Ueber die Milch des Kuhbaums und die Milch der Pflanzen überhaupt von de Humboldt. Wir hörten in den Thälern von Aragua seit mehrern Wochen von einem Baume reden, dessen Saft eine nährende Milch sey, den die Neger häufig tränken, und der Kuhbaum (palo de vaca) genannt wurde; da alle Milchsäfte der Pflanzen scharf, bitter und mehr oder weniger giftig sind; so kam uns das sonderbar vor; wir wurden aber von der Richtigkeit während unseres Aufenthaltes zu Barbula in der Provinz Caraccas durch eigene Versuche überzeugt. Dieser schöne Baum sieht wie der Caimitier (Chrysophyllum Cainito) aus, und scheint zur Familie der Sapoten zu gehören. Blätter länglich, spitzig, lederig, abwechselnd, 10 Zoll lang, Seitenadern parallel, unten vorspringend. Blumen nicht gesehen, Frucht etwas fleischig, enthält 1 bisweilen 2 Nüsse. Eingeschnitten gibt der Stamm eine klebrige, dickliche, angenehm balsamartig riechende Milch ohne alle Schärfe. Man gab sie uns in Früchten von Tutumo oder in Calebassen, und wir tranken Abends und Morgens viel ohne Schaden. Die Einwohner tunken Brod von Mais oder Manioc hinein, Aropa und Cassave, wovon sie fett werden. An der Luft bekommt der Saft eine gelbliche, fädige Haut wie Käs, und fast wie Katschuk, fault aber nachher wie Gallert. Der Quark oder Zieger heißt da Käs und wird in 5 bis 6 Tagen sauer. Der Baum scheint den Strand-Cordilleren eigen zu seyn, besonders von Barbula bis an den See von Maracaybo. Es gibt auch einige Stämme beym Dorf San Mateo, und nach Bredmeyer, welcher die schönen Gewächshäuser von Schönbrunn und Wien so bereichert hat, auch in dem Thal von Caucagua, drey Tagreisen östlich von Caraccas, wo ihn die Einwohner Milchbaum (Arbol de leche) nennen. Lang ehe die Chemiker im Blühtenstaub, im Laubfirniß und im weißen Zwetschen- und Traubenthau das Bischen Wachs entdeckt haben, machten die Einwohner von der Anden Quindiu Kerzen aus der dicken Wachsschicht, welche den Stamm einer Palme überzieht. Vor wenig Jahren entdeckte man in Europa den Kässtoff in der Mandelmilch; in dem Küstengebürge von Venezuela genießt man seit Jahrhunderten die Milch und deren Käs von einem Baum. Das Stärkemehl unsrer Getraidkörner findet sich in einem scharfen und manchmal giftigen Saft in der Wurzel von Arum, Tacca pinnatifida und Jatropha Manihot. Die Wilden wissen diese Stärke zu reinigen. In den Pflanzenmilchen sind sehr nahrhafte Theile, wie Eyweiß, Kässtoff, Zucker mit Katschuck, ätzenden und giftigen Stoffen verbunden, wie die Morphine, die Blausäure. Jene in den Mohngewächsen, Katschuck in Hevea und Castilloa; im Papayabaum und Kuhbaum ist Eiweiß und Kässtoff. Die Milchpflanzen gehören vorzüglich drey Familien an, den Euphorbiaceen, Urticeen, Apocyneen, von denen am meisten Gattungen in den Niedrigungen der heißen Zone wachsen, und man daher schließen darf, daß eine sehr hohe Temperatur zur Ausarbeitung der Milchsäfte, zur Bildung des Katschuks des Eyweißes und des Kässtoffes beyträgt. Obschon die Sippen Euphorbia und Asclepias im allgemeinen ätzende Stoffe liefern, gibt es doch auch einige Gattungen mit milden und unschuldigen Säften, wie Tabayba dulce (Euph. balsamifera) der canarischen Inseln und Asclep. lactifera von Ceylon, wo man nach Burrmann die Milch genießt, und sie mit Gemüße kocht wie thierische Milch. Vielleicht nimmt man sie aber nur von jungen Pflanzen, in denen der scharfe Stoff noch nicht entwickelt ist; so ißt man in verschiedenen Ländern die ersten Sprossen von Apocyneen. Der Milchsaft von Cactus mammillaris ist auch mild. Man kann die Milchsäfte, welche sich in den Pflanzen bewegen, mit den Milchen vergleichen, welche man aus den Früchten der Mandel- und Palmbäume macht. Ich habe in den Thälern von Aragua den Saft der Carica papaya untersucht, den seitdem Vauquelin zerlegt, und auch das Eyweiß und den Kässtoff gefunden hat. Doch hatte sein Saft schon gegohren. Je jünger die Frucht, je mehr gibt sie Milch; mit dem Reifen nimmt sie ab, und wird wäßriger. Gerinnt mit Säuren; das Geronnene scheint aus Katschuck, Eyweiß und Kässtoff zu bestehen. So kann man auch aus der Milch der Euphorbien, Veilchen und der Hevea (Katschukbaum) das Katschuck fällen. Dieses bildet sich übrigens noch schneller an der Luft. Zur Bildung der Butter ist bekanntlich Sauerstoffgas nicht erforderlich. Im spanischen America macht man die wasserdichten Mäntel, indem man eine Schicht Milch von der Hevea zwischen Zeug und Futter bringt. Die Frucht des Brodbaums ist nicht mehr Brod, als es die Bananen vor ihrer Reife sind, oder die knolligen stärkehaltigen Wurzeln von Manioc, Dioscorea, Convolv. Batatas und den Kartoffeln. Die Milch des Kuhbaums dagegen enthält schon die käsige Materie geformt wie thierische Milch, das Katschuck ist vielleicht als die Butter der Pflanzenmilch zu betrachten. In der Pflanzenmilch findet man Kässtoff und Katschuk beysammen wie in der Thiermilch Käs und Butter.