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Alexander von Humboldt: „Ueber die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. (Eine Vorles. gehalt. am 13. März 1820 in d. Akad. d. Wiss. in Paris)“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1820-Sur_l_accroissement-04> [abgerufen am 19.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1820-Sur_l_accroissement-04
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Titel Ueber die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. (Eine Vorles. gehalt. am 13. März 1820 in d. Akad. d. Wiss. in Paris)
Jahr 1820
Ort Leipzig
Nachweis
in: Annalen der Physik und der physikalischen Chemie 65:1 (1820) [= Annalen der Physik und der physikalischen Chemie 5 (1820)], S. 31–42.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initial.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.2
Dateiname: 1820-Sur_l_accroissement-04
Statistiken
Seitenanzahl: 12
Zeichenanzahl: 17878
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Sur l’Accroissement nocturne de l’intensité du son. (Mémoire lu à l’Academie des Sciences le 13 mars 1820) (Paris, 1820, Französisch)
[Sur l’Accroissement nocturne de l’intensité du son. (Mémoire lu à l’Academie des Sciences le 13 mars 1820)] (Stuttgart; Tübingen, 1820, Deutsch)
A. v. Humboldt, über die Zunahme des Schalls während der Nacht (Jena; Leipzig, 1820, Deutsch)
Ueber die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. (Eine Vorles. gehalt. am 13. März 1820 in d. Akad. d. Wiss. in Paris) (Leipzig, 1820, Deutsch)
On the Nocturnal Increase in the Intensity of Sound (London, 1821, Englisch)
Comparative intensity of sounds (London, 1821, Englisch)
Nocturnal Increase of Sounds (London, 1821, Englisch)
Nocturnal increase of sounds (London, 1821, Englisch)
Nocturnal increase of sounds (Philadelphia, Pennsylvania; New York City, New York, 1821, Englisch)
Sur l’Accroissement nocturne de l’intensité du Son (Paris, 1821, Französisch)
Nocturnal increase of Sounds (London, 1822, Englisch)
Over de meerdere sterkte die het geluid by nacht dan bij dag heeft (Amsterdam, 1823, Niederländisch)
Ueber die nächtliche Verstärkung des Schalls (Stuttgart; Tübingen, 1854, Deutsch)
|31|

Ueber die zunehmende Stärke des Schalls inder Nacht; von Alexander von Humboldt. (Eine Vorleſ. gehalt. am 13. März 1820 in d. Akad. d. Wiſſ. in Paris). *)


Ueber viele Naturerſcheinungen laſſen ſich genaueMeſſungen und direkte Verſuche anſtellen, einige aberſind mit fremden Umſtänden ſo vermengt und es wir-ken bei ihnen der ſtörenden Urſachen ſo viele mit ein,daß man ſich blos auf Nachdenken und Analogie beiihrer Erklärung beſchränkt ſieht. Zu der erſten Artgehört die von den Polen nach dem Aequator zu ab-nehmende Stärke der magnetiſchen Kräfte, die Verän-derung der Temperatur der Luft, die Beſchaffenheitihrer Elektricität in den höhern Luftſchichten, und ſoferner. Beiſpiele der zweiten Art giebt alles, was mitdem ungeſunden Zuſtand der Atmoſphäre in Verbin-dung ſteht, alles, was in den höhern unzugänglichenRegionen des Luftkreiſes vorgeht, die Bildung derWolken und des Hagels, das Beſtehen bläschenartigenDunſtes in Temperaturen unter dem Froſtpunkte, dasGetöſe des Donners, die Zunahme der Elaſticität durch
*) Nach einem einzelnen Abdruck aus den Ann. de Chim. et dePhyſ., den ich dem Verf. verdanke, frei überſetzt von Gilb.
|32| Wärme-Entwickelung bei derjenigen Verdichtung,welche in der Fortpflanzung des Schalls vor ſich geht,und dergl. mehr. Als man in der Phyſik noch nichtdie ſtrenge Methode befolgte, der wir die großen Ent-deckungen des letzten Jahrhunderts verdanken, blieballes, was ſich nicht genau und unmittelbar meſſenließ, ein Spiel gewagter und unbeſtimmter Hypothe-ſen. Man bedachte damals nicht, daß ſich durch eingenaues Erwägen jeder der ſtörenden Urſachen, unddurch Abſondern deſſen, was bei anſcheinend verwik-kelten Phänomenen durch fremde Umſtände bewirktwird, auf dem Wege des Ausſchließens von dem Be-kannten zu dem Unbekannten gelangen laſſe, und daßNaturgeſetze nicht blos durch Betrachtungen, welcheauf mathematiſcher Analyſe beruhen, ſondern auchnach der Analogie von Erfahrungen und direkten Meſ-ſungen können aufgefunden werden.
Die Zunahme der Stärke des Schalls während derNacht, der Gegenſtand dieſer Abhandlung, iſt eineder Fragen, auf die man in unſern phyſikaliſchen Wer-ken keine Antwort findet. Ich will verſuchen, eineErklärung dafür aus den neueſten Unterſuchungenüber die Theorie der Schallwellen abzuleiten; dochbevor ich von den Urſachen der Erſcheinung rede,muß ich die Bedingungen, unter denen ich dieſe Er-ſcheinung ſelbſt betrachte, angeben. Schon im Alterthume wußte man, daß der Schallwährend der Nacht an Stärke zunimmt. Es ſprechendavon Ariſtoteles in ſeinen Problemen ( ſect. 11, quaeſt. 5 §. 33) und Plutarch in ſeinen Dialogen( Sympoſiac. l. 8 c. 3). Es verſteht ſich, daß hier blosvon der zunehmenden Stärke des Schalls in der Nacht, |33| bei ruhiger, windloſer Luft, und nicht von dem Ein-fluſſe des Windes auf die Stärke des Schalls die Re-de iſt. Es hat mir geſchienen, daß in der heißen Zoneder Schall des Nachts in den Ebenen ſich verhältniß-mäßig mehr verſtärkt, als auf dem Rücken der Andesin einer Höhe von 3000 Meter über dem Meere *),und auch in den niedrigen Gegenden mitten im feſtenLande mehr als auf offener See; Schätzungen, zu de-nen mich das Getöſe zweier Vulkane, des Guacamayo und des Cotopaxi , verholfen hat. Ich hörte daſſelbeTags und Nachts, das des einen auf einer Bergebene(plateau) zwiſchen der Stadt Quito und der Maierei Chil-lo, das des andern auf der Südſee 10 franzöſ. Meil. weſt-lich von der Peruaniſchen Küſte. Das Gebrüll (bra-midos) der Vulkane der Cordilleren folgt auf einanderin der Regel mit vieler Gleichförmigkeit von 5 zu 5Minuten, iſt von keinen über dem Rande des Kratersſichtbaren Exploſionen begleitet, und gleicht bald ent-
*) Es verſteht ſich, daß hier blos von den verhältnißmäßigenUnterſchieden der Stärke des Schalls Nachts und Tages, undnicht von der abſoluten Stärke des Schalls, in den Ebenen undauf den Höhen die Rede iſt. Für die Abnahme des Schallsmit Zunahme der Höhe in der Atmoſphäre, hat man längſt diemathematiſche Theorie, und Hr. Poiſſon iſt durch ſie ſelbſtzu dem merkwürdigen Reſultate geführt worden, daß, es mö-ge der Schall ſich von oben nach unten, oder von unten nachoben, lothrecht oder in ſchiefen Richtungen fortpflanzen, dieIntenſität deſſelben immer nur allein von der Dichtigkeit der- jenigen Luftſchicht abhängt, von der er ausgeht. ( Journ. del’ecole polytechn. t. 7 (1808) p. 328.) v. H.
|34| ferntem Donner, bald wiederholten Schüſſen ſchwerenGeſchützes von großem Kaliber. Es würde intereſſantſeyn, in Ländern, wo der Boden den Winter übermit Schnee bedeckt iſt, in der Nähe eines Waſſerfal-les zu unterſuchen, ob nicht das nächtliche Zuneh-men des Schalls im Winter geringer ſey, als im Som-mer wenn der Boden des Tags über durch die Son-nenſtrahlen ſtark erhitzt worden iſt.
In der Ebene um die Miſſion von Aturès hört mandas Getöſe der über 1 franz. Meile davon entfernten gro-ßen Waſſerfälle des Oronoco noch ſo laut, daß manſich in die Nähe der Brandung an einer felſigen Küſteverſetzt glaubt. Nachts iſt dieſes Getöſe drei Mal ſtärkerals während des Tags, und giebt dieſen einſamen Orteneinen unausſprechlichen Reiz. Welches kann die Ur-ſach dieſer Zunahme an Stärke des Schalls in einerEinöde ſeyn, wo, wie es ſcheint, nichts das Schwei-gen der Natur unterbricht? Die Geſchwindigkeit desSchalls nimmt, wenn die Temperatur kleiner wird,nicht zu, ſondern ab. Die Stärke wird geringer bei wi-drigem Winde, in verdünnter Luft, und in den höhernRegionen des Luftkreiſes, wo die Theilchen der erzit-ternden Luft in jedem Schallſtrahle minder dicht undelaſtiſch ſind; Trockenheit und Feuchtigkeit der Luftſind dagegen ohne Einfluß auf die Stärke desSchalls; im kohlenſauren Gas iſt dieſe aber geringerals in Mengungen von Stickgas und Sauerſtoffgas.Aus dieſen Thatſachen, den einzigen, welche wirmit einiger Gewißheit kennen, läßt ſich ſchwer-lich jenes Phänomen erklären, welches wir auchin Europa in der Nähe jedes Waſſerfalles wahrneh- |35| men, und das ſchon lange vor meiner Gegenwart indem Dorfe Aturès dem Miſſionair und den Indiern auf-gefallen war. Die Temperatur iſt dort 3° C. niedrigerNachts als Tags, und zugleich nimmt die ſichtbareFeuchtigkeit des Nachts zu, und der Dunſt, welcherden Waſſerfall bedeckt, wird dichter. Ich habe aberſchon bemerkt, daß der hygroſkopiſche Zuſtand derLuft keinen Einfluß auf die Fortpflanzung des Schallshat, und daß Erkältung der Luft die Geſchwindigkeitderſelben vermindert. Vielleicht glaubt man, in dieſen menſchenleerenGegenden mache das Summen der Inſekten, das Ge-zwitſcher der Vögel, und das Rauſchen der beim leiſe-ſten Winde ſich bewegenden Blätter Tags über einverwirrtes Getöſe, das man bei ſeiner Einförmigkeitnicht wahrnehme, das aber das Ohr beſtändig fülleund dadurch die Intenſität eines ſtärkern Getöſes ver-mindere; indeß dieſe Verminderung während der Stil-le der Nacht nicht Statt finde, weil dann Inſekten, Vö-gel und Luft ruhen. Aber dieſer Grund, auch wennman ihn überhaupt als gültig zugeben wollte, findetauf die Wälder am Oronoco keine Anwendung. Hieriſt die Luft ſtets von einer unzählbaren Menge Moski-tos erfüllt und das Summen der Inſekten Nachts vielſtärker als am Tage, und läßt Wind hier je ſich ſpü-ren, ſo iſt das nicht anders als nach Sonnen-Unter-gang der Fall. Ich bin vielmehr der Meinung, daß die Gegen-wart der Sonne auf die Fortpflanzung und die Stärkedes Schalls durch die Hinderniſſe einwirkt, welche bei-den die Luftſtröme verſchiedener Dichtigkeit und die |36| partiellen Undulationen der Atmoſphäre entgegenſet-zen, welche durch ungleiche Erhitzung der verſchiede-nen Theile des Erdbodens hervorgebracht werden. Ineiner ruhigen Luft, ſie ſey trocken oder ſey gleichför-mig mit bläschenartigem Dunſt vermengt, pflanzt ſichdie Schallwelle ohne Schwierigkeit fort. Ziehen dage-gen durch ſie in mannigfaltigen Richtungen (en tous ſens) kleine Ströme wärmerer Luft, ſo theilt ſich je-des Mal da, wo die Dichtigkeit des Mittels ſich plötz-lich verändert, die Schallwelle in zwei Wellen, undes bilden ſich partielle Echos, welche den Schall ſchwä-chen, weil eine der Wellen in ſich ſelbſt zurückläuft.Von ſolcher Theilung der Wellen hat Hr. Poiſſon kürzlich die Theorie mit dem ihm eigenen Scharfſinngegeben *). Meiner Meinung nach ſchwächt alſo nichtdie fortſchreitende Bewegung der Lufttheilchen vonunten nach oben in dem Tags über aufſteigenden Luft-ſtrome, und in kleinen ſchief anſteigenden Luftſtrömen,durch Stoß die Fortpflanzung der Schallwellen. EinStoß gegen die Oberfläche einer Flüſſigkeit würde umden Mittelpunkt des Stoßes Kreiswellen bilden, ſelbſtwenn die Flüſſigkeit in Bewegung iſt; mehrere ArtenWellen können ſich in der Luft wie im Waſſer durch-kreuzen, ohne ſich in ihrem Verbreiten zu hindern,und kleine Bewegungen gehen über einander fort, (depetits mouvemens ſe ſuperpoſent); die wahre Urſachder geringern Intenſität des Schalls am Tage ſcheintder Mangel an Homogenität zu ſeyn, der dann in dem
*) In einer Abhandlung, welche ich meinen Leſern in einemder folgenden Hefte vorlegen werde. Gilbert.
|37| elaſtiſchen Mittel herrſcht. An allen Stellen eines un-gleich erhitzten Bodens, wo kleine Luftſtreifen vonhöherer Temperatur aufſteigen, findet eine plötzlicheUnterbrechung der Dichtigkeit Statt, und überall, woLuftſchichten von ungleicher Dichtigkeit mit einan-der in Berührung ſind, theilen ſich die Schallwellen,gerade ſo wie die Lichtſtrahlen, wenn ſie gebrochenwerden, und bilden eine Art von Kimmung (Mirage).Bei den Schallwellen wie bei den Lichtwellen werden,wenn ſie durch Mittel von ungleicher Dichtigkeit fort-gehen, ſtets zugleich zwei Wirkungen hervorgebracht;Veränderung in der Richtung der Fortpflanzung, undErlöſchung (extinction) von Licht und von Schall.Die Zurückwerfung, welche bei jeder Brechung er-folgt, ſchwächt die Intenſität des Lichts; eben ſo ver-urſacht die Theilung der Schallwelle da, wo die Dich-tigkeit der Luft ſich plötzlich verändert, partielle Echos,und der Theil der Welle, welcher in ſich ſelbſt zu-rückläuft, bleibt bei ſehr ſchwachem Schalle unſermOhre unmerkbar.
Bei der Luftſpiegelung (Kimmung, Mirage)mit doppelten Bildern, iſt ſtets das Bild, welches durchBrechung zunächſt am Boden entſteht, ſchwächer,als das direkt geſehene. Es können Luftſchichten vonſehr verſchiedener Dichtigkeit ſo mit einander abwech-ſeln, daß die urſprünglichen Richtungen des Licht-ſtrahls und des Schallſtrahls dieſelben bleiben, die In-tenſität des Lichts und des Schalls werden dann abernichts deſto weniger ſehr geſchwächt ſeyn. In derNacht erkaltet die Oberfläche des Bodens; die mit Ra-ſen oder mit Sand bedeckten Theile nehmen eine glei- |38| che Temperatur an, und es ſteigen nun nicht mehr Stri-che wärmerer Luft lothrecht oder ſchief aufwärts, nachmancherlei Richtungen in der kältern Luft. In einermehr homogen gewordenen Flüſſigkeit, pflanzt ſichdie Schallwelle mit minderer Schwierigkeit fort, unddie Intenſität des Schalles nimmt zu, weil der Thei-lungen der Schallwellen und der partiellen Echos we-niger werden. Um etwas Genaueres über die Urſach dieſer Strö-mungen wärmerer Luft zu geben, welche Tags übervon einem ungleich erwärmten Boden aufſteigen, willich aus dem hiſtoriſchen Berichte meiner Reiſe nachden Gegenden unter dem Aequator (t. 1 p. 164, 625,t. 2 p. 201, 283, 303, 376) einige Beobachtungen mit-theilen, welche ich zwiſchen den Wendekreiſen ge-macht habe. In den Llanos oder Steppen von Vene-zuela hatte der Sand um 2 Uhr Nachmittags eine Hitzevon 52,5°, einige Mal ſelbſt von 60° C. (48° R.), indeßdie Temperatur der Luft im Schatten eines Bombax36,2°, und in der Sonne, 18 Zoll über dem Erdboden,42,8° C. betrug. In der Nacht hatte der Sand nurnoch eine Wärme von 28°, hatte alſo um mehr als24° C. an Wärme verloren. Um die Waſſerfälle des Oronoco iſt die Erde mit Raſen bedeckt, und nimmtTags über nur eine Wärme von 30° an, während dieLuft 26° Wärme hat; aber der hier in bedeutenderAusdehnung anſtehende Granit, erhitzte ſich währenddeſſen bis 48° C. Ich habe eine große Menge ähnli-cher Beobachtungen in meinem Berichte von den Meſ-ſungen und Beobachtungen bekannt gemacht, welchevon mir über die Mirage zu Cumana zu eben der Zeit |39| ſind angeſtellt worden, als ſich Dr. Wollaſton mit die-ſem Gegenſtande in England beſchäftigte. Iſt die Urſach, welche ich für die nächtliche Zu-nahme des Schalls angebe, die wahre, ſo darf manſich nicht verwundern, daß dieſe Zunahme zwiſchenden Wendekreiſen größer im Innern des Landes alsauf offenem Meere, und größer in den Ebenen als aufdem Rücken der Cordilleren iſt. Die Oberfläche derMeere um den Aequator wird gleichförmig von derSonne erwärmt, und nicht bis über 29° C., indeß dieverſchiedenfarbige, aus Materien von verſchiedenerwärmeſtrahlenden Kraft beſtehende Oberfläche des fe-ſten Landes hier Temperaturen annimmt, die von 30°bis 52° C. reichen. In den tropiſchen Ländern bleibt all-gemein die Erde während der Nacht wärmer als dieLuft. In den gemäßigten Zonen wird dagegen derErdboden in ruhigen und hellen Nächten um 4 bis 5°C. kälter als die Luft, und es nimmt dann die Tempe-ratur nicht vom Boden aufwärts ab, ſondern anfangszu, bis in Höhen von 50 bis 60 Fuß, daher manch-mal die irdiſche Strahlenbrechung hier Nachts faſteben ſo ſtark als am Tage iſt. Horizontale Luftſchich-ten von verſchiedener Dichtigkeit ſind über einanderimmer vorhanden; aber die Streifen wärmerer Luft,welche durch die Atmoſphäre in ſchiefer Richtung auf-ſteigen, ſind Nachts ſeltner als am Tage. In dem un-ter dem Aequator liegenden Theile der Andes beträgtin 3000 Meter Höhe die mittlere Temperatur der Luftnur 14° C., und die Wärme-Ausſtrahlung nach demwolkenloſen Himmel, durch eine ſehr trockene und |40| reine Luft hindurch, verhindert es, daß der Bodenwährend Tags nicht bedeutend erwärmt wird. Doch genug von ſolchen örtlichen Umſtänden. Esiſt hinreichend, die nächtliche Verſtärkung des Schallsaus der Theorie der Schallwellen und ihrer Theilungim Allgemeinen abgeleitet zu haben. Die ganze Er-ſcheinung hat ihren Grund in eben dem Mangel anHomogenität der lothrechten Luftſäulen in der Atmo-ſphäre, welche (nach der ſinnreichen Anwendung, die Arago von der Lehre von der Interferenz undNeutraliſirung der Lichtſtrahlen gemacht hat) die wah-re Urſach des mehr oder minder ſtarken Funkelns derFixſterne iſt. Man weiß überdem, daß die Fortpflan-zung des Schalls merklich geändert wird, wenn manin einer an ihrem einen Ende verſchloſſene Röhre eineLage Waſſerſtoffgas über eine Lage atmoſphäriſcherLuft ſteigen läßt. Wenn Ariſtoteles in ſeiner intereſſanten Schrift: Problemata , auf die Frage: „warum hört man denSchall beſſer während der Nacht?“ antwortet: „daskömmt daher, weil es dann mehr Ruhe giebt, wegender Abweſenheit des Heißeſten, welche Abweſenheitalles ruhiger und leidender macht, indem die Sonnedas Princip aller Bewegung iſt:“— *) ſo ſcheint er diewahre Urſach geahnet zu haben. Ueberhaupt abermuß man die Menge richtiger, oft feiner Beobachtun-gen bewundern, welche dieſes Werk des Philoſophenvon Stagira über den Thau, die Urſachen der Mirage,die Wärmeleitung der Metalle und der Aſche, die Hö-
*) Ariſt. Opera omnia Ed. du Val. 1639 t. 2 p. 115—123.
|41| he der Wolken als Wirkung aufſteigender Strömun-gen und dergl. mehr enthält, und wenn man dabeibedenkt, wie unvollkommen der Zuſtand der Natur-lehre bei den Alten war, die in gänzlicher Un-bekanntſchaft mit der experimentalen Methodewaren *).
Die Bewohner der Alpen und der Andes halteneine ungewöhnliche Verſtärkung des Schalls währendruhiger Nacht für ein ſicheres Vorzeichen eintreten-der Veränderung der Witterung. „Es wird regnen,ſagen ſie, weil man das Rauſchen der Ströme näher
*) Man ſehe meine Samml. aſtron. Beobb. Th. 1 S. 127. We-der in Ariſtoxenes Buch von der Muſik, noch in Sene-ca ’s quaeſt. natur. , noch bei Theophylactus Simocat-ta kömmt die Frage vor, wohl aber bei Plutarch (Ed.Pariſ. 1624 t. 2 p. 721 D.) Der erſte der mit einander Reden-den, behauptet, die Kälte der Nacht figire und verdichte dieLuft, und man höre den Schall am Tage ſchlecht, weil esweniger leere Räume gebe. Der zweite Redende verwirftdieſe leeren Räume und nimmt mit Anaxagoras an, währendTags ſetze die Sonne die Luft in eine zitternde und ſchlagen-de Bewegung, man höre am Tage ſchlecht, wegen des vielenStaubes, der dann in der Luft ziſche und murmele, in derNacht aber höre die Erſchütterung, und folglich auch das Zi-ſchen des Staubes auf. Doch müſſe Anaxagoras darin berich-tigt werden, daß man auf dieſen Schall der kleinen Körper-chen in der Erklärung Verzicht leiſte, indem es hinreiche dieErſchütterung und Bewegung derſelben anzunehmen. Die Be-wegung der Luft nehme von der Stimme immer etwas fortund entführe etwas von ihrer Stärke und Größe. Der großeRegierer und Heerführer am Himmel, die Sonne, ſetze alles,bis auf die kleinſten Lufttheilchen in Bewegung, und ſo balder ſich zeige, errege und bewege er alles. v. H.
|42| hört.“ Herr Deluc hat dieſes aus Veränderung des ba-rometriſchen Luftdrucks durch das Platzen einer grö-ßern Menge von Luftblaſen an der Oberfläche desWaſſers zu erklären geſucht (Ueber die Atmoſphäre§. 1031 Anm. b.); dieſes iſt aber eine gezwungene, we-nig genügende Erklärung. Ohne mich auf eine ande-re einzulaſſen, begnüge ich mich, auf die Analogie die-ſes Vorzeichens mit dem einer mindern Extinktiondes Lichtes aufmerkſam zu machen. Die Bergbewoh-ner kündigen eine Veränderung der Witterung an,wenn bei ruhiger Luft die Schneeberge plötzlich demBeobachter näher zu ſtehen ſcheinen, und ihre Umriſ-ſe gegen den blauen Himmel mit ungewöhnlicherSchärfe zeigen. Welche Beſchaffenheit der Luftauch dieſe Erſcheinungen veranlaſſe, immer iſt esintereſſant, in ihnen eine neue Aehnlichkeit zwi-ſchen den Schallwellen und den Lichtwellen wahrzu-nehmen.