A. v. Humboldt, über die Zunahme des Schalls während der Nacht. Es gibt Erscheinungen in der Natur, die bestimmten Maaßen und directen Erfahrungen sich unterwerfen lassen; andere hingegen sind von fremden Nebenumständen umgeben, und zugleich durch eine Menge störender Ursachen modificirt, so daß sie nur durch Schlüsse und Analogie sich erklären lassen. Als Beyspiel der ersten Classe will ich hier die vom Pole zum Aequator hin abnehmende Stärke der magnetischen Kraft anführen; die Biegung der Lichtstrahlen, wodurch die Kimmungen erzeugt werden; die Veränderungen in der Temperatur der Luft; die Beschaffenheit der Harz- oder Glas-Electricität in den mehr oder weniger von der Erde entfernten Schichten. Die 2te Classe der Erscheinungen begreift alles, was auf das Ungesunde der Atmosphäre sich bezieht; was in den höchsten, unzugänglichsten Regionen der Luft vorgeht; die Bildung der Wolken und des Hagels; das Beharren der blasigen Dünste bey einer Temperatur unter Gefrierpunct; das Geräusch des Donners; die Vermehrung der Elasticität durch Entwickelung der Wärme, welche die Fortpflanzung des Schalls begleitet und durch das Zusammenpressen der Luft erzeugt wird. Als die Naturphilosophie noch nicht die strenge Methode befolgte, der alle große Entdeckungen des letzten Jahrhunderts zu verdanken sind, fiel alles, was nicht genauen und unmittelbaren Messungen unterworfen werden konnte, in das Gebiet der ausschweifendsten, gewagtesten Hypothesen. Man vergaß, daß, wenn man in den anscheinend zusammengesetzten Erscheinungen dasjenige absondert, was durch fremde Umstände erzeugt ist, man auf dem Wege der Exclusion, von dem Bekannten zum Unbekannten fortrücken und die natürlichen Gesetze bestimmen kann, entweder nach aus mathematischer Analyse gezogenen Ansichten, oder nach der Analogie der Erfahrungen und unmittelbaren Messungen. Die zunehmende Stärke des Schalles bey der Nacht, von der ich hier rede, gehört zu denen Problemen, die in den physicalischen Schriften noch nicht erklärt worden sind. Ich will darüber eine Erklärung zu geben suchen, die aus der Theorie der Schall-Wellen hergeleitet ist; ehe ich aber von den Ursachen dieses Phänomens rede, will ich vorher den Gesichtspunct angeben, von dem ich ausgehe. Schon in den allerfrühesten Zeiten hat man die Beobachtung gemacht, daß während der Nacht der Schall stärker wird. Aristoteles in seinen Problemen (Arist. Probl, sect. XI. quaest. 5 und 33) und Plutarch in seinen Dialogen (Plut. Sympos. lib. VIII. cap. 3. T. II. p. 720; Frankfurt. Ausgabe 1620 fol.) haben dieß erwähnt. Ich betrachte hier das Zunehmen der Stärke des Schalles nur bey ganz stiller Luft, ich rede hier nicht von der Verstärkung, welche durch eine Veränderung des Windes in der Nacht bewirkt wird, und die von dem Verhältniß zwischen der Richtung des Windes und der der Schallstrahlen abhängt. Unter einer gleichen Zone, z. B. zwischen den Wendekreisen, schien mir die zunehmende Stärke des Schalls bey der Nacht in den Ebenen größer als auf dem Rücken der Andes auf 3000 Meter über der Meeresfläche; auch in niedrigen Gegenden des festen Landes kam sie mir beträchtlicher vor, als auf der offenen See; diese Bemerkungen gründen sich auf das Geräusch der beyden Vulcane, des von Guacamayo und des von Cotopaxi, das ich Gelegenheit gehabt habe, bey Tage und bey Nacht zu hören, den einen auf einer ebenen Anhöhe zwischen der Stadt Guito und der Maierey Chillo, den andern auf der Südsee, 20 Stunden westlich von den Küsten von Peru. Das Brüllen (bramidos) der Vulcane auf den Cordilleren folgt gewöhnlich mit großer Gleichförmigkeit von 5 Minuten zu 5 Minuten. Es ist mit kleinen sichtlichen Ausbrüchen oberhalb des Randes des Kraters begleitet, und gleicht bald dem fern vollenden Donner, bald wiederholten Schüssen von schwerem Geschütz. Es würde sehr interessant seyn, wenn man in den Gegenden, wo in der Nähe einer Cascade die Erde mit Schnee bedeckt wird, Untersuchungen anstellte; ob die nächtliche Verstärkung des Schalles während des Winters nicht geringer wäre als im Sommer, wo der Erdboden am Tage durch die Sonnenstrahlen sehr erwärmt wird. Bey den angegebenen Verschiedenheiten zwischen den hohen und niedrigen Gegenden von America unter den Wendekreisen, betrachte ich die Verhältnisse der Stärke nur unter einem gleichen barometrischen Druck. Ich vergleiche nicht die absolute Stärke in verschiedenen Höhen, sondern den Unterschied zwischen der Stärke bey Nacht und bey Tag auf den hohen und niederen Ebenen. Die in unterschiedenen Höhen der Atmosphäre beobachteten Abwechselungen der Stärke sind ein Problem, das seit langer Zeit durch die mathematische Theorie des Schalles aufgelöst worden ist. Poisson (Journ. d. l'Ecole polytech. t. VII. (1808) p. 328) hat sogar das merkwürdige Resultat herausgebracht, daß die Stärke des Schalls von oben nach unten oder von unten nach oben, senkrecht oder in schiefen Schallstrahlen, nur von der Dichtigkeit der Luftschicht abhängt, von der der Schall ausgegangen ist. Man muß nicht gänzlich verschiedene Probleme verwechseln. Wenn man das Geräusch der großen Cataracten vom Oronoko hört, in der Ebene um die Mission von Atures, in mehr als 1 Stunde weiten Entfernung; so glaubt man nahe an einer Küste voll Klippen und Brandungen zu seyn. Das Geräusch ist bey der Nacht 3 mal stärker als am Tage und gibt dieser einsamen Gegend einen unaussprechlichen Reiz. Was kann wohl die Ursache dieser zunehmenden Stärke seyn in einer Wüste, wo nichts die Stille der Natur zu unterbrechen scheint? Die Geschwindigkeit der Fortpflanzung des Schalls, weit entfernt zuzunehmen, wird mit dem Fallen der Temperatur schwächer. Die Stärke vermindert sich, wenn die Luft von einem der Richtung des Schalls entgegengehenden Winde in Bewegung gesetzt wird; auch die Ausdehnung der Luft macht sie geringer; schwächer ist der Schall in den oberen Regionen der Atmosphäre als in den niedrigeren, wo in demselben Strahle die erschütterten Luft-Molekulen mehr Dichtigkeit und Elasticität haben. Gleich bleibt die Stärke sich in trockener und in mit Dünsten vermischter Luft; in kohlensaurem Gas aber ist sie geringer als in Mischungen von Stickstoff und Oxygen. Nach diesen Thatsachen (die einzigen, welche wir mit einiger Sicherheit kennen) ist es schwer, eine Erscheinung zu erklären, die man bey jeder Cascade in Europa bemerkt, und die schon lange vor meiner Ankunft in dem Dorfe Atures dem Missionär und den Indianern aufgefallen war. Die nächtliche Temperatur ist um 3° niedriger, als die am Tage; auch wird die wahrnehmbare Feuchtigkeit bey Nacht größer und der Nebel, der die Wasserfälle bedeckt, wird dichter. Wir haben nun gesehen, daß der hygroscopische Zustand der Luft gar keinen Einfluß auf die Fortpflanzung des Schalls hat, und die Erkaltung der Luft die Geschwindigkeit desselben vermindert. Man möchte glauben, daß selbst in den nicht von Menschen bewohnten Gegenden das Gesumse der Insecten, der Gesang der Vögel, das Zittern der, auch von dem leichtesten Winde bewegten Blätter bey Tag ein verworrenes Geräusch verursachen, das wir um so weniger bemerken, da es gleichförmig ist und unsere Ohren unaufhörlich trifft. Nun kann dieses Geräusch, so wenig bemerkbar es auch sey, die Stärke eines größeren Geräusches schwächen, und dieses Schwächen kann aufhören, wenn bey der Nacht der Gesang der Vögel, das Gesumse der Insecten und die Bewegung der Blätter unterbrochen werden. Dieser Schluß aber, wenn man ihn auch als richtig annimmt, ist den- noch auf die Wälder vom Oronoko nicht anwendbar, wo die Luft unaufhörlich von einer unzähligen Menge Moskito angefüllt ist, wo das Sumsen der Insecten bey der Nacht ungleich stärker ist als am Tage, und wo der kühle Wind, wenn er überhaupt bemerkbar wird, nie eher als nach Untergang der Sonne anfängt. Ich glaube vielmehr, daß die Gegenwart der Sonne auf die Fortpflanzung und die Stärke des Schalles insofern Einfluß habe, daß diese in den Luftströmen von verschiedener Dichte, in den theilweisen, durch die ungleiche Erwärmung der verschiedenen Stellen des Erdbodens verursachten Wellenbewegungen der Atmosphäre Hindernisse finde. Bey ruhiger Luft, sie mag trocken oder mit gleichmäßig vertheilten blasigen Dünsten untermischt seyn, pflanzt die Schallwelle sich ohne Schwierigkeit fort. Wenn aber diese Luft in allen Richtungen von kleinen wärmeren Luftströmen durchkreuzt wird, so zertheilt die Schallwelle sich da, wo die mittlere Dichtigkeit sich plötzlich verändert, es bilden sich theilweise Wiederhalle, durch die der Schall geschwächt wird, weil eine von den Wellen umkehrt. Es entstehen solche Theilungen der Wellen, wovon neuerlich Poisson die Theorie entwickelt hat. Es ist also nicht die Uebergangs-Bewegung der Luftmolekulen von unten nach oben in einem aufsteigenden Strom, nicht die kleinen schiefen Ströme, welche wir als der Fortpflanzung der Schall- Wellen durch einen Stoß gleichsam sich widersetzend betrachten. Stößt man auf die Oberfläche einer Flüssigkeit, so bilden sich Kreise rund um den Erschütterungspunct, selbst dann, wenn die Flüssigkeit geschüttelt wird. Mehrere Arten von Wellen können im Wasser wie in der Luft sich durchkreuzen, ohne in ihrer Fortpflanzung sich zu stören; kleine Bewegungen schieben sich übereinander, und die wahre Ursache der minderen Stärke des Schalls während des Tages scheint der Mangel der Uebereinstimmung in dem elastischen Mittel zu seyn. Es entstehen dann plötzliche Unterbrechungen der Dichtigkeit allenthalben, wo kleine Luftstreifen von hoher Temperatur, von den ungleich erwärmten Theilen des Bodens aufsteigen. Die Schallwellen theilen sich, wie die Lichtstrahlen sich brechen und die Kimmung bilden, allenthalben, wo Luftschichten von ungleicher Dichte aneinanderstoßen. Man muß einen Unterschied festsetzen zwischen der Intensität des Schalles oder der des Lichtes und den Richtungen der Schall- und der Lichtwellen. Wenn diese Wellen durch Schichten von verschiedener Dichtigkeit gehen, so werden sie gemeinschaftlich 2 Wirkungen hervorbringen, es wird eine Veränderung der Richtung der Fortpflanzung und Erlöschung des Lichtes und des Schalls erfolgen. Die Reflexion, welche jede Brechung begleitet, schwächt die Stärke des Lichtes; die Theilung der Schallwelle erzeugt theilweise Wiederhalle, und der Theil der Welle, welcher umkehrt, da, wo die Dichtigkeit der Flüssigkeit sich plötzlich ändert, wird, bey einem sehr schwachen Geräusche unserem Ohre unvernehmbar. Bey den Kimmungen mit doppelten Bildern ist dasjenige, das nahe an der Erde gebrochen wird, allemal schwächer als das Bild, welches direct gesehen wird. Schichten von Flüssigkeiten sehr verschiedener Dichtigkeit können auf solche Art abwechseln, daß die ursprünglichen Richtungen des Lichtstrahls und des Schallstrahls dieselben bleiben; allein die Stärke des Lichtes und des Schalls wird dessen ungeachtet darunter leiden. Während der Nacht erkaltet die Oberfläche des Bodens; die mit Rasen oder mit Sand bedeckten Stellen nehmen eine gleiche Temperatur an; die Atmosphäre wird nicht mehr von den wärmeren Luftstreifen, die senkrecht oder schief in jeder Richtung aufsteigen, durchkreuzt. In einer gleichartiger gewordenen Luftschicht pflanzt die Schallwelle sich mit weniger Schwierigkeit fort, und die Stärke des Schalls wächst, weil die Theilungen der Wellen und die theilweisen Wiederhalle seltener werden. Zur größeren Deutlichkeit der Ursache dieser warmen Luftstreifen, welche am Tage von einem unregelmäßig erwärmten Boden aufsteigen, will ich einige Erfahrungen anführen, die ich unter den Wendekreisen gemacht habe (Relat. historique d'un voyage aux regions equinoctiales T. I. p. 164 -- 625 und T. II. p. 201 -- 203 303 -- 576). In den Llanos oder Steppen von Venezuela fand ich den Sand um 2 Uhr auf 52°, 5 centigr.; bisweilen gar 60°. Die Temperatur der Luft im Schatten eines Bombax war 36°, 2; in der Sonne, 18 Zoll über dem Boden 42°, 8. Bey Nacht war der Sand nur 28°, er hatte mehr als 24° verloren. Bey den Wasserfällen des Oronoko, erwärmte das mit Kräutern bedeckte Land sich am Tage nur auf 30°, wenn die Luft 26° war; allein die Granitbänke, welche weite Strecken bedecken, erwärmten zu gleicher Zeit sich auf 48°. Ich habe eine Menge ähnlicher Beobachtungen bekannt gemacht in dem Aufsatz über meine Messungen und Erfahrungen, die ich an der Kimmung zu Cumana gemacht habe, zu gleicher Zeit, als Wollaston sich mit diesem Phänomen in Europa beschäftigte. Wenn die Ursache, welche ich von dem nächtlichen Wachsen des Schalles angebe, die richtige ist, so darf man sich nicht wundern, das unter der heißen Zone dieses Wachsen stärker ist im Innern des Landes als auf der offenen See, in der Ebene stärker als auf dem Rücken der Cordilleren. Die Oberflächen der See unter dem Aequator erwärmt sich gleichmäßig und nicht über 29°; während die Oberfläche des festen Landes, von ungleicher Farbe und aus Stoffen bestehend, die verschieden strahlen, nahe am Aequator, Temperaturen annimmt, die zwischen 30° und 52° abwechseln. Unter den Wendekreisen bleibt gewöhnlich die Erde während der Nacht wärmer als die Luft; in der gemäßigten Zone wird der Boden in ruhigen und heiteren Nächten 4° bis 5° kälter als die Luft. Anstatt daß die Temperatur, je weiter man sich vom Boden entfernt, abnehmen sollte, steigt sie in Europa bey der Nacht bis in der Höhe von 50 bis 60 Fuß in zunehmender Progression. Daher muß man sich nicht wundern, daß die Brechungen auf der Erde bisweilen bey Nacht fast eben so beträchtlich sind als am Tage. Es sind beständig Luftschichten von verschiedener Dichtigkeit da, welche horizontal auf einander ruhen; allein die warmen Luftstreifen, welche schief durch die Atmosphäre gehen, sind bey Nacht seltener als am Tage. In einer Höhe von 3000 Meter ist in dem Theil der Anden unter dem Aequator die mittlere Temperatur der Luft nur 14° und die Stärke des Strahlens gegen einen wolkenlosen Himmel, durch eine sehr trockene und sehr reine Luft, verhindert die beträchtliche Erwärmung des Bodens während des Tages. Ich will mich aber bey diesen örtlichen Umständen nicht länger aufhalten; es ist genug, daß ich im allgemeinen das nächtliche Wachsen des Schalles aus der Theorie der Schallwellen und ihren Theilungen erwiesen habe. Die ganze Erscheinung beruht auf diesem Mangel an Gleichheit in den vertikalen Säulen der Atmosphäre, und dieser Mangel ist auch (nach der sinnreichen Anwendung, welche Arago von der Interferenz und der Neutralisirung der Strahlen gemacht hat) die einzige Ursache des stärkeren oder schwächeren Funkelns der Sterne. Bekanntlich wird die Fortpflanzung des Schalls merklich verändert, wenn man in einer an einem Ende verschlossene Röhre eine Schicht Wasserstoffgas über einer Schicht atmosphärischer Luft aufsteigen läßt. Bey Aussprechung dieser Idee könnte ich mich auf die Autorität eines Philosophen berufen, den die Physiker mit Gleichgültigkeit behandeln, dem aber die ausgezeichnetsten Zoologen schon seit langer Zeit wegen sehr verständigen Bemerkungen ausgezeichnete Gerechtigkeit wiederfahren lassen. "Warum, sagt Aristoteles in seinen merkwürdigen Problemen, warum läßt der Schall bey Nacht sich besser hören? weil mehr Ruhe da ist, wegen der Abwesenheit der Wärme. Diese Abwesenheit macht alles ruhiger; denn die Sonne ist das Princip aller Bewegung (Arist. Opera omnia edit. du Val. 1639 T. II. p. 115 -- 123). Aristoteles hatte eine unbestimmte Ahnung von der Ursache der Erscheinung; allein er schreibt der Bewegung der Luft, dem Stoße dasjenige zu, was nur von der plötzlichen Veränderung der Dichtigkeit in den aneinander liegenden Luftwogen entsteht. Weder Aristoxenes in seinem Buche von der Musik, noch Seneca in seinen Questiones naturales, noch Theophilactes Simocatta haben das nächtliche Wachsen des Schalles zu erklären gesucht. Betrachtet man den unvollkommenen Zustand der Physik bey den Alten und ihre Unerfahrenheit in der Experimentirmethode, so muß man erstaunen über die Menge richtiger und oft feiner Bemerkungen in den Werken des Philosophen von Stagira über den Thau, über die Ursache der Kimmung, über die Höhe der Wolken, als Wirkung des aufsteigenden Stroms betrachtet. Laurencit, der mit den Alten sehr vertraut ist, hat Biot eine Stelle aus Plutarch (Paris. Ausgabe 1624 Th. 2. S. 721 D.) mitgetheilt, wodurch das, was ich eben aus Aristoteles angeführt habe, bestätiget wird. Ich will sie nach Amyats schlichter Uebersetzung mittheilen: "Boethius, die erste redende Person, behauptet, daß die Kälte der Nacht die Luft gerinnen mache und verdicke, und daß man am Tage den Schall schlecht höre, weil weniger leere Räume da sind; Ammonius, die zweyte redende Person, verwirft B. leere Räume, und glaubt mit Anaxagoras, daß, am Tage, die Sonne die Luft in eine zitternde und klopfende Bewegung setze; daß man am Tage schlecht höre wegen des Staubes, der in der Luft umherfliegt, zischt und murmelt, daß aber bey Nacht die Erschütterungen nachlassen und also auch das Zischen des Staubes. Ammonius will Anaxagoras nicht zurechtweisen; er glaubt aber, man müsse auf den Schall kleiner Körper verzichten, und es sey hinlänglich, das Schwanken und die Bewegung derselben anzunehmen. Die stille Luft sey das zur Stimme geeignete Wesen, sie lasse den kleinen Theilchen und den Bewegungen der Stimme aus jeder Entfernung ganz geraden, zusammenhängenden, ununterbrochenen Durchgang. Die Windstille und die ruhige Meeresstille ist wiederhallend, der Sturm hingegen ist dumpf. Die Bewegung der Luft erlaubt nicht, daß das ausdrückliche articulirte Bild der Stimme zu unserer Empfindung gelange, sondern sie raubt ihm immer etwas von seiner Kraft und Größe. Die Sonne, dieser große Statthalter und Fürst des Himmels, setzt auch die kleinsten Theile der Luft in Bewegung, und sobald sie sich zeigt, erregt und bewegt sie alles. Die Alpenbewohner wie die der Anden betrachten ein ungewöhnliches Wachsen des Schalls bey stillen Nächten, als ein sicheres Anzeichen von veränderter Witterung. "Es wird regnen," sagen sie, "weil man das Murmeln der Bergströme näher hört." Deluc hat diese Erscheinung durch einen veränderten barometrischen Druck, durch eine größere Menge Luftblasen, die auf der Oberfläche des Wassers zerplatzen, zu erklären gesucht; diese Erklärung ist aber gezwungen und hat wenig Genügendes; ich will hier nicht versuchen, an ihre Stelle eine andere Hypothese aufzustellen; ich erinnere hier nur an die Aehnlichkeit der aus dem Wachsen des Schalles gezogenen Vorbedeutung und einer anderen aus einer geringeren Lichtschwäche genommenen. Die Bergbewohner verkünden eine Witterungsveränderung, wenn mit einem Male, bey stiller Luft, die mit ewigem Schnee bedeckten Berge dem Beobachter näher zu kommen scheinen, und wenn ihre Umrisse sich außerordentlich deutlich am Horizonte zeigen. Was nun auch für eine Beschaffenheit der Atmosphäre diese Erscheinungen zu Wege bringen mag, so ist es doch merkwürdig, eine neue Analogie zwischen den Schallwellen und den Lichtwellen dabey zu erkennen.