der Richtung des Luftſtroms. Daß nicht, wie derVolksglaube es annimmt, der Wind die bewegte Schall-welle beſchleunigt oder gleichſam ſie mit ſich führt, lehrtdie geringe Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Windes,die ſelbſt bei ſehr beträchtlicher Stärke deſſelben nochfünfundzwanzigmal geringer als die Geſchwindigkeitdes Schalls iſt. Die Verſuche von La Roche undDunal haben aber auch gewiſſe Modifikationen des |Spaltenumbruch| Schalls offenbart, welche ganz unabhängig vonder Bewegung durch Wind waren. Bei ganzruhiger Luft wurden in gleicher Entfernung die größtenVerſchiedenheiten der Intenſität bemerkt; auch wennder Wind heftig und dabei gleichmäßig wehte und dieBeobachter den Schall in der Richtung des Luftſtromserhielten, war derſelbe intermittirend bald ſehr in-tenſiv, bald kaum hörbar. * Nach den erſten ſehr unvollkommenen Verſuchenüber die Geſchwindigkeit der Fortpflanzung des Schallsin der Ebene, von Merſenne, Gaſſendi und denMitgliedern der Academia del Cimento, ſah Caſſini de Thury (1738) zuerſt ein, als er ſeine Verſuche inder Umgegend von Paris bei Fontenay aux Roses an-ſtellte, daß ohne Wechſelſeitigkeit der gleichzei-tigen Erregung des Schalls in zwei einander gegen-über liegenden Stationen keine Genauigkeit zu erlangenwäre; denn das Maaß der Schallgeſchwindigkeit ſey„die halbe Summe der in jeder Station zwiſchen Blitz undKnall beobachteten Zeit.“ Da der Wind auf die beidenGeſchwindigkeiten den entgegengeſezten, beſchleunigendenoder verlangſamenden Effekt ausübt, ſo iſt das Reſultatſo beſchaffen, als wäre es bei ruhiger Luft erhalten.Dieſe Gleichzeitigkeit in der wechſelſeitigen Erre-gung des Schalls wurde aber erſt vollkommen in denVerſuchen einer Commiſſion des Bureau des Longitu-des im Sommer 1822 auf Aragos Vorſchlag erlangt;ſpäter, und zwar mit großer Genauigkeit (Sommer1823), von zwei holländiſchen Gelehrten, Moll undA. van Beek, in der Haide von Utrecht, wie in derSchweiz zwiſchen der Höhe des Faulhorns und demDorfe Tracht bei Brienz (Sommer 1844). Das Bureaudes Longitudes hatte Gay-Luſſac und mich einge-laden uns der Commiſſion, die aus Arago, Mathieu,Bouvard und Prony beſtand, anzuſchließen undTheil an den Beobachtungen zu nehmen. Die Statio-nen, wo das Geſchütz aufgeſtellt wurde, waren derHügel von Montlhéry, den ſchon Caſſini benuzt hatte,und die Ebene von Villejuif; Entfernung, trigonometriſchgemeſſen, 9549,6 Toiſen oder 18613 Meter. UnſereVerſuche vom 21. und 22. Juni 1822 haben für 10°des hunderttheiligen Thermometers eine Geſchwindigkeitdes Schalls von 337 ,2 (173t,01) in der Sekundegegeben. Die bei Utrecht angeſtellten Verſuche von Moll und A. van Beek geben, auf 0° Temperatur undtrockene Luft reducirt, 332 m ,05; die von Bravais und Martins auf dem Faulhorn (in einem verticalenHöhenunterſchied von 2078 Metern), reducirt wie die
* Die älteſten Florentiner Verſuche mit Kanonen, diein Livorno abgefeuert und in Porto Ferrajo auf der InſelElba, in fünfzehn geogr. Meilen Entfernung, gehört wur-den, haben das Reſultat gegeben, daß bei ganz ruhigerLuft der Schall intenſiver als bei bewegter war, ſelbſtwenn der Wind von Livorno her nach Elba wehte.
|30| |Spaltenumbruch| eben genannten, gaben 332 m ,37 in der Sekunde. Indieſen Verſuchen zeigte ſich, trotz der beträchtlichen Höhedes obern Standorts auf dem Faulhorn, die Geſchwin-digkeit des aufſteigenden Schalls genau gleich mitdem des niederſteigenden. Für die Intenſität undGrenze der Hörbarkeit des Schalls, die man nichtmit der Schnelligkeit verwechſeln muß, hat es mirnach Erfahrungen geſchienen, welche ich auf der hohenAndeskette einſammeln konnte, daß, wenn die Trägerunſerer Meßinſtrumente weit unter uns im Erklimmengroßer Anhöhen zurückblieben, der aufſteigende wärmereLuftſtrom außerordentlich die Hörbarkeit vermehrte. Wirverſtanden ihre Worte in großer Entfernung, wenn ſietief unter uns ſtanden. Beim Herabſteigen von derſteilen Silla de Caracas vernahmen wir in einer Höhevon mehr als fünf- oder ſechstauſend Fuß die aus demThale aufſteigenden Töne verſtimmter Guitarren, vondenen man in allen von Einwohnern ſpaniſcher Her-kunft eingenommenen Ländern verfolgt wird. MeinFreund Gay-Luſſac vernahm im Luftball in fünfzehn-oder ſiebzehntauſend Fuß ſenkrechter Höhe das Bellender Hunde, ja in Höhen, die er zu 7000 Fuß ſchäzte,ſelbſt den Geſang kleiner, ſich wenig über die Kornfel-der erhebender Vögel.
Die erſten recht genauen, auf numeriſche Angabengegründeten Reſultate über die Intenſität des Schallsund den Unterſchied dieſer Intenſität in den Tages- und Nachtſtunden verdanken wir zweien vortrefflichenBeobachtern, Martins und Bravais. Da ein Tondes Diapaſon’s, z. B. das einmal geſtrichene c, dasaus 512 Vibrationen in der Sekunde entſteht, in einemluftförmigen Medium von gleicher Dichte auch immerdieſelbe Intenſität hat, ſo gibt die Verſchiedenheit derEntfernung, in der man aufhört den Ton des Diapa-ſon’s zu vernehmen, bei ungleicher Dichtigkeit der Luft-ſchichten, ein ſicheres Maaß für die Intenſität. Ineiner Ebene bei dem Dorfe Saint-Chéron (Dep. deSeine et Oise) wurde der Ton des Diapaſon’s nichtmehr gehört in einer Entfernung von 254 Metern. DieRuhe der Luft war kaum bisweilen unterbrochen voneinem ſehr ſchwachen Südwinde, der aber in ſenkrech-ter Richtung die Linie durchſchnitt, welche das In-ſtrument von dem Hörenden trennte. Der Himmel bliebbedeckt und die Lufttemperatur war während der Ver-ſuche (1½ Uhr Nachmittags, den 22. Juni 1844) 24°Cent., Barom. 744 mm ,3. Die Verſuche wurden um Mit-ternacht wiederholt; und obgleich durch das Sumſen undSchwirren der Inſekten, das Fallen von kleinen Baum-zweigen und vieles Bellen der Hunde die Stille derNacht mehr als am Tage unterbrochen war, ſo konnteman ſich doch um 125 m weiter entfernen. Erſt in derEntfernung von 379 m war die Schallwelle nicht mehrvernehmbar (Therm. 17°, Barom. wieder 744 mm ,7).Während Caſſini de Thury aus ſeinen ungenauen Ver-uchen von 1738 die nächtliche Zunahme des Schalls |Spaltenumbruch| beſtimmt geläugnet hatte, war ſchon von Zanotti inden Denkſchriften der Akademie von Bologna dieſerZuwachs aus den alten Beobachtungen (1706) von Hauksbee geſchloſſen worden. Bei unſern Verſuchen am 21. und 22. Juni1822 war es ſehr auffallend, daß die vom Hügel vonMontlhéry, auf dem ich mich mit Gay-Luſſac und Bouvard befand, gethanen Schüſſe alle und voll-kommen in der Ebene von Villejuif gehört wurden,während daß die von Villejuif faſt gar nicht auf denniedrigen Hügel gelangten. Von der großen Menge,in Zwiſchenräumen von fünf Minuten in Villejuif ab-gefeuerter Kanonenſchüſſe wurden am erſten Tage nurſieben correſpondirend in beiden Stationen gehört undzur Meſſung benuzt; und doch wehte ein ſehr ſchwacherWind faſt genau in der Richtung der Linie, welche diebeiden Stationen verbindet, von Villejuif nach Montlhéry,d. i. von Nord-Nord-Weſt nach Süd-Süd-Oſt. Am zweiten Tage, an dem die Feuchtigkeit zuge-nommen hatte, wurde von zwölf zu Villejuif abgefeuer-ten Schüſſen auch nur ein einziger auf dem Hügel ge-hört. Veränderte Ladung oder Veränderung des Ele-vationswinkels des Rohrs vermehrten keineswegs dieHörbarkeit und Fortpflanzung des Schalls. Was denSchallwellen auf einem Wege in der Richtung aus derEbene nach dem Hügel hinderlich war und dagegen ihre un-geſchwächte Fortpflanzung in derſelben Richtung abwärtsvom Hügel von Montlhéry in die Ebene begünſtigte,ob die in Halmen ſtehenden Kornfelder, an deren Randbei Villejuif das Geſchütz aufgepflanzt war, die Schallwellennahe bei ihrem Urſprung brachen, bleibt unentſchieden.Es iſt beſonders zu bemerken, daß man gerade da nichthörte, wo der von NNW, d. i. von Villejuif, wehendeWind den Schall bringen ſollte. »Nous ne cher-cherons pas à expliquer,« ſagt Arago, »ces causesde la différence si remarquable d’intensité dans la pro-pagation du son, parce que nous ne pourrions offrirque des conjectures dénuées de preuves.« Das Pro-blem der Intenſität (Stärke) des fortgepflanzten Schallsſcheint noch verwickelter als das der Geſchwindig-keit.Alle Schüſſe, die bei unſern Verſuchen aufdem Hügel von Montlhéry abgefeuert wurden, warenvon einem Donner (roulement semblable au tonnerre) begleitet, der 20 bis 25 Sekunden dauerte. Kein don-nerartiger Nachhall wurde in Villejuif bemerkt. Wennzweimal der Nachhall in der Ebene ſtatt fand, ſo wares, wenn an dem, vorher ganz heitern Himmelsge-wölbe ſich plötzlich einige Wolken gebildet hatten —:eine Erſcheinung (ſagt Arago), welche die Erklärungbegünſtigen könnte, welche einige Phyſiker von dem imGewitter auf den Blitz folgenden Rollen des Donnersgegeben haben.“ Waſſerdampf, der Luft beigemengt,kann nach Laplace’s ſcharfſinniger Bemerkung, wenndie Feuchtigkeit dem Sättigungspunkte nahe iſt, wiedie Wärme, und zwar durch Entbindung derſelben beim |31| |Spaltenumbruch| Niederſchlagen und Tropfbarwerden des Dampfes, zurVermehrung der Geſchwindigkeit des Schalles beitragen. Die Erſcheinungen, welche ſowohl die Geſchwin-digkeit als die Intenſität des Schalls in ſehr dünnen Schichten der oberen Atmoſphäre dar-bieten, ſind ebenfalls wieder der Gegenſtand ſchönerund ſehr gründlicher Unterſuchungen von Bravais und Martins geworden. Es iſt ihnen geglückt, beiihrer kühnen Beſteigung des Gipfels des Montblancund einem mehrtägigen Aufenthalte in dem Circus (Grand Plateau) dicht unter dem Gipfel Diapaſonver-ſuche in Höhen von 4811 und 3930 Metern über demMeere anzuſtellen. Schon La Condamine hatte ausden Entfernungen, in denen er und Don Jorge JuanKanonenſchüſſe gehört, geſchloſſen, daß unter demAequator in Gebirgsebenen, welche drei- bis viertau-ſend Meter hoch liegen, die Intenſität des Schalls,nach der äußerſten Grenze der Vernehmbarkeit gemeſſen,nur ⅔ von der Intenſität in der Ebene von Parisſey. Dieſe Erfahrungen ſtimmten keineswegs mit denalten Verſuchen von Hauksbee über Glockenſchall inRecipienten, mit mehr oder weniger verdünnter Lufterfüllt, überein. Sauſſure und einige andere Be-ſteiger des Montblanc haben die Meinung verbreitet,daß in den Luftregionen, die ſie erreicht, ſchon bei ſehrgeringen Entfernungen die Rede des Menſchen auf dieauffallendſte Weiſe geſchwächt ſey. Von dieſer Schwä-chung haben wir, Bonpland, Carlos Montufar undich, während eines dreijährigen Aufenthalts zwiſchenden Vulkanen von Popayan, Quito, Peru und Mexiconie etwas bemerkt, ob wir uns gleich ſo oft in vielgrößerer Höhe als der Gipfel des Montblanc, ja einigemale in ſiebzehn- und achtzehntauſend Fuß Höhe be-fanden. Wir hörten einer des andern Stimme in demgewöhnlichen Geſpräche, oder uns aus der Ferne zu-rufend, ganz wie am Meeresufer; aber freilich lebtenwir vorher ſeit vielen Monaten auf Höhen von ſieben-bis neuntauſend Fuß. Ich wäre wohl geneigt der von Bravais geäußerten Vermuthung beizupflichten, daßbei den ſchnellen Reiſen von Chamouni nach dem Gipfeldes Montblanc oft das Gehörorgan und nicht die In-tenſität der Töne geſchwächt iſt. Bravais und Martins haben auf dem GrandPlateau des Montblanc, nur 900 m unter dem höchſtenGipfel, in einem mit Schnee bedeckten Circus, beiganz heiterem Himmel und ruhiger Luft (31. Auguſt1844; Bar. 477 mm ,88; Temper. — 3°,5; Tenſion desWaſſerdampfes 0 mm ,06) das Diapaſon tönen laſſen. DieGrenze der Hörbarkeit war dort eine Entfernung von337 m , während früher Bravais und Lepileur inder Ebene bei dem Dorfe Saint-Chéron bei Tage254 m , bei Nacht 379 m gefunden hatten. Auf dem Faul-horn, in einer Höhe von 2620 m (1. Oktober 1844;Bar. 558 mm ; Temp. 7°,2; Tenſion des Dampfes mm ,62), fand ſich die Grenze der Hörbarkeit ſogar |Spaltenumbruch| erſt in einer Entfernung von 550 m . Dieſe Zahlen wür-den, wenn man ſie auf die Temperatur von 0° undden Druck von 760 mm reducirt, für die Ebene vonSt. Chéron bei Tage 268 m , bei Nacht 394 m , fürdas Faulhorn 650 m , für das Plateau des Montblanc422 m geben. Was iſt es, das der Hörbarkeit ſo vielweitere Grenzen ſezt auf Höhen von ſieben- und zwölf-tauſend Fuß über dem Meere als in der Ebene? undwenn, wie Bravais vermuthet, die Urſache der Er-ſcheinung in der größeren Stille der hohen Bergluft,in der Abweſenheit alles zufälligen Geräuſches, in derSchwäche oder vielmehr Abweſenheit aller Vegetation,in dem Mangel von thieriſchem Leben zu ſuchen ſeynſoll, warum iſt auf dem Plateau des Montblanc, das5000 Fuß höher als das Faulhorn liegt, die Grenzeder Hörbarkeit im Verhältniß von 3:2 geringer alsauf jenem ſchweizer Gebirge? Der Schall ſcheint aller-dings in derſelben Höhe über dem Meere, be-ſonders in der Ebene, ſtärker bei hohem als bei niedri-gem Barometerſtande, ſtärker bei kalter, heiterer, dunſt-freier Luft; aber die neuen direkten Verſuche über die Grenze der Hörbarkeit auf hohen Bergen ſind denfrüheren Ausſprüchen der Phyſiker, daß die Dichtigkeitder Luft in dem Einfluß, den ſie auf die Fortpflanzungdes Schalls ausübt, mit ihrer Verminderung auch dieGeſchwindigkeit des Schalls vermindere und die Inten-ſität deſſelben ſchwäche, ſehr ungünſtig. Wie übermäßigdagegen die Grenzen der Hörbarkeit erweitert und dieFortpflanzung des Schalls befördert werden, wenn eineLuftſäule in feſte Wandungen eingeſchloſſen iſt, lehrenmeine Erfahrungen in den Schächten und Strecken derBergwerke und in tiefen Brunnen, oder, nach Biots ſchönen Verſuchen, in Röhren von 3000 Fuß Länge,durch welche Worte, ſo leiſe geſprochen, als wenn manin’s Ohr flüſtern wollte, ungeſchwächt an das entge-gengeſezte Ende gelangten. Die Vergleichung der Schallverſuche, welche LaCondamine 1740 auf dem Hochlande von Quito und,vier Jahre ſpäter, nach ſeiner Reiſe auf dem Amazo-nenſtrome in Cayenne anſtellte, hatte den thätigen undſcharfſinnigen Mann auf den Einfluß, welchen die er-höhte Temperatur auf die Fortpflanzungsgeſchwindigkeitdes Schalls ausübt, aufmerkſam gemacht. Er begnügtſich aber, in ſein Reiſejournal die numeriſchen Reſul-tate der Geſchwindigkeit, ohne Angabe und Diskuſſionder Thermometergrade, einzutragen. La Condamine und Bouguer hatten in Quinche bei Oyambaro, nahebei der Baſis der berühmten Gradmeſſung, die Ge-ſchwindigkeit des Schalls 175 Toiſen (341 m ) in derSekunde gefunden: zwei Toiſen größer als Caſſini deThury bei Paris. Die Temperatur wird von Caſſinizu 5° bis 7°½ angegeben; die, welche während derVerſuche von Quinche in einer Höhe von acht- bisneuntauſend Fuß mag geherrſcht haben, iſt nach Be-obachtungen, die ich in der Umgegend angeſtellt, |32| |Spaltenumbruch| höchſtens nur zwiſchen 10° und 12° anzunehmen. Die Ent-fernung des in Quito aufgeſtellten Geſchützes vonQuinche betrug 10540 Toiſen. In dem ebenen Theileder heißen Zone, in Cayenne, war die Länge desSchallwegs von den Couronbergen herab volle 20230Toiſen. Die Geſchwindigkeit des Schalls wurde 183Toiſen (356 m ,6) gefunden: alſo in Vergleich mitQuinche eine Zunahme der Schallgeſchwindigkeit von8 Toiſen oder 15,6 Metern bei einer Luftwärme, dieman nicht unter 23° oder 25° ſchätzen kann. Die berühmten Polarreiſen der engliſchen See-fahrer haben viel Gelegenheit dargeboten La Conda-mine’s amerikaniſche und Bianconi’s venetianiſcheVerſuche von 1740 (das Reſultat der mit der Tem-peratur zunehmenden Geſchwindigkeit des Schalls) zubekräftigen. Cap. Parry fand auf der zweiten Expe-dition während ſeines Winteraufenthalts in Melville’sInſel, durch freilich nur ſehr mäßig lange Standlinien,bei — 2°,6 Temp. (hunderttheil. Therm.) 338 m , bei— 19°,4 Temp. nur 328°,8, bei — 40°,5 Temp. garnur 314 m Geſchwindigkeit. Capitän Parry bemerkte auf ſeiner dritten Reiſenach dem Nordpol, mit den Schiffen Hecla und Fury(1824 und 1825), wie bei heftiger Kälte über einereinförmigen Eisfläche, die keine Luftſtröme ungleicherDichtigkeit veranlaßt, der Schall ſich in ſehr großenEntfernungen auf eine außerordentliche Weiſe fort-pflanzte. In Port Bowen hatte Lieutenant Foſter von ſeinem Obſervatorium aus einen Matroſen auf die |Spaltenumbruch| entgegengeſezte Seite des Hafens geſchickt, um einMeridianſignal aufzuſtellen. Da nun die wohlgemeſſeneEntfernung 6696 engliſche Fuß betrug, ſo ſtellte er,um dieſem erſten Matroſen Befehle durch Zurufen zuertheilen, einen zweiten auf die Hälfte des Wegs, da-mit dieſer das Geſprochene wiederholte. Nach dem er-ſten Verſuch fand ſich, daß die Zwiſchenperſon (derWiederholer) völlig unnöthig war. Capitän Foſterkonnte ſich mit dem erſten Matroſen in 6696 engliſcheFuß Entfernung bequem unterhalten. Die Kälte war18° Fahr. (— 7°,5 Cent.), der Luftdruck 30 14 englZoll. Bei zunehmendem Luftdruck und zunehmenderKälte nahm in Port Bowen die Geſchwindigkeit desSchalls auf merkwürdige Weiſe ab. Sie wurde beieinem Barometerdruck von 30,118 engl. Zollen und+ 33°,5 Fahr. (+ 0°,7 C.) 1098 Fuß (334 m ,65),bei 30,398 Zoll und — 38°,5 Fahr. (— 39°,5 C.)1014 Fuß (309 m ,04) gefunden. Nach der Analogieanderer Verſuche iſt hier der wirkſamere Einfluß nichtder veränderte Luftdruck, ſondern die Erniedrigung derTemperatur geweſen. Alleinige Veränderung des Luft-drucks ohne gleichzeitige Veränderung der Temperaturſcheint kaum bemerkbar auf die Geſchwindigkeit desSchalls zu wirken. Dieſe nahm auf Franklins merk-würdiger Reiſe in Kendalls Verſuchen am Bärenſee mitder zunehmenden Kälte dergeſtalt ab, daß ſie bei —2°½ Cent. 331 m ,2, bei — 40° Cent. aber nur 313 m ,9betrug: ganz die Verſuche von Melville’s Inſel undPort Bowen bekräftigend.