Der Vulkan von Teneriffa. (Abgekürzt.) Bis an den Felſen von la Gayta oder den Eingang in die große Ebene der Pfriemenkräuter iſt der Pik von Teneriffa mit einer ſchönen Vegetazion bedeckt; nichts trägt auf demſelben den Charakter einer neuen Zerſtörung. Man würde den Abhang eines Vulkans zu durchwandern glauben, deſſen Feuer ſeit ſo langer Zeit her erloſchen iſt, wie jenes des Monte-Cavo bei Rom. Kaum kommt man auf der mit Bimsſtein bedeckten Ebene an, ſo verändert die Landſchaft ihr Anſehen: mit jedem Schritte begegnet man ungeheuren Blöcken von Obſidian, welche durch den Vulkan ausgeworfen wurden. Alles verkündigt daſelbſt eine tiefe Einſamkeit; einige Ziegen und Kaninchen durchirren allein dieſe Ebene. Der unfruchtbare Theil des Piks nimmt über zehn Quadratmeilen ein, und da die untern Gegenden, von ferne geſehen, verkürzt erſcheinen, ſo hat die Inſel das Anſehen eines ungeheuren Haufens verbrannter Materien, um welchen die Vegetazion nur einen ſchmalen Saum bildet. Bei dem Austritte aus der Region des Spartium nubigenum gelangten wir durch enge Schlünde und kleine Schluchten, welche die Bergſtröme in ſehr alten Zeiten ausgewühlt haben, zuerſt auf eine höhere Gebirgsplatte, ſodann an den Ort, wo wir die Nacht zubringen mußten. Die Stazion, die über 1530 Toiſen Höhe über die Seeküſten hat, führt den Namen: «Halte der Engländer», ohne Zweifel, weil ehemals vorzugsweiſe engliſche Reiſende den Pik beſuchten. Zwei geneigte Felſen bilden eine Art von Höhle, welche einen Zufluchtsort gegen den Wind darbietet, und bis an dieſen Punkt, der ſchon höher als die Spitze des Canigou, kann man auf Maulthieren reiten; auch bleiben viele Neugierige, die bei ihrer Abreiſe von Oratava an den Rand des Kraters zu kommen glaubten, an dieſem Punkt ſtehen. Obgleich in der Mitte des Sommers und unter dem ſchönen Himmel Afrika’s, litten wir doch während der Nacht von der Kälte. Das Thermometer fiel bis auf 5°. Unſere Führer machten ein großes Feuer mit trockenen Aeſten von Retama. Ohne Zelt und ohne Mäntel legten wir uns auf einen Haufen verbrannter Steine, und wir wurden durch die Flammen und den Rauch, welchen der Wind immer gegen uns herblies, ſehr beläſtigt. Wir hatten verſucht mittelſt zuſammengebundener Tücher eine Art von Windſchirm zu errichten, aber das Feuer ergriff die Einfaſſung, und wir bemerkten dies erſt, nachdem der größte Theil davon durch die Flammen verzehrt war. Wir hatten niemals eine Nacht in ſolcher Höhe zugebracht, und ich bildete mir damals nicht ein, daß wir eines Tages auf dem Rücken der Cordilleren Städte bewohnen würden, deren Boden höher läge, als der Gipfel des Vulkans, welchen wir den folgenden Tag erreichen ſollten. Je kälter es wurde, deſto mehr bedeckte ſich der Pik mit dichten Wolken. Die Nacht unterbricht den Zug des aufſteigenden Luftſtromes, der ſich während des Tages von den Ebenen in die hohen Regionen der Atmoſphäre erhebt, und die Luft verliert, indem ſie ſich erkältet, ihre auflöſende Kraft auf das Waſſer. Der Nordwind jagte gewaltig die Wolken, der Mond blickte bisweilen durch die Dünſte, und ſeine Scheibe erſchien auf einem außerordentlich dunklen Blau; der Anblick des Vulkans gab dieſer nächtlichen Szene einen majeſtätiſchen Charakter. Bald war der Pik unſern Blicken durch die Nebel völlig entzogen, bald erſchien er in einer furchtbaren Nähe, und einer ungeheuern Pyramide ähnlich, warf er ſeinen Schatten auf die Wolken, welche unter uns lagen. Gegen drei Uhr des Morgens machten wir uns bei dem düſtern Schein einiger fichtenen Fackeln auf den Weg nach dem Gipfel des Pitons. Man kommt dem Vulkan von der nordöſtlichen Seite aus bei, wo die Abhänge außerordentlich ſteil ſind, und wir gelangten nach zwei Stunden auf eine kleine Ebene, die wegen ihrer iſolirten Lage den Namen Alta Vista führt. Ueber dieſem Punkt beginnt das Malpays, eine Benennung, mit welcher man hier, wie in Mexiko, in Peru und überall, wo es Vulkane gibt, ein von Dammerde entblößtes und mit Bruchſteinen von Lava bedecktes Erdreich bezeichnet. Wir machten einen Umweg rechts, um die Eishöhle zu unterſuchen, welche in einer Höhe von 1728 Toiſen und mithin unter der Gränze liegt, wo in dieſer Zone der ewige Schnee anfängt. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Kälte, welche in dieſer Höhle herrſcht, von denſelben Urſachen herrührt, die das Eis in den Höhlungen des Jura und der Apenninen erhalten, und über welche die Meinungen der Phyſiker noch getheilt ſind. Die natürliche Eishöhle des Piks hat übrigens keine ſolche ſenkrechten Oeffnungen, durch welche die warme Luft entweichen kann, während die kalte Luft unbeweglich auf dem Boden bleibt. Es ſcheint, daß ſich das Eis ſowohl durch ſeine Anhäufung als dadurch erhält, daß ſein Schmelzen durch die von ſchneller Verdünſtung hervorgebrachte Kälte verzögert wird. Dieſer kleine unterirdiſche Gletſcher befindet ſich in einer Gegend, deren mittlere Temperatur wahrſcheinlich nicht unter 3° beträgt, und er wird nicht, wie die eigentlichen Gletſcher der Alpen, durch Schneewaſſer erhalten, welche von dem Gipfel der Alpen kommen. Während des Winters füllt ſich die Höhle mit Eis und Schnee, und da die Strahlen der Sonne nicht weiter als bis an die Oeffnung reichen, ſo iſt ihre Wärme nicht hinreichend, den Behälter zu entleeren. Die Exiſtenz einer natürlichen Eishöhle hängt folglich weniger von der abſoluten Erhöhung der Höhlung und von der mittlern Temperatur der Luftſchichte ab, in der ſie ſich befindet, als von der Menge des im Winter hereinkommenden Schnees und der geringen Wirkung warmer Winde, die im Sommer wehen. Die im Innern eines Berges eingeſchloſſene Luft iſt ſchwer von der Stelle zu bewegen, wie dies der Monte-Teſtaccio zu Rom beweiſt, deſſen Temperatur ſo ſehr verſchieden von jener der ihn umgebenden Luft iſt. Es fing an zu tagen, als wir die Eishöhle verließen. Wir beobachteten jetzt während der Dämmerung eine auf hohen Bergen ziemlich gemeine Erſcheinung, welche aber die Lage des Vulkans, auf dem wir uns befanden, ziemlich auffallend machte. Eine Lage von weißen und flockigen Wolken entzog uns den Anblick des Ozeans und der niedern Gegenden der Inſel. Die Lage ſchien nur 800 Toiſen hoch zu ſein; die Wolken waren ſo gleichförmig verbreitet, und hielten ſich ſo genau in einer wagrechten Ebene, daß ſie das Anſehen einer ungeheuren, mit Schnee bedeckten Plaine darſtellten. Die koloſſale Pyramide des Piks, die vulkaniſchen Spitzenden Lancerote, Fortaventura und Palma erhoben ſich wie Klippen aus der Mitte dieſes ungeheuren Dunſtmeeres: ihre ſchwärzlichen Teinten kontraſtirten mit der Weiße der Wolken. Ich wünſchte genau den Augenblick des Aufgangs der Sonne in einer ſo beträchtlichen Höhe, wie die, welche wir auf dem Pik erreicht hatten, beobachten zu können. Kein Reiſender, der mit Inſtrumenten verſehen war, hatte noch eine ſolche Beobachtung gemacht. Ich hatte eine Fernröhre und ein Chronometer, deſſen Gang ich ſehr genau kannte. Auf der Seite, wo die Sonnenſcheibe erſcheinen mußte, war der Horizont frei von Wolken. Wir bemerkten den erſten Rand um 4 St. 48′ 55″ wahrer Zeit, und was merkwürdig iſt, der erſte leuchtende Punkt der Scheibe berührte unmittelbar die Gränze des Horizonts; folglich ſahen wir den wahren Horizont, d. h. einen Theil des Meeres, in der Entfernung von mehr als 43 Meilen. Es iſt durch Berechnung erwieſen, daß unter der nämlichen Parallele der Aufgang der Sonne in der Ebene um 5 St. 1′ 50,4″ oder 11′ 51,3″ ſpäter, als auf der Höhe des Piks hätte erſcheinen müſſen. Der beobachtende Unterſchied war 12′ 55″, welches ohne Zweifel von der Ungewißheit der Refrakzionen für eine Zenithdiſtanz, wo es an Beobachtung fehlt, herrührt. Wir wurden durch die außerordentliche Langſamkeit in Erſtaunen geſetzt, mit welcher der untere Rand der Sonne ſich von dem Horizont loszumachen ſchien. Dieſer Rand wurde erſt um 4 St. 56′ 56″ ſichtbar. Die Sonnenſcheibe, ſehr abgeplattet, erſchien rein begränzt; es gab während des Aufgangs kein reines Bild, noch eine Verlängerung des untern Randes. Da die Dauer des Aufgangs dreimal ſo groß war, als wir in dieſer Breite erwarten mußten, ſo muß man annehmen, daß eine Lage von Nebel, welche ſehr gleichförmig verbreitet war, den wahren Horizont verbarg und der Sonne in dem Maße folgte als ſie ſich erhob. Trotz dem Schwanken der Sterne, das wir gegen Oſten beobachtet hatten, wird man ſchwerlich die Langſamkeit des Aufgangs einer außerordentlichen Refrakzion der Lichtſtrahlen, welche von dem Horizont des Meeres herkamen, zuſchreiben können; denn gerade bei dem Aufgang der Sonne erniedrigt ſich der Horizont wegen der Erhöhung der Temperatur, welche die Luftſchichte erleidet, die unmittelbar auf der Oberfläche des Ozeans aufliegt. Der Weg, den wir quer über das Malpays zu nehmen genöthigt waren, iſt außerordentlich ermüdend; er geht ſteil aufwärts, und die Blöcke von Lava wichen unter unſern Füßen. Ich kann dieſen Theil des Weges mit nichts vergleichen als mit der Moraine der Alpen oder jener Anhäufung von Geröllen, welche man unter den Gletſchern antrifft; auf dem Pik haben dieſe Trümmer der Laven ſcharfe Kanten, und es finden ſich oft Gruben zwiſchen ihnen, in die man mit der Hälfte des Körpers zu fallen, Gefahr läuft. Unglücklicherweiſe trug die Trägheit und der ſchlechte Wille unſerer Wegweiſer viel dazu bei, uns dieſes Bergſteigen beſchwerlich zu machen: ſie waren weder denen vom Thal Chamouny noch den flinken Guanen ähnlich, von denen man erzählt, daß ſie ein Kaninchen oder eine wilde Ziege im Laufen fangen. Unſere Canariſchen Wegweiſer waren von einem Phlegma zum Verzweifeln; ſie wollten uns den Abend vorher überreden, nicht über die Stazion der Felſen hinaus zu gehen; ſie ſetzten ſich von zehn zu zehn Minuten, um auszuruhen, warfen die Stücke von Obſidian und Bimsſtein weg, welche wir mit Sorgfalt geſammelt hatten, und wir entdeckten, daß keiner von ihnen auf dem Gipfel des Vulkans geweſen war. Nach drei Stunden Weges kamen wir an dem Ende des Malpays auf einer kleinen Ebene an, melche man la Rambleta nennt; in der Mitte derſelben erhebt ſich der Piton oder der Zuckerhut. Von der Seite von Orotava ähnelt dieſer Berg jenen ſtaffelförmigen Pyramiden, welche man in Fejoum und in Mexiko antrifft; denn die Ebenen von Retama und von Rambleta bilden zwei Etagen, wovon die erſte viermal höher iſt als die zweite. Wenn man die ganze Höhe des Piks zu 1904 Toiſen annimmt, ſo iſt la Rambleta 1820 Toiſen über die Oberfläche des Meeres erhoben. Hier findet man die Luftlöcher, welche die Eingebornen mit dem Namen Naſenlöcher des Piks bezeichnen. Wäſſerige und heiße Dünſte dringen von Zeit zu Zeit aus mehreren Spalten, welche ſich in dem Erdreich befinden, hervor; wir ſahen daſelbſt das Thermometer auf 43°, 2 ſteigen. Der ſchroffſte Theil des Berges blieb uns noch zu beſteigen übrig, der Piton, welcher den höchſten Gipfel bildet. Der Abhang dieſes kleinen Kegels, mit vulkaniſchen Aſchen und Bruchſtücken von Bimsſtein bedeckt, iſt ſo ſteil, daß es faſt unmöglich wäre, die Spitze zu erreichen, wenn man nicht einem alten Lavaſtrom folgte, welcher aus dem Krater gefloſſen zu ſein ſcheint, und deſſen Trümmer den Verwüſtungen der Zeit widerſtanden. Dieſe Trümmer bilden eine Mauer von verſchlackten Felſen, welche ſich mitten durch die beweglichen Aſchen erſtreckt. Wir beſtiegen den Piton, indem wir uns an dieſen Schlacken hielten, deren Kanten ſehr ſcharf ſind, und die halb zerſetzt uns oft in der Hand blieben. Wir brauchten nahezu eine halbe Stunde, um einen Hügel zu erſteigen, deſſen perpendikulare Höhe kaum 90 Toiſen beträgt. Der Veſuv, welcher dreimal niederer iſt als der Vulkan von Teneriffa, endigt ſich in einen dreimal höheren Aſchenhügel, deſſen Abhang aber viel ſanfter und zugänglicher iſt. Unter allen Vulkanen, welche ich beſucht habe, bietet nur der Jorullo in Mexiko größere Hinderniſſe als der Pik dar, weil der ganze Berg mit beweglicher Aſche bedeckt iſt. Wenn der Zuckerhut mit Schnee bedeckt iſt, wie im Anfang des Winters, ſo kann die ſteile Lage ſeines Abhanges den Reiſenden in die größte Gefahr ſetzen. Le Gros zeigte uns den Ort, wo der Kapitän Baudin bei ſeiner Reiſe auf die Inſel Trinidad hätte zu Grunde gehen können. Dieſer Offizier hatte den Muth gehabt, in Verbindung mit den Naturaliſten Adrenier, Mauger und Riedlé gegen das Ende des Dezembers im Jahre 1797 eine Reiſe auf den Gipfel des Vulkans zu unternehmen. Als er auf die Hälfte der Höhe des Kegels gekommen war, fiel er und rollte bis auf die kleine Ebene Rambleta herab; glücklicherweiſe hinderte ihn ein Haufen Laven, welcher mit Schnee bedeckt war, mit beſchleunigter Geſchwindigkeit noch weiter herab zu fallen. Man verſicherte mich, in der Schweiz einen Reiſenden gefunden zu haben, welcher durch das Herunterrollen auf dem Abhang des Col de Balme, der mit dem feſten Raſen der Alpen überzogen iſt, erſtickt worden war. Als wir auf der Spitze des Piton ankamen, waren wir erſtaunt, daſelbſt kaum ſo viel Platz zu finden, um bequem ſitzen zu können. Wir wurden durch eine kleine kreisförmige Mauer von porphyrartiger Lava, deren Hauptmaſſe Pechſtein war, aufgehalten; dieſe Mauer entzog uns den Anblick des Kraters. Der Weſtwind wehte mit ſolcher Heftigkeit, daß wir Mühe hatten, uns auf den Beinen zu halten. Es war 8 Uhr Morgens, und wir waren erſtarrt vor Kälte, ungeachtet ſich das Thermometer ein wenig über dem Gefrierpunkt erhielt. Seit langer Zeit waren wir an eine ſehr hohe Temperatur gewöhnt, und der trockene Wind vermehrte die Empfindung der Kälte, weil er jeden Augenblick die kleine warme und trockene Luftſchichte wegführte, welche ſich durch die Hautausdünſtung um uns her bildete. Der Krater des Piks ähnelt ſeinem Rand nach nicht denen der meiſten andern Vulkane, welche ich beſucht habe, z. B. den Kratern des Veſuvs, des Jorullo und des Pichincha. Bei dieſen erhält der Piton ſeine koniſche Form bis an die Spitze, ihr ganzer Abhang iſt gleich geneigt und gleichförmig mit einer Schichte ſehr zertheilten Bimsſteins überdeckt; kommt man auf die Spitze dieſer drei Vulkane, ſo hindert nichts, den Boden des Schlunds zu ſehen. Der Pik von Teneriffa und der Cotopaxi im Gegentheil haben eine ſehr verſchiedene Struktur; ſie haben auf ihrem Gipfel einen Grat oder eine kreisförmige Mauer, welche den Krater umgibt; von ferne ſieht dieſe Mauer wie ein kleiner Cylinder aus, welcher auf einem abgeſtumpften Kegel ſitzt. Auf dem Pik von Teneriffa iſt der Grat oder Kamm, welcher den Krater wie eine Bruſtwehr umgibt, ſo hoch, daß er völlig den Zugang zu der Caldera hindern würde, wenn ſich nicht auf der weſtlichen Seite eine Oeffnung fände, welche die Wirkung eines Erguſſes ſehr alter Lava zu ſein ſcheint. Durch dieſe Oeffnung ſtiegen wir in den Boden des Trichters hinab, deſſen Figur elliptiſch iſt; die große Axe liegt von Nordweſt nach Südoſt, nahe zu N. 25° W. Die größte Breite der Oeffnung ſchien uns 300 Fuß, die kleinſte 200. Die äußern Ränder der Caldera ſind beinahe ſenkrecht: ihr Anſehen iſt demjenigen ähnlich, welches der Somma von Atrio dei Cavalli aus geſehen darbietet. Wir ſtiegen in den Boden des Kraters auf einen Strich zerbrochener Laven, der ſich an der öſtlichen Oeffnung der Einfaſſung endigt. Die Wärme war nur an einigen Spalten bemerkbar, aus denen ſich Waſſerdünſte mit einem eigenen Brauſen entwickelten. Einige dieſer Luftlöcher oder Spalten befinden ſich außerhalb der Einfaſſung an dem äußern Rand der Bruſtwehr, welche den Krater umgibt. Als wir das Thermometer hinein hielten, ſahen wir es ſchnell auf 68 und 75 Grade ſteigen. Es zeigte ohne Zweifel eine höhere Temperatur an, aber wir konnten das Inſtrument nur beobachten, nachdem wir es herausgenommen hatten, aus Furcht, uns die Hände zu verbrennen. Cordier fand mehrere Spalten, deren Wärme derjenigen des ſiedenden Waſſers gleich war. Ich habe an Ort und Stelle die Anſicht des innern Randes des Kraters gezeichnet, wie er ſich darſtellt, wenn man zur öſtlichen Oeffnung hinabſteigt. Nichts iſt auffallender als die Uebereinſtimmung der Lavaſchichten, welche dieſelben Biegungen wie die Kalkfelſen in den Hochalpen darſtellen. Bald horizontal, bald geneigt und wellenförmig gekrümmt, erinnern dieſe enormen Bänke an die ehemalige Flüßigkeit der ganzen Maſſe und an die Vereinigung mehrerer ſtörenden Urſachen, welche die Richtung jedes Ausfluſſes beſtimmten. Die Grube der kreisförmigen Mauer zeigt die bizarren Verwüſtungen; welche man bei der entſchwefelten Steinkohle wahrnimmt. Der nördliche Rand iſt der höchſte, gegen Südweſt iſt die Umgürtung bedeutend eingeſunken, und eine enorme Maſſe verſchlackter Laven ſcheint daſelbſt an das Ende des Rands angebacken. Gegen Weſten iſt der Felſen bis nach außen geſpalten, und eine weite Ritze läßt den Horizont des Meeres erblicken. Die Gewalt der elaſtiſchen Dämpfe hat vielleicht dieſe Spalte im Augenblick gebildet, als die aus dem Krater kommenden Laven über den Rand desſelben austraten. Das Innere dieſes Trichters verkündet einen Vulkan, welcher ſeit Tauſenden von Jahren nur durch ſeine Seiten Feuer ausgeworfen hat. Dieſe Behauptung gründet ſich nicht auf den Mangel großer Oeffnungen, welche man im Boden der Caldera zu finden erwarten könnte. Die Phyſiker, welche ſelbſt die Natur ſtudiert haben, wiſſen, daß viele Vulkane in den Zwiſchenzeiten von einem Ausbruch zum andern ausgefüllt und erloſchen ſcheinen, daß aber in dieſen nämlichen Bergen der vulkaniſche Schlund Schichten von äußerſt unebenen, klingenden und glänzenden Schlacken darbietet. Man bemerkt daſelbſt kleine Hügel, Aufblähungen, welche durch die elaſtiſchen Dämpfe bewirkt ſind, Kegel von zerkleinerten Schlacken und Aſchen, unter denen Dampflöcher verborgen ſind. Keine dieſer Erſcheinungen charakteriſirt den Krater des Piks von Teneriffa: ſein Grund blieb nicht in dem Zuſtand, welcher durch das Ende eines Ausbruchs herbeigeführt wird. Durch den Lauf der Zeit und durch die Wirkung der Dünſte rißen ſich die Wandungen los und bedeckten das Becken mit großen Blöcken ſteinartiger Laven. Man gelangt ohne Gefahr auf den Boden der Caldera. Bei einem Vulkan, deſſen Thätigkeit vorzugsweiſe gegen die Spitze gerichtet iſt, wie bei dem Veſuv, verändert ſich die Tiefe des Kraters vor und nach jedem Ausbruch; aber bei dem Pik von Teneriffa ſcheint dieſe Tiefe ſeit langer Zeit die nämliche geblieben zu ſein. Edens ſchätzte ſie im Jahre 1715 zu 115 Fuß, Cordier im Jahre 1803 zu 110 Fuß. Nach dem bloßen Augenmaß zu beurtheilen, hätte ich den Trichter für noch weniger tief gehalten. Sein gegenwärtiger Zuſtand iſt der einer Solfatara: er bietet eher einen Gegenſtand zu intereſſanten Nachforſchungen als einen impoſanten Anblick dar. Das Majeſtätiſche der Gegend beruht auf der Erhöhung über die Oberfläche des Ozeans aus der tiefen Einſamkeit dieſer hohen Gegenden und auf der unermeßlichen Weite, welche das Auge von der Spitze des Berges umfaßt. Die Mauer von kompakten Laven, welche den Gürtel der Caldera bildet, iſt ſchneeweiß auf ihrer Oberfläche. Dieſe nämliche Farbe herrſcht im Innern der Solfatara von Puzzoli. Wenn man dieſe Laven, die man von Weitem für Kalkſteine halten würde, zerbricht, ſo findet man darin einen bräunlich ſchwarzen Kern. Der Pechſteinporphyr iſt äußerlich durch die langſame Wirkung der Dämpfe von ſchwefelig ſaurem Gas gebleicht. Dieſe Dämpfe entwickeln ſich im Ueberfluß, und was merkwürdig iſt, aus Spalten, die keine Verbindung mit den Luftlöchern zu haben ſcheinen, durch welche ſich die Waſſerdämpfe ziehen. Man kann ſich von der Gegenwart der ſchwefeligen Säure überzeugen, wenn man die ſchönen Kryſtalle von Schwefel betrachtet, die man überall zwiſchen den Spalten der Laven abgeſetzt findet. Dieſe Säure, mit der Feuchtigkeit des Bodens verbunden, verwandelt ſich durch die Berührung des Sauerſtoffes der Atmoſphäre in Schwefelſäure. Ueberhaupt iſt auf dem Krater des Piks die Feuchtigkeit mehr zu fürchten als die Wärme, und man findet ſeine Kleider zerfreſſen, wenn man lange auf dem Boden ſitzen bleibt. Während ich an dem nördlichen Rand des Kraters ſaß, grub ich ein Loch von einigen Zoll Tiefe; das Thermometer in dieſes Loch geſteckt, ſtieg ſchnell auf 42°. Man kann daraus abnehmen, welche Hitze in dieſer Solfatara in einer Tiefe von 30 bis 40 Toiſen herrſchen muß. Der Schwefeldampf ſetzt ſich in ſchönen Kryſtallen ab, welche indeß an Größe denen nicht gleich kommen, die der Chevalier Dolomieu aus Sicilien zurückgebracht hat: es ſind Oktaeder, halb durchſichtig; ſehr glänzend an der Oberfläche und von muſchelichtem Bruch. Dieſe Maſſen, die vielleicht einſtens einen Gegenſtand für den Bergbau abgeben werden, ſind beſtändig mit ſchwefeliger Säure benetzt. Ich hatte die Unvorſichtigkeit, ſie zur Aufbewahrung einzuwickeln; aber ich bemerkte bald, daß die Säure nicht nur das Papier, in welchem ſie enthalten waren, ſondern unglücklicher Weiſe auch einen Theil meines mineralogiſchen Tagebuches zerfreſſen hatte. Die Reiſe auf die Spitze des Vulkans von Teneriffa iſt nicht nur wegen der großen Anzahl von Erſcheinungen intereſſant, welche ſich unſern wiſſenſchaftlichen Forſchungen darbieten: ſie iſt es noch mehr durch die maleriſchen Schönheiten, die ſich denen darbieten, welche die Majeſtät der Natur lebhaft empfinden. Es iſt ein ſchwieriges Beſtreben, dieſe Empfindungen zu malen, ſie wirken um ſo ſtärker auf uns, als ſie etwas gewiſſes Unbeſtimmtes haben, welches durch die Unermeßlichkeit des Raumes wie durch die Größe, Neuheit und Mannigfaltigkeit der Gegenſtände, in deren Mitte wir uns verſetzt finden, hervorgebracht wird. Wenn ein Reiſender die höchſten Gipfel unſers Erdballs, die Katarakten großer Ströme, die gewundenen Thäler der Anden beſchreiben ſoll, ſo läuft er Gefahr, ſeine Leſer durch den einförmigen Ausdruck ſeiner Bewunderung zu ermüden. Es ſcheint mir dem Plan, den ich mir bei dieſer Erzählung vorgeſetzt habe, angemeſſener, den beſonderen Charakter anzugeben, der jede Zone unterſcheidet. Man unterrichtet um ſo mehr über die Phyſiognomie einer Landſchaft, je mehr man ſich bemüht, die individuellen Züge zu zeichnen, ſie unter einander zu vergleichen und durch dieſe Art von Analyſen die Quellen der Genüſſe zu entdecken, welche uns das große Gemälde der Natur darbietet. Die Erfahrung hat die Reiſenden belehrt, daß die Spitzen ſehr hoher Berge ſelten eine ſo ſchöne Ausſicht, ſo mannigfaltige maleriſche Wirkungen darbieten, als die Bergſpitzen, deren Höhe die des Veſuvs, des Rigi und des Puy-de-Dôme nicht überſteigt. Koloſſale Berge, wie der Chimborazzo, der Antiſana oder der Mont-Roſa haben eine ſo bedeutende Maſſe, daß die Ebenen, welche mit einer reichen Vegetazion bedeckt ſind, nur in einer großen Entfernung geſehen werden, und daß ein bläulicher Duft gleichförmig über die Landſchaft verbreitet iſt. Der Pik von Teneriffa vereinigt durch ſeine ſchlanke Geſtalt und durch ſeine lokale Lage die Vortheile, welche weniger hohe Bergſpitzen haben, mit denen, welche von einer ſehr großen Höhe entſpringen. Nicht nur entdeckt man an ſeinem Gipfel einen ungeheuren Horizont von Meer, der ſich über die höchſten Berge der benachbarten Inſeln erhebt, ſondern man ſieht auch die Wälder von Teneriffa und den bewohnten Theil der Küſte in derjenigen Nähe, welche geeignet iſt, die ſchönſten Kontraſte von Form und von Farbe hervorzubringen. Man könnte ſagen, der Vulkan erdrücke mit ſeiner Maſſe die kleine Inſel, welche ihm zur Grundlage dient; er ſchwingt ſich aus dem Schoß der Gewäſſer zu einer Höhe, die dreimal größer iſt als die, in welcher im Sommer die Wolken ſchweben. Wenn ſein Krater, welcher ſeit Jahrhunderten halb erloſchen iſt, Feuerbüſchel ausſtrömte, wie der von Stromboli auf den äoliſchen Inſeln, ſo würde der Pik von Teneriffa, einem Leuchtthurm ähnlich, dem Schifffahrer in einem Umfang von mehr als 260 Meilen zur Richtung dienen. Als wir auf dem äußern Rand des Kraters ſaßen, richteten wir unſern Blick nach Nordweſt, wo die Küſten mit Dörfern und Weilern geziert ſind. Zu unſern Füßen gaben Haufen von Dünſten, die beſtändig von den Winden getrieben wurden, das mannigfaltigſte Schauſpiel. Ein gleichförmige Schichte von Wolken war an mehreren Stellen durch kleine Luftſtröme unterbrochen worden, welche die von der Sonne erhitzte Erde uns zuſchickte. Der Hafen von Orotava, die darin vor Anker liegenden Schiffe, die Gärten und Weinberge, mit denen die Stadt umringt iſt, wurden durch eine Oeffnung ſichtbar, welche mit jedem Augenblicke größer zu werden ſchien. Von der Höhe dieſer einſamen Gegenden berührten unſere Blicke eine bewohnte Welt; wir genoßen den auffallenden Kontraſt, den die entblößten Seiten des Piks, ſeine ſteilen, mit Schlacken bedeckten Abhänge, ſeine aller Vegetazion beraubten Ebenen mit dem lachenden Anblick bebauter Gegenden machen; wir ſahen die Pflanzen nach Zonen geordnet, je nachdem die Wärme der Atmoſphäre mit der Höhe der Lage abnimmt. Unter dem Piton fangen Lichenen an die verſchlackten und auf der Oberfläche glänzenden Laven zu bedecken; eine Veilchenart, verwandt der Viola decumbens, erhebt ſich auf dem Abhang des Vulkans bis auf 1740 Toiſen Höhe, ſie ſteigt nicht nur höher als die andern krautartigen Pflanzen, ſondern auch als die Gräſer, welche auf den Alpen und auf dem Rücken der Cordilleren unmittelbar die kryptogamiſchen Pflanzen berühren. Büſchel von Retama, mit Blumen beladen, zieren die kleinen Thäler, welche die Bergſtröme gegraben haben, und die durch die Wirkung der Seitenausbrüche verſchloſſen ſind; unter der Retama kommt die Region der Farrenkräuter, begränzt durch die baumartigen Heiden. Wälder von Lorbeern, von Rhamnus und von Erdbeerbäumen trennen die Heiden von den mit Reben und Fruchtbäumen bepflanzten Abhängen. Ein reicher Teppich von Grün erſtreckt ſich von der Ebene der Pfriemen und von der Zone der Alpenpflanzen bis zu den Gruppen von Datteln und Muſa, deren Fuß der Ozean zu beſpülen ſcheint. Die ſcheinbare Nähe, in welcher man von dem Gipfel des Piks die Dörfer, die Weinberge und die Gärten der Küſte ſieht, wird durch die außerordentliche Durchſichtigkeit der Atmoſphäre vermehrt. Trotz der großen Entfernung unterſchieden wir nicht nur die Häuſer, das Segelwerk der Schiffe und die Stämme der Bäume, wir ſahen auch in ſehr lebhaften Farben die reiche Vegetazion der Ebenen prangen. Dieſe Erſcheinungen ſind nicht blos Folge der Höhe der Gegend; ſie beweiſen beſondere Modifikazionen der Luft in den warmen Klimaten. In allen Zonen erſcheint ein Gegenſtand, welcher ſich an der Fläche des Meeres befindet und ſein Licht in horizontaler Richtung ausſtrahlt, weniger hell als wenn man ihn von der Spitze eines Berges ſieht, wo die Dünſte durch Luftſchichten von abnehmender Dichtigkeit ankommen. Eben ſo auffallende Unterſchiede werden durch den Einfluß der Klimate hervorgebracht; die Oberfläche eines Sees oder eines breiten Fluſſes glänzt weniger, wenn man ſie bei gleicher Entfernung von dem Gipfel der hohen Schweizeralpen, als wenn man ſie von dem hohen Gipfel der Cordilleren von Peru oder Mexiko ſieht. Je reiner und heiterer die Luft, deſto vollkommener iſt die Auflöſung der Dünſte, und deſto weniger wird das Licht bei ſeinem Durchgange geſchwächt. Wenn man von der Seite der Südſee auf der Gebirgsplatte von Quito oder von Antiſana ankommt, ſo iſt man die erſten Tage über die Nähe betreten, in welcher man auf ſieben und acht Meilen entfernte Gegenſtände zu ſehen glaubt. Der Pik von Teyde hat nicht den Vortheil, unter den Tropen gelegen zu ſein, aber die Trockenheit der Luftſäulen, welche ſich beſtändig über die benachbarten Ebenen Afrika’s erheben, und welche die Oſtwinde mit Geſchwindigkeit herbeiführen, gibt der Atmoſphäre der Canariſchen Inſeln eine Durchſichtigkeit, die nicht nur die der Luft von Neapel und Sicilien, ſondern vielleicht ſelbſt die Reinheit des Himmels von Quito und von Peru übertrifft. Dieſe Durchſichtigkeit kann als eine der Haupturſachen der Schönheit des Landes unter der heißen Zone betrachtet werden, ſie hebt den Glanz der Pflanzen, und trägt zu der magiſchen Wirkung ihrer Harmonien und Kontraſte bei. Wenn eine große Maſſe von Licht, welche um die Gegenſtände ſchwebt, während einem Theil des Tags die äußern Sinne ermüdet, ſo wird der Bewohner mittäglicher Klimate durch moraliſche Genüſſe entſchädigt. Eine helle Klarheit in den Begriffen, eine innere Heiterkeit entſpricht der Durchſichtigkeit der umgebenden Luft. Man empfindet dieſe Eindrücke, ohne daß es nöthig iſt, die Gränzen Europa’s zu verlaſſen: ich berufe mich auf die Reiſenden, welche die durch die Wunder der Einbildungskraft und Künſte berühmten Länder, die glücklichen Klimate von Griechenland und Italien, beſucht haben. Vergebens verlängerten wir unſern Aufenthalt auf dem Gipfel des Piks, um den Augenblick zu erwarten, wo wir den Anblick des ganzen Archipels der glücklichen Inſeln genießen könnten. Wir entdeckten zu unſern Füßen Palma, Gomera und Großcanaria. Die Berge von Lancerote, welche beim Aufgang der Sonne von Dünſten befreit waren, wurden bald in dunkle Wolken gehüllt. Wenn man nur eine gewöhnliche Refrakzion vorausſetzt, ſo umfaßt das Auge bei heiterer Zeit von der Spitze des Vulkans eine Oberfläche der Erde von 5700 Quadratmeilen, dem vierten Theil der Oberfläche Spaniens gleich. — Die Kälte, die wir auf dem Gipfel des Piks empfanden, war für die Jahreszeit, in der wir waren (Ende Juni), ſehr bedeutend. Das hunderttheilige Thermometer, entfernt von dem Boden und von Dampflöchern, welche heiße Dünſte ausdünſten, fiel im Schatten auf 2°,7. Wir konnten aber die Farbe des azurnen Himmelsgewölbes nicht genugſam bewundern. Ihre Intenſität am Zenith ſchien uns 41° des Cyanometers zu entſprechen. Man weiß aus den Erfahrungen von Sauſſure, daß dieſe Intenſität mit der verminderten Dichtigkeit der Luft zunimmt, und daß das nämliche Inſtrument zur nämlichen Zeit 39° auf dem Prieuré von Chamouny und 40° auf dem Gipfel des Montblanc anzeigte. Dieſer letztere Berg iſt 540 Toiſen höher als der Vulkan von Teneriffa, und wenn man ungeachtet dieſes Unterſchieds daſelbſt den Himmel in einem weniger falben Blau erblickt, ſo muß man dieſe Erſcheinung der Trockenheit der afrikaniſchen Luft und der Nähe der heißen Zone zuſchreiben. Wir ſammelten von der Luft am Rand des Kraters, um ſie während der Schifffahrt nach Amerika chemiſch zu unterſuchen. Die Flaſche blieb ſo gut verſchloſſen, daß bei ihrer Eröffnung nach einem Zeitraum von zehn Tagen das Waſſer mit Gewalt hineindrang. Mehrere Verſuche, welche in der engen Röhre des Eudiometers von Fontana mittelſt Salpetergas angeſtellt wurden, ſchienen zu beweiſen, daß die Luft des Kraters neun Hunderttheile Sauerſtoff weniger enthielt, als die Luft des Meeres: aber ich habe wenig Vertrauen zu dieſem Reſultat, das durch ein Mittel erhalten wurde, welches wir heutzutage für ziemlich unzuverläſſig anſehen. Der Krater des Piks hat ſo wenig Tiefe und die Luft erneuert ſich darin mit ſolcher Heftigkeit, daß es nicht wahrſcheinlich iſt, daß die Menge von Stickſtoff darin größer ſei als an den Küſten. Wir wiſſen überdieß durch die Erfahrungen von Gay-Luſſac und Theodor von Sauſſure, daß die Luft in den höchſten und niederſten Regionen der Atmoſphäre auf gleiche Art 0,21 Sauerſtoff enthält. Wir ſahen auf dem Gipfel des Piks keine Spur von Pſora, Lecidea oder einer andern kryptogamiſchen Pflanze. Kein Inſekt flog in den Lüften; man findet indeß einige Hymenopteren an die Maſſen von Schwefel geklebt, welcher mit ſchwefelicher Säure befeuchtet iſt und die Oeffnung der Dampflöcher überzieht. Es ſind dies Bienen, welche durch die Blumen des Spartium nubigenum herbeigezogen worden zu ſein ſcheinen, und welche ſchiefe Winde in dieſe hohen Gegenden trieben, wie die Schmetterlinge, welche Ramond auf dem Gipfel des Mont-Perdu fand. Dieſe letzteren gehen vor Kälte zu Grunde, während die Bienen des Piks verſengt werden, wenn ſie ſich unvorſichtig den Oeffnungen nähern, bei denen ſie Wärme ſuchen wollten. Ungeachtet dieſer Wärme, die man an dem Rand des Kraters in den Füßen empfindet, bleibt doch der Aſchenkegel während mehrerer Wintermonate mit Schnee bedeckt. Es iſt wahrſcheinlich, daß ſich unter der Schneedecke große Gewölbe bilden, denen ähnlich, welche man unter den Gletſchern der Schweiz findet, deren Temperatur beſtändig geringer iſt als die des Bodens, auf dem ſie ruhen. Der heftige und kalte Wind, welcher ſeit dem Aufgang der Sonne wehte, nöthigte uns, am Fuß des Piton einen Zufluchtsort zu ſuchen. Unſere Hände und das Geſicht froren, während unſere Stiefel von dem Boden, auf dem wir gingen, verbrannt waren. Wir ſtiegen in wenigen Minuten den Zuckerhut herab, den wir mit ſo vieler Mühe beſtiegen hatten, und dieſe Schnelligkeit war zum Theil unwillkürlich, denn oft rollte man über die Aſchen herab. Wir verließen ungern dieſen einſamen Ort, dieſe Gegend, in welcher ſich die Natur in ihrer ganzen Majeſtät zeigt; wir ſchmeichelten uns eines Tages, die Canariſchen Inſeln wieder zu ſehen; aber dieſes Vorhaben wurde, wie ſo viele andere, die wir damals im Sinne hatten, nicht ausgeführt. Langſam gingen wir durch das Malpays; denn der Fuß kann nicht mit Sicherheit auf beweglichen Lavablöcken ruhen. Näher bei der Stazion der Felſen wird das Herabſteigen äußerſt beſchwerlich; der Raſen, kurz und feſt, iſt ſo ſchlüpfrig, daß man, um nicht zu fallen, den Körper beſtändig rückwärts beugen muß. In der ſandigen Ebene des Retama erhob ſich das Thermometer auf 22°, 5, und dieſe Wärme ſchien uns erſtickend im Vergleich mit der Empfindung der Kälte der Luft, welche wir auf dem Gipfel des Vulkans gehabt hatten. Wir hatten durchaus kein Waſſer; unſere Führer, nicht zufrieden, uns die kleine Proviſion Malvaſier wegzutrinken, hatten auch die Gefäße, welche Waſſer enthielten, zerbrochen. Glücklicherweiſe jedoch blieb die Flaſche, in welcher wir die Luft des Kraters aufgefangen hatten, unverſehrt. Endlich genoßen wir einige Kühlung in der ſchönen Region der Farrenkräuter und der baumartigen Heiden. Eine dichte Lage von Wolken umhüllte uns; ſie erhielt ſich 600 Toiſen über der Oberfläche der Ebenen. Indem wir dieſe Lage durchſchnitten, hatten wir Gelegenheit, eine Erſcheinung zu beobachten, welche ſich uns in der Folge oft auf dem Abhang der Cordilleren darbot. Kleine Luftzüge trieben Streifen von Wolken in entgegengeſetzten Richtungen und mit verſchiedener Schnelligkeit. Wir glaubten Streifen von Waſſer zu ſehen, welche ſich ſchnell und in jeder Richtung in der Mitte einer großen Maſſe ruhenden Waſſers bewegten. Die Urſachen dieſer parziellen Bewegung der Wolken ſind wahrſcheinlich ſehr mannigfaltig; man kann ſie ſuchen entweder in einem Stoß, welcher ſehr weit herkommt, oder in kleinen Unebenheiten des Bodens, der mehr oder weniger ſtrahlende Wärme zurückwirft, dann auch in einem Temperaturunterſchied, der durch irgend einen chemiſchen Prozeß hervorgebracht wird, oder endlich in einer ſtarken elektriſchen Ladung der bläschenförmigen Dünſte. Als wir uns der Stadt Orotava näherten, begegneten wir großen Zügen von Canarienvögeln. Dieſe Vögel, die in Europa ſo bekannt ſind, waren ziemlich gleichförmig grün, einige hatten auf dem Rücken eine gelbliche Färbung, ihr Geſang war der nämliche, wie jener der zahmen Canarienvögel; man beobachtet indeſſen, daß diejenigen, welche auf der Inſel Gran-Canaria und auf der kleinen Inſel Monte-Clara bei Lancerote gefangen wurden, die ſtärkſte und zugleich am meiſten harmoniſche Stimme haben. Unter allen Zonen hat unter den Vögeln von einerlei Art jede Bande ihre eigene Sprache. Die gelben Canarienvögel ſind eine Varietät, die in Europa entſtanden iſt, und die, welche wir in Käfigen zu Orotava und zu Sainte-Croix auf Teneriffa ſahen, waren in Cadix oder in andern Häfen Spaniens gekauft worden. Aber von allen Vögeln der Canariſchen Inſeln iſt derjenige, welcher den angenehmſten Geſang hat, in Europa unbekannt: es iſt dies der Capirote, den man nie zahm machen konnte, ſo ſehr liebt er die Freiheit. Ich bewunderte ſeinen ſanften und melodiſchen Schlag in einem Garten bei Orotava, aber ich konnte ihn nicht nahe genug ſehen, um zu beſtimmen, zu welchem Geſchlecht er gehört. Was die Papageien betrifft, welche man bei dem Aufenthalte des Kapitäns Cook auf Teneriffa bemerkt zu haben glaubte, ſo haben dieſe nie anders exiſtirt als in der Erzählung einiger Reiſender, welche ſich von einander abſchreiben. Es gibt weder Papageien noch Affen auf den Canariſchen Inſeln. Alexander v. Humboldt.