Ueber die Milch des Kuhbaums und die Pflanzenmilch überhaupt vom A. v. HUMBOLDT. Uebersetzt aus den Annales de Chimie et physique. 1818. Fevr. p. 182. Wir theilen hier einen Auszug mit aus einer Abhandlung, welche Herr von Humboldt vor kurzem in einer Sitzung der Akademie der Wissenschaften zu Paris vorlas. Diejenigen von unsern Lesern, welche über einen für die Pflanzenchemie so interessanten Gegenstand ausführlichere Nachrichten wünschen, können dieselben im fünften Bande der Relation historique des Herrn von Humboldt, der nächstens erscheinen wird, finden. „Seit einigen Wochen hatten wir, in den Thälern von Aragua von einem Baume reden hören, dessen Saft eine nahrhafte Milch ist; man nennt ihn Kuhbaum. Man versicherte uns, daß die Neger der Niederlassung diese vegetabilische Milch in Menge trinken, und sie für ein sehr gesundes Nahrungsmittel halten. Da nun alle Milchsäfte der Pflanzen scharf, bitter und mehr oder weniger giftig sind, so kam uns diese Angabe ganz ausserordentlich vor. Die Erfahrung hat uns während unseres Aufenthalts zu Barbula (einer Provinz von Karakas) gezeigt, daß man die guten Eigenschaften des Palo de Vaca nicht übertrieben habe. Dieser schöne Baum hat das Ansehen des Sternapfelbaums. Die oblongen zugespitzten, lederartigen und abwechselnd gestellten Blätter sind mit parallelen nach unten hervortretenden Adern bezeichnet, und bis 10 Zoll lang. Die Blüthe haben wir nicht gesehen. Die Frucht ist wenig fleischig, und enthält eine manchmal auch 2 Nüsse. Wenn man Einschnitte macht in den Stamm des Kuhbaums, der zu der Familie der Sapoteen zu gehören scheint, so giebt er eine Menge klebrige, dickliche Milch die nicht die geringste Schärfe besitzt, und einen sehr angenehmen Balsamduft verbreitet. Man brachte sie uns in den Früchten des Tutumo oder des Kalabassenbaums. Wir tranken Abends vor Schlafengehen und am frühen Morgen eine beträchliche Menge davon, ohne daß wir die geringste nachtheilige Wirkung verspürten. Blos das klebrige Wesen dieser Milch macht sie etwas unangenehm. Neger und Freie, welche in den Plantagen arbeiten, geniessen sie, indem sie Brod aus Mais und Mamok, die Arepa und die Cassave hineintauchen. Der Aufseher der Niederlassung versicherte uns, daß die Sklaven in der Jahreszeit, wo ihnen der Palo de Vaca die meiste Milch giebt, sichtbarlich stark werden.” Chrysophyllum Cainito. „Sezt man diese Flüssigkeit der Luft aus, so bilden sich auf ihrer Oberfläche, vielleicht durch Einsaugung des Sauerstoffs aus der Atmosphäre Häute von einer sehr stark animalisirten, gelblichen, faserigen, einer käsigen Materie ähnlichen Substanz. Trennt man sie von der übrigen mehr wässerigen Flüssigkeit, so findet man sie elastisch fast wie Kautschuk, aber sie sind mit der Zeit der Fäulniß unterworfen wie die Gallerte. Dieses beym Zutritt der Luft sich absondernde Gerinnsel nennt das Volk Käse. Nach 5 bis 6 Tagen wird dasselbe sauer, wie ich es an den Stückchen sah, die ich an den Orenoko mit nahm. Die in einem verstopften Glase aufbewahrte Milch hatte ein wenig Coagulum abgesetzt, war aber nichts weniger als übelriechend geworden, sondern hauchte fortdauernd Balsamduft aus. „Mit kaltem Wasser gemischt gewann der frische Saft nur unvollkommen; aber mit Salpetersäure trat die Aussonderung der klebrigen Membranen ein. An H. von Fourcroy schickten wir zwey Flaschen voll solcher Milch. In der einen war sie in ihrem natürlichen Zustande; in der andern gemischt mit einer bestimmten Quantität kohlensauren Natrums.” „Unser ausserordentlicher Baum scheint der Küstenkordillere anzugehören, besonders von Barbula bis zum See Maracaybe. Es finden sich auch einige Stämme davon in der Nähe des Dorfs San Marco, und, nach Herrn Bredmeyer, dessen Reisen die schönen Schönbrunner und Wiener Pflanzenhäuser so sehr bereichert haben, auch im Thal Caucagua, östlich drey Tagreisen von Karakas. Dieser Naturforscher hat, wie wir, die Pflanzenmilch des Palo de Vaca von angenehmen Geschmack und aromatischen Geruch befunden. Zu Caucagua nennen die Innländer den Baum, welcher diesen nahrhaften Saft giebt, den Milchbaum Arbol de Leche. ” Ueber die Pflanzenmilch. „Lange Zeit bevor die Chemiker Wachstheilchen im Pollen der Blumen, in dem glänzenden Ueberzug der Blätter, und in dem weifslichen Staub auf unsern Pflaumen und Trauben entdeckten, formten die Bewohner der Anden von Quindiu Kerzen aus der dicken Wachslage, welche den Stamm einer Palme umgiebt. Erst vor wenigen Jahren entdeckte man in Europa den Käsestoff, die Basis des Käses in den Mandelemulsionen, während man seit Jahrhunderten in den Küstengebirgen Venezuelas die Milch eines Baums und den Käse , der aus dieser Pflanzenmilch sich ausscheidet, für ein gesundes Nahrungsmittel hält. Was ist die Ursache dieses eigenthümlichen Gangs in der Entwicklung unserer Kenntnisse? Wie könnte in der einen Halbkugel das Volk erkennen, was in der andern so lange Zeit dem Scharfsinne der Chemiker entschlüpfte, welche die Natur zu erforschen und sie nie auf ihren geheimnißreichen Wegen zu überraschen gewöhnt sind? Darum, weil eine kleine Zahl von Elementen und verschiedentlich verbundenen Grundstoffen in mehreren Pflanzenfamilien verbreitet sind; weil die Gattungen und Arten dieser natürlichen Familien in der Zone unter dem Aequator und in den kalten und gemässigten Zonen nicht gleichmässig vertheilt sind; weil Völkerstämme, welche durch die ihnen durchaus nothwendigen Bedürfnisse angespornt werden, und deren Kost fast ganz aus dem Pflanzenreiche genommen ist, Nahrungsstoffe und mehlige und genießbare Substanzen überall entdecken, wo die Natur sie niedergelegt hat in dem Safte, den Rinden, den Wurzeln oder den Früchten der Pflanzen. Jenes Stärkmehl, welches in seiner ganzen Reinheit die Körner der Cerealien enthalten, findet sich in den Wurzeln der Arumarten, der Tacca pinnatifida und der Jatropha Manihot mit einem scharfen, manchmal selbst giftigen Saft gemischt. Der Wilde Amerikas wie der auf den Südseeinseln lernte dieses Mehl durch Ausdrücken und Trennen von jenem Saft aussüssen. „In der Pflanzenmilch und den milchartigen Emulsionen sind ganz ausgezeichnet nahrhafte Stoffe, Eyweißtoff, Käsestoff und Zucker mit Kautschuk und kaustischen und tödtlichen Stoffen z. B. mit Morphium und Blausäure gemischt. Diese Mischungen ändern sich nicht nur in den verschiedenen Familien, sondern auch in den Arten, die zu demselben Geschlecht gehören. Bald ist es Morphium oder das narkotische Princip, welches die Pflanzenmilch charakterisirt, wie in der Mohnfamilie, bald ist es das Kautschuk, wie in der Hevea und Castilleja, bald sind es Eyweißstoff und Käsestoff, wie in dem Papaye und dem Kuhbaum. Das Opium enthält Morphium, Kautschuk u. s. w. „Die milchgebenden Pflanzen gehören besonders den drey Familien der Euphorbiaceen, der Urticeen und der Apocyneen, und da wir finden, sobald wir die Austheilung der Pflanzenformen über die Erdkugel genauer betrachten, daß weit mehrere Arten dieser drei Familien den tiefliegenden Gegenden der Tropen angehören, so dürfen wir hieraus schliessen, daß eine sehr hohe Temperatur die Ausbildung des Milchsafts, die Entwicklung des Kautschuks, des Eyweißtoffs und der käsigen Substanz begünstigt. „Der Saft des Palo de Vaca giebt unstreitig das auffallendste Beispiel einer Pflanzenmilch, in welcher das scharfe und tödtliche Prinzip nicht mit dem Eyweißtoff, Käsestoff oder Kautschuk verbunden ist; indessen giebt es schon unter den Geschlechtern Euphorbia und Asclepias Arten, deren Saft mild und unschädlich ist; so z. B. Tabayba dulce auf den kanarischen Inseln, wovon wir an einem andern Orte gesprochen haben, und Asclepias lactifera auf Ceylon. Burman berichtet, daß man sich in Ermangelung der Kuhmilch der Milch jener letzteren Pflanze bedient, und daß man die Speisen, welche man gewöhnlich mit thierischer Milch zubereitet, mit ihren Blättern kocht. Man kann hoffen, daß ein mit der Chemie sehr vertrauter Reisender, Herr John Davy, diese Sache während seines Aufenthalts auf der Insel Ceylan aufhellen wird; denn es wäre möglich, wie Herr Dekandolle sehr gut bemerkt, daß die Einwohner den Saft, der aus der jungen Pflanze träufelt, nur zu derjenigen Zeit gebrauchen, wo der scharfe Stoff noch unentwickelt ist. In mehreren Ländern genießt man übrigens wirklich die ersten Sprossen der Apocyneen. Euphorbia balsamifera. Der Milchsaft des Cactus mamillaris ist gleichfalls mild. (Decandolle, Essai sur les propriétés médicales des plantes, pag. 156.) „Durch diese Zusammenstellung habe ich versucht, unter einem allgemeineren Gesichtspunkt, die Milchsäfte, welche in den Pflanzen fliessen und die milchartigen Emulsionen, welche die Früchte der Mandeln und Palmen geben, darzustellen. „Es wird mir erlaubt seyn, diesen Betrachtungen noch die Resultate einiger Versuche beizufügen, welche ich mit dem Saft der Carica papaya während meines Aufenthalts in den Thälern von Aragua zu machen suchte, ob ich gleich damals fast gar keine Reagentien zur Hand hatte. — Derselbe Saft wurde seitdem von Herrn Vauquelin untersucht. Dieser treffliche Chemiker hat den Eyweißstoff und die käsige Materie sehr gut erkannt; er vergleicht den Milchsaft mit einer hoch animalisirten Substanz, mit dem Blute der Thiere; aber er konnte seine Versuche nur mit einem gegornen Saft anstellen, und mit einem häßlich riechenden Coagulum, welches sich bey der Ueberfahrt des Schiffs von Isle-de-France nach Havre gebildet hatte. Er hat den Wunsch ausgesprochen, daß ein Reisender die Milch der Papaya im Augenblick ihres Herabträufelns von dem Stängel oder der Frucht untersuchen möge. Vauquelin und Cadet de Gassicourt in den Annales de XLIII. pag. 275; Tom. XLIX, pag. 250 und 304. „Je jünger die Frucht der Karika ist, um so mehr giebt sie auch Milch; man findet sie schon in dem kaum befruchteten Saamen. Die Milch die im Verhältniß der Reife der Frucht an Menge abnimmt wird auch wässriger. Man trifft dann weniger von jenem thierischen Stoffe darinn an, welcher durch Säuren und Zutritt des Sauerstoffgases in der Luft gerinnt. Da die ganze Frucht schleimig ist, so könnte man glauben, daß die gerinnbare Substanz bei dem Wachsen der Frucht in die Organe abgesetzt wird, und zum Theil die fleischige Substanz bildet. „Wenn man die Salpetersäure mit vier Theilen Wasser verdünnt — in die aus einer sehr jungen Frucht ausgepreßte Milch Tropfenweise gießt, so sieht man eine auffallende Erscheinung. Es bildet sich im Mittelpuncte jedes Tropfens ein gelatinöses durch grauliche Streifen getheiltes Häutchen . Diese Streifen sind nichts anders als der wässrig gewordene Saft, weil der Zutritt der Säure ihn seines Eyweißstoffes beraubte. Zu gleicher Zeit verdunkelt sich der Mittelpunct der Häutchen, und nimmt eine Farbe an wie Eigelb. Die Häutchen vergrössern sich nun gleichsam wie durch Verlängerung der divergirenten Fibern. Die ganze Flüssigkeit sieht anfangs aus wie ein Achat mit milchigen Wolken, und man glaubt unter seinen Augen organische Häute entstehen zu sehen. Wenn die Gerinnung sich über die ganze Masse verbreitet, verschwinden die gelben Flecken wieder. Rührt man sie um, so werden sie körnig, wie weicher Käse. Die gelbe Farbe erscheint wieder, sobald man aufs Neue einige Tropfen Salpetersäure zugießt. Die Säure wirkt hier wie der Zutritt des Sauerstoffs in der Luft in der Temperatur von 27° — 35°; denn das weisse Gerinnsel wird in zwei oder drey Minuten gelb, wenn man es der Luft aussetzt. Nach einigen Stunden geht die gelbe Farbe ins Braune über, vielleicht, weil der Kohlenstoff in dem Maasse freier wird, als der Wasserstoff, mit welchem er verbunden war, sich verzehrt. Die durch die Säure gebildete geronnene Masse wird schleimig, und nimmt jenen Wachsgeruch an, den ich bemerkte indem ich Muskelfleisch und Morcheln mit Salpetersäure behandelte. Nach den schönen Versuchen des H. Hatchett kann man annehmen, daß der Eyweißstoff zum Theil in den Zustand der Gallerte übergeht. Wirft man die frischbereitete geronnene Masse von der Papaye in Wasser, so weicht sie auf, löst sich zum Theil auf und giebt dem Wasser eine rothe Färbung. — Setzt man die Milch blos in Berührung mit Wasser, so bilden sich auch Häute. Es fällt augenblicklich eine zitternde, der Stärke ähnliche Gallerte zu Boden. Diese Erscheinung ist besonders dann sehr auffallend, wenn das Wasser, welches man dazu gebraucht, bis zum 40° oder 60° erwärmt ist. Die Gallerte verdichtet sich, jemehr man Wasser zugießt. Sie behält lange ihre weisse Farbe, und wird erst beym Hinzuschütten einiger Tropfen Salpetersäure gelb. Geleitet durch den Versuch der Herren Fourcroy und Vauquelin über den Saft der Hevea, mischte ich der Papayamilch eine Auflösung von kohlensaurem Natron zu. Es entsteht keine Gerinnung, selbst wenn man reines Wasser in das Gemisch von Milch und Kaliauflösung gießt. Nur dann erscheinen Häute, wenn man durch Zusatz von Säure das Natrum neutralisirt, und dann noch überschüssige Säure hinzugießt. Eben so bewirkte ich, daß das durch Salpetersäure, Citronensaft oder warmes Wasser gebildete Gerinsel durch Mischung mit kohlensaurem Natrum wieder verschwand. Der Saft wird wieder milchig und flüssig wie in seinem vorigen Zustande; aber dieser Versuch gelingt nur, wenn die Gerinnung vor sehr kurzer Zeit vorgegangen war. Was sich in Klümpchen und faserigen geronnenen Brocken niederschlägt, ist kein reines Kautschuck, sondern vielleicht ein Gemeng dieser Substanz mit Käse- und Eyweißstoff. Die Säuren schlagen das Kautschuk aus dem Milchsafte der Euphorbien, der Feigen und der Heven nieder; so auch den Käsestoff aus der thierischen Milch. Eine weisse geronnene Masse bildet sich in völlig verschlossenen Fläschgen voll Heveamilch, die wir während unserer Reise an den Orenegue in unsern Sammlungen aufbewahrten. Hier hat vielleicht die Entwicklung einer Pflanzensäure den Eyweißstoff oxydirt. Die Entwicklung der Heveakoagulums oder eines wahren Kautschuks geht demungeachtet ungleich schneller beym Zutritte der Luft vor sich. Die Absorbtion des Sauerstoffgases der Luft ist keineswegs für die Entwicklung der Butter nothwendig, welche sich in der Milch der Thiere völlig ausgebildet verfindet; aber ich glaube, man darf nicht daran zweifeln, daß in der Pflanzenmilch diese Einsaugung Häute bildet aus Kautschuk, geronnenen Eyweißstoff und Käsestoff, welche sich nach und nach in den an die Luft gestellten Gefässen entwickeln. S. meine Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser, 1 Thl. pag. 177. „Vergleicht man die Milchsäfte der Papaya, des Kuhbaums und der Hevea, so findet man auffallende Aehnlichkeit zwischen den Säften, die mit Käsestoff als Hauptbestandtheil versehen sind, und denen, bey welchen Kautschuk vorwaltet. Alle weissen und frisch bereiteten Kautschuks, so auch die undurchdringlichen Mäntel welche man im spanischen Amerika bereitet indem man eine Lage Heveamilch zwischen zwei Tücher streicht, hauchen einen thierischen und widerlichen Geruch aus. Dieser scheint darauf hinzudeuten, daß das Kautschuk bey seiner Gerinnung den Käsestoff, der vielleicht nur ein abgeänderter Eyweißstoff ist, mit sich fortnimmt. Ponchos y Ruanas encauchadas entre dos telas. Die Frucht des Brodbaums ist eben so wenig Brod, als es die Bananen sind vor ihrer Reife, oder die knolligen und stärkehaltigen Wurzeln des Manioks, der Dioscorea, des Convolvulus Batatas und der Kartoffeln. Die Milch des Kuhbaums hingegen besitzt Käsestoff, eben so wie die Milch der Säugethiere. Erheben wir uns zu allgemeineren Betrachtungen, so werden wir, mit Herrn Gay-Lussac, das Kautschuk, als den Oeltheil, als die Butter der Pflanzenmilch ansehen. Man findet ja, wie in der Pflanzenmilch Käsestoff und Kautschuk, so in der thierischen Käsestoff und Butter. Diese beiden Prinzipe, das Eyweißstoffige und das Oelige unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung in den verschiedenen Thiergattungen so wie in denen der milchgebenden Pflanzen. In den letzteren sind sie meistens mit andern Stoffen gemischt, die als Nahrungsmittel schädlich wären, aber die man vielleicht durch chemische Processe auszuscheiden lernen könnte. Nährend wird eine Pflanzenmilch, wenn sie keinen scharfen und narkotischen Stoff und weniger Kautschuck als käseartige Masse enthält. ”