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Alexander von Humboldt: „Ueber die Milch des Kuhbaums und die Pflanzenmilch überhaupt“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1818-Sur_le_Lait-36> [abgerufen am 25.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1818-Sur_le_Lait-36
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Titel Ueber die Milch des Kuhbaums und die Pflanzenmilch überhaupt
Jahr 1819
Ort Nürnberg
Nachweis
in: Journal für Chemie und Physik 26:3 (1819), S. 231–242.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.56
Dateiname: 1818-Sur_le_Lait-36
Statistiken
Seitenanzahl: 12
Zeichenanzahl: 16478

Weitere Fassungen
Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général (Paris, 1818, Französisch)
On the Milk extracted from the Cow Tree (l’ Arbre de la Vache), and on Vegetable Milk in general (London, 1818, Englisch)
Der Kuhbaum und die Pflanzenmilch (Stuttgart; Tübingen, 1818, Deutsch)
Sur le Lait de l’arbre de la Vache (Paris, 1818, Französisch)
On the Milk of the Cow Tree, and on Vegetable Milk in general (Sherborne, 1818, Englisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (London, 1818, Englisch)
Cow Tree (Edinburgh, 1818, Englisch)
On the Milk of the Cow-Tree, and on Vegetable Milk in general (London, 1818, Englisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (Edinburgh, 1818, Englisch)
Drzewo krowie i mléko roślinne (Lwiw, 1818, Polnisch)
Cow tree (Boston, Massachusetts, 1818, Englisch)
Cow tree (Baltimore, Maryland, 1818, Englisch)
Cow-tree (London, 1818, Englisch)
On the Milk of the Cow Tree, and on vegetable Milk in General (London, 1818, Englisch)
Notions sur le Lait de l’Arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général (Montpellier, 1818, Französisch)
Sul latte dell’ albero della Vacca e in generale sul latte dei vegetabili (Pavia, 1818, Italienisch)
Ueber die Milch des Kuhbaums und die Milch der Pflanzen überhaupt (Jena, 1818, Deutsch)
Cow-tree (New York City, New York, 1819, Englisch)
The milk tree (New York City, New York, 1819, Englisch)
Cow-tree (Natchez, Mississippi, 1819, Englisch)
On the Cow Tree of the Caraccas, and on the Milk of Vegetables in general (London, 1819, Englisch)
The cow-tree (London, 1819, Englisch)
The Cow-tree (London, 1819, Englisch)
The cow-tree (Kendal, 1819, Englisch)
Cow-tree (London, 1819, Englisch)
Cow tree (Newcastle-upon-Tyne, 1819, Englisch)
The cow-tree (London, 1819, Englisch)
The Cow Tree (Providence, Rhode Island, 1819, Englisch)
The cow tree (Stockbridge, Massachusetts, 1819, Englisch)
The cow tree (New York City, New York, 1819, Englisch)
The cow tree (Hallowell, Maine, 1819, Englisch)
The cow tree (Alexandria, Virginia, 1819, Englisch)
The cow tree (Albany, New York, 1819, Englisch)
The cow tree (New York City, New York, 1819, Englisch)
De koe-boom en de planten-melk. (Uit het Hoogduitsch)’ (Amsterdam, 1819, Niederländisch)
Ueber die Milch des Kuhbaums und die Pflanzenmilch überhaupt (Nürnberg, 1819, Deutsch)
The Cow-Tree (London, 1820, Englisch)
Milk Tree in South America (London, 1821, Englisch)
The cow tree (Trenton, New Jersey, 1824, Englisch)
The cow tree (York, 1825, Englisch)
The Cow Tree (London, 1826, Englisch)
Arbol de leche (London, 1827, Spanisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (Buffalo, New York, 1827, Englisch)
Description of the milk tree in South America (London, 1829, Englisch)
Vegetable substances – the cow tree (New York City, New York, 1832, Englisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (Wien, 1833, Deutsch)
Der Milchbaum (Wien, 1833, Deutsch)
Der Kuhbaum (Wien, 1834, Deutsch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (London, 1834, Englisch)
The cow-tree of South America (London, 1834, Englisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (Castlebar, 1834, Englisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (Durham, 1834, Englisch)
The cow-tree of South America (London, 1834, Englisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (Manchester, 1834, Englisch)
The Cow-Tree (London, 1834, Englisch)
Cow tree (Boston, Massachusetts, 1834, Englisch)
[Sur le Lait de l’arbre de la Vache et le Lait des végétaux en général] (New York City, New York, 1834, Englisch)
The Cow-Tree of South America (Merthyr Tydfil, 1835, Englisch)
Der Kuh- oder Milchbaum (München, 1838, Deutsch)
The cow tree (Philadelphia, Pennsylvania, 1840, Englisch)
The Palo de Vacca (Belfast, 1841, Englisch)
The Cow Tree (Bolton, 1850, Englisch)
Arbol de leche (Mexico, 1852, Spanisch)
Milk, Bread, and Butter Trees! (Northampton, 1852, Englisch)
Milk, bread, and butter trees (Wells, 1852, Englisch)
Milk, bread, and butter trees (Cirencester, 1852, Englisch)
Milk, bread, and butter trees (Sligo, 1852, Englisch)
The Cow Tree (London, 1852, Englisch)
The palo de vaca or cow-tree (Enniskillen, 1853, Englisch)
The Cow Tree (Haverfordwest, 1853, Englisch)
The Cow Tree (Greensburg, Indiana, 1853, Englisch)
The cow tree (Loudon, Tennessee, 1854, Englisch)
Milk, bread and butter trees. (Philadelphia, Pennsylvania, 1856, Englisch)
Milk and butter trees (London, 1856, Englisch)
The Cow Tree (Salisbury, North Carolina, 1857, Englisch)
|231|

Ueber dieMilch des Kuhbaumsund diePflanzenmilchüberhauptvomA. v. HUMBOLDT. *)

Wir theilen hier einen Auszug mit aus einer Ab-handlung, welche Herr von Humboldt vor kurzemin einer Sitzung der Akademie der Wissenschaftenzu Paris vorlas. Diejenigen von unsern Lesern,welche über einen für die Pflanzenchemie so inte-ressanten Gegenstand ausführlichere Nachrichten wün-schen, können dieselben im fünften Bande der Re-lation historique des Herrn von Humboldt, dernächstens erscheinen wird, finden. „Seit einigen Wochen hatten wir, in den Thä-lern von Aragua von einem Baume reden hören,dessen Saft eine nahrhafte Milch ist; man nennt ihn Kuhbaum. Man versicherte uns, daß die Neger derNiederlassung diese vegetabilische Milch in Mengetrinken, und sie für ein sehr gesundes Nahrungs-
*) Uebersetzt aus den Annales de Chimie et physique. 1818.Fevr. p. 182.
|232| mittel halten. Da nun alle Milchsäfte der Pflanzenscharf, bitter und mehr oder weniger giftig sind, sokam uns diese Angabe ganz ausserordentlich vor.Die Erfahrung hat uns während unseres Aufenthaltszu Barbula (einer Provinz von Karakas) gezeigt, daßman die guten Eigenschaften des Palo de Vaca nichtübertrieben habe. Dieser schöne Baum hat das An-sehen des Sternapfelbaums. *) Die oblongen zuge-spitzten, lederartigen und abwechselnd gestellten Blät-ter sind mit parallelen nach unten hervortretendenAdern bezeichnet, und bis 10 Zoll lang. Die Blü-the haben wir nicht gesehen. Die Frucht ist wenigfleischig, und enthält eine manchmal auch 2 Nüsse.Wenn man Einschnitte macht in den Stamm desKuhbaums, der zu der Familie der Sapoteen zugehören scheint, so giebt er eine Menge klebrige,dickliche Milch die nicht die geringste Schärfe be-sitzt, und einen sehr angenehmen Balsamduft ver-breitet. Man brachte sie uns in den Früchten desTutumo oder des Kalabassenbaums. Wir trankenAbends vor Schlafengehen und am frühen Morgeneine beträchliche Menge davon, ohne daß wir diegeringste nachtheilige Wirkung verspürten. Blosdas klebrige Wesen dieser Milch macht sie etwasunangenehm. Neger und Freie, welche in den Plan-tagen arbeiten, geniessen sie, indem sie Brod ausMais und Mamok, die Arepa und die Cassave hin-eintauchen. Der Aufseher der Niederlassung ver-sicherte uns, daß die Sklaven in der Jahreszeit, wo
*) Chrysophyllum Cainito.
|233| ihnen der Palo de Vaca die meiste Milch giebt, sicht-barlich stark werden.”
„Sezt man diese Flüssigkeit der Luft aus, sobilden sich auf ihrer Oberfläche, vielleicht durchEinsaugung des Sauerstoffs aus der Atmosphäre Häu-te von einer sehr stark animalisirten, gelblichen, fa-serigen, einer käsigen Materie ähnlichen Substanz.Trennt man sie von der übrigen mehr wässerigenFlüssigkeit, so findet man sie elastisch fast wie Kaut-schuk, aber sie sind mit der Zeit der Fäulniß unter-worfen wie die Gallerte. Dieses beym Zutritt derLuft sich absondernde Gerinnsel nennt das Volk Kä-se. Nach 5 bis 6 Tagen wird dasselbe sauer, wie iches an den Stückchen sah, die ich an den Orenokomit nahm. Die in einem verstopften Glase aufbe-wahrte Milch hatte ein wenig Coagulum abgesetzt,war aber nichts weniger als übelriechend geworden,sondern hauchte fortdauernd Balsamduft aus. „Mit kaltem Wasser gemischt gewann der fri-sche Saft nur unvollkommen; aber mit Salpetersäu-re trat die Aussonderung der klebrigen Membranenein. An H. von Fourcroy schickten wir zwey Fla-schen voll solcher Milch. In der einen war sie inihrem natürlichen Zustande; in der andern gemischtmit einer bestimmten Quantität kohlensauren Na-trums.” „Unser ausserordentlicher Baum scheint der Kü-stenkordillere anzugehören, besonders von Barbulabis zum See Maracaybe. Es finden sich auch einigeStämme davon in der Nähe des Dorfs San Marco,und, nach Herrn Bredmeyer, dessen Reisen dieschönen Schönbrunner und Wiener Pflanzenhäuser |234| so sehr bereichert haben, auch im Thal Caucagua, öst-lich drey Tagreisen von Karakas. Dieser Naturforscherhat, wie wir, die Pflanzenmilch des Palo de Vacavon angenehmen Geschmack und aromatischen Ge-ruch befunden. Zu Caucagua nennen die Innländerden Baum, welcher diesen nahrhaften Saft giebt, denMilchbaum Arbol de Leche.

Ueber die Pflanzenmilch.

„Lange Zeit bevor die Chemiker Wachstheil-chen im Pollen der Blumen, in dem glänzenden Ue-berzug der Blätter, und in dem weifslichen Staub aufunsern Pflaumen und Trauben entdeckten, formtendie Bewohner der Anden von Quindiu Kerzen ausder dicken Wachslage, welche den Stamm einerPalme umgiebt. Erst vor wenigen Jahren entdeckteman in Europa den Käsestoff, die Basis des Käses inden Mandelemulsionen, während man seit Jahrhun-derten in den Küstengebirgen Venezuelas die Milcheines Baums und den Käse, der aus dieser Pflanzen-milch sich ausscheidet, für ein gesundes Nahrungs-mittel hält. Was ist die Ursache dieses eigenthüm-lichen Gangs in der Entwicklung unserer Kenntnis-se? Wie könnte in der einen Halbkugel das Volkerkennen, was in der andern so lange Zeit demScharfsinne der Chemiker entschlüpfte, welche dieNatur zu erforschen und sie nie auf ihren geheim-nißreichen Wegen zu überraschen gewöhnt sind?Darum, weil eine kleine Zahl von Elementen undverschiedentlich verbundenen Grundstoffen in meh-reren Pflanzenfamilien verbreitet sind; weil die Gat- |235| tungen und Arten dieser natürlichen Familien in derZone unter dem Aequator und in den kalten undgemässigten Zonen nicht gleichmässig vertheilt sind;weil Völkerstämme, welche durch die ihnen durchausnothwendigen Bedürfnisse angespornt werden, undderen Kost fast ganz aus dem Pflanzenreiche genom-men ist, Nahrungsstoffe und mehlige und genießba-re Substanzen überall entdecken, wo die Natur sieniedergelegt hat in dem Safte, den Rinden, denWurzeln oder den Früchten der Pflanzen. JenesStärkmehl, welches in seiner ganzen Reinheit dieKörner der Cerealien enthalten, findet sich in denWurzeln der Arumarten, der Tacca pinnatifida undder Jatropha Manihot mit einem scharfen, manch-mal selbst giftigen Saft gemischt. Der Wilde Ame-rikas wie der auf den Südseeinseln lernte diesesMehl durch Ausdrücken und Trennen von jenemSaft aussüssen. „In der Pflanzenmilch und den milchartigen E-mulsionen sind ganz ausgezeichnet nahrhafte Stoffe,Eyweißtoff, Käsestoff und Zucker mit Kautschukund kaustischen und tödtlichen Stoffen z. B. mitMorphium *) und Blausäure gemischt. Diese Mi-schungen ändern sich nicht nur in den verschiede-nen Familien, sondern auch in den Arten, die zudemselben Geschlecht gehören. Bald ist es Morphi-um oder das narkotische Princip, welches die Pflan-zenmilch charakterisirt, wie in der Mohnfamilie, baldist es das Kautschuk, wie in der Hevea und Castil-
*) Das Opium enthält Morphium, Kautschuk u. s. w.
|236| leja, bald sind es Eyweißstoff und Käsestoff, wie indem Papaye und dem Kuhbaum.
„Die milchgebenden Pflanzen gehören besondersden drey Familien der Euphorbiaceen, der Urticeenund der Apocyneen, und da wir finden, sobald wirdie Austheilung der Pflanzenformen über die Erdkugelgenauer betrachten, daß weit mehrere Arten dieser dreiFamilien den tiefliegenden Gegenden der Tropen an-gehören, so dürfen wir hieraus schliessen, daß einesehr hohe Temperatur die Ausbildung des Milchsafts,die Entwicklung des Kautschuks, des Eyweißtoffsund der käsigen Substanz begünstigt. „Der Saft des Palo de Vaca giebt unstreitig das auffal-lendste Beispiel einer Pflanzenmilch, in welcher dasscharfe und tödtliche Prinzip nicht mit dem Ey-weißtoff, Käsestoff oder Kautschuk verbunden ist;indessen giebt es schon unter den Geschlechtern Eu-phorbia und Asclepias Arten, deren Saft mild undunschädlich ist; so z. B. Tabayba dulce auf den ka-narischen Inseln, wovon wir an einem andern Ortegesprochen haben, *) und Asclepias lactifera auf Cey-lon. Burman berichtet, daß man sich in Ermange-lung der Kuhmilch der Milch jener letzteren Pflan-ze bedient, und daß man die Speisen, welche mangewöhnlich mit thierischer Milch zubereitet, mit ih-ren Blättern kocht. Man kann hoffen, daß ein mitder Chemie sehr vertrauter Reisender, Herr John Davy, diese Sache während seines Aufenthalts auf
*) Euphorbia balsamifera. Der Milchsaft des Cactus mamil-laris ist gleichfalls mild. (Decandolle, Essai sur les pro-priétés médicales des plantes, pag. 156.)
|237| der Insel Ceylan aufhellen wird; denn es wäre mög-lich, wie Herr Dekandolle sehr gut bemerkt, daßdie Einwohner den Saft, der aus der jungen Pflan-ze träufelt, nur zu derjenigen Zeit gebrauchen, woder scharfe Stoff noch unentwickelt ist. In mehre-ren Ländern genießt man übrigens wirklich die er-sten Sprossen der Apocyneen.
„Durch diese Zusammenstellung habe ich ver-sucht, unter einem allgemeineren Gesichtspunkt, dieMilchsäfte, welche in den Pflanzen fliessen und diemilchartigen Emulsionen, welche die Früchte derMandeln und Palmen geben, darzustellen. „Es wird mir erlaubt seyn, diesen Betrachtun-gen noch die Resultate einiger Versuche beizufügen,welche ich mit dem Saft der Carica papaya währendmeines Aufenthalts in den Thälern von Aragua zumachen suchte, ob ich gleich damals fast gar keineReagentien zur Hand hatte. — Derselbe Saft wurdeseitdem von Herrn Vauquelin untersucht. *) Diesertreffliche Chemiker hat den Eyweißstoff und die kä-sige Materie sehr gut erkannt; er vergleicht denMilchsaft mit einer hoch animalisirten Substanz, mitdem Blute der Thiere; aber er konnte seine Versu-che nur mit einem gegornen Saft anstellen, und miteinem häßlich riechenden Coagulum, welches sichbey der Ueberfahrt des Schiffs von Isle-de-Francenach Havre gebildet hatte. Er hat den Wunschausgesprochen, daß ein Reisender die Milch der Pa-
*) Vauquelin und Cadet de Gassicourt in den Annales deXLIII. pag. 275; Tom. XLIX, pag. 250 und 304.
|238| paya im Augenblick ihres Herabträufelns von demStängel oder der Frucht untersuchen möge.
„Je jünger die Frucht der Karika ist, um so mehrgiebt sie auch Milch; man findet sie schon in demkaum befruchteten Saamen. Die Milch die im Verhält-niß der Reife der Frucht an Menge abnimmt wirdauch wässriger. Man trifft dann weniger von jenemthierischen Stoffe darinn an, welcher durch Säurenund Zutritt des Sauerstoffgases in der Luft gerinnt.Da die ganze Frucht schleimig ist, so könnte manglauben, daß die gerinnbare Substanz bei demWachsen der Frucht in die Organe abgesetzt wird,und zum Theil die fleischige Substanz bildet. „Wenn man die Salpetersäure mit vier TheilenWasser verdünnt — in die aus einer sehr jungenFrucht ausgepreßte Milch Tropfenweise gießt, sosieht man eine auffallende Erscheinung. Es bildetsich im Mittelpuncte jedes Tropfens ein gelatinösesdurch grauliche Streifen getheiltes Häutchen. Die-se Streifen sind nichts anders als der wässrig gewordeneSaft, weil der Zutritt der Säure ihn seines Eyweiß-stoffes beraubte. Zu gleicher Zeit verdunkelt sichder Mittelpunct der Häutchen, und nimmt eine Far-be an wie Eigelb. Die Häutchen vergrössern sichnun gleichsam wie durch Verlängerung der divergi-renten Fibern. Die ganze Flüssigkeit sieht anfangsaus wie ein Achat mit milchigen Wolken, und manglaubt unter seinen Augen organische Häute entste-hen zu sehen. Wenn die Gerinnung sich über dieganze Masse verbreitet, verschwinden die gelben Fle-cken wieder. Rührt man sie um, so werden sie |239| körnig, wie weicher Käse. *) Die gelbe Farbe er-scheint wieder, sobald man aufs Neue einige TropfenSalpetersäure zugießt. Die Säure wirkt hier wie derZutritt des Sauerstoffs in der Luft in der Tempera-tur von 27° — 35°; denn das weisse Gerinnsel wirdin zwei oder drey Minuten gelb, wenn man es derLuft aussetzt. Nach einigen Stunden geht die gelbeFarbe ins Braune über, vielleicht, weil der Kohlen-stoff in dem Maasse freier wird, als der Wasserstoff,mit welchem er verbunden war, sich verzehrt. Diedurch die Säure gebildete geronnene Masse wirdschleimig, und nimmt jenen Wachsgeruch an, den
*) Was sich in Klümpchen und faserigen geronnenen Bro-cken niederschlägt, ist kein reines Kautschuck, sondernvielleicht ein Gemeng dieser Substanz mit Käse- und Ey-weißstoff. Die Säuren schlagen das Kautschuk aus demMilchsafte der Euphorbien, der Feigen und der Hevennieder; so auch den Käsestoff aus der thierischen Milch.Eine weisse geronnene Masse bildet sich in völlig ver-schlossenen Fläschgen voll Heveamilch, die wir währendunserer Reise an den Orenegue in unsern Sammlungenaufbewahrten. Hier hat vielleicht die Entwicklung einerPflanzensäure den Eyweißstoff oxydirt. Die Entwicklung derHeveakoagulums oder eines wahren Kautschuks geht dem-ungeachtet ungleich schneller beym Zutritte der Luft vorsich. Die Absorbtion des Sauerstoffgases der Luft istkeineswegs für die Entwicklung der Butter nothwendig,welche sich in der Milch der Thiere völlig ausgebildetverfindet; aber ich glaube, man darf nicht daran zwei-feln, daß in der Pflanzenmilch diese Einsaugung Häutebildet aus Kautschuk, geronnenen Eyweißstoff und Käse-stoff, welche sich nach und nach in den an die Luft gestellten Gefässen entwickeln.
|240| ich bemerkte indem ich Muskelfleisch und Morcheln mitSalpetersäure behandelte. *) Nach den schönen Ver-suchen des H. Hatchett kann man annehmen, daßder Eyweißstoff zum Theil in den Zustand der Gal-lerte übergeht. Wirft man die frischbereitete geron-nene Masse von der Papaye in Wasser, so weichtsie auf, löst sich zum Theil auf und giebt demWasser eine rothe Färbung. — Setzt man die Milchblos in Berührung mit Wasser, so bilden sich auch Häute.Es fällt augenblicklich eine zitternde, der Stärke ähn-liche Gallerte zu Boden. Diese Erscheinung ist be-sonders dann sehr auffallend, wenn das Wasser,welches man dazu gebraucht, bis zum 40° oder 60°erwärmt ist. Die Gallerte verdichtet sich, jemehrman Wasser zugießt. Sie behält lange ihre weisseFarbe, und wird erst beym Hinzuschütten einigerTropfen Salpetersäure gelb. Geleitet durch den Ver-such der Herren Fourcroy und Vauquelin über denSaft der Hevea, mischte ich der Papayamilch eineAuflösung von kohlensaurem Natron zu. Es ent-steht keine Gerinnung, selbst wenn man reines Was-ser in das Gemisch von Milch und Kaliauflösunggießt. Nur dann erscheinen Häute, wenn man durchZusatz von Säure das Natrum neutralisirt, und dannnoch überschüssige Säure hinzugießt. Eben so be-wirkte ich, daß das durch Salpetersäure, Citronen-saft oder warmes Wasser gebildete Gerinsel durchMischung mit kohlensaurem Natrum wieder ver-schwand. Der Saft wird wieder milchig und flüssig
*) S. meine Versuche über die gereizte Muskel- und Ner-venfaser, 1 Thl. pag. 177.
|241| wie in seinem vorigen Zustande; aber dieser Ver-such gelingt nur, wenn die Gerinnung vor sehr kur-zer Zeit vorgegangen war.
„Vergleicht man die Milchsäfte der Papaya, desKuhbaums und der Hevea, so findet man auffallen-de Aehnlichkeit zwischen den Säften, die mit Käsestoffals Hauptbestandtheil versehen sind, und denen, beywelchen Kautschuk vorwaltet. Alle weissen undfrisch bereiteten Kautschuks, so auch die undurch-dringlichen Mäntel *) welche man im spanischen Ame-rika bereitet indem man eine Lage Heveamilch zwischenzwei Tücher streicht, hauchen einen thierischen undwiderlichen Geruch aus. Dieser scheint darauf hin-zudeuten, daß das Kautschuk bey seiner Gerinnungden Käsestoff, der vielleicht nur ein abgeänderterEyweißstoff ist, mit sich fortnimmt. Die Frucht des Brodbaums ist eben so wenigBrod, als es die Bananen sind vor ihrer Reife, oderdie knolligen und stärkehaltigen Wurzeln des Mani-oks, der Dioscorea, des Convolvulus Batatas und derKartoffeln. Die Milch des Kuhbaums hingegen be-sitzt Käsestoff, eben so wie die Milch der Säuge-thiere. Erheben wir uns zu allgemeineren Betrach-tungen, so werden wir, mit Herrn Gay-Lussac,das Kautschuk, als den Oeltheil, als die Butter derPflanzenmilch ansehen. Man findet ja, wie in derPflanzenmilch Käsestoff und Kautschuk, so in derthierischen Käsestoff und Butter. Diese beiden Prin-zipe, das Eyweißstoffige und das Oelige unterscheidensich in ihrer Zusammensetzung in den verschiedenen
*) Ponchos y Ruanas encauchadas entre dos telas.
|242| Thiergattungen so wie in denen der milchgebendenPflanzen. In den letzteren sind sie meistens mit an-dern Stoffen gemischt, die als Nahrungsmittel schäd-lich wären, aber die man vielleicht durch chemischeProcesse auszuscheiden lernen könnte. Nährend wirdeine Pflanzenmilch, wenn sie keinen scharfen undnarkotischen Stoff und weniger Kautschuck als käse-artige Masse enthält.