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Alexander von Humboldt: „Das Erdbeben von Caracas“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1819-Baron_Humboldts_Personal_Heft1-33-neu> [abgerufen am 28.03.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1819-Baron_Humboldts_Personal_Heft1-33-neu
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Titel Das Erdbeben von Caracas
Jahr 1858
Ort Leipzig
Nachweis
in: Alexander Schöppner, Hausschatz der Länder- und Völkerkunde. Geographische Bilder aus der gesammten neueren Reiseliteratur, Leipzig: J. J. Weber 1858, S. 718–720.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Spaltensatz; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.62
Dateiname: 1819-Baron_Humboldts_Personal_Heft1-33-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 3
Spaltenanzahl: 6
Zeichenanzahl: 5221

Weitere Fassungen
Baron Humboldt’s Last Volume. Personal Narrative of Travels to the Equinoctial Regions of the New Continent. Vol. 4. London, 1819 (New York City, New York, 1819, Englisch)
The gymnotus, or electrical eel (New York City, New York, 1819, Englisch)
Humboldt’s Travels (London, 1819, Englisch)
Electrical eels (Cambridge, 1819, Englisch)
[Earthquake at Caraccas] (Cambridge, 1819, Englisch)
Account of the Earthquake which destroyed the Town of Caraccas on the 26th March 1812 (Edinburgh, 1819, Englisch)
Account of the earthquake that destroyed the town of Caraccas on the twenty-sixth march, 1812 (Liverpool, 1819, Englisch)
Sur les Gymnotes et autres poissons électriques (Paris, 1819, Französisch)
An Account of the Earthquake in South America, on the 26th March, 1812 (Philadelphia, Pennsylvania, 1820, Englisch)
[Earthquake at Caraccas] (Hartford, Connecticut, 1820, Englisch)
Account of the Elecrical Eels, and of the Method of catching them in South America by means of Wild Horses (Edinburgh, 1820, Englisch)
Observations respecting the Gymnotes, and other Electric Fish (London, 1820, Englisch)
[Earthquake at Caraccas] (Hallowell, Maine, 1820, Englisch)
Earthquake in the Caraccas (London, 1820, Englisch)
Sur les Gymnotes et autres poissons électriques (Paris, 1820, Französisch)
[Earthquake at Caraccas] (Hartford, Connecticut, 1821, Englisch)
Earthquake at Caraccas (London, 1822, Englisch)
Earthquake at the Caraccas (Shrewsbury, 1823, Englisch)
Electrical eel (Hartford, Connecticut, 1826, Englisch)
Baron Humboldt’s observation on the gymnotus, or electrical eel (London, 1833, Englisch)
The gymnotus, or electric eel (London, 1834, Englisch)
Earthquake at Caraccas in 1812 (Hartford, Connecticut, 1835, Englisch)
Earthquake at Caraccas (London, 1837, Englisch)
Electrical eels (London, 1837, Englisch)
Female presence of mind (London, 1837, Englisch)
An earthquake in the Caraccas (London, 1837, Englisch)
An Earthquake (Leipzig; Hamburg; Itzehoe, 1838, Englisch)
Das Erdbeben von Caraccas (Leipzig, 1843, Deutsch)
The Gymnotus, or Electrical Eel (Buffalo, New York, 1849, Englisch)
Anecdote of a Crocodile (Boston, Massachusetts; New York City, New York, 1853, Englisch)
Battle with electric eels (Goldsboro, North Carolina, 1853, Englisch)
Anecdotes of crocodiles (Philadelphia, Pennsylvania, 1853, Englisch)
Das Erdbeben von Caracas (Leipzig, 1858, Deutsch)
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Das Erdbeben von Caracas.

|Spaltenumbruch| Die ganze Nordküſte von Süd-Amerika iſt häu-figen Erdbeben ausgeſetzt, und ſchon manchmalhaben die zahlreichen Vulkane, welche ſich aufden Weſtindiſchen Inſeln befinden, ihren ver- |Spaltenumbruch|derblichen Einfluß bis nach der Küſte des feſtenLandes ausgedehnt. Die Stadt Caracas, nur einige Meilen vonder Küſte des Antillen-Meeres gelegen, hatte ſchon |719| |Spaltenumbruch|in früheren Jahren heftige Erderſchütterungen er-litten; doch lebten ihre Bewohner in Sicherheitdahin; aber im Dezember 1811 ſollten ſie ausdieſer Sorgloſigkeit durch einen Erdſtoß von be-trächtlicher Heftigkeit aufgeſchreckt werden. Dreivolle Monate gingen hin, ohne daß hier eineneue Erſchütterung erfolgt wäre. — Aber am 26.März, am grünen Donnerſtage des Jahres 1812,ſollte die Stadt den Untergang der Sonne nichtmehr ſehen. Das Volk, welches am Morgennoch zu den Gotteshäuſern geeilt war, ahntenicht das ſchreckliche und nahe Ende, als um4 Uhr Nachmittags plötzlich die Glocken ertönten.Es war Gottes, nicht der Menſchen Hand, die ſiezum Grabgeläute der Stadt ertönen ließ. Eine 10bis 12 Sekunden lange Erſchütterung ſchrecktedas Volk auf. Bald glaubte man, die Gefahr ſeivorüber, als ſich plötzlich ein unterirdiſcher Don-ner, ſtärker und anhaltender, als das Rollen derGewitter in dieſer Jahreszeit, hören ließ. DieErde ſchien zu kochen und flüſſig zu werden.Stöße erfolgten auf Stöße in ſich durchkreuzendenRichtungen, von Norden nach Süden, von Oſtennach Weſten, von unten nach oben. Dieſen gleichzeitigen, ſich durchkreuzenden Be-wegungen konnte Nichts widerſtehen. In einerViertel-Minute war Caracas ein Schutthaufen,der 9 bis 10,000 ſeiner Bewohner begraben hatte.Zwei Kirchen, die mehr als 130 Fuß Höhe hat-ten, und deren Schiff durch 12 bis 15 Fuß dickePfeiler getragen wurde, lagen in einen Trümmer-haufen verwandelt, und von den Pfeilern undSäulen war kein Stück mehr kenntlich. DasHinſtrömen der Menge zur Kirche war ſo großgeweſen, daß 4 bis 5000 Perſonen unter ihremeingeſtürzten Gewölbe begraben lagen. Eine Ka-ſerne war beinahe vom Erdboden verſchwunden;es ſtand ein Regiment Linientruppen unter denWaffen, das ſich zur Prozeſſion begeben wollte;nur Einzelne retteten ſich, die Andern wurdenunter den Trümmern begraben, worein ſich dasGebäude plötzlich verwandelt hatte. Neun Zehn-theile der Stadt wurden plötzlich zerſtört, und dieHäuſer, welche nicht einſtürzten, waren ſo zer-riſſen, daß ſie nicht mehr bewohnt werden konnten.Furchtbar war das Loos Derer, die ſo plötzlichund unvermuthet vom Tode überfallen wurden;noch furchtbarer aber war das der Menge vonUnglücklichen, die verwundet, an ihren Glie-dern zerſchmettert, die Ihrigen überleben mußten, |Spaltenumbruch|und dann aus Mangel an Pflege und Nahrungdennoch umkamen. Eine finſtere, dicke Staubwolke, die ſich anfangsüber die Stadt erhoben, und die Luft gleich einemdicken Nebel erfüllt und verdunkelt hatte, ſchlugſich gegen Abend zur Erde nieder; die Luft wurderein, die Erde ruhig und die Nacht ſtill undſchön. Der faſt volle Mond beleuchtete dieSchreckensſcene, die mit Trümmern und Leichenbedeckte Erde, und den namenloſen Jammer derUnglücklichen. Mütter trugen die Leichen ihrerKinder im Arme, in der Hoffnung, ſie wiederin’s Leben zu bringen; jammernde Familien durch-wühlten die Schutthaufen, die am Morgen nocheine reich blühende, belebte Stadt waren, umeinen Bruder, einen Freund zu ſuchen, deſſenSchickſal unbekannt war. Die unter dem Schuttebegrabenen Verwundeten riefen die Vorübergehen-den laut flehend um Hülfe an; über 2000 wurdenhervorgezogen. Nie hat wol das Mitleid ſich rührender, er-finderiſcher gezeigt, als in den Anſtrengungen,dieſen Unglücklichen, deren Seufzer man hörte,Hülfe zu verſchaffen. Man mußte ſie mit denHänden herausgraben, denn es mangelte an allenWerkzeugen zur Hinwegräumung des Schuttes.Betten, Leinwand zum Verbande der Wunden,Arzneien, Nahrungsmittel, alle Gegenſtände dererſten Bedürfniſſe waren verſchüttet, das Waſſerim Innern der Stadt war ſogar ſelten geworden,da die Erdſtöße theils die Brunnenleitungen zer-ſchlagen, theils die Quellen verſtopft hatten. Eswar unmöglich, ſo viele tauſend Todte zu begra-ben; deshalb wurde verordnet, für die Ver-brennung zu ſorgen. Mitten im Schutte derHäuſer wurden Scheiterhaufen für die Unglück-lichen errichtet, und dieſes Geſchäft dauerte meh-rere Tage. Unter dieſem allgemeinen Jammer vollzog dasVolk die religiöſen Gebräuche, mit welchen manam erſten den Zorn des Himmels zu beſänftigenhoffte. Einige ſtellten feierliche Prozeſſionen an,bei welchen ſie Leichengeſänge ertönen ließen; An-dere, von Geiſtesverwirrung befallen, beichtetenlaut auf der Straße. Rückerſtattungen wurdenvon Leuten verheißen, die man keines Diebſtahlsſchuldig wußte; Familien, die lange in Feind-ſchaft mit einander gelebt, verſöhnten ſich indem Gefühle gemeinſamen Unglücks. — Ach! ſoiſt das Gemüth des ſchwachen Menſchen beſchaffen! |720| |Spaltenumbruch|Jahre lang wandeln wir unter den Freuden desLebens umher und empfangen tauſend Wohltha-ten aus der Hand des Vaters im Himmel: ſierühren unſer Herz nicht und führen uns weder |Spaltenumbruch|zur Gottesfurcht, noch zur Beſſerung. Nur dieSchrecken der Natur und des Unglücks könnenuns erſchüttern. [100.]