Ueber die Ausbrüche des Pic de Teyde auf Teneriffa erzählt Humboldt in den Reisen in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents, I. Th. S. 260 ff. Nachstehendes: "Unter allen schriftlichen Zeugnissen über die Thätigkeit des Vulkans datirt sich das älteste vom Anfang des sechszehnten Jahrhunderts. Es ist in der Reisebeschreibung des Aloysio Cadamusto enthalten, welcher auf den Kanarischen Inseln im Jahr 1505 landete. Dieser Reisende war von keiner Eruption Zeuge, aber er versichert mit Bestimmtheit, daß dieser Berg, dem Aetna ähnlich, ohne Unterbrechung brenne. Der Pic war folglich damals nicht in dem Zustand von Ruhe, worin wir ihn sehen. Denn es ist gewiß, daß jezt kein Schiffahrer und kein Einwohner von Teneriffa aus der Oeffnung des Pics, weder Flammen noch einmal Rauch hervorkommen gesehen hat. Vielleicht wäre zu wünschen, daß das Luftloch der Kaldera sich von Neuem öffnete; die Seiten-Ausbrüche würden weniger heftig seyn, und die ganze Inselgruppe hätte weniger von den Wirkungen der Erdbeben zu befürchten . Auf Teneriffa waren die Erdstöße bis jezt wenig bedeutend, und überdieß auf eine kleine Strecke Landes beschränkt. Man beobachtet das Nämliche auf der Insel Bourbon und fast überall am Fuße der brennenden Vulkane. In Neapel gehen die Erderschütterungen den Eruptionen des Vesuvs voran; sie hören auf nachdem die Lava durchgebrochen ist, und sie sind überhaupt sehr schwach im Vergleich mit denen, welche man an dem Abhange der Kalkapenninen empfindet. Zur Beantwortung der Frage: ob man annehmen könne; daß in einer Reihe von Jahrhunderten der Krater des Pics wieder anfangen werde, thätig zu seyn? kann allein die Analogie als Wegweiser dienen. Nun war nach dem Berichte von Braccini das Innere des Kraters vom Vesuv im Jahr 1611 mit Gesträuch bedeckt. Alles verkündigte daselbst die größte Ruhe, und doch warf zwanzig Jahre nachher der nämliche Schlund, der sich in ein beschattetes Thal umzuwandeln schien, Feuerbüschel und eine ungeheuere Menge von Asche aus. Der Vesuv wurde wieder eben so thätig im Jahr 1631, als er es 1500 gewesen war. Eben so wäre es möglich, daß der Krater des Pics eines Tags eine andere Gestalt annähme. Er ist eine Solfatara, ähnlich der ruhigen Solfatara von Puzzuoli; aber diese befindet sich auf dem Gipfel eines noch jezt brennenden Vulkans. Die Ausbrüche des Pics waren seit zwei Jahrhunderten sehr selten, und diese lange Zwischenzeiten von Ruhe scheinen sehr hohe Vulkane zu charakterisiren. Der kleinste unter allen, Stromboli, ist beinahe immerwährend in Thätigkeit. Auf dem Vesuv sind die Ausbrüche schon seltener, ungeachtet sie noch viel häufiger sind, als bei dem Aetna und dem Pic von Teneriffa. Die kolossalen Gipfel der Anden, der Kotopaxi und der Tungurahua, speien kaum einmal in einem Jahrhundert Feuer. Man könnte fast sagen, bei den brennenden Vulkanen stehe die Häufigkeit der Ausbrüche im entgegengesezten Verhältniß mit ihrer Höhe und Masse. Auch schien der Pic während 92 Jahren erloschen, als er im Jahr 1798 seine lezte Eruption durch eine Seiten-Oeffnung machte, welche in dem Berg Chahorra gebildet wurde. In diesem Zeitraume hat der Vesuv sechszehnmal Feuer gespien. Der ganze bergige Theil des Königreichs Quito kann als ein ungeheuerer Vulkan angesehen werden, der mehr als 700 Quadratmeilen Oberfläche einnimmt, und durch verschiedene Kegel Flammen auswirft, welche mit den besondern Benennungen des Kotopaxi, Tungurahua und Pichincha bezeichnet werden. Eben so ist die ganze Gruppe der Kanarischen Inseln, so zu sagen, auf einen unter dem Meere befindlichen Vulkan gestellt. Das Feuer brach bald durch die eine, bald durch die andere dieser Inseln durch. Teneriffa allein enthält in seinem Mittelpunkte eine ungeheuere, in einen Krater ausgehende, Pyramide, die von Jahrhunderten zu Jahrhunderten durch ihre Seiten Laven auswirft. Auf den andern Inseln hatten die verschiedenen Ausbrüche an verschiedenen Stellen statt, und man findet auf ihnen keine von jenen isolirten Bergen auf welche die vulkanischen Wirkungen beschränkt sind. Die Basaltrinde von alten Vulkanen gebildet, scheint daselbst überall unterwühlt und die Lavaströme, welche man auf Lancerota und Palma erscheinen sah, erinnern, nach allen geologischen Verhältnissen, an den Ausbruch, welcher im Jahr 1301 mitten unter den Tuffen von Epomeo, auf der Insel Ischia Statt hatte. Folgende ist die Uebersicht der vulkanischen Phänomene, deren Andenken die Geschichtschreiber der Kanarischen Inseln seit der Mitte des 16ten Jahrhunderts aufbewahrt haben. Jahr 1558. Den 15. April wurde die Insel Teneriffa das erstemal von der aus der Levante gebrachten Pest heimgesucht. Ein Vulkan öffnet sich auf der Insel Palma. Ein Berg steigt aus der Erde empor; es bildet sich auf dem Gipfel ein Krater, welcher einen Lavastrom von hundert Toisen Breite und von mehr als 2500 Toisen Länge ausspeiet. Die Lava strömt ins Meer, und indem sie die Temperatur des Wassers erhöht, zernichtet sie die Fische auf große Entfernungen hin im Umkreise. Diese nämliche Erscheinung hatte im J. 1811 bei den Azoren statt, als sich der Vulkan Saboina im Grunde des Ozeans öffnete, das kalzinirte Skelett eines Hayfisches wurde in dem überschwemmten und erloschenen Krater gefunden. Jahr 1646. Den 13. November entsteht eine Oeffnung auf der Insel Palma bei Tigalata. Zwei andere bilden sich am Ufer des Meers. Die aus diesen Oeffnungen fließenden Laven vertrocknen die berühmte Quelle von Foncaliente oder Fuente Santa. In den Anden von Quito glauben die Indier bemerkt zu haben, daß die Menge von eindringendem Schneewasser die Thätigkeit der Vulkane vermehre. Jahr 1677. Dritte Eruption auf der Insel Palma. Der Berg las Cabras wirft Schlacken und Asche durch eine Menge kleiner Oeffnungen aus, die sich allmählig bilden. Jahr 1704. Den 31. Dez. Der Pic von Teneriffa macht einen Seiten-Ausbruch in der Ebene Los Infantes, oberhalb Icora, im Distrikte Guimar. Schauervolle Erdbeben gingen dieser Eruption voran. Den 5. Jan. 1705 thut sich eine neue Oeffnung in der Schlucht von Almerchiga auf, eine Meile von Icora. Die Laven kommen in solcher Menge, daß das ganze Thal Fasnia oder Areza davon angefüllt wird. Diese zweite Oeffnung hört den 13. Jan. zu speien auf. Eine dritte bildet sich den 2. Febr. in der Canada von Arafo. Die in drei Ströme getheilten Laven drehen dem Dorfe Guimar, werden aber in dem Thal Melosar durch eine hervorstehende Felsenmasse aufgehalten, die ihnen ein unüberwindliches Hinderniß entgegensezt. Während dieser Ausbrüche erleidet die Stadt Orotava, die von den neuen Oeffnungen durch einen schmalen Damm getrennt ist, starke Erschütterungen. Jahr 1706. Den 5. Mai. Andere Seiten-Eruptionen des Pics von Teneriffa. Die Mündung öffnet sich südlich vom Hafen Garachico, welcher damals der schönste und besuchteste der Insel war. Die Stadt, bevölkert und reich, war an dem Saum eines Lorbeerwaldes gebaut, in einer sehr pittoresken Lage. Zwei Lavaströme zerstörten sie in wenigen Stunden. Der Hafen wurde dergestalt angefüllt, daß die angehäuften Laven in der Mitte seines Umkreises ein Vorgebirg bildeten. Durchaus veränderte das Erdreich in den Umgebungen von Garachico seine Gestalt. Hügel erhoben sich in der Ebene; die Quellen verschwanden und Felsen, erschüttert durch häufige Erdbeben blieben nackt, ohne Vegetazion und Erde. Jahr 1730. Den 1. Sept. Eine von den schauervollsten Revoluzionen zerrüttet den Abhang der Insel Lancerota. Ein neuer Vulkan bildet sich zu Temanfaya. Die von ihm ausfließenden Laven und die Erdbeben, welche die Eruption begleiten, zerstören eine große Anzahl Dörfer. Die Erdstöße dauern bis ins Jahr 1736. Während dieser Eruption sieht man vom Meer eine dicke Rauchsäule aufsteigen. Pyramidale Felsen erheben sich über die Oberfläche des Wassers, und indem sie sich vergrößern, vereinigen sich diese neue Klippen allmählig mit der Insel selbst. Jahr 1798. Den 9. Juni. Eruption des Pics von Teneriffa, durch die Seite des Berges Chahorra oder Venge an einer völlig unbebauten Stelle, südlich von Icod, neben dem Dorfe Guia, dem alten Isora. Dieser Berg, welcher an den Pic angelehnt ist, wurde von jeher als ein erloschener Vulkan betrachtet. Ob er gleich von dichten Materien gebildet ist, so verhält er sich doch zum Pic, wie der Monte-Rosso, welcher sich im Jahr 1661 erhob, und die Boche nuove, welche sich im Jahr 1794 öffneten, zum Aetna und zum Vesuv. Der Ausbruch von Chahorra dauerte 3 Monate und 6 Tage. Die Laven und Schlacken wurden durch vier Oeffnungen ausgeworfen, welche in einer Linie lagen. Die Lava, 3 bis 4 Toisen hoch aufgethürmt, rückte in einer Stunde drei Fuß vor. Was die Höhe betrifft, zu welcher bedeutende Felsenstücke durch die Oeffnungen von Chahorra geworfen wurden, so zählte Cologan 12 bis 15 Sekunden während des Falls dieser Steine, das heißt von dem Augenblick an zu rechnen, wo sie das Maximum ihrer Höhe erreicht hatten. Dieser merkwürdige Versuch beweißt, daß die Oeffnung Felsenstücke zu mehr als 3000 Fuß Höhe auswarf. Der Abhang des Bergs Venge, auf welchem die Eruption geschah, wird Chazajanne genannt. Drei von diesen Steinen, sagt Bory, verweilten 12 bis 16 Sekunden, um sich so hoch zu erheben, bis sie sich aus dem Gesichte verloren, um dann wieder herabzufallen. Cologan bemerkt, daß die Dauer des Falls selbst etwas über fünfzehn Sekunden betrug, weil er den Steinen nicht bis zu ihrer Berührung mit der Erde folgen konnte. Alle, in diesem chronologischen Ueberblicke, angegebenen Ausbrüche beziehen sich auf die drei Inseln Palma, Teneriffa und Lancerota. Es ist wahrscheinlich, daß vor dem 16. Jahrhunderte die andern Inseln ebenfalls die Wirkungen des vulkanischen Feuers erfahren haben. So sind einige unbestimmte Nachrichten vorhanden über einen erloschenen Vulkan, welcher sich im Mittelpunkte der Insel Ferro befindet, und über einen andern auf Gran-Canaria, bei Arguineguin. Aber es wäre merkwürdig zu wissen, ob sich Spuren von vulkanischem Feuer in den Kalkformazionen von Fuertaventura und in den Graniten und Glimmerschiefern von Gomera vorfinden ." Die blos auf den Seiten statt findende Thätigkeit des Pics von Teneriffa ist eine um so merkwürdigere Erscheinung, als sie dazu beiträgt, die Berge, welche an den Hauptvulkan angelehnt sind, isolirt erscheinen zu machen. Es ist wahr, daß bei dem Aetna und Vesuv die großen Lavaströme auch nicht von dem Krater selbst kommen und daß die Menge der geschmolzenen Materien gewöhnlich in umgekehrtem Verhältnisse mit der Höhe steht, in welcher sich die Spalte gebildet hat, welche die Laven auswirft. Aber auf dem Aetna und Vesuv endigt sich ein Seiten-Ausbruch jedesmal mit einem Auswurf von Feuer und Aschen durch den Krater, d. h. durch den Gipfel des Berges selbst. Auf dem Pic von Teneriffa hat sich diese Erscheinung seit Jahrhunderten nicht gezeigt. Noch neuerlich, bei der Eruption von 1798, sah man den Krater in der größten Unthätigkeit. Sein Grund hat sich nicht gesenkt, während auf dem Vesuv nach der scharfsinnigen Bemerkung des Hrn. v. Buch die größere oder geringere Tiefe des Kraters ein beinahe untrügliches Zeichen des Bevorstehens einer neuen Eruption ist.