Der Kuh- oder Milchbaum. Fast nichts, während meiner langen Reisen mir Auffallendes hat meine Einbildungskraft so mächtig ergriffen, sagt Humboldt, als der erste Anblick des Kuhbaums. Wenige Tropfen des vegetabilischen Saftes jenes Kuhbaumes erinnerten uns an die Allmacht und Fruchtbarkeit der schaffenden Natur. An dürrer Felsenwand wächst ein Baum mit pergamentartigen trockenen Blättern. Seine starken, beinharten Wurzeln dringen mit Mühe in den Felsen, welchen sie bisweilen sprengen. Während mehrerer Monate muß eben dieser Baum in den Tropenländern jedes Regentropfens zur Erquikung seiner dürren Blätter entbehren. Todt und verdorrt sehen dann seine Zweige aus. Wenn aber der Stamm angebohrt wird, so fließt aus seiner Wunde ein Baumsaft, süß und nahrhaft wie Milch. Am Reichlichsten fließt diese Quelle des Pflanzen-Reiches mit Aufgang der Sonne. Sogleich mit ihren ersten Strahlen am Horizonte sieht man Eingeborne und Schwarze mit großen Krügen herbeieilen, um die Milch aufzufangen, welche, wenn man sie stehen läßt, gelb wird und sich auf der Oberfläche verdikt. Einige leeren ihre Becher sofort sizend auf den Baumwurzeln; andere bringen diese Nahrung ihren Kindern. Es war der nemliche Anblick, der sich uns in Europa darbot, wenn ein Schäfer die Milch seiner Heerde zu trinken gibt. Das tiefe Studium des Pflanzen- und Thierreiches führt am Ende dahin, daß sie beide höchst nahe mit einander verwandt sind, und es erklären sich die dem Laien wundervollen Erscheinungen, und vermindert freilich den Eindruck des Wunderbaren, durch Erklärung der Ursachen des auffallend Scheinenden. Diese Milch hat folgende Bestandtheile: 1. Wachs, 2. Thierfaser, 3. etwas Zuker, 4. Bittersalz, 5. Wasser.